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VORWÄRTS/1237: Wohnen der Spekulation entziehen


vorwärts - die sozialistische zeitung, Nr. 39/40 vom 4. November 2016

Wohnen der Spekulation entziehen

Von Tarek Idri


Eine Initiative des MieterInnenverbands will unter anderem den Anteil an Genossenschaftswohnungen erhöhen, um die Situation auf dem Wohnungsmarkt zu verbessern. Ähnliche Initiativen gab es bereits auf kommunaler Ebene in Zürich und Bern. Genutzt haben sie leider nicht viel.


Die eidgenössische Volksinitiative "Mehr bezahlbare Wohnungen", die soeben eingereicht wurde, möchte die "Explosion der Mietzinse" stoppen. Das Parlament unternimmt laut Komitee nichts dagegen und überlässt das "essentielle Gut Wohnen" dem freien Markt. Die Initiative des Mieterinnen- und Mieterverbands möchte darum Gegendruck ausüben: "Mit der Förderung des gemeinnützigen Wohnungsbaus und preisgünstiger Wohnungen wird das Wohnen langfristig der Spekulation und dem Renditedruck entzogen."

Die Initiative verlangt vom Bund in Zusammenarbeit mit den Kantonen, das Angebot an preisgünstigen Wohnungen zu fördern und den Anteil an Genossenschaftswohnungen zu erhöhen. Etwas konkreter ist der Punkt, dass Subventionen bei Sanierungen nicht zum Verlust von günstigem Wohnraum führen darf, sowie die Forderung, dass mindestens zehn Prozent der Neubauten im Eigentum von Genossenschaften sein soll. Ferner soll es ein Vorkaufsrecht der Kantone und Gemeinden für das Eigentum des Bundes und die gesetzliche Möglichkeit geben, für geeignete Grundstücke ein Vorkaufsrecht der Kantone und Gemeinden einzuführen, um diese dem gemeinnützigen Wohnungsbau zur Verfügung zu stellen.


Mietpreise steigen

Sechs Monate vor Ablauf der Sammelfrist konnten bereits 125.000 Unterschriften eingereicht werden. Dies zeigt, dass das Thema der Initiative den Menschen unter den Nägeln brennt, denn das Wohnen in der Schweiz ist teuer. Durchschnittlich muss man hierzulande laut der internationalen Wirtschaftsorganisation OECD 25 Prozent des Einkommens für die Miete aufwenden. Marina Carobbio, SP-Nationalrätin, wies vor den Medien darauf hin, dass alleine in den letzten zehn Jahren in der Schweiz die Mietpreise der ausgeschriebenen Wohnungen um über 30 Prozent angestiegen sind; in Ballungszentren wie Genf sind es sogar 60 Prozent. "Die Situation ist umso dramatischer, weil die Kosten für den Wohnraum massiv gesunken sind. Mit der Halbierung der Hypothekarzinsen können Eigentümerinnen und Eigentümer jedes Jahr Milliarden an Franken sparen. In viel zu wenigen Fällen werden diese Senkungen an die Mieter weitergegeben."

Die InitiantInnen glauben, dass sie mit der Initiative einkommensschwachen Haushalten helfen könnten, weil durch ihren Auftrag an den Bund, Personen mit kleinem Einkommen "eine bessere Chance auf dem Wohnungsmarkt" erhalten würden.


"Ein Etikettenschwindel"

In den Städten Bern und Zürich gab es bereits in der Vergangenheit erfolgreiche Initiativen, die ähnliche Forderungen zum Inhalt hatten und die für das Komitee von "Mehr bezahlbare Wohnungen" als Vorbild gelten. Sie haben es jedoch nicht geschafft, die Situation auf dem Wohnungsmarkt spürbar zu verbessern. Durch die Berner Initiative von 2014 werden nun 30 Prozent der neuen Bauprojekte an Genossenschaften vergeben, wenn die Stadt neue Wohnbauprojekte vergibt. Laut Daniel Egloff, PdA-Stadtrat in Bern, hat sich jedoch gezeigt, dass der entstandene Wohnraum dann nicht unbedingt sehr günstig geworden ist. Die Genossenschaften brauchen bei manchen Projekten Kapital, welches von den GenossenschafterInnen bezahlt werden muss. "Diese GenossenschafterInnen wollen natürlich (zu 90 Prozent) selber in den entstehenden Wohnungen leben. Die Konsequenz ist: Wer kein Geld entbehren kann, kann sich dann eine solche Wohnung nicht leisten", sagt Egloff. "Es ist zwar günstiger Wohnraum, aber nur für Leute mit Geld. Ein Etikettenschwindel." Die Initiative hält für den PdA-Stadtrat nur teilweise, was sie verspricht.

"Die Wahrheit ist, dass weiterhin mehr teurer Wohnraum entsteht, als günstiger und das gleichzeitig viel ehemals günstiger Wohnraum aufgewertet wird." Darum fordert die Partei der Arbeit, dass mehr kommunaler Wohnungsbau und so tatsächlich günstiger Wohnraum entsteht.

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Quelle:
vorwärts - die sozialistische zeitung.
Nr. 39/40 - 72. Jahrgang - 4. November 2016, S. 3
Herausgeberin: Verlagsgenossenschaft vorwärts, PdAS
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veröffentlicht im Schattenblick zum 29. November 2016

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