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VORWÄRTS/1568: Die Bedeutung der internationalen Frauenrevolution im 21. Jahrhundert


vorwärts - die sozialistische zeitung, Nr. 07/08 vom 28. Februar 2020

Die Bedeutung der internationalen Frauenrevolution im 21. Jahrhundert

vom Sozialistischen Frauenverband SKB


In den letzten Jahren konnten wir mehr denn je sehen und erleben, dass der Frauenwiderstand über transnationale Grenzen hinaus eine weite Verbreitung zeigte. Diese verschiedenen Internationalen Widerstände und Bewegungen von Frauen haben sich gegenseitig beeinflusst und gestärkt.

Aus der Perspektive der Frauenrevolution haben diese globalen Frauenbewegungen aufgrund ihrer gesellschaftlichen Dynamik und ihrer Massenwirksamkeit den Weg für neue Bewegungen geebnet. Zugleich symbolisieren sie weltweit die Kraft der neuen Frauenkämpfe und der Frauenrevolutionen im 21. Jahrhundert. Wir als sozialistische Frauen werden im Zeitalter der Frauenrevolutionen den Widerstand der Frauen weltweit weiter stärken.


Neue Perspektiven

Der internationale Frauenwiderstand richtet sich sowohl gegen Unterdrückung, Patriarchat, Ausbeutung, Krieg und Ausgrenzung als auch gegen die kapitalistische Barbarei, die tagtäglich die Repression gegenüber Frauen reproduziert. Anlehnend an diese Verhältnisse haben Frauen ihre Kräfte vereint, ihre Verteidigungseinheiten gebildet und ihre Revolution verwirklicht. Dieser Widerstand, den wir als sozialistische Frauen mittragen, trägt tiefe Wurzeln und ist zugleich Symbol für den Frauenkampf weltweit.

Wir als sozialistische Frauen sehen in der bewaffneten Widerstandstheorie und unseren Kampferfahrungen kein Hindernis, sondern die Tatsache, den Kampf nicht begrenzt zu halten und die Auseinandersetzung mit dem gesamten System anzugehen. Dabei geht es auch um die kritische Auseinandersetzung mit der Realität der Klassengesellschaft und der gesellschaftlichen Ausbeutung von Frauen. Das seit 5000 Jahren existierende patriarchale System, das bereits vor dem Kapitalismus vorherrschte, kann nicht allein durch eine proletarischen Revolution gelöst werden. Derzeit beobachten wir immer mehr, dass die soziale Ausbeutung mit der gesellschaftlichen Geschlechtertrennung einhergeht. Sie stehen in einer Wechselwirkung. Daher sind wir der festen Meinung, dass die proletarische Revolution ein wichtiger historischer Schritt ist, aber für die Befreiung der Frau nicht ausreichend ist. Somit ist die Frauenrevolution, die ein revolutionäres Programm insbesondere für die Befreiung der Frau voraussetzt, ein wichtigerer Bestandteil der sozialen Revolution. Darin haben die kommunistischen Frauen in diesem Kampf eine doppelte Rolle und Verantwortung: nämlich einerseits das kapitalistische System zu bekämpfen und andererseits eine Frauenrevolution zur Abschaffung der gesellschaftlichen Unterdrückung und Ausbeutung der Frauen zu führen. Daher werden wir sozialistischen Frauen diesen Kampf konsequent verteidigen und weiterverbreiten.

Durch unsere wertvolle Erfahrung bieten wir auch Perspektiven für die neu entstehenden und neu reorganisierten globalen Frauenbewegungen. Revolutionäre und sozialistische Organisationen müssen ihre dogmatischen und eingegrenzten Sichtweisen beiseite legen und erkennen, dass im 21. Jahrhundert die Tatsache mehr denn je erkannt wird, dass die Frauen im Kampf für Sozialismus und die soziale Befreiung die wichtigste Last tragen.


Der Weg und die Kraft zur Frauenrevolution

Wir als sozialistische Frauen waren stets der dynamische Teil der gesellschaftlichen Opposition. Wir haben im Zuge unserer Geschichte die Perspektive einer vereinigten Frauenbewegung verteidigt und in diesem Sinne kontinuierliche Netzwerke sowie Einheiten organisiert. Daher haben wir als sozialistische Frauen die Einheit aller Frauenbewegungen gefordert, die in Widerstand gegen das patriarchale System sowie gegen das faschistische und kapitalistische Ausbeutungssystem stehen. Für die Befreiung der Frauen ist auch die Organisation von Frauen in den Betrieben, Hochschulen, Schulen, Gewerkschaften und anderen gesellschaftlichen Bereichen sehr grundlegend. Die Bildung einer vereinigten Frauenbewegung ist in diesem Kontext eine wichtige Aufgabe und Herausforderung.

Umso wichtiger ist, dass sich die Frauen auf internationaler Ebene, in der Türkei und in Kurdistan auf der Grundlage einer gemeinsamen Programmatik und Strategie vereinen und im Sinne einer vereinigten Frauenbewegung handeln. Diese vereinigte Frauenbewegung muss zugleich neben einem Einheitsgedanken auch eine politische Grundlage haben und eine internationalistische Perspektive verfolgen. Wir als sozialistische Frauen sehen unsere Aufgabe und Verantwortung darin, diese Selbstorganisation zu stärken und den Widerstand der Frauenbewegung gegen Faschismus zu stärken und zu fördern. Die kommunistischen Frauen stehen zugleich vor der Aufgabe, sich mit den internationalen Massenbewegungen der Frauen im Lichte der Programmatik einer Frauenrevolution zu vernetzen und in diesem Kampf eine Vorhutrolle einzunehmen sowie Perspektiven zu bieten.

Unter dem Motto "Wir verändern die Welt - Begegnung mit Freiheiten" organisieren wir auch in diesem Jahr am 8. März den Frauenstreik. Sowohl hierzulande als auch in Rojava und weltweit haben wir uns das Ziel gesetzt, die Frauenbewegungen auf Grundlage einer politisch-organisatorischen und ideologisch-theoretischen Einheit zu stärken.


Die Symbole der Frauenrevolution

Dabei haben wir mutige Frauen zum Symbol unseres Widerstands gemacht. Der Kampf unserer Genossin Sibel Bulut, die bei der Verteidigung Kobanés unter der Devise "Wenn es eine Revolution gibt, müssen wir vor Ort sein" gekämpft hat und gefallen ist, bringt Licht auf unserem Weg. Beispielhaft ist auch der Kampf unserer in der Verteidigung von Rakka gefallenen Genossin Ayse Deniz Karacagil (Temmuz Destan), die im Zuge des Gezi-Widerstands als "Frau in Rot" bekannt wurde. Auch unsere gefallenen Genossinnen Sevda Cagdas (Reperin Dicle) und Berfo Dilan Canbay (Arjin Selçuk) sind unsere Wegbereiterinnen.

Symbolhaft ist auch der Widerstand der schwarzen deutschen Genossin Ivana Hoffmann aus Duisburg/Deutschland (Avasin Tekosin Günes), die mit ihrer LGBTI-Identität im Kampf gegen den Islamistischen Staat in Rojava gefallen ist. Sie wurde zum Symbol des internationalistischen Kampfes in Kurdistan. Hierzu zählen auch die jungen sozialistischen Frauen, die im Wiederaufbau von Kobané, in Suruç/Urfa zum Opfer eines IS-Anschläges wurden. Auch die im Widerstand gefallenen Genossinnen wie Savin Sögüt (Sarin Awaz), Medine Özmez, Kutsiye Bozoklar, Yeliz Erbay (Berçem Renes) und die unzähligen gestorbenen Frauen im Widerstand, deren Namen hier nicht aufgeführt sind.

Zur Rolle und Verantwortung der sozialistischen Frauen im 21. Jahrhundert möchten wir an dieser Stelle diesen Beitrag mit einem Zitat der gefallenen Genossin Yeliz Erbay schliessen: "Tausende Grüsse an die Kämpfer der Frauenrevolution. Wir öffnen diesen Frauen in der Geschichte einen Platz. Im Geiste des Gezi-Widerstands, mit dem Feuer des Aufbruchs und der Wärme der Revolution werden wir unseren Platz in der Geschichte einnehmen und unsere künftigen Rechte verteidigen. Gegen die Ausbeutung der Frauen durch das Patriarchat werden wir mit unserer Kraft und unserer Entschlossenheit einen Platz schaffen. Wir werden unseren Weg gehen, auch wenn bestimmte Dinge zerstört und neu aufgebaut werden müssen. Morgen ist die Revolution und die Revolution ist weiblich."

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Quelle:
vorwärts - die sozialistische zeitung.
Nr. 07/08 - 76. Jahrgang - 28. Februar 2020, S. 6
Herausgeberin: Verlagsgenossenschaft Vorwärts, PdAS
und ihre Deutschschweizer Sektionen
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veröffentlicht im Schattenblick zum 13. März 2020

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