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VORWÄRTS/1115: 1000 Peitschenhiebe gegen die Aufklärung


vorwärts - die sozialistische zeitung, Nr. 23/24 vom 19. Juni 2015

1000 Peitschenhiebe gegen die Aufklärung

Von Michi Stegmaier


Das Urteil von 1000 Peitschenhieben und zehn Jahren Haft für den saudischen Blogger Ralf Badawi wurde am 7. Juni 2015 vom Obersten Gerichtshof Saudi-Arabiens bestätigt. Berufung gegen dieses höchstinstanzliche Urteil kann keine mehr eingelegt werden.


Gemäss der saudischen Zeitung Okaz hat das höchste Gericht das drakonische Urteil aus dem vergangenen Jahr in allen Punkten bestätigt. Der inhaftierte Internetaktivist Ralf Badawi ist in den vergangenen Monaten zu einem weltweiten Symbol für Meinungsfreiheit und gegen den religiösen Faschismus des saudischen Königshauses geworden. Dass sein Fall überhaupt in die Schlagzeilen geriet und weltweit eine grosse Solidaritätswelle auslöste, ist einerseits vor allem ein Verdienst seiner Ehefrau Ensaf Haidar, die mit den drei gemeinsamen Kindern im kanadischen Exil lebt. Sie hat von Quebec aus die Kampagne "Free Ralf Badawi" lanciert und veröffentlichte unlängst im deutschen Ullstein Verlag das Buch "1000 Peitschenhiebe", welches Einblick in das Denken von Badawi gibt, der sich mit Intoleranz und religiöser Borniertheit in Saudi-Arabien nicht abfinden wollte und mutig dagegen ankämpfte. Für weltweite Empörung sorgte aber auch das schlechte Timing der öffentlichen Vollstreckung der ersten 50 Stockhiebe, die zwei Tage nach dem Anschlag einer islamistischen Zelle auf Charlie Hebdo am 9. Januar 2015 stattfand.

Bloggen ist kein Verbrechen

"Es ist abscheulich, dass dieses grausame und unrechtmässige Urteil bestätigt worden ist. Bloggen ist kein Verbrechen und Ralf Badawi wird dafür bestraft, dass er sein Recht auf freie Meinungsäusserung wahrgenommen hat", sagt Philip Luther, Direktor der Abteilung Mittlerer Osten und Nordafrika bei Amnesty International. "Mit der Entscheidung, das Urteil nicht aufzuheben, haben die saudi-arabischen Behörden sowohl der Gerechtigkeit als auch den Zehntausenden Stimmen, die weltweit seine sofortige und bedingungslose Freiheit gefordert haben, hartherzige Gleichgültigkeit entgegengebracht. Nachdem seine Verurteilung nun endgültig und unwiderruflich ist, könnten schon Freitag die nächsten Hiebe vollstreckt werden und er wird zu Unrecht den Rest seiner Strafe ableisten müssen. Die Entscheidung des Gerichtshofs ist ein weiterer Rückschlag für die ohnehin schon schlechte Menschenrechtsbilanz in Saudi-Arabien."

Zwar wurde auf Grund des internationalen Druckes sowie der schweren Verletzungen nach den ersten 50 Stockhieben aus medizinischen Gründen keine weitere körperliche Züchtigung vollzogen, nach der Bestätigung des Urteils durch den Obersten Gerichtshof besteht nun die unmittelbare Gefahr, dass in absehbarer Zeit die restlichen 950 Hiebe vollstreckt werden könnten.

Das Königreich am Persischen Golf gehört zu den repressivsten Regimes weltweit. Neben Ralf Badawi sitzen derzeit Hunderte von politischen Gefangenen unter widrigsten Bedingungen in den Knästen. Schon die leiseste Kritik am Königshaus und den religiösen Eliten kann mit dem Tod bestraft werden. Trotzdem wird der Westen auch weiterhin Rüstungsgüter und Überwachungstechnologien liefern, denn gute Geschäfte lassen sich - mittelalterliche Rechtssprechung hin oder her - mit dem Golfstaat alleweil machen.

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Quelle:
vorwärts - die sozialistische zeitung.
Nr. 23/24 - 71. Jahrgang - 19. Juni 2015, S. 5
Herausgeberin: Verlagsgenossenschaft vorwärts, PdAS
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veröffentlicht im Schattenblick zum 7. Juli 2015

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