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VORWÄRTS/788: Modelle des Grundeinkommens


vorwärts - die sozialistische zeitung, Nr.01/02 vom 13. Januar 2012

Modelle des Grundeinkommens

von Johannes Supe


In Deutschland ist die Debatte um das bGE weiter fortgeschritten als in der Schweiz, dort werden mittlerweile mindestens fünf Modelle eines Grundeinkommens diskutiert. Für die Verhältnisse der Schweiz dürften drei Modelle von besonderem Interesse sein, die hier kurz charakterisiert werden. Der vorwärts wird im Lauf dieser Artikelserie sowohl auf die einzelnen Modelle vertieft eingehen, wie auch eine Analyse der Schweizerischen Verhältnisse betreiben.


Diese Modelle sind das von Dieter Althaus (ehemaliger CDU-Ministerpräsident) und Thomas Straubhaar (Direktor des Weltwirtschaftsinstituts in Hamburg) propagierte "Solidarische Bürgergeld", die Spielart eines bedingungslosen Grundeinkommens nach dem Wirtschaftsprofessor und Milliardär Götz Werner (leitet die Drogeriekette dm) und der Vorschlag der Partei "Die Linke". Vorab erlauben wir uns die Bemerkung, dass schon hier sichtbar wird, wie ein nicht unerheblicher Teil der Bourgeoisie mit dem Grundeinkommen sympathisiert. Weiter geben wir zu bedenken, dass der Vorschlag der Linken vom reformistischen Teil der Partei (um Katja Kipping) stammt und auf den entschiedenen Widerstand des sozialistisch und/oder gewerkschaftlich orientierten Teils der Partei stiess.


Solidarisches Bürgergeld

Die Idee des Solidarischen Bürgergelds folgt aus der Analyse von Althaus und der konservativen Konrad-Adenauer-Stiftung, dass der demographische Wandel, die latente Massenarbeitslosigkeit und die steigende Anzahl der nicht die Existenz sichernden Einkommen den Sozialstaat an den Rand seiner Belastbarkeit treiben. Dementsprechend will das Solidarische Bürgergeld den Sozialstaat gänzlich abbauen und ein Projekt vorschlagen, dass sowohl Kosten spart wie auch Mindestlöhne zu umgehen(!) hilft.

Das Solidarische Bürgergeld ist eine negative Einkommenssteuer in Höhe von 600 Euro (300 Für Kinder bis 18 Jahren). Zudem soll eine Gesundheits- und Pflegeprämie von 200 Euro ausgezahlt werden, mit der die (nun vollends privatisierte Versicherung) bezahlt werden soll. Dementsprechend beträgt die gesamte Höhe aller Leistungen 800 oder 500 Euro. (Die Armutsgrenze in Deutschland lag 2008 bei 929,30 Euro.) Weitere Zuschläge soll es nur in Ausnahmefällen und unter Nachweis der Bedürftigkeit geben.

Die Finanzierung des Bürgergelds läuft grösstenteils über die Einkommenssteuer. Diese würde auf 50 Prozent heraufgesetzt, für Einkommen ab 1.600 Euro noch auf 25 Prozent. Zusätzlich müssten die Arbeitgeber noch 10 bis 12 Prozent des Lohns der Beschäftigten als Lohnsummensteuer zahlen, weitere Lohnnebenkosten entfielen für die Arbeitgeber hingegen. Auch der radikale Abbau jeglicher Sozialadministration (also: Beamte) soll für die Kostendeckung sorgen.


BGE von Götz Werner

Götz Werner sieht die Gesellschaft nicht mehr in der Lage, Massenbeschäftigung zu garantieren. Durch die gesteigerte Produktivität der modernen Industrie sei es möglich, die Notwendigkeiten einer Gesellschaft mit immer weniger menschlicher Arbeitskraft zu produzieren. Das Festhalten am traditionellen Arbeitsmodell und seiner Kopplung von Arbeit und Einkommen bedinge deshalb die latente Massenarbeitslosigkeit. Der Anspruch seines Grundeinkommensmodells ist es, diese Bindung von Arbeit und Einkommen zu lösen, den Menschen unabhängig von der Arbeit eine Existenz zu ermöglichen und Arbeit ausserhalb der Industrie zu fördern.

Das bGE von Götz Werner tritt in der Form einer Sozialdividende auf. Dessen Höhe ist zwar nicht konkret benannt, bei bisherigen Zahlenbeispielen wurden allerdings Werte zwischen 1.300 und 1.500 Euro genannt.

Die Finanzierung des Werner'schen Modells läuft über die Mehrwertsteuer. Diese soll auf 50 Prozent (!) angehoben werden. Dafür entfielen sämtliche andere Steuern, insbesondere Unternehmens- und Einkommenssteuern (!!) und damit sämtliche Lohnnebenkosten für Unternehmen. Zusätzlich entfallen dem Staat bisherige Ausgaben, da es neben dem Grundeinkommen keine weiteren Sozialleistungen geben wird, dies geht mit einem radikalen Abbau der Beschäftigung im öffentlichen Sektor einher.


Grundeinkommensmodell der Linken

Das Modell der Linken grenzt sich klar von den Vorschlägen des Bürgergelds und des Werner'schen Grundeinkommens ab. Es bezweckt nicht die "Reform" des Sozialstaates aufgrund dessen scheinbarer "Unbezahlbarkeit" und es will auch den kapitalistischen Markt nicht retten. Stattdessen sieht der reformistische Teil der Linken im bGE eine Chance auf selbständige Arbeits- und Lebensplanung, also einen emanzipatorischen Effekt des bGE. Das bGE soll mit der kapitalistischen Verwertungslogik brechen und wird als "Demokratiepauschale" (Katja Kipping) betrachtet.

Das bGE orientiert sich an der Armutsgrenze in Deutschland und soll circa 1.000 Euro für Erwachsene, 500 Euro für Kinder bis 16 in Form einer Sozialdividende betragen. Dabei wird das bGE nicht als alleinstehendes Projekt begriffen, sondern soll in zusätzliche Massnahmen eingebettet sein. Mindestlöhne, ein Anspruch auf Wohngeld sowie Kinderbetreuung, eine erweiterte Arbeitslosenversicherung und Rente sollen das bGE ergänzen. Weiterhin soll es besondere, allerdings bedarfsgeprüfte Leistungen für Schwangere, Alte und Kranke geben.

Um dieses umfangreiche Projekt (die Kosten betragen über 900 Milliarden Euro) zu finanzieren, setzt die Linke einerseits auf den Abbau bestehender Massnahmen (etwa Hartz IV). Andererseits erhofft man einen Konsumschub durch die erhöhten Mittel gerade an Sozialschwache. Im Kern der Finanzierung stehen allerdings eine Grundeinkommenssteuer auf alle Einkommen, die 35 Prozent beträgt. Diese Einkommenssteuer wird ergänzt durch eine Börsentransaktionssteuer, eine Vermögenssteuer und einen weiteren Spitzensteuersatz von 25 Prozent für Höchstverdienende. Zudem sollen bestehende Steuerlöcher gestopft werden; nur der Grundfreibetrag von 12.000 Euro Jahreseinkommen pro Person soll bestehen bleiben.


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Quelle:
vorwärts - die sozialistische zeitung.
Nr. 01/02/2012 - 68. Jahrgang - 13. Januar 2012, S. 7
Herausgeberin: Verlagsgenossenschaft Vorwärts, PdAS
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veröffentlicht im Schattenblick zum 26. Januar 2012