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SOZIALISTISCHE ZEITUNG/1626: Griechenland - Krankenhaus unter Arbeiterkontrolle


SoZ - Sozialistische Zeitung Nr. 3 - März 2012
Friede den Hütten - Krieg den Palästen!

Griechenland
Krankenhaus unter Arbeiterkontrolle
Belegschaft ruft zum allgemeinen Volkswiderstand auf


Bislang wehrten sich die Griechen vor allem mit Demonstrationen und Besetzungen gegen die Krise. Im nordgriechischen Kilkis wird ein neuer Weg eingeschlagen.
Die Beschäftigten im städtischen Krankenhaus von Kilkis in Zentralmakedonien haben das Hospital besetzt und eine Erklärung herausgegeben, wonach es nun vollständig unter Arbeiterkontrolle steht. Damit reagiert die Belegschaft auf die zunehmend schärferen Sparmaßnahmen des Regimes. Alle Entscheidungen werden von nun an von den "Beschäftigten auf der Vollversammlung" getroffen.



Die Erklärung im Wortlaut

"1. Die aktuellen und die chronischen Probleme des nationalen Gesundheitssystems und seiner Institutionen können nicht mit spezifischen, isolierten oder unsere besonderen Interessen betreffenden Forderungen gelöst werden, denn all diese Probleme sind Ergebnis einer volksfeindlichen Regierungspolitik und allgemein des Neoliberalismus.

2. Indem wir besondere Forderungen aufstellen, spielen wir in Wirklichkeit nur das Spiel einer brutalen Regierung. Diese unternimmt gegenüber ihrem Feind - einer geschwächten und gespaltenen Bevölkerung - alles, um zu verhindern, dass eine Einheitsfront der Bevölkerung auf nationaler Ebene und weltweit zustande kommt, die auf gemeinsamen Interessen und auf Forderungen beruht, die sich gegen die von den Behörden verursachte Armut richten.

3. Aus diesem Grund haben wir beschlossen, unsere Interessen in den allgemeinen Rahmen der politischen und ökonomischen Forderungen zu stellen, die heute von breiten Teilen des griechischen Volkes aufgestellt werden, das sich einem brutalen Kapitalismus gegenüber sieht. Diese Forderungen müssen bis zum Ende verteidigt werden, mit dem Ziel, eine Zusammenarbeit zwischen den mittleren und unteren Schichten unserer Gesellschaft zu erreichen.

4. Die einzige Weise, dahin zu gelangen, ist die aktive Infragestellung nicht nur der politischen Legitimität, sondern auch der Legalität einer willkürlichen, autoritären und volksfeindlichen Regierung, die einen großen Schritt in Richtung Totalitarismus geht.

5. Die Beschäftigten des Allgemeinen Krankenhauses von Kilkis antworten auf diesen Totalitarismus mit der Demokratie. Wir besetzen das Krankenhaus und stellen es unter unsere direkte und vollständige Kontrolle. Das Krankenhaus wird von nun an selbstverwaltet sein, und das einzig legitime Entscheidungsgremium wird die Generalversammlung der Beschäftigten sein.

6. Die Regierung ist von ihren wirtschaftlichen Verpflichtungen, das Krankenhaus mit Personal und Material zu versorgen, damit nicht entbunden. Wenn sie diese Verpflichtungen weiterhin ignoriert, werden wir uns gezwungen sehen, die Öffentlichkeit zu informieren und von der lokalen Verwaltung, aber vor allem von der Zivilgesellschaft zu verlangen, dass sie uns mit allen Mitteln unterstützen, damit folgendes garantiert wird:

a) das Überleben unseres Krankenhauses;

b) das Recht auf öffentliche und unentgeltliche Gesundheitsfürsorge;

c) der Sturz der gegenwärtigen Regierung und jedweder neoliberalen Politik, woher sie auch kommt, durch den Kampf des Volkes;

d) eine tiefgehende Demokratisierung, d.h. eine Demokratisierung, die es der Gesellschaft und nicht Dritten erlaubt, die Entscheidungen zu treffen, die ihre Zukunft betreffen.

7. Die Gewerkschaft des Krankenhauses wird am 6.Februar in den Streik treten - bis zur vollständigen Bezahlung der bereits gearbeiteten Stunden und bis zur Anhebung unserer Löhne auf das vor Ankunft der Troika (EU, EZB, IWF) bestehende Niveau; die Versorgung von Notfällen ist garantiert. In diesem Zeitraum werden wir, im Bewusstsein unseres gesellschaftlichen Auftrags und unserer moralischen Verpflichtungen, die Gesundheit der Bürger, die in das Krankenhaus kommen, schützen, indem wir die Patienten, die der Behandlung bedürfen, kostenlos versorgen. Zugleich appellieren wir an die Regierung, dass sie ihre Verantwortung wahrnimmt, und hoffen, dass sie in letzter Minute von ihrer maßlosen sozialen Grausamkeit ablässt.

8. [...] Die Generalversammlung wird jeden Tag stattfinden und das Hauptinstrument für die Fassung von Beschlüssen sein, die die Beschäftigten und die Funktionsweise des Krankenhauses betreffen.

Wir appellieren an die Solidarität des Volkes und der Werktätigen aller Bereiche, an die Zusammenarbeit aller Gewerkschaften und progressiven Organisationen, und wir fordern die Unterstützung der Medien, die sich entschieden haben, die Wahrheit zu sagen. Wir sind entschlossen, solange weiterzumachen, bis die Verräter, die unser Land und unsere Leute verkaufen, abhauen werden. Sie oder wir!


Wir appellieren

a) an unsere Mitbürger, mit unserer Bewegung solidarisch zu sein;

b) an alle ungerecht behandelten Bürger unseres Landes, gegen die Unterdrücker aufzubegehren;

c) an die Beschäftigten anderer Teile der öffentlichen und privaten Wirtschaft und an die Mitglieder der gewerkschaftlichen und progressiven Organisationen, in demselben Sinne zu handeln, damit unsere Mobilisierung die Form eines allgemeinen Arbeiter- und Volkswiderstands annimmt - bis zum Sieg über die ökonomische und politische Elite, die unser Land und die ganze Welt unterdrückt."


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Quelle:
SoZ - Sozialistische Zeitung Nr. 3, 27. Jg., März 2012, Seite 15
Herausgeber: Verein für solidarische Perspektiven (VsP)
SoZ-Verlag, Regentenstr. 57-59, 51063 Köln
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veröffentlicht im Schattenblick zum 23. März 2012