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PREIS/1671: "Balsam für die Wunden" - IWMF-Preis an vier Journalistinnen verliehen (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 21. Oktober 2010

Medien: "Balsam für die Wunden" - IWMF-Preis an vier Journalistinnen verliehen

Von Kanya D'Almeida


New York, 21. Oktober (IPS) - Alma Guillermoprieto fand gemeinsam mit einem anderen Journalisten heraus, dass salvadorianische Soldaten 1981 in dem Dorf El Mozote im Norden des Landes ein Massaker an 1.000 unbewaffneten Zivilisten verübt hatten. Da die damalige US-Regierung von Präsident Ronald Reagan die Armee des zentralamerikanischen Landes unterstützte, versuchte Washington, Guillermoprietos Recherchen zu diskreditieren.

Die Mexikanerin blieb jedoch bei ihrer Version - und setzte sich durch. Die US-Regierung musste schließlich die Authentizität ihres Berichts anerkennen. Für ihre Leistung erhielt Guillermoprieto kürzlich in New York den diesjährigen 'Courage in Journalism Award'. Mit dem Preis ehrt die Internationale Frauen-Medienstiftung (IWMF), die in diesem Jahr ihr 20-jähriges Bestehen feiert, den unerschrockenen Einsatz von Journalistinnen in aller Welt. In den vergangenen beiden Jahrzehnten hat die Stiftung bahnbrechende Arbeit geleistet, indem sie Frauen bei ihrem Engagement für die Pressefreiheit unterstützte.

Diese Anerkennung sei "Balsam für die Wunden", die durch Ignoranz und Zensur verursacht würden, sagte die 61-jährige Guillermoprieto, als sie die Auszeichnung für ihr Lebenswerk entgegennahm. Sie wies besonders auf die Bandenkriminalität in der mexikanischen Stadt Reynosa nahe der Grenze zu den USA hin. Verbrecher hätten die Stadtverwaltung, die Polizei und die Medien unter ihrer Kontrolle, erklärte sie unter Berufung auf das Komitee zum Schutz von Journalisten (CPJ).


Enthüllungsgeschichten über Kinderhändler in Kolumbien

Auch die anderen drei Preisträgerinnen konnten packende Geschichten erzählen. Die Kolumbianerin Claudia Duque hat Reportagen über Kinderhandel, illegale Adoptionen und Menschenrechtsverbrechen von Paramilitärs geschrieben. Bei der Zeremonie war sie so bewegt, dass ihr die Tränen kamen. Nachdem Duque der kolumbianischen Geheimpolizei DAS vorgeworfen hatte, Beweis im Fall des Mordes an dem Journalisten Jaime Garzón manipuliert zu haben, wurde sie mehrmals entführt, ausgeraubt und mit dem Tod bedroht.

Um weiteren Druck auf sie auszuüben, kündigten ihre Widersacher an, auch ihre damals zehnjährige Tochter zu foltern, zu vergewaltigen und zu ermorden. "Die Regierung fing meine Emails ab", sagte die Kolumbianerin im Gespräch mit IPS. "In einer Nachricht schrieb ich meinem Freund, dass ich mir Sorgen um meine Tochter machte. Das war mein schwächster Punkt. Einen Monat später wurde sie dann bedroht."

Duque ließ sich von der Terrorkampagne aber nicht beeindrucken und schrieb weiter. "Diesen Preis widme ich meiner Tochter, die trotz aller Schwierigkeiten immer an meiner Seite geblieben ist", erklärte sie bei der Zeremonie im New Yorker Hotel Waldorf Astoria.

Geehrt wurde auch Vicky Ntetema aus Tansania, die seit 1991 für die britische BBC berichtet. Es sei die wichtigste Aufgabe eines Journalisten, denjenigen eine Stimme zu geben, die bisher nicht angehört worden seien, betonte sie. Man müsse "über die Menschen und für die Menschen" schreiben.

Ntetema hatte in dem afrikanischen Land die Machenschaften von Schwarzhändlern aufgedeckt, die Leichenteile von Albinos verkauften. Nachdem sie die Verbrechen öffentlich gemacht hatte, geriet sie selbst in große Gefahr. 2007 hatte sie zum ersten Mal gehört, dass Medizinmänner vier Albinos getötet und deren Körperteile und Haare zu Zaubertränken verarbeitet hatten. Ntetema gab sich als Kundin aus und verschaffte sich Zugang zu dem inneren Zirkel der Bande. Man kam ihr auf die Schliche, als ein Aufnahmegerät aus ihrer Tasche fiel.


Tansanische Medizinmänner als Mörder enttarnt

Trotz wiederholter Todesdrohungen hat Ntetema ihre Recherchen fortgesetzt und die bestialischen Praktiken der Heiler aufgedeckt, die in der traditionellen afrikanischen Gesellschaft erhebliche politische Macht ausüben. "80 Prozent aller Tansanier müssen mit einem US-Dollar am Tag auskommen", sagte die Reporterin. Die Zaubertränke, die pro Portion tausend Dollar kosteten, würden also von den Reichen im Land nachgefragt.

Ntetema ist durch ihre Reportage zu einer Anwältin für die Albinos geworden. Zurzeit ist sie auch Exekutivdirektorin der kanadischen Nichtregierungsorganisation 'Under the same sun' (UTSS), die sich für Menschen am Rande der Gesellschaft einsetzt. "Ich berichte nicht mehr in Vollzeit für die BBC, weil ich eine Grenze überschritten habe", sagte die Tansanierin IPS.

Ihrer Ansicht nach sind Organisationen wie IWMF absolut notwendig, um die Arbeit von Journalistinnen in aller Welt sicherzustellen. "Frauen werden in jedem Bereich diskriminiert, und der Journalismus bildet keine Ausnahme", stellte Ntetema fest.

Die chinesische Preisträgerin Tsering Woeser konnte nicht nach New York kommen, da sie von den Behörden ihres Landes an der Ausreise gehindert wurde. In einer vorab aufgezeichneten Dankesrede hob die Journalistin und Bloggerin die Bedeutung der neuen Medien bei der Überwindung der 'Firewall' in China hervor. Sie sieht sich selbst als "Waffe der Ohnmächtigen gegen die Macht in der Welt". (Ende/IPS/ck/2010)


Links:
http://www.iwmf.org/archive/articletype/articleview/articleid/679/2010- courage-in-journalism-awards.aspx
http://www.underthesamesun.com/
http://www.cpj.org/
http://www.ipsnews.net/news.asp?idnews=53220

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 21. Oktober 2010
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veröffentlicht im Schattenblick zum 22. Oktober 2010