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VORWÄRTS/795: Arbeit und Einkommen in der Gesellschaft


vorwärts - die sozialistische zeitung, Nr. 03/04/2012 vom 27. Januar 2012

Arbeit und Einkommen in der Gesellschaft

von Johannes Supe


Die Trennung von Arbeit und Einkommen ist illusionär. Aber nur die massenhafte, die allgemeine Trennung von Arbeit und Einkommen, die das bedingungslose Grundeinkommen (bGE) hervorbringen will. Es gibt aber eine Klassentrennung, welche die Grundlage unserer Gesellschaft ist.


Es gibt die Arbeit, es gibt das Kapital. Es gibt ein Proletariat, es gibt eine Bourgeoisie. Stark vereinfacht zeigt sich ihr Unterschied darin, dass die einen arbeiten, ohne je den vollen Wert ihrer Arbeit zu erhalten, und die anderen, ohne zu arbeiten, einen unglaublichen Mehrwert sammeln. Oder so: Die Arbeiterin/der Arbeiter bekommt weniger, als sie/er müsste; der Bourgeois mehr als er bräuchte. Die Trennung von Arbeit und Einkommen ist bereits verwirklicht. Sie ist sogar die Grundlage der bestehenden kapitalistischen Gesellschaftsformation. Allerdings hat all das einen Klassencharakter: Nur eine Klasse bezieht die Masse des Einkommens und nur die andere Klasse leistet die Arbeit.


Die "allgemeine" Emanzipation von der Arbeit

Wenn hingegen das bGE von der Trennung von Arbeit und Einkommen spricht, so meint es etwas anderes. Es will die Trennung von Arbeit und Einkommen nicht nur innerhalb der Klassenstruktur, sondern allgemein. Auch der Arbeiter soll Geld bekommen ohne zu arbeiten. Das bedingungslose Grundeinkommen will eine Gesellschaft von Millionen kleiner Bourgeois. Es ist offenbar, dass der Versuch scheitern muss. Die bestehende Bourgeoisie zeichnet sich durch ihre quantitative Begrenztheit aus: Die wenigsten SchweizerInnen dürfen sich "glücklich" schätzen, zur Klasse der Besitzenden zu gehören und nur der geringste Teil der Weltbevölkerung zählt zum gewinnenden Prozentsatz des Kapitalismus.

Notwendig, denn die Arbeitenden müssen von ihrer Arbeit nicht nur sich ernähren, sondern auch die komplette Last für die Klasse der SchmarotzerInnen tragen. Eine Last die je unerträglicher wäre, desto grösser diese Klasse würde.


bGE: Utopistischer Sozialismus

Mit seinem Versuch der Trennung von Arbeit und Einkommen stösst das bGE an die Grenzen dessen, was im Kapitalismus möglich ist. Wer soll all den Mehrwert schaffen, der die gesamte Gesellschaft ernährt, ohne dass die gesamte Gesellschaft arbeitet? Wollte es erfolgreich sein, so müsste es den Kapitalismus sprengen - aber es tritt als Programm an, das tief in ihm verwurzelt ist, das mit seinen grundsätzlichen Kategorien zwar rhetorisch, nicht aber praktisch bricht. Allenorts findet sich dieser ambivalente Charakter des bGE. Seinen Ursprung hat er darin, dass das bGE insgesamt ein utopistisches Modell ist. Seine PropagandistInnen sind sich nur in den seltensten Fällen der Existenz der Klassen im Kapitalismus bewusst; noch seltener sehen sie in diesen Klassen etwas Selbsttätiges und sich Bewegendes. Sie appellieren allerorts an die "Gesamtheit der Gesellschaft" und geraten so notwendig in Widerspruch mit den wirklichen Verhältnissen. Sie wollen ein System, das gleichfalls nützlich für die Arbeiterin/den Arbeiter wie für den Kapitalisten ist. Die Wirklichkeit ist eine andere, eine materialistische - die Wirklichkeit spiegelt sich in den Widersprüchen des bGE wider.


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Quelle:
vorwärts - die sozialistische zeitung.
Nr. 03/04/2012 - 68. Jahrgang - 27. Januar 2012, S. 7
Herausgeberin: Verlagsgenossenschaft Vorwärts, PdAS
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veröffentlicht im Schattenblick zum 10. Februar 2012