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VORWÄRTS/1318: Humanitär statt antiimperialistisch?


vorwärts - die sozialistische zeitung, Nr. 31/32 vom 28. Sept. 2017

Humanitär statt antiimperialistisch?

Von Tarek Idri


Die russische Regierung versucht bewusst, die Weltfestspiele in Sotschi unpolitisch zu halten. Es geht ihr darum, Russlands Image international aufzubessern, mit freundlicher Unterstützung der russischen Wirtschaft. Neben Banken, Industrie- und Rohstoffunternehmen wird das Festival von drei Rüstungskonzernen gesponsert.


Die Weltfestspiele der Jugend und Studierenden haben eine lange Geschichte. Vor genau siebzig Jahren fanden sich zum ersten Mal die linksgerichteten Jugendlichen aus aller Welt in Prag zusammen, um ein internationales Festival gegen Imperialismus und für Frieden durchzuführen. In unregelmässigen Abständen, meist zwischen drei bis fünf Jahren, wurden daraufhin die Weltfestspiele fast immer in den sozialistischen Ländern des Ostblocks abgehalten, organisiert vom Weltbund der Demokratischen Jugend (WBDJ). Nach dem Untergang der Sowjetunion fanden sie in einigen der eher fortschrittlichen Ländern des globalen Südens statt, unter anderem in Kuba und Venezuela. Die 19. Weltfestspiele der Jugend und Studierenden werden dieses Jahr in Russland durchgeführt, passend zum hundertjährigen Jubiläum der Oktoberrevolution. Aber bereits in der Auswahl des Austragungsorts hat sich abgezeichnet, dass das diesjährige Festival anders sein würde als die vorhergehenden.

Statt in Moskau oder St. Petersburg, wie zu erwarten gewesen wäre, werden sich zwischen dem 14. und 22. Oktober rund 20.000 Jugendliche im abgelegenen Sotschi zusammenfinden, wo seit den Olympischen Winterspielen 2014 eine passende Infrastruktur bereitsteht. Russland erwartet je nach Quelle zwischen 1.500 bis 10.000 internationale Gäste im Alter von 18 bis 35 Jahren aus etwa 150 Ländern der Welt, die Mehrheit der TeilnehmerInnen wird allerdings aus der Russischen Föderation selber kommen. Die russischen OrganisatorInnen geben sich betont unpolitisch: "Das Ziel des Festivals ist es, die Jugendweltgemeinschaft zu konsolidieren, internationale Verbindungen zu stärken sowie internationale und interkulturelle Kooperation zu fördern. Ein Hauptziel des kommenden Festivals ist, eine gemeinsame Vision der Zukunft durch junge Führungskräfte verschiedener Länder zu formen, um Antworten auf die drängendsten Herausforderungen der Generation zu finden."


Von Rüstungskonzernen unterstützt

Bemerkenswert ist, dass die russische Regierung mit Staatschef Wladimir Putin persönlich in die Vorbereitung des Festivals involviert war. Der russische Präsident Wladimir Putin bevorzugte Sotschi als Veranstaltungsort. Es gehe darum, Russlands beste Qualitäten zu zeigen. Da keine grossen Ausgaben für das Festival budgetiert waren, sollte die Finanzierung kommerziell zustande kommen. Putin versicherte, dass die Weltfestspiele in Sotschi sowohl für das ganze Land wie für die Privatwirtschaft positive Impulse bringen würde. Auf der offiziellen Webseite des Festivals findet sich mittlerweile auch eine lange Liste von PartnerInnen und SponsorInnen: Die grösste russische Bank Sberbank, die Kreditgesellschaft Mastercard, die russische Industriegruppe Summa, der "weltgrösste Nickelproduzent" Norilsk Nickel und viele mehr sponsern das Festival. Die Weltfestspiele, die eigentlich gegen Krieg und Imperialismus gerichtet sind, werden sogar von drei Technologiekonzernen unterstützt, die auch im militärischen Bereich tätig sind: Russian Helicopters, United Aircraft Corporation und United Engine Corporation.

Nun wurde bekannt, dass die russische Regierung bewusst versucht, die Weltfestspiele möglichst unpolitisch auszurichten. Im August dieses Jahres sprach Putin auf dem Allrussischen Jugendpädagogischen Forum über die Weltfestspiele der Jugend und Studierenden. Er lamentierte, dass das Festival früher von linken Bewegungen organisiert worden war. "Ich denke, wir müssen Politisierung und Ideologisierung vermeiden. Dieses Ereignis sollte für junge Menschen aus aller Welt, ungeachtet ihrer politischen Ansichten, ausgerichtet werden." Wenn dies gelänge, würde Russland ein Ort für die Vereinigung junger Menschen unter dem Schirm gemeinsamer humanitärer Werte. Was auch immer das heissen soll.

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Quelle:
vorwärts - die sozialistische zeitung.
Nr. 31/32 - 73. Jahrgang - 28. September 2017, S. 9
Herausgeberin: Verlagsgenossenschaft Vorwärts, PdAS
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veröffentlicht im Schattenblick zum 19. Oktober 2017

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