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KLIMA/763: Erderwärmungsbekämpfung mit Folgen ... (SB)



Das Blaue vom Himmel lügen ... wer hätte gedacht, dass diese Redewendung, die für eine besonders geschickte Täuschung steht, weil das Blau als unveränderlich gilt, eines Tages Realität wird? Durch "Solar Geoengineering" geschähe nämlich genau das. Als vermeintliche Rettungsmaßnahme vor der globalen Erwärmung betrieben würden laufend beispielsweise schwefelhaltige Aerosole in der oberen Atmosphäre versprüht. Daraufhin nähme die diffuse Strahlung zu, das leuchtende Blau des Himmels verschwände und wiche einer milchig-grauen Farbe.

Die ultimative Antwort auf die sich verschärfende weltumspannende Klimakrise lautet folglich: Lasst uns den Teufel mit dem Beelzebub austreiben! Diese aus Hybris geborene Idee erfreut sich in einschlägigen Kreisen inzwischen wachsenden Beliebtheit. Nach rund 200 Jahren intensiver Klimabeeinflussung durch das Verbrennen fossiler Energieträger Kohle, Erdöl und Erdgas und die Nutzung der Erdatmosphäre als ungeregeltes Endlager für Abgase mit den hinreichend geschilderten Katastrophenfolgen für Mensch und Tier wird als Krisenantwort nun die Beeinflussung des Klimas durch noch mehr Schadensträger gepriesen.

Als "Plan B" im Kampf gegen die globale Erwärmung werden im wesentlichen zwei Methoden des Geoengineerings diskutiert. Erstens die Beeinflussung des globalen Kohlenstoffkreislaufs durch das Entfernen von Kohlenstoffdioxid (CO₂) aus der Atmosphäre - in der englischsprachigen Fachliteratur Carbon Dioxid Removal (CDR) genannt - und zweitens die Manipulation des Strahlungshaushalts der Erde, engl. Solar Radiation Management (SRM); auch Solar Geoengineering genannt.

Die Absicht der gezielten Beeinflussung des Klimas scheint auf den ersten Blick folgerichtig zu sein. Wenn man annimmt, dass der Mensch das Klima bereits verändert hat, sollte er dann nicht fähig sein, Einfluss zu nehmen, indem er schlicht das Gegenteil dessen macht, was zum Klimawandel geführt hat? Das wäre eigentlich einfach zu verstehen, gilt das doch für zahlreiche umweltrelevante Maßnahmen. Wenn beispielsweise festgestellt wird, dass die Einleitungen von Dünger über Fließgewässer in die Ostsee dort das Algenwachstum anregen, was diese plötzlich zum Aufblühen bringt, wodurch dem Wasser Sauerstoff entzogen wird, so dass die Fische sterben, dann stoppt man den Schadstoffeintrag unverzüglich und hat das Problem damit gelöst.

Diesen doch eigentlich keine allzu komplexen Überlegungen abverlangenden Sachverhalt haben die Menschen im Zusammenhang mit der Klimakrise (und bedauerlicherweise auch mit der Landwirtschaft) noch nicht begriffen, zu ihrem eigenen Schaden und dem ihrer Mit- und Umwelt. Stattdessen will der Homo sapiens weiter in relativ großen Mengen Treibhausgase emittieren, und als mutmaßliche Bekämpfungsmaßnahme dem ganzen noch weitere Chemikalien hinzufügen. Nebenwirkungen werden in Kauf genommen, und ob diese nicht für viele Menschen zur Hauptwirkung werden, kann nicht ausgeschlossen werden. Es gibt für eine solche großmaßstäbliche Verstärkung der solaren Rückstrahlung kein Beispiel und somit auch keinerlei Erfahrungswerte.

Einmal damit angefangen, wird der fossilen Energiewirtschaft und ihren Lobbyisten der geeignete Vorwand geliefert, unverdrossen weiter Treibhausgase zu emittieren. Das war eines von zahlreichen Argumenten gegen Solar Geoengineering, die am 9. Juni 2021 auf einer Zoom-Konferenz einer Gruppe zivilgesellschaftlicher Organisationen wie dem Rat der Volksgruppe der Saami besprochen worden war. Abgesehen vom Saami Council haben daran teilgenommen: The Center for International Environmental Law, ETC Group, Heinrich-Böll-Stiftung, Indigenous Environmental Network, die Initiative What Next?, die Kampagne Hands Off Mother Earth! (HOME), das schwedische Stop SCoPEx Network und die Organisation Researchers Desk.

Unter dem Titel "Solar Geoengineering - Warnings from Scientists, Indigenous People, Youth and Activists" (z. Dt.: Solare Klimabeeinflussung - Warnungen der Wissenschaft, Indigenen, Jugend und aktivistischen Menschen) sprachen Michael Mann, Tom Goldtooth, Greta Thunberg, Naomi Klein, Vandana Shiva, Bill McKibben, Raymond Pierrehumbert, Jenny Stevens, Asa Larsson Blind unter der Moderation von Carroll Muffett (The Center for International Environmental Law), Lilli Fuhr (Heinrich-Böll-Stiftung), Silvia Ribeiro (ETC Group) und Niclas Hällström (Gruppe "What Next?"). [1]


Zum wissenschaftlichen Hintergrund der
Geoengineering-Debatte

Beim Verbrennen fossiler Energieträger in Industrie, Verkehr und Haushalten entsteht als Abgas CO₂. Dieses ungefiltert in die Luft entweichende Treibhausgas reichert sich in der Erdatmosphäre an, sofern es nicht durch einen der vielfältigen physikalischen oder biogeochemischen Prozesse innerhalb der Natursysteme gebunden wird. Seit 1958 wird auf dem hawaiianischen Vulkankegel Mauna Loa regelmäßig gemessen, wie hoch die atmosphärischen Konzentration von CO₂ ist; was also am Ende übrigbleibt, nachdem sämtliche, jahreszeitlichen Schwankungen unterliegende Bindungs- und Lösungsvorgänge abgeschlossen sind. Das Ergebnis: Seit Messbeginn steigt der CO₂-Gehalt der Atmosphäre exponentiell an, das heißt, der Anstieg verläuft nicht gleichmäßig, sondern nimmt an Geschwindigkeit zu, wie die Keeling-Kurve zeigt.


Kurvendiagramm zur 'Monatlichen durchschnittlichen CO₂-Konzentration' 1958 - 2020 - Bild: Delorme, CC BY-SA 4.0 [https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0], via Wikimedia Commons

Die Keeling-Kurve - mathematischer Ausdruck vorherrschender gesellschaftlicher Interessen und ihrer Beteiligungen
Bild: Delorme, CC BY-SA 4.0 [https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0], via Wikimedia Commons

Auch aus der Zeit vor 1958 lassen sich Daten zur CO₂-Konzentration sammeln, wenngleich sie indirekter Natur sind. Untersuchungen von Sedimenten, Baumringen, Stalagmiten, Eisbohrkernen und vielem mehr ergeben ein Kompendium an sogenannten Proxydaten, die in Computermodelle eingelesen und miteinander abgeglichen werden. Hieraus werden ebenfalls mathematische Kurven errechnet. Sie bekräftigen den messbaren Trend der heute exponentiellen CO₂-Zunahme.

Warum ist das problematisch, wo doch Kohlenstoffdioxid nur einen Anteil von rund 0,04 Prozent an der Luftzusammensetzung hat? Weil eine weitere Kurve einen ähnlichen Anstieg verzeichnet, nämlich die der globalen Durchschnittstemperatur. Aus Laborexperimenten ist bekannt, dass CO₂ die von der Erdoberfläche reflektierte, langwellige Wärmestrahlung davon abhält, in den Weltraum zu entweichen. Das hat zur Folge, dass sich die Erdoberfläche aufheizt und umgekehrt die obere Atmosphäre (Stratosphäre) abkühlt. Die Folgen der Stratosphärenabkühlung werden in einem sehr viel geringeren Ausmaß erforscht, obwohl auch dort nur mit umgekehrten Vorzeichen ein Klimawandel stattfindet, den der Mensch durch das Verbrennen von fossilen Energieträgern ausgelöst hat.


Die letzten 417.000 Jahre überstieg der ermittelte CO₂-Gehalt niemals 300 ppm (parts per million). Erst in allerjüngster Zeit verzeichnet die Kurve einen steilen Anstieg bis zu 400 ppm - Bild: Phrontis, CC BY-SA 3.0 [https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0], via Wikimedia Commons

CO₂-Konzentration in der Luft während der letzten 417.000 Jahre (kya = one thousand years ago = vor 1000 Jahren, d.h. heute ist Null ganz rechts).
Blaue Linie: Proxy-Daten anhand eines Eisbohrkerns der russischen Antarktisstation Wostok ermittelt.
Rote Linie: Sie verbindet mit einer Geraden den jüngsten Wert dieser Daten mit dem im Jahre 2014 erreichten Maximum der Keeling-Kurve.
Bild: Phrontis, CC BY-SA 3.0 [https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0], via Wikimedia Commons

Der Trend der globalen Erwärmung ist derart eindeutig und die vermeintlichen Gegenmaßnahmen sind bisher so wirkungsarm, dass in Politik und Wissenschaft bereits der Ruf einzelner zu vernehmen ist, der Entwicklung nicht mehr allein dadurch Einhalt gebieten zu wollen, dass das Verbrennen fossiler Energieträger drastisch zurückgefahren und außerdem klimafreundlichere landwirtschaftliche Anbaumethoden etabliert werden, sondern dass man beispielsweise Schwefeldioxidpartikel in die Stratosphäre injiziert. Das soll den Effekt haben, dass ein Teil des Sonnenlichts bereits in 20 bis 40 Kilometer Höhe über der Erde in den Weltraum reflektiert wird.


Vorbild Vulkanausbruch

Als 1991 der philippinische Vulkan Pinatubo ausbrach, wurde eine so große Menge an schwefelhaltigen Aerosolen bis hinauf in die Stratosphäre verfrachtet, dass sich dort zwei dünne, aber weithin erkennbare Luftschichten bildeten. Die Schwefelpartikel reflektierten einen Teil des Sonnenlichts. Berechnungen zufolge hatte das den Effekt einer globalen Abkühlung von 0,5 Grad Celsius über zwei Jahre hinweg ausgelöst. Danach war ein Großteil der vulkanischen Schwefelpartikel abgesunken und wurde schließlich aus der Luft ausgewaschen.

Künstlich Schwefelpartikel in die Stratosphäre zu bringen ist angeblich ein kostengünstigeres Verfahren, als CO₂-Emissionen zu verringern. Eine typische Rechnung ohne den Wirt, bei der die verheerenden Umweltschäden durch das Geoengineering schlicht ausgeblendet werden. Zudem könnte es sich als ein Spiel mit dem Feuer herausstellen, denn das Sonnenlicht verstärkt in der Stratosphäre zu reflektieren bedeutet, eben diese aufzuheizen, also den gegenwärtigen Abkühlungstrend umzukehren. Die Folgen für das globale Klimasystem könnten dramatischer ausfallen als alles andere, von dem man ebenfalls nichts weiß.


Bild: NASA/Goddard Space Flight Center Scientific Visualization Studio

Anfang August 1991: Blick vom Space Shuttle ATLANTIS (Mission STS043) auf die dunklen Aerosolschichten, die sich nach dem Ausbruch des Vulkans Pinatubo oberhalb der Kumuluswolken um die Erde gelegt hatten.
Bild: NASA/Goddard Space Flight Center Scientific Visualization Studio

Auf der Zoom-Konferenz sprach sich der US-Klimaforscher Michael Mann entschieden gegen solche Verfahren aus. Er bezeichnete es als "dumm, auf ein System zu setzen, das man nicht genügend versteht". Schwefelpartikel in der Stratosphäre zu versprühen wäre so, als würde man alle vier Jahren den Vulkanausbruch des Pinatubo von 1991 nachstellen. Das verändere die atmosphärische Zirkulation. Die Kontinente würden austrocknen, so dass vermehrt Dürren entstehen. Der globale Wasserkreislauf werde unterbrochen und die Photosyntheseleistung der Pflanzen verringert. Außerdem bestehe die Gefahr, dass sich einige Regionen sogar schneller erwärmen, während sich andere abkühlen.

Darüber hinaus würde die Chemie der Atmosphäre empfindlich verändert. Die Ozonschicht werde zerstört, und es entstehe saurer Regen. Die ganze Idee, die solares Geoengineering suggeriere, sei ein Irrtum, sagte Mann. Die Sonne könne man nicht ein- und ausschalten.

Der US-amerikanische Geophysiker und Klimaforscher Raymond Pierrehumbert von der Universität Oxford warnte in seiner Stellungnahme vor der Unumkehrbarkeit der Folgen solcher Schwefelinjektionen. Vielleicht könne man damit die globale Durchschnittstemperatur senken, aber die Menschen lebten nun mal nicht in einem durchschnittlichen, sondern einem regionalen Klima. Die Veränderungen in einzelnen Regionen durch die Beeinflussung der Sonneneinstrahlung fielen womöglich schwerwiegend aus. Entsprechende Prognosen, was passieren wird, seien noch nicht besonders gut ausgearbeitet. Schwefelpartikel blieben nur ein, zwei Jahre in der Stratosphäre, das CO₂ dagegen Tausende von Jahren. Die CO₂-Emissionen seien das eigentliche Klimaproblem, Solares Geoengineering greife nicht an dessen Wurzel an, sondern sei wie ein Schmerzmittel. Nur die Schmerzsymptome zu behandeln sei jedoch schlecht.

Der Wissenschaftler, der auch für das Bulletin of the Atomic Scientists schreibt, warnte vor der in der Fachliteratur Termination Shock beschriebenen Gefahr durch das Geoengineering: Würde man aus irgendeinem Grund aufhören, Schwefelpartikel in die obere Atmosphäre zu pusten, würde sich die Erde binnen zehn Jahren so stark erwärmen wie ansonsten in Hunderten von Jahren. In mancher Hinsicht wäre das sogar gefährlicher als ein Atomkrieg.

Das Bild "Der Schrei" von Edvard Munch, erstmals 1893 gemalt, zeigt im Hintergrund zwar keinen milchig-trüben Himmel, wie es Elizabeth Kolbert in ihrem Buch "Under a White Sky: The Nature of the Future" (2021) beschrieben hat, sondern einen leuchtend roten Himmel. Kunstgeschichtlichen Interpretationen zufolge war dieser jedoch nicht einfach nur der expressionistischen Maltechnik des Norwegers geschuldet, sondern er entsprach demnach seiner eindrücklichen Erinnerung an den zehn Jahre zuvor erfolgten gewaltigen Ausbruch des Vulkans Krakatau in der Sundastrasse zwischen Java und Sumatra, bei dem sich Unmengen von Aerosolen in der oberen Atmosphäre ausgebreitet und um die ganze Welt gelegt hatten. Anderen Interpretationen zufolge wurde Munch von dem selten Auftreten von wellenförmigen Perlmuttwolken beeinflusst.

Jedenfalls waren phantastische Sonnenuntergänge noch die harmlosen Folgen dieses natürlichen Vorgangs, ein Phänomen, das weltweit beobachtet, beschrieben oder möglicherweise in solchen Bildern als ausdrucksstarkes Stilelement festgehalten worden war. Der Krakatau-Ausbruch vom 27. August 1883 dient in der Wissenschaft inzwischen als Basisparameter mit dem Wert 1000, um den Grad der Luftverschmutzung zu quantifizieren (Trübungsindex) und somit klimarelevante vulkanische Störungen in der Atmosphäre zu beschreiben und vergleichbar zu machen. Nach dem Krakatau-Ausbruch sank die globale Durchschnittstemperatur Berechnungen zufolge einige Jahre um 0,5 bis 0,8 Grad Celsius. Sollte jemals Solar Geoengineering betrieben werden, kommt es zukünftigen Malerinnen oder Malern zu, den damit verbundenen Schrecken Gesicht zu verleihen.


Bild: Edvard Munch, Public domain, via Wikimedia Commons

Edvard Munch über sein Bild "Der Schrei der Natur":
"Ich ging mit zwei Freunden die Straße hinab. Die Sonne ging unter - der Himmel wurde blutrot, und ich empfand einen Hauch von Wehmut. Ich stand still, todmüde - über dem blauschwarzen Fjord und der Stadt lagen Blut und Feuerzungen. Meine Freunde gingen weiter - ich blieb zurück - zitternd vor Angst - ich fühlte den unendlichen Schrei in der Natur Ich malte dieses Bild - malte die Wolken wie wirkliches Blut - die Farben schrien." [2] Bild: Edvard Munch, Public domain, via Wikimedia Commons

SCoPEx - ein Köder, hinter dem eine große Gefahr lauert

Wehret den Anfängen, sagt Asa Larsson Blind, Vizepräsidentin des Saami Council. Die Volksgruppe der Saami bewohnt die nördlichen Regionen Russlands, Finnlands, Schwedens und Norwegens. Erst im Februar dieses Jahres hätten sie davon erfahren, dass in ihrer Region ein Test des Stratospheric Controlled Perturbation Experiments (SCoPEx) unter Federführung der britischen Universität Harvard durchgeführt werden sollte, berichtete Larsson Blind. In der Endstufe von SCoPEx sollen mit einem angetriebenen Höhenballon Aerosole, die entweder Schwefel- oder Kalkpartikel enthalten, in der Stratosphäre ausgebracht werden, um herauszufinden, wie die Partikel miteinander und mit ihrer Umgebung reagieren und wie stark damit das Sonnenlicht in der betroffenen Luftregion reflektiert wird. Kalkpartikel sollen den Vorteil haben, dass sie nicht die Ozonschicht zerstören.

Die Saami, die vorher nicht gefragt worden waren, ob sie einem solchen Experiment zustimmen, lehnen dies vehement ab. Die ganze Idee des Geoengineerings richte sich gegen die Natur, gegen die Mutter Erde, und müsse gestoppt werden, forderte Larsson Blind. Wir Saami wollen nicht über Geoengineering diskutieren, sondern darüber, wie wir die Ökosysteme bewahren können, auch für die zukünftigen Generationen. Wir wollen zu den Lösungen beitragen und an den Entscheidungsfindungen beteiligt sein, schloss sie ihren ersten Redebeitrag.

Nachdem mehrere Anläufe, auf US-amerikanischem Boden die Machbarkeit von SCoPEx zu untersuchen, gescheitert waren, entschieden am 15. Dezember 2020 die Verantwortlichen, einen für Juni 2021 geplanten Test in Schweden durchzuführen und den Höhenballon vom Raketenstartgelände Kiruna in Lappland zu starten. Wie Larsson Blind berichtete, wurde der Saami Council erst Anfang Februar darüber in Kenntnis gesetzt und musste sich binnen weniger Tage in das Thema einarbeiten. Am 8. Februar 2021 berichtete die britische Zeitung "The Guardian" über den geplanten Versuch. [3]

Am selben Tag richtete ein Bündnis zivilgesellschaftlicher Organisationen einen offenen Brief sowohl an die schwedische Regierung als auch den Leiter der Schwedischen Raumfahrtgesellschaft mit dem Appell, SCoPEx zu unterbinden. Argumentiert wurde unter anderem damit, dass der geplante Test zur Transportfähigkeit der Plattform mittels eines Höhenballons integraler Bestandteil eines umfassenderen Experiments sei, bei dem schließlich die Freisetzung von Aerosolen in 20 Kilometern Höhe erforscht werden soll. [4]

Am 24. Februar 2021 sandte der Saami Council einen offenen Brief an das SCoPEx Advisory Committee, die Regierung Schwedens und die Schwedische Raumfahrtgesellschaft, der ebenfalls die Aufforderung enthielt, den Test unverzüglich zu stoppen. [5] Der Widerstand hatte Erfolg, zumindest bis jetzt. Im März 2021 wurde verkündet, dass der SCoPEx-Test nicht mehr in Schweden durchgeführt werden soll. Damit sind die Versuche jedoch nicht grundsätzlich gestoppt. Voraussichtlich wird das Projekt weitergeführt, irgendwo in der Welt.

War die Entscheidung, das Projekt SCoPEx zu nennen, Zufall? Mit dem nur unwesentlich anders geschriebenen "Scopex" werden bestimmte, süße Köder bezeichnet, die beim Angeln beispielsweise von Karpfen eingesetzt werden. Da fragt man sich, wen die Universität Harvard mit ihren Experimenten ködern will ...

Für und Wider Geoengineering, also beide Seiten, erheben gleichermaßen den Anspruch, sich um die Zukunft der Erde zu sorgen. So verteidigte der Leiter der SCoPEx-Forschungsgruppe, Harvard-Professor Frank Keutsch, den geplanten Test. Auch er teile viele der Bedenken von Umweltschutzgruppen, aber seine Forschungen trügen dazu bei, die potentiellen Risiken von Solar Geoengineering besser zu verstehen. "Das Risiko, die Forschung nicht durchzuführen, übersteigt das Risiko der Forschung", behauptet Keutsch im "Guardian". Der Klimawandel sei ein ernsthaftes Problem. Deshalb müsse man alle Möglichkeiten prüfen, ihn zu bekämpfen. Da sei es besser, Geoengineering zu erforschen.


Beide Forscher stehen vor einem Poster mit Kurvendiagrammen und Erläuterungen - Foto: © 2014 by Schattenblick

Die Gefahren eines "termination shock" sind in der Wissenschaft seit vielen Jahren bekannt. Hier erläutert Peter Irvine (rechts) Alan Robock die Ergebnisse seiner Berechnungen.
Poster-Session auf der vom IASS organisierten Climate Engineering Conference 2014: Critical Global Discussions, Berlin, 18. - 21. August 2014.
Foto: © 2014 by Schattenblick

Sechs Kernargumente gegen Geoengineering

Die Kritik des Saami Council und anderer lässt sich anhand von sechs Kernargumenten, wie sie teilweise weiter oben bereits angesprochen wurden, darstellen. Von diesen reiche jedes einzelne aus, um solche Technologien, wie sie mit SCoPEx erforscht werden sollen, zu untersagen, erklärte Niclas Hällström von der Gruppe "What Next?" auf der Zoom-Konferenz.

1.) Das Abdunkeln der Sonneneinstrahlung durch schwefelhaltige Aerosole in der Stratosphäre hebt nicht die Störungen der Natursysteme auf, sondern fügt ihnen weitere Störungen hinzu. Es drohen vermehrte Dürren, Überschwemmungen, Veränderungen der Monsunregenfälle sowie Wasser- und Nahrungsmangel von Milliarden Menschen.

2.) Hat man einmal begonnen, großmaßstäblich Solar Geoengineering zu betreiben, darf man Tausende von Jahren nicht mehr damit aufhören. Durch den von Pierrehumbert erwähnten "Termination Shock" in Folge eines Abbruchs der Schwefelinjektionen wird die Erderwärmung einen plötzlichen Sprung machen. Das werden die Natursysteme nicht überstehen und damit auch die menschliche Gesellschaft nicht. Sie bräche auseinander. Tiere und Pflanzen werden durch die plötzlich einsetzende Backofenhitze verenden.

3.) Wenn Solar Geoengineering über einen längeren Zeitraum betrieben werden soll, bedarf es einer Weltregierung, die ebenfalls so lange besteht. Andernfalls drohen Kriegsausbrüche zwischen den miteinander konkurrierenden Nationen. Denn sobald in einem Land beispielsweise dürrebedingte Missernten auftreten, wird dieses Land die Schuld dafür dem Solar Geoengineering geben. Daher stellen sich Fragen von höchster politischer Brisanz: Wer hat die Entscheidungsgewalt über die Verfahren? Wie gehen militärische Großmächte damit um, wenn sie sich nicht einigen können? Sind nicht kriegerische Konflikte vorprogrammiert? Werden diese nicht schon nach wenigen Jahren ausbrechen, sobald die Unvereinbarkeit der Positionen nicht mehr kaschiert werden kann?

4.) Es wurden Konzepte zur vollständigen Dekarbonisierung der Gesellschaft ausgearbeitet. Die müssten eigentlich unverzüglich umgesetzt werden. Mit Solar Geoengineering wird der fossilen Energiewirtschaft und ihren Lobbygruppen das Argument geliefert, das Tempo der Transformation auf eine kohlenstoffneutrale Gesellschaft zu drosseln.

5.) Solar Geoengineering verschärft die gesellschaftlichen Widersprüche. Die bisherigen Forschungen dazu zeigen, dass dabei wieder einmal die reichen Länder des Globalen Nordens das Sagen haben. Man kann davon ausgehen, dass sie niemals Konzepte erarbeiten, geschweige denn umsetzen werden, die ihnen selbst schwere Schäden zufügen, dem Globalen Süden aber nicht. Genau umgekehrt würde ein Schuh daraus: Das in wissenschaftlichen Computersimulationen berechnete Ausbleiben der Monsunregenfälle in Asien beispielsweise würde bei einem von westlichen Staaten durchgeführten Solar Geoengineering vermutlich ebenso akzeptiert wie das Auftreten von Dürren auf dem afrikanischen und südamerikanischen Kontinent. Solange die Aussicht besteht, dass die anderen schwerer geschädigt werden, wird der Konkurrenzvorteil gewahrt.

6.) Die Erforschung des Solar Geoengineerings muss unverzüglich gestoppt werden, damit sich die Idee nicht in den Köpfen einnistet und die Forschungen eine Richtung einschlagen, die irgendwann nicht mehr aufzuhalten sein wird. Obschon beispielsweise beim inzwischen abgesagten SCoPEx-Test in Kiruna noch keine Aerosole ausgebracht werden sollten, benötigen solche Sprühversuche eben beispielsweise jenen Test zur Funktionsfähigkeit der Plattform.


Katastrophengeschäfte

Die kanadische Autorin und Globalisierungskritikerin Naomi Klein machte darauf aufmerksam, dass der Wissenschaftler David Keith, der neben Keutsch die Verantwortung für SCoPEx trägt, geschäftlich mit der Teersandindustrie verbandelt ist. 2009 habe Keith das Unternehmen "Carbon Engineering" gegründet. Das ist mit dem Konzept befasst, der Atmosphäre Kohlenstoff zu entziehen, diesen zu verflüssigen und zu lagern oder zu Treibstoff weiterzuverarbeiten. Ohne Norman Murray Edwards beim Namen zu nennen spricht Klein hier die Unterstützung "Carbon Engineerings" durch diesen kanadischen Milliardär an, der mit dem Abbau von Ölsanden reich geworden ist. Auch Bill Gates sowie diverse Mineralölkonzerne forderten inzwischen, "die Idee der technologischen Lösung" für die Klimakrise umzusetzen, wie Naomi Klein es nennt.

Es werde immer so viel im Namen des Globalen Südens versprochen, aber man brauche sich doch bloß die Impfstoff-Apartheid anzuschauen, sagte sie. Das zeige klipp und klar, was solche Versprechen wert seien: nichts. Klein fragte rhetorisch, wie man auch nur annehmen könne, dass die gleiche Weltordnung, die zulässt, dass im Globalen Süden Menschen in großer Zahl unnötig sterben - wegen des Patentschutzes bis hin zur öffentlich geförderten Pharmaforschung -, irgendetwas an der Art ändern wird, wie die Technologien zum Geoengineering am Ende eingesetzt werden.


Beim Vortrag - Foto: © 2014 by Schattenblick

Naomi Klein spricht auf einer Veranstaltung der New York City Climate Convergence, September 2014
Foto: © 2014 by Schattenblick

Auch die Physikerin und Trägerin des Alternativen Nobelpreises Vandana Shiva verwies auf die brisanten politischen Aspekte, die ganz entschieden gegen die Manipulation der Rückstrahlung sprächen. Es sollten sämtliche Optionen ergriffen werden, um Solar Geoengineering als Verbrechen gegen die Menschheit, die Natur und die Erde anzusehen, forderte sie. Lange bevor der Internationale Strafgerichtshof sich mit dieser Frage befasse, sollte der Widerstand auf zivilrechtlichem Weg angegangen werden. Das Naturrecht der Indigenen sei höher zu bewerten als jedes koloniale Recht, das auf einem Stück Papier niedergeschrieben worden sei. Die Sonne zu blockieren, würde die Photosynthese blockieren und somit Ernährungsunsicherheit erzeugen. "Was die Leute vorhaben, ist ein Verbrechen gegen das Leben", schloss Vandana Shiva ihren ersten Redebeitrag.

Wie auch Klein erinnerte sie daran, dass die USA während des Vietnamkriegs die Idee verfolgt hatten, das Monsunklima in Asien zu stören. Die globalisierungskritische Aktivistin hob auf die "Operation Pop-Eye" ab, über die der investigative Journalist Seymour Hersh bereits 1972 in der "New York Times" berichtete hatte. Damals wollten die USA die Nachschubwege der nordvietnamesischen Armee durch künstlich erzeugten Regen überschwemmen. [6]

Ein internationales Recht, um Solar Geoengineering zu verbieten, existiere bereits, erklärte Vandana Shiva. Sie forderte, die 1978 in Kraft getretene ENMOD-Konvention (Convention on the Prohibition of Military or Any Other Hostile Use of Environmental Modification Techniques; z. Dt. Umweltkriegsübereinkommen), zur Anwendung zu bringen. Die Konvention untersagt die absichtliche Manipulation natürlicher Prozesse für militärische Zwecke.

Trotz technischer Probleme kam die 18-jährige Greta Thunberg wenigstens noch dazu, eine kurze Stellungnahme zum Solar Geoengineering abzugeben. Wer in einem Loch sitzt, sollte nicht weitergraben, begann die Initiatorin der Fridays-for-future-Bewegung. Wir sind in den Schlamassel geraten, weil wir gedacht haben, wir könnten die Natur kontrollieren und uns über sie erheben. Aber das funktioniere nicht. Niemand wisse, wie die Erde auf Geoengineering reagieren werde.

Tom Goldtooth, Leiter des Indigenous Environmental Network und langjähriger Umweltaktivist der Native Americans, brachte eine weitere Perspektive in die Debatte ein. Die "Elders" (die Ältesten) lehnen die Manipulation der Atmosphäre ab. Es bestehe eine empfindliche Balance zwischen Mutter Erde und Vater Himmel, die nicht gestört werden darf. Die westliche Wissenschaft dürfe nicht Gott spielen. Die Ältesten machten sich ernsthafte Sorgen wegen der beeinträchtigten landwirtschaftlichen Praktiken, sollte Solar Geoengineering betrieben werden.


Porträt - Foto: © 2017 by Schattenblick

Tom Goldtooth, Vorsitzender des International Rights of Nature Tribunal, Bonn 2017
Foto: © 2017 by Schattenblick

Wenn im großen Umfang schwefelhaltige Aerosole in die Stratosphäre gesprüht werden, müsse der Vorgang alle paar Jahre wiederholt werden, da die Partikel langsam zur Erdoberfläche absinken. Dadurch versauerten die Ozeane, warnte der Autor, Gründer der Klimaschutzorganisation 350.org und Träger des Alternativen Nobelpreises 2014 Bill McKibben auf der Zoom-Konferenz . Im Februar dieses Jahres hatte er in einem Artikel für "The New Yorker" geschrieben, dass wir die volle Aufmerksamkeit darauf richten sollten, bis zum Jahr 2030 die Treibhausgasemissionen um 45 Prozent gegenüber dem Basisjahr 2010 zu senken. Nur das erhalte uns die Chance, die globale Erwärmung auf 1,5 Grad Celsius gegenüber der vorindustriellen Zeit, wie im Klimaabkommen von Paris beschlossen, einzuhalten. Und weiter:

"Wenn wir es [Anm. d. SB-Red.: das Ziel] bis 2030 nicht erreichen, dann müssen wir als Spezies ein ernsthaftes Gespräch führen und unsere Optionen abwägen. Das ist der richtige Zeitpunkt, um mit dieser Art von Tests zu beginnen, nicht jetzt, wo sie zu einem Sammelbecken für jene Menschen und Interessen werden, die das Tempo in diesem Jahrzehnt der Transformation verlangsamen wollen." [7]

Kommt McKibben mit dieser Erklärung in seinem Zeitungsbeitrag den Lobbyisten der Geoengineering-Idee entgegen? Er selbst würde das vermutlich strikt von sich weisen, und doch bleibt ein fader Nachgeschmack, ob sich hierin nicht eine Bereitschaft zeigt, wenngleich sich nicht auf deren Seite zu schlagen, so doch als vermeintlicher "Vordenker" der Klimaschutzbewegung weiter als Ansprechpartner für Wissenschaft, Wirtschaft und Politik gegebenenfalls auch zum Thema Geoengineering zur Verfügung zu stehen.

Ähnliches lässt sich auch zu den durchaus nachvollziehbaren, aber in ihrer Konsequenz problematischen Fragen sagen, die unter anderem Michael Mann aufgeworfen hat: Welche Folgen hat Geoengineering auf die globalen Kreisläufe? Was passiert mit einer gesättigten Stratosphäre, wenn permanent und dauerhaft weiter Schwefelaerosole ausgebracht werden?

Das Argument, dass Geoengineering noch ungenügend erforscht und daher nicht verstanden ist, wie es über Michael Mann und den Kreis der Beteiligten der Zoom-Konferenz hinaus immer wieder in ähnlicher Form vorgebracht wird, stellt sich als Eigentor heraus, da es die andere Seite bestätigt, die erklärt, dass genau wegen dieser Wissenslücken Geoengineering erforscht werden müsse.

Besonderes Augenmerk auf soziale Gerechtigkeitsfragen richtete Jenny Stevens, Professorin an der Northeastern University in Boston. Sie betonte, dass alle Klimaschutzmaßnahmen und -investitionen sozial gerecht sein müssten. Aus dieser Forderung nach Klimagerechtigkeit innerhalb eines Staates sowie zwischen den Staaten leitete sie eine Reihe ungeklärter Fragen zum Solar Geoengineering ab: Wer profitiert? Wer hat Schaden davon? Wer entscheidet, was gemacht wird? Wer wird von der Entscheidungsfindung ausgeschlossen?

Es gibt laut Stevens zwei Gründe, die miteinander verbunden sind, warum die Menschen ineffektiv in ihrer Antwort auf die Klimakrise sind: Erstens besteht eine Konzentration von Wohlstand und Macht. Zweitens habe man sich zu sehr auf technologische Lösungen verlegt. Wohingegen viel zu wenig in Menschen, Gemeinschaften, soziale Innovationen, soziale Infrastruktur und sozialen Wandel investiert werde. An beiden Fronten müsse gegengesteuert werden. Solar Geoengineering stärke diejenigen, die sowieso schon einflussreich sind. Wenige Personen kontrollieren alle anderen.

Wer fördert Geoengineering und dominiert das Geschehen?, fragte Stevens und gab darauf selbst die Antwort: Weiße, männliche Forscher aus dem Globalen Norden, die wiederum von Milliardären finanziert werden. Andere Perspektiven würden nicht berücksichtigt. Die müssen aber eingebracht werden, beispielsweise von Frauen, Indigenen und anderen marginalisierten Gruppen, denn diese brächten andere Lebenserfahrungen ein, setzten andere Prioritäten und gelangten zu anderen Risikoabschätzungen.

Stevens bezeichnete den Klimawandel als Chance, um die Konzentration von Wohlstand und Einfluss zu reduzieren und eine Neuverteilung von Macht mittels der erneuerbaren Energien vorzunehmen. Wäre es auf der Zoom-Konferenz zu einer Diskussion unter den Teilnehmenden gekommen, wäre an dieser Stelle sicherlich mit einem Widerspruch seitens Naomi Kleins zu rechnen gewesen. Denn diese hat sinngemäß erklärt, dass von den Profiteuren der vorherrschenden Weltordnung nicht zu erwarten ist, dass sie ihre Macht abgeben. Sollte Stevens ihre Hoffnung darauf richten, dass allein durch den Wechsel von fossilen auf erneuerbare Energien eine fundamentale Gesellschaftstransformation eintreten wird, macht sie eine Rechnung ohne den Wirt auf.


Politik und Wirtschaft in den Startlöchern

Wie relevant sind die Befürchtungen der Gegnerinnen und Gegner des Geoengineerings? Sie sind sehr, sehr ernst zu nehmen. Die Hinweise mehren sich, dass die USA die Idee des Geoengineerings verfolgen. Das zeigt die folgende Auswahl an Beispielen jüngeren Datums, wobei inzwischen die Absichten mittels sprachregulatorischer Anpassungen verborgen werden. Man spreche nicht mehr von "Geoengineering", sondern von "climate intervention" (Klima-Intervention), weil sich das "neutraler" anhört, berichtete im Januar 2020 David Fahey, Leiter der Chemical Sciences Division des Earth System Research Laboratory der National Oceanic and Atmospheric Administration (NOAA). [8]

Die NOAA erhielt damals vom US-Kongress vier Millionen Dollar zur Erforschung zweier Methoden des umstrittenen Geoengineerings. Diese sind jedoch völlig unvereinbar mit der von Fahey beanspruchten "Neutralität". Denn wer Neutralität bei einer so folgenschweren, gefährlichen Technologie reklamiert, hat die umstrittenen Verfahren innerlich längst akzeptiert. Die Sprachanpassung stellt sich in diesem Zusammenhang als verlogen heraus.

Die Klima-Intervention hat sogar den Weg in den Climate Action Plan gefunden, den die Partei der Demokraten im Juni 2020 in den US-Kongress eingebracht hat und der die Klimapolitik der Vereinigten Staaten in den nächsten vier Jahren maßgeblich beeinflusst. Michael Mann hält das für "besorgniserregend". Ebenfalls Anlass zur Sorge gibt die neue Position der MIT-Professorin Maria Zuber, die von US-Präsident Joe Biden zur Co-Vorsitzenden des wissenschaftlichen Beratungsauschusses PCAST (President's Council of Advisors on Science and Technology) ernannt wurde. Die Geophysikerin befürwortet explizit die Förderung von Forschungen zum Geoengineering.

In dem 328-seitigen Report "Reflecting Sunlight: Recommendations for Solar Geoengineering Research and Research Governance" vom März 2021 empfiehlt der Forschungsrat der USA (US National Research Council), ein auf fünf Jahre angelegtes Programm zur Erforschung von Geoengineering aufzulegen und mit 100 - 200 Millionen Dollar auszustatten. Begründet wird das damit, dass es unwahrscheinlich ist, die Wirtschaft rechtzeitig zu dekarbonisieren, um zu verhindern, dass massive Klimafolgenschäden eintreten. Wörtlich heißt es in dem Report:

"Wenn die weltweiten Bemühungen zur Minderung der Kohlenstoffemissionen ins Stocken geraten und sich die Auswirkungen des Klimawandels weiter verschlimmern, könnten Regierungen alternative Ansätze in Betracht ziehen, um in das atmosphärische Klimasystem einzugreifen. Eine Möglichkeit ist der Einsatz der atmosphärischen Klima-Intervention (ACI), die darauf abzielt, die globale Temperatur zu senken, indem das Sonnenlicht direkt von der Erde weg reflektiert wird, z. B. durch das Einbringen von Aerosolen in die Stratosphäre." [9]

Die Empfehlungen des Reports sind gefährlich, insbesondere was darin die Rolle der USA betrifft, warnte Jenny Stevens. Sollten diese unilateral und ohne öffentliche Debatte mit dem Geoengineering loslegen, wäre das problematisch. Der Report benenne zwar einige der Risiken, aber in dessen Empfehlungen seien ausgerechnet diese Erwägungen nicht mehr aufgenommen worden. [10]

Auch Michael Mann, der selber Mitglied der NAS ist, übte Kritik an dem Report. Im April dieses Jahres hätten er und Pierrehumbert, der vor einigen Jahren einen wesentlich moderateren Report für die NAS geschrieben hat, im "Guardian" [11] einen Artikel veröffentlicht, in dem sie näher auf den aktuellen Akademiereport eingegangen seien. Für diesen zeichne Chris Field verantwortlich. Dieser sei zwar ein guter Wissenschaftler, der lediglich versucht habe, ausgewogen zu berichten. Aber so etwas gestalte sich sehr schwierig, wenn die Schwelle vom Modellieren zum Feldexperiment überschritten werde.

Die vierjährige Präsidentschaftszeit Donald Trumps und dessen bis heute anhaltende Anerkennung sowohl durch die republikanische Partei als auch seitens größerer Bevölkerungsteile zeigen deutlich, dass Politik immer Interessenpolitik ist und dass somit ein eigenmächtiger Weg der USA bei der Verwirklichung von Geoengineering-Konzepten nicht so fern liegt, wie man hoffen könnte. Die beiden Lager des US-Kongresses sind sich in dieser Hinsicht ähnlicher, als die Scheingefechte zwischen Demokraten und Republikanern vermuten lassen.

Bei SCoPEx und anderen Vorstößen zur Erforschung der Machbarkeit von Geoengineering geht es nicht allein um die Prüfung der Risiken dieser Technologie für die Gesellschaft, sondern auch darum festzustellen, ob sich die gezielte Klimamanipulation als nächstes Akkumulationsmodell der kapitalistisch organisierten Produktionsweise eignet. Ist das der Fall werden Unternehmen mit nicht unerheblichen Summen einsteigen, so dass ein vermeintlicher Sachzwang geschaffen wird, Geoengineering umzusetzen.

Mit einem "Plan B" zur Rettung der Menschheit oder gar des Planeten, wie Geoengineering in der Öffentlichkeit verkauft wird, hat das weniger zu tun als mit der Sicherung der bestehenden Eigentumsordnung. Wie eingangs am Beispiel der Düngereinleitung in die Ostsee geschildert, könnte eine Antwort auf die Klimakrise einfach sein. Man müsste zunächst einmal mit dem aufhören, was die Krise ausgelöst hat, also die CO₂-Emissionen einstellen. Dabei wäre dann die Beendigung der fossilen Energiewirtschaft nur eine, wenn auch notwendige Begleiterscheinung einer menschheitsgeschichtlich wohl beispiellosen Intervention zur Abschaffung einer auf Verbrauch von Rohstoffen, wirtschaftliche und politische Expansion sowie Zerstörung der Lebensvoraussetzungen der Menschen und ihrer Mitwelt gegründeten Produktionsweise.


Bild: Hughhunt, CC BY-SA 3.0 [https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0], via Wikimedia Commons

Wie die Darstellung von Geoengineering verharmlost wird, zeigt sich in dieser Grafik zu einem anderen Projekt (SPICE) der Aerosol-Injektion der Stratosphäre. Anstatt eine Südsee-Insel zu präsentieren, die sowieso mit einem Übermaß an Sonneneinstrahlung assoziiert wird, hätte man auch eine ausgedörrte Savanne mit verdursteten Menschen und Rindern um Umkreis eines ausgetrockneten Wasserlochs zeigen können.
Bild: Hughhunt, CC BY-SA 3.0 [https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0], via Wikimedia Commons


Fußnoten:


[1] www.youtube.com/watch?v=Sqlt5lqDpY8
[2] https://tinyurl.com/2certkjv
[3] https://tinyurl.com/yystw938
[4] https://tinyurl.com/27dvrjdz
[5] https://tinyurl.com/y7p4v5nn
[6] https://tinyurl.com/3r6z7azw
[7] https://tinyurl.com/txwkvvpp
[8] https://tinyurl.com/k4yv38xd
[9] https://tinyurl.com/946xma7f
[10] https://tinyurl.com/us9za6dr
[11] https://tinyurl.com/vfrnmpxp


26. Juli 2021

veröffentlicht in der Schattenblick-Druckausgabe Nr. 165 vom 31. Juli 2021


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