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VORWÄRTS/1350: Schweizerische Gewerkschaftsbund gibt Richtung an


vorwärts - die sozialistische zeitung, Nr. 01/02 vom 18. Januar 2018

SGB gibt Richtung an

von Tarek Idri


Bessere Renten, Arbeitszeitverkürzungen und Lohngleichheit: Der Schweizerische Gewerkschaftsbund präsentierte seine Forderungen für das Jahr 2018. Der einsetzende Wirtschaftsaufschwung müsse den Arbeitenden "weitergegeben" werden.


2018 ist das Jahr, in dem sich das grösste und wichtigste innenpolitische Ereignis des 20. Jahrhunderts in der Schweiz, der Generalstreik vom November 1918, zum hundertsten Mal jährt. Pünktlich dazu hat der Schweizerische Gewerkschaftsbund (SGB) Anfang Jahr zu einer Medienkonferenz eingeladen und die gewerkschaftlichen Forderungen für die nächste Zeit präsentiert.

Ein wichtiges Thema des SGB bleiben die Renten. SGB-Chef Paul Rechsteiner weist auf eine beunruhigende Entwicklung hin, die sich gegenwärtig abspielt: Die Pensionskassenrenten sinken, besonders für Männer. Bei den Frauen stagnieren die Renten - aber nur weil die versicherten Löhne aufgrund der gesellschaftlich bedingten, höheren Erwerbsbeteiligung der Frauen stärker gestiegen sind als bei den Männern. "Diese Verschlechterung der künftigen Renten ist für die Schweiz historisch neu", meint Rechsteiner. Zwei Faktoren sind laut dem Gewerkschafter dafür ausschlaggebend: Erstens sinken die Umwandlungssätze ausserhalb des gesetzlichen Minimums; gemäss Swisscanto-Umfrage von 7,2 auf 6 Prozent. Im laufenden Jahr geht die Abwärtsbewegung weiter in Richtung 5,5 Prozent. Zweitens würden wegen der tiefen Verzinsung die Alterskapitalien im Vergleich zu früher nur noch bescheiden wachsen. Vorsorgeguthaben der Berufstätigen werden seit etwas mehr als 15 Jahren weniger gut verzinst. Bei einer künftigen Rentenreform fordert Rechsteiner, den Schwerpunkt auf das Problem der sinkenden Renten zu setzen. Rentenverluste bei der Zweiten Säule müssten kompensiert und die stark steigenden Gesundheitskosten ausgeglichen werden. Die Rentenhöhe wird entscheidend sein bei der Beurteilung künftiger Reformen.


Weniger lange arbeiten!

Auf die Gesamtwirtschaft hat der Gewerkschaftsbund allerdings ein weit positiveres Bild. Der wirtschaftliche Aufschwung habe wieder eingesetzt. Die Arbeitslosigkeit geht spürbar stärker zurück. Die fast zehn Jahre dauernde Krise, die die Arbeitenden ausbaden mussten, geht dem Ende zu. Nun müssten die Missstände bei der Einkommensentwicklung und den Arbeitsbedingungen korrigiert werden. Die Krisenjahre hätten in vielen Branchen dazu geführt, dass die Arbeitszeiten verlängert wurden. Im Durchschnitt arbeiten die Vollzeiterwerbstätigen heute fast eine halbe Woche pro Jahr mehr als vor fünf Jahren. Nach dem Willen des SGB müssten die Produktivitätsfortschritte eigentlich in Form von Arbeitszeitverkürzungen "weitergegeben" werden. Die Anzahl von Temporärangestellten habe sich seit den 90er Jahren fast vervierfacht. Die Gewerkschaften postulieren im Hinblick auf die anstehende Erneuerung von drei zentralen Gesamtarbeitsverträgen (Bau, MEM, SBB) die 40-Stundenwoche als Referenzwert. Gegen die gegenwärtigen Angriffe der Bürgerlichen auf den Schutz der Arbeitenden im Parlament kündigen sie Referenden an.


Gleiche Löhne!

Der SGB plant auch, gegen den "fortwährenden Skandal der geschlechtsbedingten Lohnungleichheit" anzugehen und, da Freiwilligkeit nicht zum Ziel führt, "Verbindlichkeit und Durchsetzungskompetenzen" in Betracht zu ziehen. Seit 37 Jahren steht in der Verfassung der Schweiz ausdrücklich, dass gleicher Lohn für gleiche Arbeit gezahlt werden müsse. Der SGB fordert das Parlament auf, griffige Massnahmen zur Durchsetzung der Lohngleichheit ins Gesetz zu schreiben. "Es darf nicht sein, dass sich im Jahr 2018 das Parlament immer noch der Realität verschliesst, die bürgerliche und linke Frauen schon vor 100 Jahren im Vorfeld des Landesstreiks angeprangert haben!", erklärt Regula Bühlmann, SGB-Sekretärin für Gleichstellung, an der Medienkonferenz. Weil Frauen schlechter bezahlte Berufe "wählen" und mehr unbezahlte Arbeit übernehmen, würden sie fast 20 Prozent weniger verdienen als Männer. Abgesehen davon gibt es noch einen Lohnunterschied von mindestens 7 Prozent, der nichts mit dem Stellenprofil, sondern einzig mit dem Geschlecht zu tun hat. Angesichts dessen brauche es "mehr Massnahmen als die vom Bundesrat vorgesehene freundliche Einladung zur Lohnanalyse alle vier Jahre". Konkret fordert der SGB, dass die Lohnanalysen nicht auf Freiwilligkeit beruhen und Unternehmen, die sie nicht ausführen oder keine Konsequenzen daraus ziehen, zur Rechenschaft gezogen werden müssen. Die bisherige Erfahrung habe gezeigt, dass der Lohngleichheitsdialog kläglich gescheitert ist: Es haben sich nur ein paar Dutzend Unternehmen daran beteiligt.

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Quelle:
vorwärts - die sozialistische zeitung.
Nr. 01/02 - 74. Jahrgang - 18. Januar 2018, S. 3
Herausgeberin: Verlagsgenossenschaft Vorwärts, PdAS
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veröffentlicht im Schattenblick zum 7. Februar 2018

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