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INTERVIEW/005: Borgia im ZDF - eher die Ausnahme, John Doman im Gespräch (SB)


Interview mit dem Schauspieler John Doman am 30. Juli 2013 in Hamburg



John Doman ist dem deutschen Fernsehpublikum vor allem über seine Rolle als Rodrigo Borgia in der ersten Staffel der ZDF-Serie Borgia und als Deputy Police Commissioner William Rawls in der HBO-Serie The Wire bekannt. Mit Tom Fontana, der das Drehbuch zu Borgia schrieb, arbeitete John Doman bereits in dessen HBO-Serie Oz als Darsteller zusammen. Am Rande der Präsentation der zweiten Staffel von Borgia beantwortete John Doman dem Schattenblick einige Fragen.

Im Gespräch - Foto: © 2013 by Schattenblick

John Doman
Foto: © 2013 by Schattenblick

Schattenblick: Herr Doman, trifft es zu, daß die Produktion der TV-Serie The Wire, in der Sie eine tragende Rolle spielten, eingestellt wurde, weil die starke Besetzung mit afroamerikanischen Schauspielern beim Publikum nicht so gut ankam?

John Damon: Nein. Ich denke, David Simon, der die Serie begründet hat, hatte zum Ende der fünften Staffel alles in ihr untergebracht, was er sich vorgenommen hatte. Die Geschichte war, soweit es ihn betraf, vorbei. Ich glaube allerdings, daß die Tatsache, daß wir so viele schwarze Schauspieler hatten, sich auf die Preisverleihungen ausgewirkt haben könnte.

SB: Hier in Deutschland wurde die Serie in den Feuilletons hoch gelobt, was sich allerdings nicht in den Zuschauerzahlen niederschlug.

JD: In den USA gab es ebenfalls hervorragende Kritiken für The Wire, aber HBO strahlte zu jener Zeit The Sopranos aus. Sie gaben den Großteil ihrer Mittel für die Vermarktung der Sopranos aus, und wir erhielten nicht wirklich viel Promotion. Als The Wire ausgestrahlt wurde, wußte das Publikum nichts über die Serie. Sie lief gewissermaßen unter der Schwelle der öffentlichen Wahrnehmung. Erst als die DVDs mit der Serie veröffentlicht wurden und sich herumsprach, wie gut sie ist, wurde das Publikum für The Wire selbst für US-Verhältnisse sehr groß.

SB: Nun ist David Simon weiter nach New Orleans gezogen und hat die Serie Treme gedreht, die vor dem Hintergrund der Veränderungen spielt, denen die Stadt durch den Hurrikan Katrina ausgesetzt war. Könnte man sagen, daß es sich dabei in gewisser Weise um eine Fortsetzung von The Wire handelt, die lediglich in einer anderen Stadt mit ihren spezifischen Problemen angesiedelt ist?

JD: David nutzt seine Serien in großem Ausmaß, um soziale Kommentare abzugeben. Da dies eine Geschichte über eine andere amerikanische Stadt ist, glaube ich, daß sie auf der gleichen Ebene agiert.

SB: Die Affäre um Trayvon Martin könnte direkt aus The Wire stammen. Glauben Sie, daß die Serie für derartige Fragen der US-Gesellschaft relevant ist?

JD: Absolut. Es gibt definitiv Rassenprobleme in den USA, das hat sich nicht verändert. Ja, ich denke, The Wire ist immer noch sehr relevant für das, was in der US-Gesellschaft vor sich geht.

SB: Werden in den USA noch andere TV-Serien produziert, die sich von der reinen Unterhaltung etwa eines Fantasy-Formats fortbewegen und soziale Probleme abbilden, oder scheitert das am Geld?

JD: Ich glaube, es ist tatsächlich eine Frage des Geldes. Viele Produzenten sind der Ansicht, daß das Publikum unterhalten werden will oder sich in eine Fantasiewelt begeben möchte, wenn es vor dem Fernseher Platz nimmt. Vermutlich zögert man daher eher, wenn es um Produktionen geht, die das, was tatsächlich vor sich geht, enthüllen.

Drei Hauptdarsteller der Serie Borgia - Foto: © 2013 by Schattenblick

Mark Ryder, Isolda Dychauk, John Doman
Foto: © 2013 by Schattenblick

SB: Glauben Sie, daß die Serie Borgia, in der Sie nun spielen, dem Publikum über die reine Unterhaltung hinaus etwas vermittelt?

JD: Auf jeden Fall. Es ist eine Geschichte über Macht und die Gier des Menschen nach Einfluß und Kontrolle. Ich glaube nicht, daß sich das seit der Renaissance sehr verändert hat. Der Mensch ist immer noch ein Mensch, und wenn man nach Macht streben kann, dann wird es immer bestimmte Personen geben, die sie unter allen Umständen erringen wollen.

SB: Die von Showtime produzierte US-Serie The Borgias wurde vor kurzem nach der dritten Staffel aus Kostengründen eingestellt, obwohl ursprünglich eine vierte Staffel geplant war. Ist das Ihrer Meinung nach auf ein zu geringes Interesse an historischen Themen beim Publikum zurückzuführen?

JD: Das weiß ich nicht. Aber mitunter zieht der Erfolg einer Serie in einem bestimmten Genre mehr Serien ähnlicher Art nach sich. Erst gab es Rome, dann kam Spartacus, und so wurden diese aufwendig ausgestatteten Dramen zu einer bestimmten historischen Epoche populär. Das wird sich wieder verändern und man wird neue Themen aufgreifen.

SB: Inwiefern ist das US-Publikum an Serien interessiert, die seine eigene Geschichte, die der Vereinigten Staaten, zum Gegenstand haben?

JD: Mit zunehmendem Alter ist mein Interesse an Geschichte stark angewachsen. Wie Sie wissen, gehöre ich der Baby Boomer-Generation an. Wir werden alle älter, und wenn ich ein Indikator dafür wäre, was das Publikum interessiert, dann werden wir auch stärker an unserer Geschichte interessiert sein.

SB: Sie waren als Mitglied des Marine Corps im Vietnamkrieg. Beeinflußt diese Erfahrung Ihre schauspielerische Arbeit?

JD: Jeder Schauspieler wird Ihnen sagen, daß seine normale Lebenserfahrung in seine Arbeit einfließt. Nur das, was man erlebt hat, macht einen Menschen aus. Alles, was man in seinem Leben tut, übt einen gewissen Einfluß auf diese Arbeit aus. Man muß es nur zulassen.

SB: Serien wie 24 und Homeland sind in den USA sehr erfolgreich. Meinen Sie, daß diese Art der Aufbereitung von Themen, die den Kampf gegen den Terrorismus und recht krasse Formen der Polizei- und Geheimdienstarbeit zum Gegenstand haben, zur Aufklärung der Bevölkerung beiträgt?

JD: Viel von dem, was dort dargestellt wird, passiert tatsächlich. Ja, ich glaube, daß es sehr gut ist, wenn den Menschen dies in einer Serie oder einem Kinofilm anschaulich gemacht wird.

SB: Herr Doman, vielen Dank für das Gespräch.

Blick auf die Hamburger Außenalster - Foto: © 2013 by Schattenblick

Die Alster nahe beim Veranstaltungsort Le Royal Méridien
Foto: © 2013 by Schattenblick


SB-Beiträge zur ZDF-Serie "Borgia" siehe:

BERICHT/004: Borgia im ZDF - Renaissance verpaßt
http://www.schattenblick.de/infopool/medien/report/mreb0004.html

BERICHT/005: Borgia im ZDF - Opulenz und Dekadenz
http://www.schattenblick.de/infopool/medien/report/mreb0005.html

INTERVIEW/003: Borgia im ZDF - Taktische Transparenzen, Jan Mojto im Gespräch
http://www.schattenblick.de/infopool/medien/report/mrei0003.html

INTERVIEW/004: Borgia im ZDF - Starke Bilder, Nebenwelten, Tom Fontana im Gespräch
http://www.schattenblick.de/infopool/medien/report/mrei0004.html


13. August 2013