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BERICHT/149: Crossmedia - Spagat zwischen Vielfalt und Tiefgang (JOGU Uni Mainz)


[JOGU] Nr. 207, Januar 2009
Das Magazin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz

Auf allen Kanälen daheim
Spagat zwischen Vielfalt und Tiefgang

Von Jan Fredriksson


"Aus dem Stoff für einen Zeitschriftenartikel kann noch ein Radiobericht werden und zum Radiobericht können sie vielleicht ein Internetangebot bauen. Lernen sie crossmediales Denken, verkaufen sie Ihre Themen über mehrere Kanäle!" So ermunterte Radio-Professor Axel Buchholz in der ersten Woche des Wintersemesters seine Journalismus-Studenten, ein Leben als Eierlegende Wollmilchsau zu testen. Sieben Studenten des Journalistischen Seminars der Johannes Gutenberg-Universität Mainz setzten nun ein einziges Thema für vier verschiedene Medien um: In einem Video, einem Zeitungsartikel, einem Onlineauftritt und einer Radiosendung erzählen sie von der Herkunft und Bedeutung deutscher Familiennamen.

Natürlich lassen sich viele Recherchen so mehrfach verwerten. Doch "crossmedial denken" heißt keineswegs, viermal das Gleiche in unterschiedlicher Verpackung anzubieten, wie Journalismus-Studentin Ulrike Bastian erklärt: "Jedes Medium braucht eine spezielle Aufbereitung. In der Zeitung oder online kann man gut die Fakten rüberbringen - was der Leser nicht versteht, kann er ja nochmal lesen. Im Radio sind Emotionen leichter zu vermitteln, und das Online-Video liefert die Bilder." Bastian nahm im vergangenen Semester an einem ähnlichen Projekt bei Professor Buchholz teil. Trotz der kreativen und finanziellen Chancen sieht sie crossmediales Arbeiten kritisch: "Der Nachteil ist, dass wir uns künftig nie mehr auf ein Ding konzentrieren können. Jeder kann alles, aber nichts richtig. Ich will lieber konzentriert an einen Bereich arbeiten als oberflächlich an vielen."

Für ihren Kommilitonen Stefan Bock ist Crossmedia die neue Norm: "Die Menschen informieren sich heute über mehrere Kanäle - meist auch noch parallel. Daher muss man auf vielen Feldern präsent sein." Tatsächlich sind fast alle Zeitungsredaktionen und Rundfunksender auch im Internet präsent. Ständig entstehen neue Genres wie Podcast, Handy-TV oder Videoblog. Der Nachwuchs-Journalist sollte sie zumindest kennen und verstehen, denn viele Chefredakteure äußern sich ähnlich wie Tagesspiegel-Online-Chefin Mercedes Bunz: "Wir wollen Online- und Printredaktion lieber verzahnen anstatt einen sinnlosen Doppelbetrieb aufzubauen", sagte sie dem "Medium Magazin".

Der Wandel von Radiosendern oder Zeitungshäusern zu Multimedia-Betrieben ist erst seit wenigen Jahren im Gange. Medienhäuser, Journalistenschulen und Universitäten bilden zwar schon lange an unterschiedlichen Medien aus, doch wirklich verzahnt sind die einzelnen Bereiche meist noch nicht. Auch der Mainzer Journalismus-Master ist bisher klassisch aufgeteilt: Die Studenten lernen Print, Radio und Fernsehen in getrennten Lehrredaktionen, dazu gibt es einige Online-Blöcke. Journalismus-Student Jochen Steiner, der im Crossmedia-Projekt die Mainzer Forschungen zur geographischen Namensforschung (siehe JOGU Nr. 196/2006) vorstellt, findet: "Nach ersten Versuchen sollte das Seminar Crossmedia als Lehrredaktion weiter anbieten."

Wie das Journalistische Seminar den Spagat zwischen Format-Vielfalt und profunder Grundausbildung bewältigen will, ist noch nicht klar. "Was die crossmediale Ausbildung anbelangt, geht es uns nicht anders als den Verlagen: Wir sind in der Versuchsphase", sagt Ulrike Trampus, vor ihrer Lehrtätigkeit Chefredakteurin des "Wiesbadener Kuriers". Sie bereitet eine neue Lehrredaktion vor, die klassischen Pressejournalismus mit Online-Arbeit verknüpft. Auch richtig dabei zu sein", doch auch eine große Chance: "Der Journalist kann sich eine im Arbeitsalltag oft sträflich vernachlässigte Frage immer wieder neu stellen und sie auch beantworten: Wie muss ein Thema aufbereitet sein, um unterschiedliche Zielgruppen anzusprechen, sie seriös, hintergründig, aktuell zu informieren und gut zu unterhalten?"


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"Was ist Crossmedia?"

Der Ausdruck "crossmedial" kommt aus der Werbebranche, wo er den medienübergreifenden Charakter einer Werbekampagne bezeichnet. Entsprechend ist crossmedialer Journalismus die Umsetzung eines Themas unterschiedlichen Kanälen wie Zeitung, Online-Text, Video oder Podcast. Dahinter steht die Absicht, möglichst viele Interessenten zu erreichen. Für Medienhäuser ist "Crossmedia" eine Strategie, über eine breitere Präsenz den Markt besser abzudecken und ihre Kunden - etwa über Mitmach-Angebote - stärker zu binden. Vor allem die angeschlagenen Zeitungsverlage hoffen, damit ihre sinkenden Auflagen zumindest teilweise auszugleichen.


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Quelle:
[JOGU] - Magazin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz
Nr. 207, Januar 2009, Seite 9
Herausgeber: Der Präsident der Johannes Gutenberg-Universität Mainz,
Univ.-Prof. Dr. Georg Krausch
Tel.: 06131/39-223 69, -205 93; Fax: 06131/39-241 39
E-Mail: AnetteSpohn@verwaltung.uni-mainz.de

Die Zeitschrift erscheint viermal im Jahr.
Sie wird kostenlos an Studierende und Angehörige
der Johannes Gutenberg-Universität sowie an die
Mitglieder der Vereinigung "Freunde der Universität
Mainz e.V." verteilt.


veröffentlicht im Schattenblick zum 14. März 2009