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STANDPUNKT/062: Ein Bärendienst an Julian Assange (Pressenza)


Internationale Presseagentur Pressenza - Büro Berlin

Ein Bärendienst an Julian Assange

Von Jairo Gomez, 31. Dezember 2019


Am 24.12. dieses Jahres erschien auf der Website von Reporter Ohne Grenzen eine Pressemitteilung, in der die sofortige Freilassung von Julian Assange gefordert wurde. Eine Forderung, die man zunächst nur begrüßen kann. Sie wurde auch prompt in sozialen Netzwerken vielfach geteilt.


Ein fragwürdiger Appell

Doch liest man diese Pressemitteilung [1] aufmerksam, kann man leicht auf den Gedanken kommen, dass ROG Julian Assange mit der Formulierung und Begründung der Forderung, einen Bärendienst erweist. Zitat:

"Julian Assange soll wegen seiner Journalismus-ähnlichen Aktivitäten der Prozess gemacht werden, seine Auslieferung in die USA schüfe einen gefährlichen Präzedenzfall. ROG ruft die USA dringend dazu auf, die Spionagevorwürfe gegen den Whistleblower fallenzulassen."


Aberkennung des Journalisten Status

Man bezeichnet seitens ROG Julian Assange als Whistleblower und nicht als Journalist! Indirekt wird ihn dieser Status aberkannt. Er aber ist Journalist! Assange hat WikiLeaks geschaffen, um Whistleblowern eine Möglichkeit zu geben, ihre Informationen weiterzugeben. Das ist ein eklatanter Unterschied, denn er selbst ist nicht in Netzwerke eingedrungen und hat Geheimnisse ausspioniert. Er hat lediglich seine Arbeit als Journalist wahrgenommen und brachte diese Informationen an die Öffentlichkeit, weil sie von politischer Bedeutung waren und sind. Immerhin wurden von Angehörigen des US-amerikanischen Militärs Kriegsverbrechen verübt, die man versuchte zu vertuschen.

Von "Journalismus ähnlichen Aktivitäten" in diesem Zusammenhang zu sprechen, grenzt an eine Verhöhnung des Werkes von Julian Assange. Allerdings haben sich "renommierte" Zeitungen wie die New York Times, Der Spiegel oder Le Figaro nur zu gern dieser Information bedient. Im Nachhinein wirkt es so, als ob sie rein opportunistisch gehandelt hätten, nur um ihre Auflagezahlen nach oben zu puschen. Verstärkt wird dieser Eindruck durch das allgemeine Schweigen dieser Medien zu der Behandlung, die Julian Assange seit Jahren erleiden muss.

Natürlich ist es richtig und wichtig, dass ROG fordert, dass Assange aus humanitären Gründen freizulassen ist, selbstverständlich! Aber eben nicht nur, sondern, weil er aus politischen Gründen weiterhin festgehalten wird und damit die Politik die Pressefreiheit massiv angreift. Dies wird aber in dem Forderungsschreiben mit keinem Wort explizit erwähnt.

Ein Schurke derjenige, der auf die Idee kommt, ein solches Schreiben als "systemkonforme Solidarität" zu bezeichnen. Lassen wir aber Milde walten und bezeichnen es eher als einen gut gemeinten Bärendienst. Manchmal allerdings ist das Gengenteil von "gut" nicht etwa "schlecht", sondern "gut gemeint".


Weiterführende Quellen und Texte:
https://www.pressenza.com/de/2019/12/ein-baerendienst-an-julian-assange/


Anmerkung:
[1] https://www.reporter-ohne-grenzen.de/pressemitteilungen/


Der Text steht unter der Lizenz Creative Commons 4.0
http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/

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Quelle:
Internationale Presseagentur Pressenza - Büro Berlin
Reto Thumiger
E-Mail: redaktion.berlin@pressenza.com
Internet: www.pressenza.com/de


veröffentlicht im Schattenblick zum 3. Januar 2020

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