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INTERNATIONAL/088: Taiwan - Chinesischer Tycoon strebt Kontrolle über Medien an (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 5. Dezember 2012

Taiwan:
Feindliche Übernahme - Chinesischer Tycoon strebt Kontrolle über Medien an

von Dennis Engbarth



Taipeh, 5. Dezember (IPS) - Zivilgesellschaftliche Gruppen, Journalistenverbände und Gewerkschaften in Taiwan haben gegen den geplanten Verkauf des großen Konzerns 'Next Media' an Investoren mit Verbindungen nach China protestiert. Beunruhigt sind sie insbesondere über die Machtfülle, die der chinesische Medienmogul Tsai Shao-chung in Chinas abtrünnigem Inselstaat erlangen könnte. Kritiker der Übernahme sehen nicht nur die Pressefreiheit, sondern das gesamte demokratische Staatssystem bedroht.

Der Next Media-Konzern, der bisher dem in Hongkong ansässigen Textilfabrikanten und Medienunternehmer Jimmy Lai gehörte, vereinbarte am 29. November in Macau, zwei Zeitungen, ein Magazin und einen Kabelsender für 600 Millionen US-Dollar an fünf Investoren zu verkaufen. Darunter sind neben Tsai, dem Präsidenten des Konzerns 'Want Want China Times' auch der Vorsitzende des Unternehmens 'Formosa Plastics', William Wong, und der Vorsitzende der 'Chinatrust Charity Foundation', Jeffrey Koo.

Die Presse in Taiwan hatte Mitte Oktober berichtet, dass Jimmy Lai den Verkauf mehrerer Medien an Koo, Wong und weitere ungenannte Investoren plane. Betroffen sind die profitable chinesischsprachige Tageszeitung 'Apple Daily' sowie 'Sharp Daily', das Magazin 'Next Weekly' und der Kabelsender 'Next TV'. Lai habe mit seinem Kabelsender in Taiwan Verluste gemacht, nachdem sich Regulierungsverfahren verzögert hätten.

Der geplante Deal rief in der Öffentlichkeit Sorge um die Pressefreiheit hervor, nachdem Anfang November bekannt geworden war, dass offensichtlich Tsai hinter der Übernahme steckt. Tsai hält bereits Mehrheitsanteile an dem Fernsehkanal 'Asia Television', der mit deutlich China-freundlicher Haltung von Hongkong aus sendet. Er erwarb außerdem Ende 2008 die Zeitung 'China Times', den terrestrischen Sender 'China Television' (CTV) und das Kabelfernsehnetzwerk CTI-TV. Später kaufte er 'China Systems Network', Taiwans größten Kabelfernsehanbieter. Das Geschäft wurde im Juli dieses Jahres von der Nationalen Kommission für Kommunikation gebilligt.


"Schwerwiegende strukturelle Folgen für Demokratie" befürchtet

Bürgerbewegungen protestierten gegen die geplante Übernahme. Tsais Medien geißelten daraufhin kritische Journalisten, Wissenschaftler und oppositionelle Parlamentsabgeordnete. Der Präsident von 'Taiwan Democracy Monitor', Karl Hsu Wei-chun, erklärte, die Übernahme von Next Media durch die fünf Giganten mit großen Beteiligungen in China werde "schwerwiegende strukturelle Folgen für die Demokratie in Taiwan haben. Jeder, der Augen hat, kann sehen, dass sich Peking auf diese Weise die Kontrolle über die abtrünnige Insel erkaufen will, genauso wie dies in den neunziger Jahren in Hongkong geschehen ist."

Besorgt über die Expansion von Tsais Medienimperium waren bereits Anfang September fast 1.000 Journalisten, Studenten und Mitglieder von Nichtregierungsorganisationen einem Aufruf des taiwanesischen Journalistenverbandes ATJ zu einem 'Marsch gegen das Medienmonopol' in der Hauptstadt Taipeh gefolgt.

Die bevorstehende Übernahme von Apple Daily und 'Next Magazine' hat die Angst vor Eingriffen in die Meinungsfreiheit erneut geschürt. Apple Daily war 2001 von Lai gegründet worden, nachdem er mit ähnlichen Publikationen in Hongkong Erfolg gehabt hatte. Die Zeitung, die für Sensations- und Enthüllungsjournalismus bekannt ist, sowie die 'Liberty Times' sind die beiden führenden Blätter in Taiwan. Sie haben weit mehr Leser als die konservative 'United Daily News', die früher den Markt beherrschte, oder die China Times.

Nachdem Lais Entscheidung bekannt geworden war, hielten Studentengruppen, darunter das 'Jugendbündnis gegen Medienmonster', Ende November Sitzblockaden vor dem Regierungsgebäude ab. Dabei kam es zu Zusammenstößen mit der Polizei. Gewerkschaften riefen zu einer Mahnwache vor dem Hauptsitz von Next Media auf.

Die Regierung von Präsident Ma Ying-jeou hat sich in der Angelegenheit bisher kaum geäußert. Premierminister Sean Chen erklärte am 28. November, seine Regierung werde die Entscheidung mehrerer unabhängiger Regulierungskommissionen respektieren, die über fairen Handel, Finanzen und Kommunikation wachen.


Parlament soll strenges Medienkartellgesetz beschließen

Während einer öffentlichen Anhörung am Sitz der Kommission für gerechten Handel (FTC) forderten Wissenschaftler, Journalisten, Ökonomen und Verbraucherschützer das Gremium auf, sein Veto gegen den Verkauf von Next Media einzulegen oder die Entscheidung zumindest so lange zu vertagen, bis das Parlament ein strenges Gesetz zur Begrenzung der Medienkonzentration verabschiedet habe.

Laut dem ATJ-Vorsitzenden Chen Siao-yi haben die vier nationalen Zeitungen in Taiwan erheblichen Einfluss auf den Rundfunk und die Internetmedien, da sie deren Nachrichtenhauptquelle seien. "Wenn diese Tycoons die Kontrolle über mehr als die Hälfte der taiwanesischen Medien erlangen, werden wir nie erfahren, wie viele Nachrichten nicht verbreitet werden und wie viel von dem, was publiziert wird, nicht stimmt", warnte Chen.

Andere Experten gehen davon aus, dass Tsai außerdem 30 Prozent des Kabelfernseh- und 19 Prozent des mobilen TV-Sektors in Taiwan beherrschen könnte. Damit drohen die übrigen zwei Zeitungen vom Markt verdrängt zu werden. (Ende/IPS/ck/2012)


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http://www.ipsnews.net/2012/12/media-giant-advances-on-taiwan/

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veröffentlicht im Schattenblick zum 6. Dezember 2012