Schattenblick → INFOPOOL → UMWELT → FAKTEN


AKTION/726: Wälder und Savannen nicht verfeuern! (ROBIN WOOD magazin)


ROBIN WOOD magazin - Nr. 149/2.2021

Wälder und Savannen nicht verfeuern!

von Jana Ballenthien, Waldreferentin ROBIN WOOD


"Holzbiomasse": Wo Bio drauf steht, muss auch Bio drin sein? Weit gefehlt! Was so gut klingt, ist einer der größten Fehler, den die EU-Staaten zum Erreichen ihrer Klimaziele als Trend etablieren: Kohlekraftwerke sollen auf Holzverbrennung umgerüstet werden.

Doch um Holz zu verbrennen, muss man erst einmal welches haben. Alleine im Kraftwerk Wilhelmshaven sollen pro Jahr 2,9 Millionen Tonnen Pellets verbrannt werden. Und das, obwohl Deutschland pro Jahr nur insgesamt drei Millionen Tonnen Pellets produziert. Das Holz muss also importiert werden. Zu einem großen Teil stammt es aus einem einzigartigen Biodiversitäts-Hotspot im Südosten Amerikas und aus geschützten Wäldern des Baltikums.

Aber nachhaltig ist die Holzbiomasse-Verbrennung doch? Leider nein. Sie emittiert in der EU mehr als 350 Millionen Tonnen CO2 pro Jahr! Und ein jahrhundertelang gewachsenes Waldökosystem, das mit seinen alten Bäumen und einer mehrere Meter dicken Humusschicht als wichtige CO2-Senke fungiert, kann auch nicht auf die Schnelle nachgepflanzt werden. Die vielen anderen Ökosystemfunktionen alter Wälder werden in dieser Rechnung nicht einmal veranschlagt. Wälder haben einen kühlenden Effekt auf ganze Regionen, sind ein wichtiger genetischer Pool, Erholungsraum, Luftund Wasserfilter und vieles mehr.

Einige Kraftwerke in Deutschland könnten gar auf die Verbrennung namibischer Büsche umgerüstet werden. Neben dem ökologischen Desaster ist dieses von der GIZ (Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit) vorangetriebene Vorhaben von Grund auf neokolonial und würde die sozialen Ungleichheiten in Namibia verschärfen.

Vor kurzem warnte ein Wissenschaftsteam der EU-Kommission vor der Nutzung von Holzbiomasse. Erstens stellen von den 24 untersuchten Bioenergie-Szenarien 23 ein Risiko für das Klima, die Biodiversität oder für beides dar. Zweitens enthielten die meisten nationalen Energie- und Klimapläne der EU-Mitgliedsstaaten keine angemessene Bewertung, wie sich eine Ausweitung der Holzeinschläge auf Kohlenstoffsenken, Biodiversität, Wasser und Luftverschmutzung auswirken könnten. Drittens sei die gemeldete Nutzung von Holzbiomasse höher als die gemeldeten Holzquellen, was darauf hindeute, dass bis zu 20 Prozent des in der EU verbrannten Holzes aus unbekannten Quellen stammt.

Die Niederlande steigen aus

Überraschendes hat sich inzwischen in den Niederlanden zugetragen. Die niederländische Parlamentskammer beschloss am 25. Februar dieses Jahres, dass keine Subventionen für das Verfeuern von Holz zur Energiegewinnung mehr genehmigt werden dürfen, bis ein Ausstiegsplan aus der Holzverbrennung in Kraftwerken vorliegt.

Die Niederlande planen also den Ausstieg, bevor Deutschland überhaupt eingestiegen ist. Diese Entscheidung hat hoffentlich auch auf Deutschland Signalwirkung.

Die EU verhandelt weiter an ihrer Revision der Renewable Energy Directive zum Thema Holzbiomasse. Gleichzeitig bastelt die Bundesregierung daran, wie sie die Kraftwerksbetreibenden für diese unrentable, umweltschädliche und unsoziale Art der Energiegewinnung subventionieren kann.

ROBIN WOOD beobachtet sehr genau die weiteren Entwicklungen in Deutschland und in Europa: Was planen die Regierungen, Unternehmen und Kraftwerkstreiber? Wie viele Megawattstunden sollen über Holzbiomasse produziert wer den? Wie viele Tonnen Pellets würden verbrannt? Wie viel Fläche Wald wäre das? Woher kommt der Rohstoff?

Die internationale Klima- und Umweltschutzszene ist alarmiert. Am Tag des Waldes 2021 schickte ROBIN WOOD gemeinsam mit 24 NGOs und 44 indigenen Gemeinschaften einem offenen Brief an den Präsidenten des Europäischen Rates Charles Michel, die Präsidentin der Europäischen Kommission Ursula von der Leyen und den Vizepräsidenten der Europäischen Kommission Frans Timmermans.

Darin forderten wir die geplante Nutzung von Waldbiomasse aus der EU-Richtlinie REDII zu entfernen. Die Verantwortlichen müssen eine Politik etablieren, die Kohlenstoff im Boden hält und die Wälder der EU schützt.

In den letzten Monaten sind wir besonders gegen Pläne aktiv geworden, das Kraftwerk Tiefstack in Hamburg auf die Verbrennung namibischer Büsche umzurüsten. Hier ging ein offener Brief von uns mit 39 deutschen und internationalen umwelt-, entwicklungsund stadtpolitischen Organisationen, Akteur*innen der Klimagerechtigkeitsbewegung und Wissenschaftler*innen an Bundesentwicklungsminister Gerd Müller. In seinem Auftrag führt die GIZ das Projekt "Nutzung von Busch-Biomasse" in Namibia durch. Wir forderten den Minister auf, das Projekt grundsätzlich auf den Prüfstand zu stellen. Um dieser Forderung Nachdruck zu verleihen und auch dem Hamburger Senat gegenüber zu zeigen, dass wir die Umrüstung des Kraftwerks in Tiefstack nicht hinnehmen werden, besuchten Aktive von ROBIN WOOD und Ende Gelände das Kraftwerk mit großen Bannern und Rauch (siehe auch Seite 6 dieser Ausgabe).

Inzwischen hat das BMZ von Minister Müller geantwortet. Die Antwort fällt sehr mager und ausweichend aus. ROBIN WOOD hat öffentlich darauf reagiert und fordert vom BMZ gemeimsam mit DUH, Rettet den Regenwald, Biofuelwatch und anderen Verbündeten dringend Nachbesserungen. Ihr findet dies alles auf unserer Kampagnenwebsite "Wälder und Savannen nicht verfeuern!" ROBIN WOOD wird auf Bundesebene und auch auf lokaler Ebene nachlegen, um unserer Kritik Ausdruck zu verleihen. Seid gespannt!

Noch können wir die Pläne stoppen!

Die großen Pelletkonzerne Enviva und Granul-Invest stehen bereit und signalisieren: Deutschland ist der nächste große Markt. Doch wir lassen uns nicht verunsichern: Noch ist der Eine-Milliarde-Fördertopf der Regierung zur Umrüstung von Kraftwerken auf Holzbiomasse nicht fertig gekocht. Wenn wir jetzt Druck machen, haben wir die Chance, dass die Pläne nie umgesetzt werden.

Wir wollen die Umrüstung von Kohlekraftwerken auf Holzbiomasse mit Ihnen gemeinsam kippen, allen voran das Projekt zur Buschholzverbrennung im Kraftwerk Tiefstack. Wir brauchen eine sozial gerechte, klima- und artenverträgliche Energie- und Wärmewende. Das heißt, wir brauchen eine dezentrale Energieversorgung aus nachweislich erneuerbaren Energien, die ohne den Import von Ressourcen aus dem globalen Süden auskommt. Dazu gehören Solar- und Windkraft, aber auch Erd-, Wasser- und Luftwärmepumpen. Und auch die entschlossene Förderung von Energieeffizienz sowie Maßnahmen zur Energiereduktion sind gefragt.

Wir bleiben dran, informieren Sie und machen weiter Druck. Mit Ihrer Unterstützung heizen wir den Befürwortenden des Projekts ein!



Informieren Sie sich auf unserer Kampagnenwebsite:
www.robinwood.de/wälder-und-savannen-nicht-verfeuern

*



Robin Wood Pressemitteilung - 15. Juni 2021

Our Forests Aren't Fuel

Streicht Waldbiomasse aus der EU-Richtlinie für erneuerbare Energien!

NGOs übergeben eine von rund 220.000 Bürger*innen unterzeichnete Petition gegen das Verfeuern von Wäldern in der EU Das niederländische Clean Air Committee übergibt heute Nachmittag im Namen von 127 NGOs die von rund 220.000 Menschen unterzeichnete EU-Petition "Die EU muss Wälder schützen, statt sie für die Energiegewinnung zu verbrennen". Die Übergabe an Diederik Samsom, Kabinettchef des Vizepräsidenten der EU-Kommission, Frans Timmermans, findet im Berlaymont-Gebäude der EU-Kommission in Brüssel statt. Sie wird in einer Videoschalte durch eine fünfköpfige Delegation von NGO-Vertreter*innen, darunter ROBIN WOOD, begleitet.

Die EU-Richtlinie für erneuerbare Energien (REDII) erlaubt zurzeit, dass Gelder, die für den Umbau des Energiesystems auf erneuerbare Energien gedacht sind, auch in den Ausbau der industriellen Holzverbrennung fließen dürfen. Rund 220.000 EU-Bürger*innen fordern mit ihrer Unterschrift unter die Petition, dass dies gestoppt werden muss. Denn die Verbrennung wertvoller Wälder ist nur der Umstieg von der einen Verbrennungstechnologie auf eine andere - sie schadet dem Klima, der Artenvielfalt und der Gesundheit. Dies kann nicht im Sinne einer wirksamen, europäischen Klimapolitik sein.

Die Petition fordert die EU-Politiker*innen und die EU-Mitgliedstaaten dazu auf:

  • Subventionen und andere Anreize für die Verbrennung von Holzbiomasse einzustellen und das Geld umzulenken in die Förderung von Energieeffizienz und in den Ausbau wirklich erneuerbarer Energiequellen
  • Energie, die aus der Verbrennung von Holzbiomasse gewonnen wird, nicht positiv in den Klimabilanzen zu verbuchen
  • den Schutz der Wälder und der Artenvielfalt vorrangig zu berücksichtigen.

"Deutschland steht an der Schwelle, in die großindustrielle Verbrennung von Holz in umgerüsteten Kohlekraftwerken einzusteigen. Herr Timmermans, geben Sie Deutschland und allen Mitgliedstaaten ein starkes Signal gegen das Verbrennen wertvoller Wälder und setzen Sie sich für eine soziale, faire und ökologische Energiewende in der EU ein", fordert Jana Ballenthien, Waldreferentin von ROBIN WOOD Deutschland.

"Dänemarks 'grüner Übergang' basiert auf dem Übergang von der Verbrennung von Kohle zur Verbrennung von Biomasse, was alles andere als klimafreundlich ist. Es wird katastrophal sein, wenn unsere Fehler in noch größerem Maßstab wiederholt werden", sagt Mads Kjærgaard Lange, Koordinator von NOAH, Friends of the Earth Denmark.

"Herr Timmermans, im Namen von 26 NGOs aus Polen bitte ich Sie, Primärholzbiomasse von der Liste der erneuerbaren Energiequellen in der RED zu streichen", sagt Augustyn Mikos von der polnischen NGO Association Workshop for All Beings.

Pressemitteilung, 15.06.2021
Robin Wood, Pressestelle
E-Mail: presse@robinwood.de

https://www.robinwood.de/pressemitteilungen/streicht-waldbiomasse-aus-der-eu-richtlinie-für-erneuerbare-energien

*

Quelle:
ROBIN WOOD-Magazin Nr. 149/2.2021, Seite 24-25
Zeitschrift für Umweltschutz und Ökologie
sowie Robin Wood Pressemitteilung, 15.06.2021
Verlag:
ROBIN WOOD-Magazin
Bundesgeschäftsstelle
Bremer Straße 3, 21073 Hamburg (Harburg)
Tel.: 040/380 892-0, Fax: 040/380 892-14
E-Mail: magazin[at]robinwood.de
Internet: http://www.robinwood.de
 
Erscheinungsweise: vierteljährlich
Jahresabonnement: 12,- Euro inkl. Versand
Der Bezug des ROBIN WOOD-Magazins
ist im Mitgliedsbeitrag enthalten

veröffentlicht in der Online-Ausgabe des Schattenblick zum 13. Juli 2021

Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang