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REZENSION/021: Water Makes Money - Wie private Konzerne aus Wasser Geld machen (SB)


Water Makes Money

Wie private Konzerne aus Wasser Geld machen

Ein Film von Leslie Franke und Herdolor Lorenz


Ausgesprochen anschaulich zeigt der Film "Water Makes Money", welche verhängnisvollen Folgen die Privatisierung der Wasserversorgung und Abwasserwirtschaft für die Gemeinden haben kann. Die Wasserqualität nimmt ab, die Kosten für die Abnehmer steigen, häufig sind die durch Leckagen bedingten Verluste höher als bei Unternehmen in öffentlicher Hand. Wer bislang nicht die Kontroverse um die neoliberale Ideologie seit der Ära von US-Präsident Ronald Reagan und der britischen Premierministerin Margaret Thatcher mitbekommen hat, erhält in dem 82minütigen Dokumentarfilm einen treffenden Einblick, worauf die Privatisierung von sogenannten Umweltdienstleistungen, zu denen die Trinkwasserversorgung gehört, hinausläuft.

Vielleicht war die publikumswirksame Darstellung mitunter komplizierter, juristisch anspruchsvoller Sachverhalte der wesentliche Grund, weswegen der von den Filmemachern Leslie Franke und Herdolor Lorenz kritisierte Konzern Veolia bei einem Pariser Gericht Klage wegen Verleumdung eingereicht hat, und weniger die Schärfe ihrer Analyse. Die bleibt ungefähr an der Stelle stehen, wo eine Rekommunalisierung der zuvor privatisierten Unternehmen abgeschlossen wird. Beispielsweise in Paris, dem Ursprung der beiden weltweit führenden Wasserkonzerne Veolia und Suez, die sich die Stadt in nördlich und südlich der Seine aufgeteilt hatten. Dort machte sich die Vizebürgermeisterin Anne Le Strat von den französischen Grünen für die Rückführung der Wasserversorgung in die öffentliche Hand stark und konnte sich gegen alle Widerstände durchsetzen. 2009 war es soweit, in Paris wurde gefeiert: Eau de Paris übernimmt vollständig die Wasserversorgung der französischen Hauptstadt. An der Spitze dieses kommunalen Unternehmens: Anne Le Strat.

Aber auch der Staatskapitalismus ist und bleibt ein Kapitalismus. Daß in Unternehmen der öffentlichen Hand ebenfalls fremdbestimmte Arbeit geleistet wird, von der andere profitieren - im Falle von Eau de Paris werden die eingenommen Gelder wieder in die Verbesserung der Wasserversorgung eingespeist; allerdings werden die Tätigkeiten der Arbeiter sehr wohl unterschiedlich entlohnt -, kurzum, daß ein hierarchisches Verwertungssystem von Oben und Unten entsteht, das kritisch zu reflektieren darf man von einem Film, der in Zusammenarbeit mit dem öffentlich-rechtlichen ZDF und Arte entstand und von der Filmförderung Hamburg Schleswig-Holsteins unterstützt wird, nicht erwarten. Er leistet keine grundlegende Gesellschaftskritik, sondern will auf Mißstände der gesellschaftlichen Entwicklung aufmerksam machen.

Die Premiere von "Water Makes Money" wurde am 23. September 2010 zeitgleich in über hundert deutschen, französischen und anderen europäischen Städten und Gemeinden gefeiert. Seitdem wird der Film kräftig beworben und über DVDs sowie private Vorführungen verbreitet. Ob er auf Arte wie ursprünglich geplant am 22. März 2011 laufen wird, ist unsicher. Anwälte des Senders hatten den Film auf Herz und Nieren hinsichtlich möglicher Klagen untersucht, aber ähnlich wie der Vorläuferfilm "Wasser unterm Hammer" entgegen der ursprünglichen Planung nicht vom ARD weiterverbreitet wurde, könnte auch "Water Makes Money" aufgrund der Klage des Wasserkonzerns unterdrückt werden.

Die Ursprünge einiger der gezeigten Beispiele für negative Privatisierungsfolgen reichen zeitlich länger zurück, doch werden die Folgen noch heute abgewickelt und erlauben darüber hinaus Vergleiche mit aktuellen Entwicklungen. Das rechtfertigt die Beschreibung zurückliegender Fälle von Bestechung im Rahmen der Wasserprivatisierung von Grenoble allemal. So ist zwar das "Eintrittsgeld", das Konzerne wie Veolia oder Suez an Kommunen gezahlt haben, um deren Wasserversorgung übernehmen zu dürfen, in Frankreich inzwischen verboten, weil das der Korruption Tür und Tor geöffnet hatte, deutlich wurde aber am Beispiel der Stadt Braunschweig, daß die Expansion der stets nach höherer Rendite strebenden Privatunternehmen in neuen Varianten mit dem gleichen Ziel vonstatten geht. Aus der ursprünglichen Privatisierung - der Begriff ist mittlerweile negativ konnotiert -, wurden sogenannten Public-Private-Partnerships. Dabei bleibt die "Hardware" der Infrastruktur in öffentlicher Hand, aber die Dienstleistung wird von einem Privatunternehmen übernommen. Zugespitzt könnte man auch sagen, daß bei Public-Private-Partnerships die Gewinne privatisiert und die Verluste vergesellschaftet werden.

Die sogenannte Erfolgsgeschichte Braunschweigs erweist sich als Potemkinsches Dorf. Ein Blick hinter die Staffage zeigt, daß die Stadt abgesehen von der Wasserversorgung noch weitere Dienstleistungensektoren privatisiert hat und daß die eingenommenen Gelder die Stadt keineswegs von ihren Schulden befreiten, wie es in der Presse behauptet wurde. Faktisch hat die Stadt Kredite aufgenommen, welche zu einem späteren Zeitpunkt aus den Gebühreneinnahmen der Wasserkunden zurückerstattet werden müssen.

Hieran werden grundlegende Interessenkonflikte zwischen privatem Wirtschaften und öffentlicher Versorgungsleistung erkennbar. Ein profitorientiertes Unternehmen, das als Dienstleister für eine öffentliche Grundversorgung der Bevölkerung Trinkwasser bereitstellt, verdient daran, daß viel Wasser verbraucht wird. Langfristige Investitionen in die Wartung der Leitungsnetze gehören nicht zu seinen Prioritäten. Wenn Unternehmen wie Veolia und Suez dennoch gewisse Aufwendungen für die Instandhaltung der Trinkwasserinfrastruktur leisten, dann in erster Linie, weil sie dazu genötigt werden. Selbstverständlich vertreten die Unternehmen den Standpunkt, daß ihnen ein verantwortlicher Umgang mit dem Trinkwasser wichtig ist. Imagepflege gehört ebenso zum Geschäft wie beispielsweise die Beteiligung an EU-Wasserforschungsprogrammen oder die Entwicklung von Rohrbruchsensoren, Filtern und anderen Umweltschutztechnologien.

Der trotz rückläufiger Privatisierungszahlen wachsende gesellschaftliche Einfluß der Wasserkonzerne macht sich auch an anderen Faktoren fest. So betreiben sie eine intensive Lobbyarbeit bei den EU-Behörden in Brüssel, wo sie auf allen Ebenen der politischen Entscheidungsfindung anzutreffen sind. Die Forderung der EU an Länder des Südens, ihre Märkte auch im Dienstleistungssektor zu öffnen, dient Wasserkonzernen als Türöffner für diese Räume. Hierzu muß allerdings angemerkt werden, daß sich rund um die EU-Institutionen mehrere zehntausend Lobbyisten aus sämtlichen Wirtschaftsbranchen tummeln und die für ihre Interessen wichtigen Entscheidungsträger zu beeinflussen versuchen. Darin sind erwartungsgemäß Vertreter von Suez und Veolia beteiligt. Das schmälert ihre Bemühungen nicht, aber es zeigt, daß das Problem des Lobbyismus weiter gefaßt werden müßte.

Darüber hinaus zeigen Franke und Lorenz, daß in der Branche der Wasserversorger ebenfalls der Drehtüreffekt anzutreffen ist: Politiker oder höhere Beamte wechseln in die Wirtschaft und umgekehrt. Da sind Interessenkonflikte vorprogrammiert oder - noch schlimmer - die Beteiligten kennen keine Interessenkonflikte ...

Ein weiterer Faktor gesellschaftlicher Einflußnahme - und keineswegs der unwichtigste - besteht darin, daß die Unternehmen dazu übergehen, universitäre Einrichtungen über die Vergabe von Finanzmitteln zu "unterstützen". Dort sind dann Wissenschaftler tätig, die beispielsweise hydrologische Gutachten erstellen, in denen die Wasserentnahme aus einem Fluß als unbedenklich für den Grundwasserhorizont der Region ausgewiesen wird. Auf solche vermeintlich objektiven wissenschaftlichen Expertisen stützen sich dann womöglich Kommunalpolitiker, die eine Privatisierung oder Public-Private-Partnerships durchsetzen wollen.

Obwohl sich die Filmemacher bei der Darstellung einzelner Beispiele viel Zeit nehmen, was dem Film sehr zugute kommt, bietet "Water Makes Money" eine Fülle an Material, in denen die verschiedensten Folgen der Privatisierung und Formen der politischen Einflußnahme der Wasserkonzerne gut herausgearbeitet werden. Diese Stärke des Film bildet zugleich eine Schwäche. Er bedient sich des Schwarz-Weiß-Denkens. Veolia und Suez erscheinen als "böse", kommunale Wasserversorger dagegen als "gut".

Um nicht mißverstanden zu werden: Es spricht nichts dagegen, sich eindeutig zu positionieren. Auch der Vorwurf der Einseitigkeit kann nicht verfangen, betreiben doch die PR-Abteilungen der Wasserkonzerne das gleiche nur mit umgekehrten Vorzeichen. Wenn aber der langjährige sozialdemokratische Oberbürgermeister von München, Christian Ude, als Sprachrohr für eine kommunale Wasserversorgung zu Wort kommt und er mit Stolz verkündet, welche Leistungen die Landeshauptstadt Bayerns erbracht hat, indem sie den biologischen Landbau in den Wassereinzugsgebieten fördert, dann hätte der Film an dieser Stelle grundsätzlicher werden und die Produktionsverhältnisse kommunaler Unternehmen durchleuchten können. Oder er hätte die gesellschaftlichen Voraussetzungen kritisch reflektiert, die es auch mit Unterstützung eines sozialdemokratischen Oberbürgermeisters Unternehmen ermöglichen, den Mehrwert aus fremdbestimmter Arbeit abzugreifen und zu akkumulieren. Aber, wie gesagt, eine Fundamentalkritik muß der Film "Water Makes Money" nicht leisten. Immerhin nimmt er kritisch Stellung zur Privatisierung, was in der hiesigen Medienlandschaft selten genug vorkommt.


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Water Makes Money
Wie private Konzerne aus Wasser Geld machen
Ein Film von Leslie Franke und Herdolor Lorenz

Eine Koproduktion der KernFilm mit La Mare aux canard und Achille Du Genestoux, in Zusammenarbeit mit ZDF/Arte, gefördert von der Filmförderung Hamburg Schleswig-Holstein GmbH.

82 Minuten, 2010

24. Januar 2011