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VORWÄRTS/1181: Morde an Umweltaktivisten in Honduras


vorwärts - die sozialistische zeitung, Nr. 13/14 vom 8. April 2016

Morde an Umweltaktivisten in Honduras

Von Michi Stegmaier


Im zentralamerikanischen Honduras ist es lebensgefährlich, sich gegen die Oligarchie und ihre Grossprojekte aufzulehnen. So wurden seit 2010 mindestens 110 Umwelt- und MenschenrechtsaktivistInnen ermordet. Jüngste Opfer sind Berta Cáceres und Nelson Garcia, welche beide von Unbekannten erschossen wurden.

MenschenrechtsaktivistIn in Honduras zu sein, ist ein gefährlicher Job. Gesetzlosigkeit und politische Morde gehören zum traurigen Alltag in einem Land, welches als gefährlichstes und ärmstes Zentralamerikas gilt. Nach der Ermordung der bekannten Aktivistin Berta Cáceres kommt zwar die Junta in Honduras unter internationalem Druck, macht aber deutlich, dass sie kein Interesse an einer Aufklärung hat.


Für die Rechte der Indigenen

Berta Cáceres war kein Nobody. Die 43-jährige, vierfache Mutter war unter anderem Präsidentin des Rates Indigener Organisationen und Volksbewegungen (COPINH) und erhielt erst im vergangenen Jahr für ihr mutiges Engagement den renommierten Goldman Prize, eine der höchsten Auszeichnungen für UmweltschützerInnen. Und Berta Cáceres war eine der zentralen Figuren des Widerstandes gegen das geplante Wasserkraftwerk Agua Zarca. Während einem Interview mit "Al Jazeera" aus dem Jahre 2013 meinte sie: "Die Armee hat eine Todesliste mit 18 Namen, und ich stehe ganz oben".

In der Nacht vom 3. auf den 4. März starb Honduras bekannteste Aktivistin durch acht Kugeln zweier Auftragskiller, obwohl die Interamerikanische Menschenrechtskommission besondere Schutzmassnahmen für Cáceres angeordnet hatte, was die Regierung in Honduras offensichtlich wenig kümmerte. Sie setzte sich mit dem COPINH unter anderem für die Landrechte und die Rechte der indigenen Bevölkerung ein, auf deren Territorium die Firma Desa den Bau des Aqua-Zarca-Staudamms vorantrieb, ohne die Bevölkerung vorab konsultiert zu haben. "Die Ermordung der Genossin Berta Cáceres in ihrer Wohnung, während sie sich ausruhte, ist eine Eskalation der Bedrohung gegen alle MenschenrechtsverteidigerInnen, gegen die indigene Bevölkerung, die in den Gemeinden Widerstand leistet, gegen die Mitglieder der sozialen Bewegungen, die sich diesem legitimen Kampf angeschlossen haben", erklärt das "Nationale Netzwerk der Menschenrechtsverteidigerinnen von Honduras" kurz nach der Ermordung von Berta Cáceres.


Honduras steht zum Ausverkauf

Tatsächlich bringen die skrupellosen Morde an UmweltaktivstInnen ausländische InvestorInnen immer mehr in die Bredouille. Nach dem Putsch 2009 wurden umgehend 40 Konzessionen für Megaprojekte erteilt, ohne die Lokalbevölkerung und die Gemeinden überhaupt zu informieren. Ursprünglich sollte der Agua-Zarca-Staudamm mit chinesischem Kapital verwirklicht werden. 2013 zogen sich die ChinesInnen und die Weltbank wegen des grossen Widerstandes zurück. Fortan trieb die lokale Firma Desa das Projekt mit finanzieller Unterstützung der niederländischen Entwicklungsbank FMO voran. Die Firma Desa gehört der Familie Atala, welche zu den reichsten Familienclans zählt. Die Verstrickung der Oligarchie mit dem organisierten Verbrechen und den Todesschwadronen werden in Honduras immer offensichtlicher.

Entsprechend wächst auch der internationale Druck auf Siemens und Voith aus dem umstrittenen Staudammprojekt auszusteigen. Die niederländische Entwicklungsbank FMO und die finnische Entwicklungsagentur Finnfund haben diesen Schritt am 16. März bereits vollzogen, nachdem mit Nelson Garcia am Tag zuvor ein weiterer COPINH-Aktivist bei der gewaltsamen Räumung eines Dorfes von honduranischen Sicherheitskräften erschossen wurde. "Angesichts des jahrelangen Widerstandes war es fahrlässig, sich an dem Projekt zu beteiligen. Jetzt daran festzuhalten, ist skandalös. Am Agua-Zarca-Staudamm klebt immer mehr Blut", sagt Marita Wiggerthale, Expertin für Landrechte bei der Hilfsorganisation Oxfam Deutschland. "Siemens hat sich verpflichtet, sich nicht an Menschenrechtsverletzungen mitschuldig zu machen. Diesem Anspruch werden sie nicht gerecht."

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Quelle:
vorwärts - die sozialistische zeitung.
Nr. 13/14 - 72. Jahrgang - 8. April 2016, S. 5
Herausgeberin: Verlagsgenossenschaft vorwärts, PdAS
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veröffentlicht im Schattenblick zum 30. April 2016

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