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VORWÄRTS/1071: Japanische KP im Aufschwung


vorwärts - die sozialistische zeitung, Nr. 45/46 vom 30. Dezember 2014

Japanische KP im Aufschwung

Von Tarek Idri



Die neoliberale Regierungspartei von Shinzo Abe konnte ihre Zweidrittelmehrheit im japanischen Parlament halten bei einer rekordtiefen Wahlbeteiligung. Die Kommunistische Partei Japans hat durch ihre konsequente Oppositionspolitik ihre Sitze fast verdreifachen können.


"Seit der Premierminister seine "Abenomics" eingeführt hat, habe ich praktisch alles verloren. Ich habe meine Vollzeitstelle bei einer guten Firma verloren, ich habe alle meine Ersparnisse aufgebraucht und muss nun Teilzeit arbeiten", erzählt Yukari Konno, eine 45-jährige alleinerziehende Mutter von drei Kindern aus Tokio. Zum japanischen Premierminister Shinzo Abe und seiner Politik meint sie: "Das Einzige, was er gemacht hat, ist, dass er den Reichen und den Grossunternehmen mehr gegeben hat. Und diese haben den Gefallen erwidert durch die finanzielle Unterstützung von Abes Liberaldemokratischer Partei."


Stagnation als Sieg

Shinzo Abe hatte das Parlament im November aufgelöst, um seine Wirtschaftspolitik, die "Abenomics", in vorgezogenen Wahlen bestätigen zu lassen. Massenhaft Geld drucken und ein paar Konjunkturprogramme, das ist seine Antwort auf die schlechte Wirtschaftslage in Japan. Wie Yukari Konno glaubt laut Umfragen auch die Mehrheit der japanischen Bevölkerung nicht, dass Abes Politik ihre ökonomische Situation verbessert habe. Trotzdem gewann die Liberaldemokratische Partei (LDP) zusammen mit ihrer Koalitionspartnerin, der buddhistischen Komeito-Partei, eine satte Zweidrittelmehrheit von 326 Sitzen. Was von vielen Medien als "Erdrutschsieg" für die LDP und Abe verkauft wird, ist bei genauem Hinsehen allerdings eine Stagnation. Bei einem Wahlsystem, das grosse Parteien ohnehin bevorzugt, hat die LDP drei Sitze verloren. Gleichzeitig sank die Wahlbeteiligung auf historisch tiefe 52 Prozent. Die stärkste Oppositionspartei, die Demokratische Partei Japans, hat sich seit ihrem Ausscheiden aus der Regierung vor zwei Jahren wieder etwas erholt und konnte 73 Sitze erringen (im Vergleich zu über 100 in ihrer Spitzenzeit). Klare Verliererin der Wahlen war die rechtsextreme "Partei der nächsten Generation", deren Mandate von 19 auf 2 fielen.

Für eine Überraschung sorgte die Kommunistische Partei Japans (KPJ), die ihre Sitze von 8 auf 21 steigern und damit fast verdreifachen konnte. "Sie ist die einzige Oppositionspartei, die sich auch wie eine verhält", meint Tomoaki Iwai, Professor an der Nihon-Universität. In ihrer Wahlkampagne hatte sich die KPJ auf fünf Anliegen konzentriert: Sie stellte sich gegen die geplante Erhöhung der Mehrwertsteuer um 10 Prozent, gegen die Wiederinbetriebnahme der Kernkraftwerke, die nach der Fukushima-Katastrophe abgeschaltet wurden, gegen das Transpazifische Freihandelsabkommen, gegen die Revision der pazifistischen Verfassung, die sich Japan nach dem Krieg gegeben hat, und gegen die Errichtung einer neuen US-Militärbasis auf Okinawa, der südlichsten Präfektur Japans. "Ich wollte die LDP stoppen", sagte die 84-jährige Rentnerin Kazuko Takahashi. Sie habe die KommunistInnen gewählt, weil sie sich Sorgen mache wegen der Änderungen an der Verfassung: "Ich will keinen Krieg mehr. Meine Generation erinnert sich noch an den Krieg, und ich will nicht, dass die Dinge wieder so werden wie damals."


Der störende Paragraf

Neben einer aggressiven Währungs- und Exportpolitik auf Kosten der Nachbarn Japans, versucht die Regierung unter Abe auch militärisch wieder Einfluss zu gewinnen in der Region. Ein wichtiges Hindernis dazu war bisher der Paragraf 9 der japanischen Verfassung, der besagt, dass "das japanische Volk für alle Zeiten auf den Krieg als ein souveränes Recht der Nation und auf die Androhung oder Ausübung von Gewalt als Mittel zur Beilegung internationaler Streitigkeiten verzichtet". Der japanischen Armee ist nur die Selbstverteidigung erlaubt, und zwar ausschliesslich von japanischem Territorium.

Die Industrie drängt ebenso wie die LDP auf eine Aufhebung des störenden Paragrafen, da ihr die Produktion von Waffen, nicht aber deren Export gestattet ist. Die USA unter der Obama-Regierung unterstützen diese Entwicklung als Teil ihrer strategischen "Hinwendung nach Asien". Ihr wichtigster asiatischer Verbündeter soll dabei mithelfen, den Einfluss Chinas in der Pazifikregion in Grenzen zu halten.


Gegen den neuen Kolonialismus

"Die USA stellen ihre nationalen Interessen über den Weltfrieden und über friedliche internationale Beziehungen, sie tragen ihre Strategie des Präventivkriegs gegen andere Länder aus unter völliger Missachtung der Vereinbarungen der Vereinten Nationen und versuchen, eine neue Form des Kolonialismus zu errichten", schreibt die KPJ in ihrem Programm. "Diese Situation macht es wichtiger denn je, einen Kampf gegen jene Hegemonie, und für die Verteidigung des internationalen Friedens zu führen. (...) Das Selbstbestimmungsrecht der Völker muss respektiert und gegen Verstösse verteidigt werden." Ferner hält es die KPJ für notwendig, dass die Bestimmungen in der japanischen Verfassung zum Frieden und zur Demokratie geachtet werden und dass die US-Streitkräfte und Militärbasen aus Japan abgezogen werden. Mit ihrem Kampf gegen neue Militärbasen auf Okinawa und gegen die Revision der fortschrittlichen Verfassung zeigt sich die Partei auch in der Praxis konsequent, was ihr die WählerInnen quittiert haben.

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Quelle:
vorwärts - die sozialistische zeitung.
Nr. 45/46 - 70. Jahrgang - 30. Dezember 2014, S. 8
Herausgeberin: Verlagsgenossenschaft vorwärts, PdAS
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veröffentlicht im Schattenblick zum 21. Januar 2015


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