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INTERNATIONAL/098: Twittern, wenn der Tsunami kommt - Wie neue Medien den Katastrophenschutz stärken (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 4. April 2013

Kommunikation: Twittern, wenn der Tsunami kommt - Wie neue Medien den Katastrophenschutz stärken

von Amantha Perera


Bild: © Amantha Perera/IPS

Nach dem Tsunami 2004 haben viele Länder ihre Frühwarnsysteme überprüft
Bild: © Amantha Perera/IPS

Colombo, 4. April (IPS) - Kurz nachdem der verheerende Tsunami am 11. März 2011 die Stadt Kesennuma im Nordosten Japans überspülte, saß die 59-jährige Naoko Utsumi auf dem Dach eines Gemeindezentrums fest. Ihre einzige Verbindung zur Außenwelt war ihr Handy, über das sie immerhin noch Emails verschicken konnte.

Utsumi erreichte auf diese Weise ihren Mann, der ihren Sohn im mehr als 9.500 Kilometer entfernten London informierte. Dieser schickte über den Internet-Kurznachrichtendienst Twitter eine Botschaft an den Vize-Gouverneur von Tokio, der die Mutter und mehr als 400 weitere Tsunami-Opfer per Hubschrauber retten ließ.

Das geht aus dem Bericht 'Connecting the Last Mile. The Role of Communication in the Great East Japan Earthquake' der internationalen Nichtregierungsorganisation 'Internews' hervor, die sich für die Verbreitung von Qualitätsjournalismus einsetzt und Gemeinschaften befähigt, lokale Nachrichten zu produzieren.

Der Report untersucht, welchen Anteil die neuen Medien, vor allem Twitter und Facebook, an der Kommunikation nach dem Unglück in Japan hatten. "Diese neuen Medien spielen eine große Rolle beim Katastrophenschutz und bei der Nothilfe. Das haben wir bereits in Haiti erlebt und beobachten es jetzt auch in Syrien. Man kann anderen Menschen mitteilen, dass man noch lebt, und Überlebenden den Weg zu Nahrungsausgabestellen weisen", sagt Jacobo Quintanilla, der bei Internews für humanitäre Informationsprojekte zuständig ist.

In der ersten Stunde, in der der Tsunami die Region erfasste, erstellte ein Twitter-Nutzer im Süden Japans ein Hashtag, das später zum Schlüsselsuchwort für diejenigen wurde, die über die Website Hilfe suchten und anderen Unterstützung leisten wollten. "Twitter in Japan hat Tags für bestimmte Informationen geschaffen. Das globale Netzwerk des Dienstes hat dann die Suche und die Einsätze zur Rettung von Tsunami-Überlebenden erleichtert", heißt es in dem Internews-Bericht.

Eineinhalb Stunden nach dem Beginn der Flutwelle schaltete Google ein Tool zur Ortung von Personen frei. Rund 5.000 Freiwillige luden in den folgenden sechs Wochen, in denen das Tool in Echtzeit funktionierte, zahlreiche Daten hoch. Laut dem Internews-Report half Facebook den Überlebenden und denjenigen, die nach ihnen suchten, beim Austausch persönlicher Informationen.


11.000 Twitter-Nachrichten pro Minute

Am 11. März 2011 liefen ab 14.46 Uhr (Ortszeit) mehr als 11.000 Twitter-Nachrichten pro Minute ein. Ganz anders hatte es am 26. Dezember 2004 ausgesehen, als der Tsunami von Indonesien bis Sri Lanka und an der Südküste Indiens eine Spur der Verwüstung hinterließ. Überlebende in dem ostsrilankischen Dorf Maradamunai sagten Journalisten, dass sie auch zwei Wochen nach der Katastrophe noch nicht wussten, wo sie Hilfe oder Informationen über die Toten und Vermissten erhalten könnten.

Das Ausmaß von Tod und Zerstörung durch den Tsunami in Asien veranlasste Länder wie Sri Lanka dazu, ihre Frühwarnsysteme zu überprüfen. Die Rolle der neuen Medien während und nach Katastrophen ist in den Vordergrund gerückt. Experten in Sri Lanka sind überzeugt, dass Mobiltelefone das beste Mittel zur Übermittlung frühzeitiger Warnungen an Tausende wenn nicht Millionen von Menschen sind.

"Die mobile Kommunikation ist wegen ihrer großen Verbreitung die effektivste", sagt Indu Abeyarathane vom Roten Kreuz in Sri Lanka (SLRC). Andere Experten sind davon überzeugt, dass die Kommunikation über mobile Geräte und das Internet große Lücken in den Frühwarnsystemen schließen könnte.

"Immer wieder hat es 'Kommunikationspannen' gegeben, eher als Fehlschläge bei der Vorhersage oder Einschätzung von Risiken. Die Informationen müssen rasch kommen und maßgeschneidert sein. Die Nutzer sollten die Möglichkeit haben, Näheres zu erfahren und diejenigen zu erreichen, die die Informationen generieren", sagt Lareef Zubair, Klimaexperte bei der 'Foundation for Environment, Climate and Technology'.


Warnungen per SMS

Das Zentrum für Katastrophenmanagement (DMC), das auf Beschluss des Parlaments 2005 in Sri Lanka eingerichtet wurde, versendet inzwischen über den größten Mobilfunkprovider der Insel, 'Dialog', Mitteilungen an Millionen Abonnenten. Zuletzt wurde das System am 12. April 2012 genutzt, als nach einer Tsunami-Warnung Küstengebiete geräumt wurden.

Sarath Lal Kumar sieht den SMS-Dienst als "effizient, wenn bestimmte Bedingungen erfüllt sind". Dem stellvertretenden DMC-Direktor zufolge gilt es etwa die geografische Lage und die Zielpersonen zu berücksichtigen. In Japan hätten solche Dienste älteren Menschen, die mit dem Internet kaum vertraut seien, nur wenig geholfen.

In Sri Lanka haben nach Angaben von Kumar etwa elf Prozent der rund 20,2 Millionen Einwohner Zugang zum Internet, größtenteils aber nur in den Städten. Die Behörden setzten eine Vielzahl von Mitteln ein, um die Bevölkerung frühzeitig vor Katastrophen zu warnen. So würden Polizisten mit Megaphonen in die Gebiete geschickt. (Ende/IPS/ck/2012)


Links:

http://www.internews.eu/docs/Publications/InternewsEurope_Report_Japan_Connecting_the_last_mile_Japan_2013.pdf
http://www.internews.org/
http://www.dmc.gov.lk/index_english.htm
http://www.ipsnews.net/2013/04/when-a-tsunami-comes-tweet/

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 4. April 2013
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veröffentlicht im Schattenblick zum 5. April 2013