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VORWÄRTS/1090: Gleicher Lohn für gleiche Arbeit


vorwärts - die sozialistische zeitung, Nr. 11/12 vom 27. März 2015

Gleicher Lohn für gleiche Arbeit

Von Sabine Hunziker


Gleicher Lohn für gleichwertige Arbeit. In der Bundesverfassung steht dieser Grundsatz seit 33 Jahren. Oft verdienen Frauen aber bei gleicher Arbeit weniger als Männer.


Seit 17 Jahren gibt es das Gleichstellungsgesetz und seit 33 Jahren sollte die Bundesverfassung gleichen Lohn für gleiche Arbeit garantieren. Die Praxis sieht aber anders aus: Bei gleicher Arbeit verdienen Frauen jeden Monat 677 Franken weniger als ihre Kollegen. Zusammengerechnet macht dies 8000 Franken im Jahr. Eine Menge Geld. So wurde am Samstag, 7. März in Bern zu einer nationalen Kundgebung zum Thema "Lohngleichheit jetzt" aufgerufen. Einen Rückblick mit einem Interview gibt uns Katja Signer, Mediensprecherin der Gewerkschaft Unia:


vorwärts: Gleicher Lohn für gleichwertige Arbeit. In der Bundesverfassung steht dieser Grundsatz seit 33 Jahren und seit 17 Jahren ist das Gleichstellungsgesetz in Kraft - warum wird das Gesetz punkto Lohn nicht befolgt?

Katja Signer: Seit 34 Jahren in der Verfassung (1981) und seit bald 20 Jahren im Gesetz (in Kraft seit Juli 1996): Um Lohngleichheit umzusetzen, braucht es regelmässig Überprüfungen der Löhne. Bisher hat man hier auf die Freiwilligkeit der Unternehmen gesetzt - auch seit 2009 mit dem Lohngleichheitsdialog, einem sozialpartnerschaftlichen Projekt. In fünf Jahren haben jedoch nur 50 Unternehmen ihre Löhne freiwillig überprüft. Darum ist heute klar: Mit Freiwilligkeit geht es nicht. Das Gesetz muss die regelmässige Überprüfung der Löhne vorsehen und auch Sanktionen. Die Unia und der Schweizerische Gewerkschaftsbund (SGB) fordern, dass die Unternehmen alle drei Jahre ihre Löhne überprüfen und die Arbeitnehmenden über die Resultate informieren müssen. Dazu braucht es eine nationale Behörde, welche Stichproben macht und auch - auf Hinweise von Arbeitnehmenden und Gewerkschaften hin - in Unternehmen Lohnüberprüfungen verlangen können. Dazu muss das heutige Gleichstellungsgesetz geändert werden. Die Unia und der SGB haben erreicht, dass der Bundesrat nun eine entsprechende Vorlage zur Änderung des Gesetzes ausarbeiten lässt. Ungefähr im Herbst sollte sie dann in die Vernehmlassung gehen. Die Demo vom 7. März soll hier Schub geben und den nötigen Druck machen, dass weitergearbeitet wird. Bisher kann man eine Überprüfung und Anpassung der Löhne nur mit Lohnklagen erreichen. Die Verfahren sind jedoch sehr lang. Es ist sicher schwierig für die Klagenden, den Druck im Betrieb auszuhalten, wenn sie gegen ihren Vorgesetzten klagen und oft klagen sie erst, wenn sie nicht mehr dort arbeiten. Und oft wird den Frauen aus "wirtschaftlichen Gründen" gekündigt, nachdem sie beim Vorgesetzten vorgesprochen haben, um den gleichen Lohn einzufordern wie denjenigen des Kollegen.


vorwärts: Wie und in welcher Form haben sich bisher die Frauen und solidarische Männer gegen die Lohnungleichheit in der Schweiz gewehrt?

Katja Signer: Die wichtigsten Eckpunkte: 14. Juni 1991 - der historische Frauenstreik - danach kam endlich das Gleichstellungsgesetz (zehn Jahre Verfassungsartikel ohne Umsetzung mit Gesetz). 14. Juni 1996: Tag der Lohntransparenz vor in Kraft treten des Gesetzes am 1. Juli 1996. Seither jedes Jahr am 14. Juni Aktionen national oder dezentral. 13. März 2010: grösste Frauendemo seit Jahren zum internationalem Frauentag vom 8. März mit 8000 beteiligten Frauen und Männern.


vorwärts: Wie wirkt sich die aktuelle "Frankenstärke" auf die Lohnungleichheit u.a. der Frauen aus?

Katja Signer: Die Frankenstärke wird von Arbeitgeberverbänden schamlos ausgenutzt, um die Lohngleichheit von der politischen Agenda zu streichen. Das heisst konkret: Der Bundesrat solle darauf verzichten, eine Gesetzesvorlage auszuarbeiten. Das würde bedeuten, das Thema wäre politisch wieder weg vom Tisch. Die Arbeitgeber wollen eine Änderung des Gleichstellungsgesetzes auf jeden Fall verhindern. Deswegen haben wir ein Manifest lanciert: "Lohngleichheit jetzt erst recht - kein Pakt gegen die Frauen".


vorwärts: Sonderfall Schweiz? Wie sieht die Situation der Frauen und ihrem Lohn in den Nachbarländern aus?

Katja Signer: Die Lohngleichheit ist auch in den anderen europäischen Ländern nicht umgesetzt. Der Unterschied beträgt überall rund 20 Prozent. Auch die gesetzlichen Bestimmungen in den anderen Ländern sind nicht griffiger. Der Widerstand der Unternehmer ist überall gleich gross. Das heisst, es geht um viel Geld, auf dem Rücken der Frauen wird an den Lohnkosten gespart. Das gilt auch global. Das heisst: Mit der Lohngleichheit wären wir auf der ganzen Welt einen grossen Schritt näher an der ökonomischen Unabhängigkeit der Frauen.


WEITERE INFOS:
www.unia.ch/de/kampagnen/lohngleichheit-jetzt/
www.lohngleichheitsmanifest.ch

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Quelle:
vorwärts - die sozialistische zeitung.
Nr. 11/12 - 71. Jahrgang - 27. März 2015, S. 7
Herausgeberin: Verlagsgenossenschaft vorwärts, PdAS
und ihre Deutschschweizer Sektionen
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veröffentlicht im Schattenblick zum 24. April 2015

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