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INTERNATIONAL/044: Pakistan - Kochen mit dem Erzfeind Indien, wie TV-Shows die Versöhnung fördern (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 6. Februar 2012

Pakistan: Kochen mit dem Erzfeind Indien - Wie TV-Shows die Versöhnung fördern

von Zofeen Ebrahim


Karachi, 6. Februar (IPS) - Wenn Liebe sprichwörtlich durch den Magen geht, dann könnte man den Weg zum Frieden zwischen Indien und Pakistan in der gemeinsamen Esskultur und Küche suchen. Als man der renommierten pakistanischen Chefköchin Poppy Agha vor kurzem Kebab aus Okraschoten und Reis sowie ein typisches indisches Dessert servierte, waren ihre Ressentiments gegen das Nachbarland im Nu ausgeräumt.

"Ich bin in einer sehr patriotischen Familie aufgewachsen. Wir hatten die üblichen Klischeevorstellungen von Indien. Inzwischen hat sich meine Haltung vollständig geändert", erklärt Agha IPS in Neu-Delhi, wo sie an einer Reality-Kochshow im Fernsehen teilnahm. "Um ein patriotischer Pakistaner zu sein, muss man nicht unbedingt schlecht über Indien denken", bekennt Agha, die in ihrer Heimat ein Kochinstitut leitet.

In der TV-Sendung 'Foodistan' herrscht Frieden zwischen den Teilnehmern aus beiden verfeindeten Ländern, die sich bisweilen mit Atomraketen bedrohen. In der 26-teiligen Serie des indischen Kanals NDTV treten 16 Profi-Köche an, die zu gleichen Teilen aus Indien und Pakistan kommen. Sie zeigen, wie die "zwei kulturell reichsten und faszinierendsten Länder Asiens" ihre kulinarischen Traditionen vermitteln können.


Politische Grenzen niederreißen

"Kochen kann unglaubliche Freundschaften aufbauen und sogar die vom Menschen geschaffenen Grenzen überschreiten", meint der pakistanische Physiker und Friedensaktivist Pervez Hoodbhoy. Und das ist genau das, was die Chefs des TV-Senders erreichen wollen. "Indien und Pakistan haben viele gemeinsame Interessen - Musik, Kricket und fantastisches Essen. Die Grenzen sind nur politischer Natur", sagt die Verantwortliche des Lifestyle-Ressorts bei NDTV, Smeeta Chakrabarti. "In Wirklichkeit leben und denken die Menschen in den beiden Ländern auf ganz ähnliche Weise."

"Ich wünschte, die echten Kriege wären vorüber", sagt Vir Sanghvi, der als Preisrichter an der Sendung beteiligt ist. "Vorher kann man am besten für Frieden sorgen, indem man die Menschen bei Wettbewerben wie Foodistan zusammenbringt."

Seit der Unabhängigkeit von Großbritannien 1947 und einer als traumatisch empfundenen Teilung des Territoriums haben Pakistan und Indien drei Kriege gegeneinander ausgefochten. Die bilateralen Beziehungen verliefen seitdem wie eine Achterbahnfahrt. Auf Momente der Annährung folgten Streitigkeiten um die Vorherschaft in Kaschmir.

Die beiden Länder hätten die Wahl, entweder weiter in einem Zustand "schwelender Feindseligkeit" zu leben oder sich aktiv für Wohlstand einzusetzen, erklärt der indische Politiker Mani Shankar Alyar. Immerhin hegten 90 Prozent der Menschen auf beiden Seiten der Grenze keine Ressentiments gegeneinander. "Die Geschichte mag uns getrennt haben, doch die Geografie verbindet uns", sagt Alyar, der von der Denkfabrik 'Jinnah Institute' unlängst zu einem Vortrag eingeladen wurde.

Die Chefköchin Agha hat in Indien nicht nur neue Gerichte kennen gelernt. "Ich habe großartige Leute getroffen, die ich jetzt meine Freunde nennen kann."

Die pakistanische Menschenrechtsaktivistin Zohra Yusuf ist davon überzeugt, dass jede Art von Kontakt, auch ein Wettbewerb, längerfristig zum besseren Verständnis beitragen kann. "Während eines spannendes Kricket-Spiels können sich die Gemüter durchaus entflammen", meint sie. "Doch wenn man direkt miteinander agiert, werden Vorurteile abgebaut."


Tennisstars reichen sich die Hände

Trotz aller durch die Bürokratie errichteten Hürden - verweigerte Einreisevisa, die polizeiliche Meldepflicht für Besucher aus dem jeweils anderen Land sowie Reisebeschränkungen - finden die Menschen eigene Wege, um sich zu begegnen. So heiratete der indische Tennisstar Sania Mirza den pakistanischen Kricketspieler Shaoaib Malik. Außerdem riefen der indische Tennisspieler Rohan Bopana und sein pakistanischer Kollege Aisam ul Haq Qureshi die Bewegung 'Stoppt den Krieg - beginnt mit Tennis' ins Leben.

Der pakistanische Medienkonzern 'Jang Group' startet gemeinsam mit der 'Times of India' die Kampagne 'Aman ki Asha' (Hoffen auf Frieden), die in den vergangenen zwei Jahren unablässig für eine Aussöhnung zwischen beiden Ländern geworben hat. Ziel ist es, eine neue Generation von Indern und Pakistanern heranzuziehen, die sich der Last der Geschichte entledigen.

Die jungen Teilnehmer werden unter anderem mit der Tatsache konfrontiert, dass der zwischen beiden Ländern hochgezogene elektrifizierte und mit Flutlichtern angestrahlte Stacheldrahtzaun Kosten in Höhe von täglich 250 Millionen US-Dollar verursacht.

Für die Kampagne spricht, dass ihr nicht einmal die Spannungen nach dem im November 2008 von Pakistanern in Mumbai verübten Terroranschlag etwas anhaben konnten. Großen Erfolg in beiden Ländern hatte 2010 auch die indische Musik-Reality-Show 'Chote Ustad' (Kleiner Meister), in der junge Pakistaner und Inder zusammen im Fernsehen sangen und tanzten.

Rouhan Abbas, einer der Sieger aus Pakistan, kehrte mit einer Medaille, einer Trophäe, dem Preisgeld und vielen Erinnerungen nach Hause zurück. Noch immer vermisst er die indischen Teilnehmer, mit dem er am Set Freundschaft geschlossen hat. "Das Gefühl, dass Indien unser Feind ist, verschwand, als uns die Inder freundschaftlich empfingen."

Das durch die Kultur geförderte Tauwetter hat inzwischen dazu beigetragen, dass Indien auf der Liste der Feinde Pakistans nur noch den dritten Rang nach den USA und Israel belegt. (Ende/IPS/ck/2012)


Links:
http://goodtimes.ndtv.com/Ndtv-Show-Special.aspx?ID=655
http://www.youtube.com/watch?v=GxrMo5kmMXI
http://www.ipsnews.net/news.asp?idnews=106638

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Quelle:
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veröffentlicht im Schattenblick zum 7. Februar 2012