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ROTFUCHS/144: Tribüne für Kommunisten und Sozialisten Nr. 190 - November 2013


ROTFUCHS

Tribüne für Kommunisten und Sozialisten in Deutschland

16. Jahrgang, Nr. 190, November 2013



Inhalt

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Der Galgen von Nürnberg

An den 1. Oktober 1946 erinnere ich mich noch sehr genau. An jenem Tag fällte das in Nürnberg zusammengetretene Tribunal der vier Alliierten der Antihitlerkoalition nach Prüfung von 3000 Originaldokumenten, der unmittelbaren Anhörung von 200 Zeugen und den Plädoyers am Ende des als Hauptkriegsverbrecherprozeß in die Geschichte eingegangenen Strafverfahrens gegen Anführer der Mordbande Hitlers sein Urteil. In aller Welt wurde die Abrechnung mit einigen der schlimmsten faschistischen Rädelsführer begrüßt, auch wenn in manchen Fällen härtere Urteile erwartet worden waren. Ein Teil der am schwersten belasteten Nazi-Kriminellen wurde dem Henker überantwortet und später - von Göring, der wie zuvor schon Hitler, Goebbels und Himmler Selbstmord beging, abgesehen - zum Galgen geführt.

Während der 1. Oktober 1946 bei mir - ich war damals knapp 14 - vor allem Genugtuung auslöste, vermochte ich erst später, während des Jurastudiums und danach mit Normen des Völkerrechts vertraut gemacht, tiefer in die Problematik von Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Verbrechen gegen den Frieden einzudringen.

Nürnberg besaß eine solide Legitimation: Der Prozeß fußte auf den Beschlüssen der Londoner Viermächtekonferenz vom 8. August 1945 und dem durch die Alliierten beschlossenen Statut eines Internationalen Militärgerichtshofes.

Bemerkenswerterweise wurde in der fränkischen Metropole auch der klassenmäßige Hintergrund der faschistischen Untaten sogar von amerikanischer Seite auf gewisse Weise zur Sprache gebracht. In einem der Anschlußverfahren - es ging um den Fall Flick - erklärte Brigadegeneral Telford Taylor, der für die Vereinigten Staaten die Anklage vertrat: "Die Diktatur des Dritten Reiches stützte sich auf die unselige Dreieinigkeit aus Nationalsozialismus, Militarismus und Wirtschaftsimperialismus."

In Nürnberg war US-Hauptankläger Robert H. Jackson zu dem Ergebnis gelangt: "Für alle Menschen mit gutem Willen und gesundem Verstand ist das Verbrechen, das alle geringeren Verbrechen umfaßt, das Verbrechen der Entfesselung eines widerrechtlichen Krieges."

Da war es dann nur logisch, daß der Deliktkatalog des internationalen Rechts um diese alle Dimensionen sprengende Gewalttat - Verbrechen gegen den Frieden - ergänzt wurde. Aus gutem Grund laufen seitdem die juristischen Berater aller Kriege vorbereitenden oder anzettelnden Staatsmänner gegen die Fixierung dieses von ihnen wieder und wieder erfüllten Tatbestandes Sturm.

Mit der erstmals 1967 bei Rütten & Loening herausgebrachten Dokumentation "Der Nürnberger Prozeß", die dann etliche Nachauflagen erlebte und bis heute als Standardwerk gilt, steht uns ein auf Kernaussagen beschränktes Konzentrat des 42 Bände umfassenden Verhandlungsprotokolls zur Verfügung. Im Vorwort zur 5. Auflage schrieb der Herausgeber - mein Vater Peter Alfons Steiniger, der viele Jahre Direktor des Völkerrechtsinstituts der Berliner Humboldt-Universität war - zu Bestrebungen rabiater Rechtsrevisionisten: "Und natürlich richten sich deren Versuche, das Nürnberger Urteil als einen Bruch des Rechts, als einen Akt der Willkür und Rache hinzustellen, vor allem gegen die zum ersten Mal praktisch gewordene Aburteilung von Verbrechen gegen den Frieden. Die Bestrafung der während des Krieges begangenen Verbrechen und der im Zusammenhang mit ihm verübten Verbrechen gegen die Menschlichkeit stößt auf eine nicht entfernt so heftige prinzipielle Kritik wie die Bestrafung des Verbrechens der Anzettelung des Krieges selbst."

Übrigens wurde in Nürnberg nur einer der Angeklagten ausschließlich wegen Verbrechens gegen den Frieden verurteilt: Hitlers Stellvertreter Rudolf Heß, der sich am 10. Mai 1941 - kurz vor dem faschistischen Überfall auf die UdSSR - nach England abgesetzt hatte, um, wie es hieß, London für eine Waffenruhe im Westen zu gewinnen.

Aus dem Statut des Internationalen Militärtribunals ergibt sich eindeutig die individuelle strafrechtliche Verantwortlichkeit für Angriffe auf den Weltfrieden. Hierzu stellte der Nürnberger Gerichtshof ausdrücklich fest: "Verbrechen gegen das Völkerrecht werden von Menschen und nicht von abstrakten Wesen begangen, und nur durch Bestrafung jener Einzelpersonen, die solche Verbrechen begehen, kann den Bestimmungen des Völkerrechts Geltung verschafft werden."

Nach den in Nürnberg und Tokio ergangenen Urteilen wegen Verbrechen gegen den Frieden vermag sich niemand mehr auf Unkenntnis der Rechtslage zu berufen.

Das galt für die US-Präsidenten Lyndon B. Johnson und Richard Nixon, deren Air Force Vietnam in die Steinzeit zurückbomben sollte und auf deren Befehl die angebliche Entlaubungschemikalie Agent Orange eingesetzt wurde, die nicht nur unzähligen Menschen den Tod brachte, sondern auch bei Hunderttausenden Nachgeborenen entsetzliche Verkrüppelungen zur Folge hatte. Das galt für US-Präsident George W. Bush, der aufgrund fingierter "Beweise" für Bagdads angeblichen Besitz von Massenvernichtungswaffen das irakische Volk mit Krieg und Tod überziehen ließ.

Und das gilt potentiell auch für US-Präsident Barack Obama, der Syriens rechtmäßigem Staatschef Assad den Einsatz von Chemiewaffen gegen die eigene Zivilbevölkerung unterstellte, den ohne Zweifel sogenannte Rebellen oder von der CIA gekaufte Provokateure in Uniform verübt haben -ein an "Gleiwitz" und die Tongking-Golf-Affäre erinnernder Vorwand zur jederzeit möglichen Kriegsentfesselung. Nürnberg ist aktueller denn je. Möge sich niemand in der Illusion wiegen, von der sich die später Gehenkten zum Zeitpunkt der Begehung ihrer Verbrechen gegen den Frieden leiten ließen, daß es keine völkerrechtlich verbindlichen Instrumentarien zur Ahndung solcher Ungeheuerlichkeiten gibt!

Zu den Unterzeichnern des Statuts des Internationalen Strafgerichtshofes zählen übrigens auch die Vereinigten Staaten von Amerika.

Klaus Steiniger

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Beschämendes aus der Chronik der SPD (1)

Das Votum für die Kriegskredite

In seiner Festrede zum 150. Jahrestag des Lassalleschen ADAV sagte der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel, seine Partei müsse sich für nichts schämen. Er hob dabei zu Recht den tapferen Widerstand vieler deutscher Sozialdemokraten gegen den Hitlerfaschismus hervor, wobei er den Heldenmut der Kommunisten verschwieg.

Zweifellos hat die SPD große Opfer in diesem Kampf gebracht, was unseren Respekt verdient. Auch in Spanien setzten Sozialdemokraten - Seite an Seite mit Kommunisten und anderen Antifaschisten - Francos Horden beherzten Widerstand entgegen. In jeder Etappe ihrer Geschichte besaß die SPD Mitglieder und Funktionäre, die sich für eine bessere Gesellschaft engagierten. Das Vorbild aller war August Bebel, dessen Leben und Wirken Dr. Ehrenfried Pößneck im RF 187 so eindringlich gewürdigt hat.

Doch die Chronik der SPD kennt auch eklatantes Versagen, zu dem sich heutige Führer dieser Partei redlich bekennen sollten.

Die derzeitige SPD-Spitze bezeichnet das Gründungsdatum des Allgemeinen Deutschen Arbeitervereins, der am 23. Mai 1863 in Leipzig aus der Taufe gehoben wurde, auch als Tag ihres eigenen Entstehens. Ferdinand Lassalle, der zum Vorsitzenden des ADAV gewählt wurde, war indes ein bürgerlicher "Staatssozialist", der als Ziel der Arbeiterbewegung nicht die Zerschlagung, sondern die Reformierung des Ausbeuterstaates anvisierte. Die welthistorische Mission des Proletariats - die Notwendigkeit revolutionären Klassenkampfes zur Machteroberung und Errichtung einer neuen sozialistischen Gesellschaft - hat er nie ins Auge gefaßt.

In Lassalles Tradition stellten sich rechte SPD-Führer. Sie folgen ihr bis heute. Es gab fortschrittliche Grundsatzdokumente mit deutlich marxistischen Akzenten wie das Eisenacher und das Erfurter Programm, denen vor allem August Bebel und Wilhelm Liebknecht ihren Stempel hatten aufdrücken können. Doch reformistische SPD-Führer gingen andere Wege. Ihre Partei hat in entscheidenden Momenten der deutschen Geschichte versagt.

Ein Kulminationspunkt des Abgehens von den Vorstellungen Bebels und Liebknechts war das Verhalten der SPD-Reichstagsfraktion gegenüber dem durch das kaiserliche Deutschland vom Zaun gebrochenen Ersten Weltkrieg. An seinem Vorabend verfügte die SPD über 111 Parlamentsmandate. Als es um die Frage der Zustimmung oder Ablehnung der von Wilhelm II. geforderten Kriegskredite ging, trafen sich am 3. August 1914 die Fraktionsmitglieder zu einer Beratung. Philip Scheidemann, der damals die Sozialdemokraten im Reichstag führte, notierte in seinem Buch "Der Zusammenbruch": "Nach dem Bericht Müllers sprachen sich von den 92 anwesenden Fraktionsmitgliedern 14 Genossen gegen die Annahme der Kriegskredite aus, unter ihnen Karl Liebknecht. 78 stimmten dafür, darunter Scheidemann und Wels. Anschließend wählte man eine Kommission, der Kautsky und Wels angehörten, die bis zum nächsten Morgen eine Erklärung verfassen sollte. ... Die Fraktion akzeptierte (dann) das Hoch auf Kaiser, Volk und Vaterland. Mehrfach wurde verlangt, nicht mit 'Hoch' zu schreien, sondern stillschweigend aufzustehen. Eine Debatte darüber gab es nicht."

Karl Liebknecht konstatierte später, die Tragweite der Kreditbewilligung für das Umschwenken der gesamten Fraktion ins Regierungslager habe 1914 nicht auf der Hand gelegen. "Noch bestand die Hoffnung, der Beschluß vom 3. August sei das Ergebnis einer vorübergehenden Panik und werde alsbald korrigiert, jedenfalls nicht wiederholt und gar übertrumpft werden. ... Nicht übersehen (werden) darf dabei aber auch, welche heilige Verehrung damals noch der Fraktionsdisziplin entgegengebracht wurde." Und: "Nach alter Überlieferung gab es nur ein Mittel, seine von der Mehrheit abweichende Meinung zu vertreten und nach Kräften zur Geltung zu bringen: den Kampf in der Fraktion. Daß deren Mehrheitsentscheidung zu respektieren sei, galt als ausgemacht." (Karl Liebknecht "Reden und Aufsätze", Verlag der Kommunistischen Internationale 1921).

Am 2. Dezember 1914 gab Karl Liebknecht im Reichstag eine Erklärung ab, in der er die Aggression des Kaisers und der Reichsregierung als einziger Sozialdemokrat öffentlich anprangerte. An deren Schluß sagte er: "Indem wir Protest erheben gegen den Krieg, seine Verantwortlichen und Regisseure, gegen die kapitalistische Politik, die ihn heraufbeschwor, gegen die Annexionspläne, gegen den Bruch der belgischen Neutralität, gegen die Militärdiktatur, gegen die politische und soziale Pflichtvergessenheit, derer sich die herrschenden Klassen auch und gerade jetzt schuldig machen, lehnen wir die geforderten Kredite ab."

Diese von Liebknecht der SPD-Reichstagsfraktion vorgeschlagene Erklärung war von ihr abgelehnt, die Aufnahme des Textes in das Stenogramm der Reichstagsverhandlungen verweigert worden.

Für seine mutige Stellungnahme, die auch gegen die rechten Führer der Sozialdemokratie gerichtet war, wurde Karl Liebknecht als "einflußloser Sonderling" diffamiert. Je ungehemmter die damalige SPD-Spitze von der Fahne des internationalen revolutionären Sozialismus und der proletarischen Klassensolidarität desertierte, um so stärker wurde Karl Liebknecht jedoch zum Protagonisten des Widerstandes gegen die Politik der herrschenden Klassen. Zunächst kämpfte er allein und isoliert, doch schon bald gemeinsam mit Rosa Luxemburg und anderen standhaften Genossen. Die Spartakisten bildeten einen marxistischen Flügel, dem beide angehörten. Aus ihm ging zum Jahreswechsel 1918/19 die KPD hervor.

Nach dem hier Dargelegten sollte die Frage an Sigmar Gabriel erlaubt sein: Muß sich die SPD nicht für ihr Versagen im August und Dezember 1914 schämen? Sollte sie nicht im nachhinein den damaligen Kriegsgegnern unter den Sozialdemokraten ihren Respekt zollen?

Günter Bartsch, Berlin

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Die UNESCO erklärte zwei Marx-Werke zum Weltdokumentenerbe

Weises aus Paris

Seit 1992 widmet sich die in Paris angesiedelte UN-Organisation für Bildung, Wissenschaft und Kultur der Einrichtung und ständigen Vervollkommnung einer Liste des Weltdokumentenerbes. Bis heute sind 299 Dokumente, darunter 13 deutsche, in das UNESCO-Register "Memory of the World" (Gedächtnis der Welt) eingetragen worden. Deutschland ist u. a. mit der Gutenberg-Bibel, Beethovens 9. Sinfonie und dem Nibelungenlied dort vertreten.

Mitte Juni 2013 beriet der UNESCO-Exekutivrat über neue Anträge zur Erweiterung der Liste. Vier deutschen Ersuchen wurde zugestimmt. Es handelt sich um die 3600 Jahre alte Himmelsscheibe von Nebra als wohl früheste Abbildung des Sternenhimmels, das Lorscher Arzneibuch aus dem gleichnamigen Benediktinerkloster als ältestes erhalten gebliebenes deutschsprachiges Dokument zu dieser Thematik, die Goldene Bulle von 1356 als wichtigste Rechtsurkunde des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation sowie das "Manifest der Kommunistischen Partei" (1848) und "Das Kapital", Band 1 (1876). Beide Marxschen Werke wurden ausgewählt, "weil sie seit ihrer Entstehung weltweit großen Einfluß auf soziale Bewegungen hatten".

Wir drei Autoren dieses "RotFuchs"-Beitrags waren zu DDR-Zeiten im Sinne der durch den großen Sohn Triers begründeten Theorie an der Berliner Hochschule für Ökonomie "Bruno Leuschner" lange Jahre als Wissenschaftler auf den Gebieten Politische Ökonomie, Geschichte der ökonomischen Lehrmeinungen und Philosophie tätig. Zu unseren Anliegen gehörte, die Studenten mit den zwei durch die UNESCO ausgewählten und weiteren Marxschen Schriften vertraut zu machen.

Die Jahre 1863 bis 1867 spielten im Leben von Karl Marx und seiner Familie eine besondere Rolle. Als deutsche Emigranten vegetierten sie in London unter schwierigsten materiellen Bedingungen. Dennoch war Marx sowohl wissenschaftlich als auch politisch außerordentlich produktiv. Es gelang ihm, die beiden letzten "Kapital"-Bände im Entwurf und den ersten Band handschriftlich zu Papier zu bringen. Zugleich bewältigte er eine mit der Gründung und Etablierung der Internationalen Arbeiterassoziation verbundene Riesenarbeit. 1864 war er in den Generalrat der Ersten Internationale und deren ständiges Komitee gewählt worden. Marx verfaßte die Statuten - das als Inauguraladresse bezeichnete Gründungsmanifest - sowie die wichtigsten Beschlüsse, Erklärungen, Aufrufe und Berichte der Organisation. Er stand damit de facto an der Spitze der Ersten Internationale.

Auch Friedrich Engels, von Manchester nach London übergesiedelt, wurde 1870 in den Generalrat gewählt. 1871 übernahm er die Funktion eines Korrespondierenden Sekretärs. Seine außergewöhnlichen Kenntnisse und sein Zugang zu sieben Fremdsprachen bewährten sich dabei besonders und bedeuteten für Marx eine wesentliche Entlastung. Hier muß vor allem auch dessen Frau Jenny erwähnt werden. Sie war Marxens erste Kritikerin, die ihm zugleich in jeder Lebenssituation zur Seite stand.

Ein besonderes Verdienst kommt Friedrich Engels bei der Fertigstellung des Hauptwerkes von Marx zu. Als dieser am 16. August 1867 den letzten Druckbogen des ersten Bandes vom "Kapital" korrigiert hatte, schrieb er an Engels: "Also dieser Band ist fertig. Bloß Dir verdanke ich es, daß dies möglich war! Ohne Deine Aufopferung für mich könnte ich unmöglich die ungeheuren Arbeiten zu den drei Bänden machen. I embrace you, full of thanks! (Ich umarme Dich dankerfüllt!) Salut, mein lieber, teurer Freund."

Gemeinhin werden "Das Kapital" sowie Marxens Schriften "Grundrisse der Kritik der Politischen Ökonomie" und "Ökonomisch-Philosophische Manuskripte" als profunde Analyse des Kapitalismus verstanden. Im Vorwort zum ersten "Kapital"-Band hob Marx hervor, Ziel seiner Untersuchungen sei es gewesen. das ökonomische Bewegungsgesetz der kapitalistischen Produktionsweise und damit das Geheimnis der kapitalistischen Ausbeutung aufzudecken.

Für Marx ist die Entwicklung der Gesellschaftsformationen ein naturgeschichtlicher Prozeß. Es geht dabei um Verhältnisse, welche die Menschen im Zuge ihrer Reproduktion, im Stoffwechselprozeß mit der Natur sowie in ihrem sozialpolitischen und kulturellen Leben eingehen, die infolge ihres Verhaltens - daher "Verhältnisse" - zur Existenz und Entwicklung gelangen.

Der Kern der Marxschen Gesellschaftstheorie besteht in der Aufdeckung der dialektischen Beziehungen zwischen ökonomischen und anderen gesellschaftlichen Verhältnissen sowie dem Nachweis der letztlich bestimmenden Rolle der zuerst genannten. Im "Kapital" wird der grundlegende Zusammenhang von gesellschaftlichem Sein und gesellschaftlichem Bewußtsein, von Basis und Überbau, von Eigentum, Freiheit und Humanität aufgedeckt. Wir besitzen damit eine in sich geschlossene Theorie der Gesellschaft, die in den Sozialkonzepten vor Marx in keiner Weise zu finden ist.

Marx' Erkenntnisse sind hinsichtlich ihres Sinns, ihrer Wahrheit und Nützlichkeit keineswegs nur auf die kapitalistischen Verhältnisse beschränkt. Seine Theorie von der Gesellschaft trägt universellen Charakter und wird ihren Wert behalten, wenn die Menschheit den Kapitalismus längst hinter sich gelassen hat. Die Behauptung eines Norbert Blüm, Marx sei tot, kann man - unverblümt gesagt - nur als riesengroße Dummheit bezeichnen. Seit Marx hat sich die Welt ohne Zweifel ganz wesentlich verändert. Beginnend mit der Oktoberrevolution haben Umwälzungen stattgefunden, welche die Gestaltung sozialistischer Verhältnisse einleiteten. Trotz des Zusammenbruchs der UdSSR und der Niederlage des Sozialismus in Europa gibt es weiterhin Länder mit sozialistischer Orientierung. Und die Erfahrungen, die seit 1917 bei der Gestaltung einer Alternative zum Kapitalismus gesammelt wurden, sind von unschätzbarem Wert.

Der widerspruchsvolle und komplizierte Prozeß der Überwindung des Kapitalismus ist von Erfolgen und Rückschlägen gekennzeichnet, gestaltet sich aber vor allem weitaus langwieriger, als angenommen wurde. Er setzt zugleich einen Prozeß der Erkenntnis voraus: Nur wenn sich die Kräfte des Fortschritts von der Marxschen Theorie und Methode leiten lassen, sie klug anwenden und weiterentwickeln, werden sie Erfolg haben.

Wir verabschieden uns nicht, wie manche andere, von Marx. Die Aufgabe besteht vielmehr darin, ihn unter Berücksichtigung neuer Gegebenheiten und Erfahrungen weiterzudenken. Unsere Zeit belegt, wie sehr Marx recht hat und wie nötig er gebraucht wird.

Die Wirksamkeit von Ideen hängt zweifellos vom allgemeinen gesellschaftlichen Klima ab, was nicht bedeutet, daß man sein eigenes Verhalten dadurch bedingt sehen sollte. Unter deutschen Verhältnissen hatten es die Ideen von Marx seit den Tagen des Manifests - sieht man von 40 Jahren DDR ab, in denen die Verwirklichung seines Denkens versucht und in Angriff genommen wurde -, nicht gerade leicht. Auch jetzt werden antikommunistische Schreiberlinge aller Art gegen Marx und die UNESCO gerichtete Appelle verfassen. Doch allein die Tatsache, daß "Das Kapital", Band 1, und das "Manifest" nunmehr zum Weltdokumentenerbe gehören, ist für Marxisten ein Pfund, mit dem es zu wuchern gilt.

Prof. Dr. Günter Hoell, Prof. Dr. Rolf Sieber, Prof. Dr. Günter Söder

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Auf dem Friedhof der Märzgefallenen des Jahres 1848 ruhen auch 33 Tote der deutschen Novemberrevolution von 1918

Als Karl Liebknecht im Friedrichshain sprach

Wenn der 9. November als Erinnerungstag der deutschen Geschichte heute ins Spiel gebracht wird, dann geht es vor allem um die Maueröffnung von 1989. Vom Beginn der Novemberrevolution hingegen, die 1918 Berlin erschütterte, hört man kaum etwas.

Es ist wahrscheinlich nicht einmal allgemein bekannt, daß auf dem Friedhof der Märzgefallenen im Friedrichshain nicht nur die Opfer der Märzkämpfe von 1848 beigesetzt wurden, sondern auch 33 Tote aus den Revolutionstagen des Jahres 1918.

Am 25. Januar 1961 wurde die "Gedenkstätte der Helden der Novemberrevolution und der Marstallkämpfe" auf dem Friedhof der Märzgefallenen eingeweiht. Bei der Kundgebung sprach der Stellvertreter des Ministers für Nationale Verteidigung der DDR, Vizeadmiral Waldemar Verner. Er gedachte besonders der Matrosen der Volksmarinedivision. Delegationen aus Friedrichshainer Betrieben, von Organisationen und Schulen legten Kränze nieder.

Es versteht sich, daß manchen die zu DDR-Zeiten erfolgten Veränderungen auf dem Friedhof - vorwiegend im Zusammenhang mit der Novemberrevolution 1918 - nicht gefallen. Das trifft sicher auf die drei Grabplatten zu, deren mittlere die Namen der Opfer trägt, während auf der einen die Worte von Karl Liebknecht zu lesen sind: "Gründet fest die Herrschaft der Arbeiterklasse. Seid entschlossen gegen jeden, der sich widersetzt." Auf der anderen wird Walter Ulbricht zitiert: "Die Vorhut der Arbeiterklasse hat in der Novemberevolution heroisch gekämpft." Solche Besucher des Friedhofs stört vor allem auch die Skulptur des roten Matrosen, die Nationalpreisträger Hans Kies schuf.

Die Novemberrevolution 1918/19 war kein Spartakistenaufstand, wie heute mitunter behauptet wird. Auf den drei Trauerkundgebungen 1918 sprach auch nicht nur Karl Liebknecht.

Am 20. November 1918 versammelten sich rund 30.000 Menschen auf dem Tempelhofer Feld. Acht der fünfzehn Revolutionsopfer der ersten Novembertage waren hier aufgebahrt. Neben dem Rednerpult hingen Kränze der preußischen Regierung und des Rates der Volksbeauftragten, obwohl dessen Vorsitzender, der Sozialdemokrat Friedrich Ebert, nach eigener Aussage die Revolution wie die Sünde haßte.

Die Leitung der Unabhängigen Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (USPD) ließ einen Kranz mit der Widmung "Den tapferen Kämpfern der Revolution. Ihr Andenken wird ewig leben" niederlegen. Die Schleife eines Kranzes der türkischen Kolonie in Berlin trug die Inschrift "An die Helden der Freiheit".

Es sprachen Richard Müller und Brutus Molkenbuhr, die Vorsitzenden des Vollzugsrates der Berliner Arbeiter- und Soldatenräte, der dem Rat der Volksbeauftragten angehörende USPD-Vorsitzende Hugo Haase, der preußische Innenminister Paul Hirsch und Kurt Rosenfeld, einer der Volksbeauftragten für die Stadt Berlin. Karl Liebknecht war dort unerwünscht.

Als der Trauerzug dreieinhalb Stunden später nach einem Marsch durch die Innenstadt den Friedhof der Märzgefallenen im Friedrichshain erreichte, sprachen an den Gräbern Luise Zietz und Emil Barth, Mitglied des Rates der Volksbeauftragten, für die USPD, aber auch der weiterhin nicht gewollte Karl Liebknecht.

Am 21. Dezember 1918 erfolgte dort die Bestattung von 14 Opfern einer unbewaffneten Demonstration, die am 6. Dezember an der Ecke Chaussee- und Invalidenstraße im Kugelhagel konterrevolutionärer Gardefüseliere fielen. Während der sozialdemokratische "Vorwärts" am 21. November 1918 noch getitelt hatte, "Berlin ehrt die Opfer der Revolution", hieß es jetzt lediglich: "Die Beisetzung der Spartakusopfer".

Am Morgen des 24. Dezember 1918 erteilte Friedrich Ebert den Befehl, die in Schloß und Marstall stationierte Volksmarinedivision anzugreifen. Am 29. Dezember wurden dann sieben der Opfer dieses konterrevolutionären Überfalls unter großer Anteilnahme der Bevölkerung beerdigt.

An den offenen Gräbern sprachen Karl Liebknecht, ein Matrosen-Vertreter aus Wilhelmshaven, mehrere Leiter der teilnehmenden Abordnungen und Emil Barth, der am 18. Dezember wegen seiner Haltung zur Revolution als Vorsitzender der Revolutionären Obleute abgesetzt worden war.

Karl Liebknecht klagte die Ebert-Regierung als Schuldige des Blutbades an und rief dazu auf, nicht eher zu ruhen, bis die Konterrevolution besiegt sei. An diesem Tage erklärten die USPD-Vertreter Emil Barth, Wilhelm Dittmann und Hugo Haase ihren Austritt aus dem Rat der Volksbeauftragten.

Der am 15. Januar 1919 ermordete Karl Liebknecht und 31 Opfer der Januarkämpfe sollten ebenfalls auf dem Friedhof der Märzgefallenen beigesetzt werden. Doch der Berliner Magistrat unter Oberbürgermeister Adolf Wermuth ließ das im Einvernehmen mit den Volksbeauftragten der SPD nicht zu. Der Trauerzug mit dem Sarg Karl Liebknechts, den mehr als einhunderttausend Berliner am 23. Januar 1919 nach Friedrichsfelde begleiteten, führte am Friedrichshain vorbei.

Auch die Trauerfeier für Rosa Luxemburg begann am 13. Juni 1919 dort. Abordnungen aus Berlin und ganz Deutschland sowie der internationalen Arbeiterbewegung erschienen auf der großen Wiese. "Die Freiheit", das Zentralorgan der USPD, schrieb: "Die Berliner Arbeiterschaft hat der Genossin Rosa Luxemburg ein ehrenvolles Begräbnis bereitet.

Schon nach 9 Uhr sammelten sich in den verschiedenen Stadtteilen Arbeiterzüge und marschierten mit Kränzen und roten Fahnen zum Friedrichshain. Kurz nach 11 Uhr ertönten Trompetensignale und von sechs einfachen Bretterwagen wurden hierauf Ansprachen an die Versammelten gehalten. Alle priesen den Verstand der gemordeten Arteiterführerin, ihren klaren Blick in die Zukunft und ihre Begeisterung. Rosa Luxemburgs Persönlichkeit war von wirklich internationalem Rang."

Zum 9. November 2013 um 11 Uhr lädt die Geschichtskommission Friedrichshain-Kreuzberg der Partei Die Linke zur Ehrung der Opfer der Novemberrevolution 1918 auf den Friedhof der Märzgefallenen ein.

Dr. Kurt Laser, Berlin

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Nach der Wahl: Es bleibt alles ganz anders

In den 60er Jahren arbeitete ich in der USA-Abteilung des Außenministeriums. Der für uns zuständige Bereichsminister Georg Stibi - ein bajuwarischer Kommunist mit enormer Lebens- und Kampferfahrung - war zuvor bereits Chefredakteur des ND gewesen. Für eine äußerst wichtige Konferenz in Genf, an der die DDR erstmals gleichberechtigt teilnehmen sollte, hatte ihm sein persönlicher Mitarbeiter das Redemanuskript geschrieben.

Stibi arbeitete den Text gründlich durch und vermerkte an einer Stelle: "Schwaches Argument, Stimme heben!"

An diese Episode mußte ich denken, als ich das plötzliche Wahlkampf-Rumgebrülle der sonst eher maulfaulen FDP-Politikaster Brüderle und Rösler vernahm.

Es brachte ihnen und ihrem bankrotten Verein nichts. Das wohl erfreulichste am Ausgang der Bundestagswahlen war der eklatante Rausschmiß der FDP, die bisher 90 Mandate besessen hatte und über Nacht bei Null landete.

Allerdings steht nun eine deutlich weiter rechts angesiedelte, über einen offen faschistoiden Flügel verfügende Ersatzformation - die AfD - zur Auffüllung des Vakuums bereit. Um ein Haar wäre Henkels Partei schon diesmal in den Bundestag eingezogen. Als der bisherige FDP-Mann - er war langjährig Präsident des Unternehmerverbandes BDI - an der Gründungsversammlung der angeblich allein eurofeindlichen Allianz für Deutschland demonstrativ teilnahm und den neuen Deutschnationalen damit einen Persilschein ausstellte, waren die Messen für die FDP gesungen. Das BRD-Kapital hatte damit seine politischen Pferde neu gesattelt. Die Tatsache, daß 430.000 bisherige FDP-Wähler zur AfD wechselten, erscheint da beinahe als Normalität, während das Umschwenken auch von 360.000 offensichtlichen Protestwählern der Linkspartei zu dieser prononciert rechten Formation aufhorchen läßt.

Die Tatsache, daß es die offenbar vom Verteidigungsministerium gesponserten "Piraten" - ihr Vorsitzender, de Maizières Ministerialdirektor Schlömer, quittierte nach dem Debakel sofort den Dienst an der Parteispitze - nicht in den Bundestag geschafft haben, beweist: Bisweilen verfängt auch die raffinierteste Maskerade nicht auf Dauer.

Noch vor der CDU führt mit 17,7 Millionen Stimmenthaltung Übenden die Zahl der Nichtwähler den Reigen der "Parteien" an. Auch 587.000 ungültige Stimmen (1,3 %) sprechen für sich.

Nicht außer Betracht lassen sollte man, daß die ohne Mandate gebliebene offen faschistische NPD immerhin eine halbe Million Stimmen erhalten hat.

Der Erfolg der CDU als der "Volkspartei" des deutschen Kapitals war zweifellos ein persönlicher Triumph der mit ihren stets verfügbaren Allgemeinplätzen bisweilen geradezu unpolitisch wirkenden Angela Merkel. Sie hat in der DDR eine solide Ausbildung erfahren, die ihr auch heute noch Vorteile gegenüber dem Durchschnitt politisch Ungebildeter im bürgerlichen Lager einräumt. Frau Merkel dürfte weder eine Ideologie noch eine Religion besitzen, sondern eher über einen beispiellosen Machtinstinkt und die Eigenschaften eines politischen Chamäleons verfügen. Hätte die SPD 1990 die Wahlen gewonnen, stünde sie heute möglicherweise auf Sigmar Gabriels Posten. Angela Merkel, die mit ihrer Zwei-schlicht-zwei-kraus-Masche bei in dieser Hinsicht einfach gestrickten Mitbürgern verblüffend zu punkten vermag, sollte indes keineswegs unterschätzt werden. Wie sie es am Wahlabend im allgemeinen Freudentaumel der CDU-Prominenz verstand, ihrem sich nur durch seinen Borstenschnitt profilierenden Generalsekretär Gröhe die Deutschland-Fahne zu entreißen und - mit Blick auf Franzosen und andere in dieser Hinsicht Empfindliche - knallhart an den Bühnenrand zu befördern, war ein gekonntes Kabinettsstück.

Da es der CDU sowohl an der absoluten Mehrheit als auch an ihrem Wunschpartner FDP gebricht, ist guter Rat teuer. Der Redaktionsschluß hindert uns daran, bereits jetzt den Ausgang des Koalitionsgekungels zu kommentieren. Doch das steht wohl fest: Würden die Grünen auf den schwarzen Leim kriechen, was ohne einen Jürgen Trittin und andere inzwischen Abgehalfterte durchaus denkbar wäre, dann hätten sie bei einem Großteil ihrer ohnehin geschrumpften Klientel wohl ausgespielt.

Wahrscheinlicher wäre derzeit ein SPD-Vizekanzler vom politischen Taschenformat des Schröder-Zöglings Gabriel. Der gilt jetzt - da Steinbrück, der zeitweilig Kreide gefressen und seine vorübergehend bemehlten Multimillionärspranken sorgfältig manikürt hatte, politisch verbrannt ist - als einer der Favoriten. Die empfindliche Wahlschlappe der SPD - sie mußte mit Merkels einstigem Finanzminister das nach 2009 zweitschlechteste Wahlergebnis ihrer Geschichte kassieren - wäre bei einer Kandidatin Hannelore Kraft wohl nicht so herb ausgefallen.

Als einzige Partei des Friedens und des Antifaschismus im Bundestag hat Die Linke trotz erheblicher Verluste insgesamt recht achtbar abgeschnitten. Zehn Mandate eroberte sie allein in NRW, was allerdings die tiefen Einbrüche in Brandenburg, Sachsen-Anhalt und anderen östlichen Bundesländern nicht wettzumachen vermochte. Die Stimmenhalbierung im Saarland geht wohl in erster Linie auf das Konto der gezielten Frustrierung des bedeutenden linkssozialdemokratischen Politikers Oskar Lafontaine.

Die Linke hat immerhin 3,75 Millionen Stimmen - 1,4 Millionen weniger als 2009 - erringen können und verfügt nun statt der bisher 76 Mandatsträger nur noch über 64 Abgeordnete im Bundestag. Ihr Stimmenanteil ging von 11,9 auf 8,6 % zurück. Doch dank des Verschwindens der FDP und des Abstiegs der Grünen wurde die Linkspartei zur allgemeinen Verblüffung drittstärkste parlamentarische Kraft des Landes. Sie wäre im Falle des Aufsaugens der SPD-Fraktion durch die Merkel-Regierung sogar fortan Oppositionsführerin im Bundestag. Deshalb fällt es der nach Kabinettsrängen gierenden Gabriel-Truppe so schwer, den Verlockungen einer "Machtbeteiligung" zu erliegen.

Die Tatsache, daß sich etliche eindeutig auf antiimperialistischen Positionen stehende Abgeordnete der Linkspartei im Reichstagsgebäude behaupten konnten, ist ein Grund zur Freude.

Auch wenn das Gerangel noch eine Weile andauern dürfte, läßt sich schon jetzt mit Bestimmtheit sagen: Es bleibt alles ganz anders.

Klaus Steiniger

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Wie die Strausberger CDU einem Gewaltverbrecher huldigt

Die Minen des Michael Gartenschläger

Seit April 2013 lebe ich in Strausberg. Wenn ich durch die Hauptstraße der Altstadt gehe, komme ich am örtlichen CDU-Büro vorbei. In diesem Wahljahr entdeckte man dort nichts Relevantes zum Programm dieser Partei oder zu Personen, die im CDU-Namen lokale Politik machen. Dafür stellte man zwei Plakate zum Kampf gegen das Phantom DDR zur Schau - eines über aufbegehrende Jugendliche, die angeblich von der "roten Diktatur" unterdrückt worden waren, und ein anderes über einen gewissen Michael Gartenschläger.

Wer aber war dieser 1944 in Strausberg Geborene?

Nach dem Schulabschluß wurde er Autoschlosser. Schon früh soll er sich für Rockmusik engagiert haben. Authentisch ist, daß er eine Gruppe gründete, die der DDR Schaden zufügen wollte. Zunächst schrieb er an einen Garagenkomplex: "SED Nee!" Später legte er Feuer an eine Feldscheune.

Man muß wohl schon der Strausberger CDU angehören, um zu begreifen, wieso Brandstiftung ein Akt des Widerstandes ist. Auf dem Plakat im Schaufenster des Parteibüros wurde seine Tat aber so bezeichnet.

Was Gartenschläger tatsächlich zum Gegner der DDR werden ließ, entzieht sich meiner Kenntnis. Vielleicht hat ihn die engstirnige Sicht mancher Funktionäre, die dem Musikgeschmack und dem Lebensgefühl junger Menschen nicht immer zu folgen vermochten, aufgebracht.

Im August 1961 wurde Gartenschläger vom Bezirksgericht Frankfurt (Oder) in öffentlicher, vom Rundfunk übertragener Sitzung - sie fand im Strausberger NVA-Kulturhaus statt - wegen "staatsgefährdender Propaganda, Hetze und Diversion" zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt.

Aus meiner Sicht war diese Entscheidung gegen den jungen Mann deutlich überzogen. Was die erwiesene Brandstiftung betrifft, so hätte diese Straftat allerdings auch in der BRD eine strenge Ahndung erfahren. 1971 wurde Gartenschläger von der BRD für 40.000 DM freigekauft. Diese Art des Umgangs mit verurteilten Straftätern gehört sicher nicht zu den Ruhmesblättern der DDR-Geschichte.

Doch zurück zum Idol der Strausberger CDU. In Hamburg pachtete Gartenschläger eine Tankstelle. Aber auch die BRD hatte an ihm keine Freude. Schon 1973 ermittelte man gegen ihn wegen Verstoßes gegen das Waffengesetz, was im Strausberger CDU-Text "zufällig" fehlt. In der Folgezeit wurde er ein kommerzieller Menschenschmuggler, der bis 1975 zahlreiche Personen gegen handfeste Bezahlung aus der DDR in den Westen schleuste.

Bald erkannte er ein Geschäft, das noch mehr abwarf. Er befaßte sich nun mit der Sicherheitstechnik an der Staatsgrenze zur DDR. Es gab in der BRD Leute, die für demontierte Grenzsicherungsanlagen einen Batzen Geld auf den Tisch legten. Eine Mine brachte 3000, ein Schaltkasten sogar 10.000, und eine Schaltzentrale warf 100.000 DM ab.

In der Nacht zum 1. April 1976 demontierte der bewaffnete Gartenschläger eine Splittermine SM 70 - heute ist irreführenderweise von "Selbstschußanlagen" im DDR-Grenzterritorium die Rede. Er bot sie dem BND, dem Verfassungsschutz und der Ständigen Vertretung der BRD in der DDR (!) zum Kauf an. Alle lehnten ab. Spätestens jetzt hätten die BRD-Behörden eingreifen müssen, offerierte man ihnen doch Munition, die auf fremdem Staatsgebiet illegal demontiert worden war. Doch nichts geschah.

Schließlich verscherbelte der Täter die Mine samt Lebensgeschichte für 12.000 DM an den "Spiegel". Auch das wird heute von Strausbergs CDU verschwiegen. In der Nacht zum 23. April 1976 baute der "Sprengstoffexperte" eine zweite Mine ab und verkaufte sie an die "Arbeitsgemeinschaft 13. August" für ihn enttäuschende 3000 DM.

Durch die "Spiegel"-Reportage aber wußten die DDR-Behörden über Gartenschlägers Treiben Bescheid.

Ende April 1976 erfuhren die Grenztruppen, daß er einen weiteren Anschlag plante. Sie hatten entsprechende Funksprüche des Bundesgrenzschutzes abgehört. Daraus ging hervor, daß der BGS über Gartenschlägers Pläne informiert war. Er unternahm jedoch abermals nichts, um die Provokation zu verhindern.

In der Nacht zum 1. Mai 1976 versuchte Gartenschläger mit zwei Komplizen, eine dritte SM 70 abzubauen. Die Eindringlinge waren mit einer Schrotflinte und zwei Pistolen vom Kaliber 7,65 mm bewaffnet.

Auf DDR-Seite lagen außer den Grenzsoldaten auch 29 Angehörige einer Einsatzkompanie der Hauptabteilung I des MfS in Stellung. Ihr Auftrag lautete, Gartenschläger lebend zu fassen. Durch ein Geräusch erschreckt, gab dieser plötzlich zwei Schüsse auf DDR-Grenzer ab, die in Notwehr zurückfeuerten und Gartenschläger lebensgefährlich verletzten. Nun eröffneten seine beiden Komplizen das Feuer auf die DDR-Soldaten. Eine neue Schußfolge begann, bevor sich Gartenschlägers Kumpane in den Westen absetzten.

Der schwerstens Getroffene wurde sofort abtransportiert. Um 23.45 Uhr stellte ein Militärarzt Gartenschlägers Tod fest. Eine Kugel hatte den Herzbereich getroffen, was ihm keinerlei Überlebenschancen einräumte.

Auf dem Strausberger CDU-Plakat wird wahrheitswidrig behauptet, der bewaffnete Terrorist sei "im Kugelhagel eines Stasi-Erschießungskommandos gefallen". Unwissenden Passanten soll das offenbar suggerieren, der Mann sei regelrecht hingerichtet worden. Unerwähnt bleibt, daß Gartenschläger und seine Begleiter bewaffnet waren. Auch das Weglassen für die Wahrheitsfindung relevanter Tatsachen gilt als Lüge und verletzt das 8. Gebot von Christen, als die sich die Parteigänger der CDU ja ausgeben.

Im März 2000 wurde vor dem Landgericht Schwerin gegen drei DDR-Grenzsoldaten verhandelt. Nach § 32 StGB gestand man den Angeklagten eine Notwehrsituation zu. Ihr Freispruch war die logische Folge.

Im März 2003 endete ein weiterer Prozeß gegen Angehörige des MfS-Kommandos wegen "Anstiftung zur Tötung" ebenfalls mit Freispruch - hier infolge Verjährung.

Im Jahre 2006 lehnte die Strausberger Stadtverordnetenversammlung den von der CDU unterstützten Antrag ab, eine Straße nach Gartenschläger zu benennen. Die Gründe dafür lagen auf der Hand. Strausberg bedarf keiner falschen Helden, hat doch die Stadt durchaus echte hervorgebracht. Ich denke dabei auch an den mutigen Sozialdemokraten Georg Kurtze, der von den Faschisten verfolgt wurde und 1945 die weiße Fahne auf dem Rathaus hißte. Noch im Mai 1945 wurde er von Hitlers Banditen ermordet.

"Der Weg zur Wahrheit muß selbst wahr sein", schrieb Karl Marx. Gerade hier liegt das Dilemma heutiger Geschichtsfälscher. Wenn man aus purem Haß auf die DDR einen überführten Verbrecher zum Heroen machen will, indem man hier etwas wegläßt und dort etwas hinzufügt, verfängt man sich am Ende in einem Gestrüpp aus Lügen und Selbstbetrug. Gartenschläger war bereit zu töten, also nach Maßstäben auch des bürgerlichen Rechts ein gefährlicher Gewalttäter.

Ein anderer Marx - der Erzbischof von München und Freising - sagte 2005: "Wer heute den Zeitgeist heiratet, wird morgen Witwer sein."

Ulrich Guhl

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Brief eines deutschen "RotFuchs"-Lesers aus Portugals Süden

Wo die CDU noch Vertrauen verdient

Liebe Genossen!
Wenn ich Zeit dafür finde, bin ich ein fleißiger "RotFuchs"-Leser. Außer dem RF erhalte ich regelmäßig auch noch die UZ aus Essen. Ich habe Euch gerade 100 Euro überwiesen. Falls der Betrag für ein Jahr nicht ausreichen sollte, laßt es mich bitte wissen.

Seit 41 Jahren bin ich organisierter Kommunist. In der BRD gehörte ich 18 Jahre der DKP an, seit 23 Jahren bin ich nun bereits Mitglied der Portugiesischen Kommunistischen Partei - der PCP.

Ende September - also nach Eurem Redaktionsschluß für die Oktoberausgabe - finden bei uns Kommunalwahlen statt. Die Coligação Democrática Unitária - unsere Demokratische Einheitskoalition, kurz CDU - hat mich als ihren Spitzenkandidaten für die Munizipalkammer des Kreises Aljezur aufgestellt. Das ist für unser Linksbündnis insofern ein Novum, als sich zum ersten Mal ein Ausländer bei hiesigen Wahlen um ein solches Amt bewirbt.

Da ich unser schlechtes Abschneiden vor vier Jahren natürlich gerne wettmachen und die derzeitige absolute Mehrheit der rechtssozialistischen PS brechen möchte, gibt es allerhand zu tun. Ich schicke Euch ein Flugblatt mit, welches wir bei der Vorstellung unserer Liste am 15. August auf dem Markt von Aljezur - direkt vor der Kirche - verteilt haben. Dort war ich übrigens auch gezwungen, die erste Wahlrede meines Lebens zu schwingen. Auf unserem Blättchen steht bemerkenswerterweise ein Verlangen, das in Deutschland völlig undenkbar wäre: Confiança na CDU-Vertrauen in die CDU!

Schon in den nächsten Tagen werde ich mit der drittplazierten Kandidatin der CDU-Liste, der 31jährigen Restauratorin und Schauspielerin Maria do Carmo da Cruz, das Industrierevier von Aljezur besuchen, wo wir uns vor Ort über die Sorgen und Nöte der kleinen Unternehmer informieren, um - wenn es sich anbietet - einige von ihnen unterbreitete Vorschläge in unseren Forderungskatalog einfließen zu lassen. In vier Freguêsias - wie die Gemeinden hier heißen - haben wir bereits Versammlungen unter Teilnahme unserer CDU-Kandidaten durchgeführt und im Ergebnis freimütiger Diskussionen eine Reihe von konkreten Ideen für unsere jeweiligen lokalen Vorhaben erarbeitet. Zur Zeit befasse ich mich mit einer Konzeption, wie wir in der Munizipalkammer - es handelt sich dabei um das Vollzugsorgan, das von einem Präsidenten (Bürgermeister) geführt wird - im Falle unserer Wahl vorgehen würden.

Anders als in Deutschland müssen sich unsere CDU-Vorstellungen in Sprache und Zielsetzung von den Konzepten der übrigen Parteien deutlich unterscheiden. Im Mittelpunkt steht dabei der Kampf gegen Armut, für die Schaffung von Arbeitsplätzen und die Erhaltung unserer natürlichen Umwelt. Dabei geht es vor allem um den hiesigen Naturpark. Die Sprache, derer wir uns bedienen, darf nicht der Jargon von Bürokraten sein, sondern muß der Ausdrucksweise des Volkes entsprechen.

Ob wir nun gewinnen oder nur ein einigermaßen respektables Ergebnis einfahren - in jedem Falle werden wir einen langen Atem brauchen.

So, jetzt wißt Ihr, was in nächster Zeit so oder so auf uns zukommt. Mit 63 bin ich vielleicht schon etwas zu alt, um den Stier noch bei den Hörnern zu packen. Aber ich will einfach in Erfahrung bringen, ob man dieser kapitalistischen Barbarei nicht auch im Kleinen entgegenwirken kann. Es darf doch nicht sein, daß wir unser ganzes Leben - hier wie dort - vergeblich gekämpft haben. Die Hymne der portugiesischen Kommunisten beginnt mit den ermutigenden Worten: Avante camarada - Vorwärts Genosse! Sie spornt auch mich an.

Ich empfinde große Achtung vor Euch, die Ihr beim "RotFuchs" versammelt seid, um unsere Sache in Deutschland aus dem Tal der Niederlage herausführen zu helfen. Es imponiert mir, wie Ihr die Kraft aufbringt, eine solche Zeitschrift als neuen Sammelpunkt für viele zu schaffen, die den Mut schon fast verloren hatten.

Herzliche Grüße aus Portugals Süden.

Hermann Hans Janssen, Aljezur



Nach Redaktionsschluß: Grândola zurückerobert!

Bei den portugiesischen Kommunalwahlen am 29. September konnte die CDU ihren Stimmenanteil landesweit von 9,9 auf über 11 % steigern. Sie hielt sämtliche Hochburgen im industriellen Ballungsgebiet um Lissabon und Setúbal, während sie den schwächelnden Sozialisten die beiden alentejanischen Bezirkshauptstädte Beja und Évora sowie die vorübergehend von ihnen verwaltete Kreisstadt Grândola - Symbol der Nelkenrevolution - wieder abnahm.

Die Ausstrahlung des von den Faschisten Caetanos verbotenen José-Afonso-Liedes "Grândola, vila morena" durch einen Rundfunksender war in der Nacht vom 24. zum 25. April 1974 das Aufstandssignal für die von antifaschistisch gesinnten Offizieren der Bewegung der Streitkräfte (MFA) geführten Armee-Einheiten. Noch in der Stunde ihrer Erhebung eilte den Soldaten das Volk mit der PCP an der Spitze zu Hilfe.

Im Algarve-Kreis Aljezur verfehlte die CDU leider den Einzug in die Exekutive, ist aber mit zwei Abgeordneten in der Munizipalversammlung vertreten.

K. St.

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Wie 1948 der Stuttgarter Arbeiterprotest abgewürgt wurde

Als General Clay die Ami-Panzer rollen ließ

Für den 28. Oktober riefen die Stuttgarter Betriebsräte unter dem Motto "Nicht nur reden, sondern auch handeln!" zu einer Protestkundgebung auf dem innerstädtischen Karlsplatz auf. Die Verbraucher sollten in einer Massendemonstration zeigen, daß ihre Geduld erschöpft und sie nicht länger gewillt seien, die von Unternehmern und Großhandel festgesetzten Preise zu akzeptieren.

Die in der Geschichte der Stuttgarter Metallarbeiter recht ungewöhnliche Manifestation, an der nahezu 100.000 Menschen teilnahmen, sollte um 15 Uhr beginnen. Zwischen 13 und 14 Uhr war in den Betrieben der Stadt bereits die Arbeit niedergelegt worden. Viele Belegschaften marschierten geschlossen zum Karlsplatz. Die Demonstranten führten einige rote Fahnen und zahlreiche Transparente mit. Losungen wie "Wir wollen leben, nicht vegetieren!", "Herunter mit den Preisen!", "Fort mit Professor Erhard!", "Weg mit dem Preiswucher!" bestimmten die Szene.

Einziger Redner war der Vorsitzende des DGB-Ortsausschusses Hans Stetter. Diese Kundgebung sei als letzte Warnung an all jene zu verstehen, welche kaltschnäuzig aus der Not des Volkes neuen Reichtum scheffeln wollten und unter Ludwig Erhard untragbare Verhältnisse geschaffen hätten, erklärte er. Es gehe um feste Verkaufspreise für notwendige Bedarfsartikel, scharfes Einschreiten gegen Wucher und Preistreiberei, vor allem aber um die Erhöhung von Löhnen, Gehältern, Renten und Fürsorgegeldern. Stetter appellierte an die Verantwortlichen, sich des Ernstes der Lage bewußt zu sein. Die Arbeiterschaft sei nicht gewillt, noch länger zu schweigen.

Zum Abschluß wurde ein an den Wirtschaftsrat in Frankfurt am Main gerichtetes Telegramm verabschiedet. Es lautete: "Zehntausende Schaffende demonstrierten am 28. Oktober unter Führung der Gewerkschaften gegen Wucher und Preistreiberei. Sie fordern eine sofortige Änderung des falschen Wirtschaftskurses. Wenn nicht unverzüglich spürbare Abhilfe geschaffen wird, bleibt nur noch der Weg zur Selbsthilfe."

Nach dem Verlesen der Resolution war bei den Zuhörern ungeachtet der Schärfe des Textes Enttäuschung zu spüren. Es ertönten Rufe wie: "Warum nur Telegramme und Resolutionen? Warum keine Taten?"

Nachdem die Kundgebung beendet war, machten sich die Teilnehmer über die Stuttgarter Hauptgeschäftsstraße auf den Heimweg. Das jedenfalls glaubten die Veranstalter. Was tatsächlich geschah, las sich damals in der "Stuttgarter Zeitung" so: "Einige Gruppen von Menschen empörten sich über die elegante Ausstattung und die hohen Preise im Modehaus Stahl. Mit Steinen wurde eine Fensterscheibe eingeworfen. Als Polizeibeamte eingriffen, wurden diese mit Stöcken angegriffen. Auch die Oberlichter der Schaufensteranlage der Firma Luxus wurden durch Steinwürfe zertrümmert. Polizeibeamte drängten die Menge zurück, die sie mit Steinen bewarf. Die U.S. Military Police wurde nun zu Hilfe gerufen. Mit aufgepflanztem Bajonett und Tränengas räumte sie die Einkaufsmeile. 5000 bis 6000 Demonstranten verlagerten sich daraufhin in den Bereich zwischen Bahnhofseingang und Postamt. Angehörige der MP wurden durch Jugendliche mit Steinen beworfen und mit Messern bedroht. Gegen weitere Zusammenrottungen an verschiedenen Stellen der Innenstadt kamen schließlich die herbeigerufenen Panzer zum Einsatz, ebenso eine Kavallerieeinheit. Nunmehr gelang es, die Protestierenden endgültig zu zerstreuen. Es gab Verletzte auf beiden Seiten. General Clay verhängte eine zeitlich unbefristete Ausgangssperre. Nicht vor Abschluß der Untersuchung werde das Ausgeh- und Versammlungsverbot aufgehoben."

Clay beorderte am Morgen nach den Vorfällen den DGB-Vorsitzenden Stetter unverzüglich zu sich. Er habe durch seine Hetzrede den Kommunisten in die Hände gespielt, warf ihm der General vor. Stetter erklärte, unter dem Druck der Betriebsräte, zu denen auch eine Anzahl Kommunisten gehörte, gestanden zu haben. In seinen Ausführungen auf dem Karlsplatz habe er sich an die generelle gewerkschaftliche Kritik gegenüber untragbaren Verhältnissen gehalten und Forderungen nach einem radikalen Kurswechsel der Frankfurter Wirtschaftspolitiker erhoben, wie sie zur Zeit gewerkschaftsüblich gewesen seien. Um zu verhindern, daß sich die Kommunisten zu Wort melden könnten, habe er nach Demonstrationsende sofort das Lautsprechersystem abschalten lassen.

Alles Lamentieren half Stetter nichts. Er begriff auch nicht, daß Clay mit seiner Behandlung den mit dem Feuer spielenden Gewerkschaftsführern der Bizone eine Warnung zukommen lassen wollte.

Das weitere Verhalten des amerikanischen Militärgouverneurs bei der Behandlung der Stuttgarter Vorfälle läßt erkennen, daß es Clay nicht darum ging, diese als Protest gegen eine Verschlechterung der Lebensbedingungen für Arbeiter und Angestellte, gegen zunehmende soziale Polarisierung und eine einseitig die Gewinner der Wirtschafts- und Währungsreform begünstigende Politik zu werten. Vielmehr war ihm daran gelegen, sie als Verschwörung finsterer Kräfte zu charakterisieren, die auf den Umsturz der Nachkriegsgesellschaft, wie sie sich in Westdeutschland zu etablieren begann, zielten.

Die hier geschilderte Protestaktion taucht in keiner gängigen Geschichte der Bundesrepublik (die in der Regel auch deren Vorgeschichte ab 1945 mit einschließt) auf, obwohl es sich eindeutig um mehr als ein Ereignis von nur lokaler Bedeutung handelte. Das Schweigen darüber wird noch unverständlicher, wenn man bedenkt, welchen Raum der einmalige Einsatz von Panzern der Sowjetarmee - er erfolgte am 17. Juni 1953 gegen Randalierer in der DDR - heute in den BRD-Geschichtsbüchern einnimmt. Panzer gegen Demonstranten - das paßt zur Diktatur im Osten, nicht aber zur lupenreinen Geschichte einer angeblich geglückten Demokratie im Westen.

Wilfried Wagner, Dingelstedt

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Ausländerfeindlicher Mob rief Erinnerungen an Lichtenhagen wach

Nazi-Hetze in Hellersdorf

Ein ausländerfeindlicher Mob, der aufgeputschte Bewohner des betroffenen Viertels zu neutralisieren oder auf seine Seite zu ziehen vermochte, hat während des Sommers den Berliner Stadtteil Hellersdorf beunruhigt. Das, was die faschistische NPD und andere Nazi-Organisationen gegen die Einrichtung einer Notunterkunft für etwa 200 syrische Kriegsflüchtlinge entfesselten, war Volksverhetzung im strafrechtlichen Sinne. Rassistische Parolen wurden gebrüllt, Morddrohungen ausgestoßen, Rufe wie "Deutschland den Deutschen!" waren zu vernehmen. Auch die von der BRD legalisierte NPD-Wahlparole "Guten Heimflug!" durfte da nicht fehlen. Der Ruf "Die sollte man alle vergasen!" beschwor die Erinnerung an Auschwitz. Welch Geistes Kind einige der Akteure sind, zeigten T-Shirts mit der Aufschrift "22.-26." Sie sollten die faschistischen Exzesse ins Gedächtnis rufen, die sich vor 21 Jahren in Rostock-Lichtenhagen zugetragen hatten. Seitdem sind 180 Menschen in der BRD Opfer rechtsradikaler und ausländerfeindlicher Gewaltakte geworden. Eine bürgerliche Zeitung kommentierte das Geschehen in Hellersdorf mit den Worten: "Manchmal liegen zwischen Zivilisation und Barbarei nur Millimeter."

Tatsächlich bekundet - repräsentativen Umfragen zufolge - inzwischen jeder vierte Bundesbürger Ressentiments der hier geschilderten Art. Jeder zweite Deutsche meine, es gebe zu viele "Fremde" hierzulande. Die Friedrich-Ebert-Stiftung erklärte dazu, Ausländerfeindlichkeit sei in der BRD "kein Randproblem, sondern eines aus der Mitte der Gesellschaft".

Die ganze Wahrheit ist weitaus ernster. Seit Jahr und Tag haben sich führende Politiker etablierter Parteien als Stichwortgeber hervorgetan. Da waren die "Warnungen" des ehemaligen CSU-Vorsitzenden Stoiber vor einer "durchmischten und durchrassten Gesellschaft auf deutschem Boden" zu vernehmen. Erinnert sei an die Pogromrufe des früheren Berliner CDU-Landesvorsitzenden Landowski, der von "Müll", "Ratten" und "Gesindel" sprach, "das beseitigt werden" müsse. Das seinerzeitige CDU-Präsidiumsmitglied Rüttgers empfahl "Kinder statt Inder" an die Computer zu setzen. Und Herr Huber, ein anderer ehemaliger CSU-Vorsitzender, wußte: "Multikulti ist die Brutstätte der Kriminalität." Auch Ex-Bundeskanzler Schröder fehlte nicht in dem Reigen, als er ausrief: "Das Boot ist voll!"

Inzwischen sind von "hoher Warte" auch ganz andere Töne zu vernehmen. Die angebliche Bildungsrepublik Deutschland klagt über "ernsten Fachkräftemangel". Kanzlerin Merkel erklärt die BRD daraufhin zum "Einwanderungsland". Es gehe um eine "neue Willkommenskultur", um eine "neue Qualität der Zuwanderung". Arbeitsministerin von der Leyen sprach gar von einem "Glücksfall". Die genannten Vokabeln gelten allerdings keineswegs für Ausländer, die in der BRD ihr Heil vor Armut und Verfolgung suchen.

Um was geht es? Der derzeitige Export-Vizeweltmeister braucht dringend qualifiziertes "Humankapital". Gerhard Schröder und Peer Steinbrück schufen, als sie am Ruder waren, im Interesse der deutschen Konzerne mit der "Agenda 2010" entsprechende Voraussetzungen zu dessen Beschaffung. "Wir haben einen der besten Niedriglohnsektoren aufgebaut, den es in Europa gibt", brüstete sich der heutige Multimillionär Schröder damals. Die Lohnstückkosten wurden drastisch gesenkt, die südeuropäischen EU-"Partner" gnadenlos niederkonkurriert. Der BRD-Leistungsbilanzüberschuß erreichte in einem Jahrzehnt eine Billion Euro.

Merkel nutzte diesen Vorteil bei ihrem Krisenmanagement und setzte die Strategie des deutschen Kapitals paßgerecht um. Sie verlangte, "daß die Wirtschaftspolitik im Euro-Raum deutschen Prinzipien folgen" solle. Den Südeuropäern diktierte man brutale Kürzungsprogramme. Immer mehr Griechen, Portugiesen und Spanier wurden so an den Rand der Gesellschaft gedrängt und in Armut hinabgestoßen. Der einheitliche Euro-Binnenmarkt erweist sich als idealer Freiraum für deutsche Kapitalverwertung und "Humankapital"-Gewinnung. Eine neue Kategorie von Menschen entstand - die "Krisenflüchtlinge".

Deutsche Konzernbosse sind darüber hocherfreut. "Es ist eine Elite, die nun einwandert und das Bild verändert", triumphierte der "Spiegel". "Nun sind es die Jungen, die Gutausgebildeten, die Mutigen, die nach Deutschland kommen, im Durchschnitt sind sie 32 Jahre alt."

In Berlin-Hellersdorf ging es indes nicht um Abwerbung von mit Steuergeldern anderer Länder ausgebildeten Fachkräften, sondern um Menschen, die "lediglich" dem Krieg zu entrinnen gesucht hatten.

Derzeit befinden sich weltweit über 45 Millionen auf der Flucht - Wirtschaftsflüchtlinge, Kriegsflüchtlinge, Umweltflüchtlinge, politisch, ethnisch oder religiös Verfolgte. Die Herkunftsländer sind derzeit vor allem Afghanistan, Irak und Syrien - drei Staaten, deren Völker zu Opfern von Interventionen der USA und der NATO geworden sind. In Afghanistan ist die BRD mit ihrer Bundeswehr seit einem Jahrzehnt "im Einsatz". Sie hat keinen geringen Anteil daran, daß über zwei Millionen Afghanen ihre Heimat verlassen mußten.

Die Integration der Fliehenden gehört nicht zu den Zielen der lammfrommen Bundesregierung. Sie setzt auf Ausgrenzung, isoliert Asylsuchende in Lagern und kennt fast nur einen "Lösungsweg": die Abschiebung. Es gehe darum, den Aufenthalt derer, "die nur aus mißbräuchlichen oder asylfremden Gründen" zu uns kommen, schnell zu beenden, verkündete Merkels Innenminister Friedrich.

Solche Erklärungen leiten Wasser auf die Mühlen der Nazis. So zogen sie vor jene seit Jahren leerstehende Hellersdorfer Schule, die 200 syrischen Kriegsflüchtlingen eine gewisse Sicherheit geben sollte. Die Pogromstimmung von Rostock-Lichtenhagen war plötzlich wieder da.

Doch auch das muß nachdrücklich unterstrichen werden: Den Kohorten rechtsradikaler Stimmungsmacher stellten sich bald nicht wenige mutige und internationalistisch gesinnte Menschen entgegen, von denen etliche ihre Kindheit zu einer Zeit erlebten, in der die Schule noch dazu diente, ganze Generationen Heranwachsender im Sinne der Völkerfreundschaft zu erziehen.

Prof. Dr. Georg Grasnick

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Zur Einheit von Bildung und Erziehung

Am 25. April 2013 fand im Plenum des Bundestages eine Diskussion über die Möglichkeiten zur Verbesserung der Qualität der Bildung an den allgemeinbildenden Schulen der BRD statt. Kaum berührt wurde dabei die Aufgabe der Erziehung, wobei seriöse Pädagogen davon ausgehen, daß Bildung und Erziehung eine Einheit darstellen. In der DDR galt dieses Prinzip auf allen Ebenen.

Als Bildung betrachtet man die Summe und Art von Wissen, Kenntnissen, Erkenntnissen und Methoden. Unter Erziehung sind die Ausprägung von Verhaltensweisen und die politische Positionierung zu möglichen Optionen zu verstehen. Dazu gehören vor allem: Demokratieverständnis, Sozialverhalten, Freiheitsinhalte, Solidarität, Toleranz und Friedfertigkeit.

Es geht um die Unterrichtskultur in ihrer Einheit von Bildung und Erziehung.

Eine kurze Charakterisierung der heute noch weitverbreiteten Unterrichtsmethoden soll den Kontrast zu neueren Lösungen deutlich machen. Allgemein bekannt ist der "Frontalunterricht", der darin besteht, daß "ein fertiges Produkt" vom Lehrer an den Lernenden weitervermittelt wird. Das ist Aneignung von Erkenntnissen und Ergebnissen der Wissenschaft, die aufbereitet, systematisiert, logisch aufgebaut mehr oder wenig verständlich dargeboten werden. Gedächtnisbeanspruchung und -leistung haben Priorität.

Neuartige Unterrichtsmethoden, die praktiziert oder angesteuert werden, stützen sich auf Ideen, die bereits 1792 durch Wilhelm Humboldt propagiert wurden. Bildung heißt da: "... sich selbst zu bilden" in der Auseinandersetzung mit der Welt.

Der 1977 verstorbene William Chomsky - Vater von Noam Chomsky - sah das Hauptziel seines Lebens in der "Erziehung von Individuen, die ausgewogen, frei und unabhängig denken, sich um die Verbesserung der Welt sorgen und sich eifrig daran beteiligen, das Leben für alle sinnvoller und lebenswerter zu gestalten".

Es geht zunächst einmal vor allem darum, das Denkvermögen zu schulen, sich Denkoperationen anzueignen, die für eine kreative Tätigkeit unabdingbar sind.

Hierzu gehören Fähigkeiten zur Analyse von Sachverhalten, zum Aufdecken kausaler Zusammenhänge, zur komplexen Betrachtung und Beurteilung eines Problems. Ziel ist das Erkennen logischer Folgewirkungen, das Verallgemeinern von Fakten und das Herauskristallisieren von Definitionen. Behauptungen sind nicht als Sachverhalte zu akzeptieren. Stets muß nach Ursachen oder Abhängigkeiten und Lösungen nach gesellschaftlichen Kriterien gesucht werden.

Isabel Allende charakterisiert diese Gedankengänge in ihrem Buch "Porträt der Sepia" wie folgt:

"Da meine Großmutter nun darauf verzichtet hatte, mich in die Schule zu schicken und der Unterricht bei Señora Pineda zur Gewohnheit wurde, war ich sehr glücklich. Jedes Mal wenn ich eine Frage stellte, zeigte mir die großartige Lehrerin den Weg, die Antwort selbst zu finden. Sie lehrte mich, die Gedanken zu ordnen, zu forschen, zu lesen und zu lauschen, Alternativen zu suchen, alte Probleme mit neuen Lösungen zu klären, logisch zu diskutieren. Vor allem lehrte sie mich, nicht blind zu glauben, sondern zu zweifeln und zu fragen, auch das in Frage zu stellen, was unumstößliche Wahrheit zu sein schien, wie etwa die Überlegenheit des Mannes über die Frau oder einer Rasse oder einer Gesellschaftsklasse gegenüber einer anderen ..."

Steht die Wissensaneignung im Vordergrund, was wohl heute noch am häufigsten der Fall ist, dann ist zu erwarten, daß die Wertevermittlung darunter leidet. Manchem mag diese Version genehm sein, weil sie ihn der Auseinandersetzung über Wertungen enthebt. Wird Bildung aber mehr im Sinne von Persönlichkeitsbildung gesehen, dann ist die Chance für eine positive Werteaneignung gegeben. Diese Diskrepanz in der Umsetzung des Bildungsbegriffes kann gerade unter den Gegebenheiten der kapitalistischen Gesellschaftsordnung mit vielfach umstrittenen Wertvorstellungen bei den Lehrenden nicht konfliktlos sein.

Weitere Gesichtspunkte neuer Unterrichtskultur sind komplementär zu den bisher dargelegten Sachverhalten von Bedeutung. Aktive Teilnahme am gesellschaftlichen Leben bietet Möglichkeiten zur Praxisanwendung der erworbenen Fähigkeiten und Haltungen. So hat sich am Gymnasium Neukloster (MV) ein Schüler/Lehrer-Projektkurs "Schule ohne Rassismus" auf Initiative eines Schülers gebildet. Offene Auseinandersetzung und Aktionen gegen Gewalt und Rassismus werden gefordert und vertreten. Solche Aktivitäten werden sinnvoll ergänzt durch die Förderung der musischen Anlagen der Kinder. Musik und Sport gehören zu einer aktiven Erlebniswelt in der Schule. Überhaupt kommt es darauf an, das Denken in all seinen Variationen nicht isoliert zu sehen. Lösungen finden, neue Wege erkunden und aktiv sein, was auch Spaß machen kann!

Es geht darum, das Verhältnis Lehrer - Schüler auf neuer Basis zu gestalten. So, daß mehr die gemeinsame Arbeit zum Unterrichtsprinzip erhoben und der traditionelle Autoritätsstatus der Lehrer abgebaut wird. Mehr Diskussion als Belehrung. Auch die Gruppenarbeit der Lernenden als Projektarbeit gehört dazu. Praktika - aktive Gestaltung - gehen ebenfalls in diese Richtung. Lenkung des gemeinsamen Arbeits-Bildungsprozesses und individuelles Eingehen auf die Lernenden sind charakteristisch für diese Unterrichtskultur.

Für alle erfolgreich kann diese Version von Bildungs- und Erziehungsprozeß werden, wenn die notwendigen gesellschaftlichen Grundbedingungen dafür gegeben sind: Chancengleichheit, Gebührenfreiheit, Lehrende ohne Existenznöte und hilfreiche Partnerschaft mit dem Elternhaus.

Nicht konform mit dieser Konzeption sind solche Aktivitäten, wie sie von Unternehmen, Stiftungen und derlei wirtschaftsabhängigen Organisationen vorangetrieben werden. Als Beispiel sei das Projekt von "Vattenfall" genannt, das im Land Brandenburg unter der Schirmherrschaft des dortigen Bildungsministers stattfand. Vertreter des schwedischen Energiekonzerns unterrichteten in Brandenburger Schulen nach einem Bericht von "Frontal 21" über Umweltprobleme und gesunde Ernährung. An ausgewählten Beispielen wird die technologische Seite der Konzernstrategie erläutert, soweit diese dem Trend erneuerbarer Energie gerecht wird. Mit ähnlichen Aktivitäten hat sich auch die Bertelsmann-Stiftung in den Bildungsprozeß eingemischt. Solche Eingriffe sind das Pendant zur neoliberalen Privatisierungspolitik. Sie können nicht hingenommen werden, weil sie vor allem diesen Unternehmen den Nimbus gesellschaftlichen Engagements verleihen sollen, der im Widerspruch zu ihren sonstigen profitorientierten Handlungsweisen steht.

Es gilt, dem "Tatendrang" der Konzerne entgegenzutreten und in der Öffentlichkeit eine Schule zu befürworten, die Mitglieder der Gesellschaft heranbildet, welche sich von Humanismus, Toleranz und Solidarität leiten lassen. Ihr Zukunftsideal ist eine sozialistische Gesellschaft.

Heinz Gliemann, Wismar

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Wie in Neumark eine Genossenschaft bürgerlichen Rechts entstand

Ein Phönix, der aus der Asche stieg

Am 9. August fuhr ich, wie ich es den RF-Lesern versprochen hatte, in die kleine Stadt Neumark. Sie liegt im Thüringer Land nördlich hinter dem Ettersberg bei Weimar in einer fruchtbaren Ebene.

So ist es verständlich, daß sich hier "in alten Zeiten" einst auch Güter der feudal-kapitalistischen Großgrundbesitzer befanden. In Neumark gab es ein herrschaftliches Anwesen dieser Art allerdings nur bis 1945. Im Zuge der demokratischen Bodenreform wurde es nach Änderung der Machtverhältnisse kurzerhand enteignet und dann in ein VEG umgewandelt, wie die volkseigenen Betriebe in der Landwirtschaft hießen. Heute hat eine Nachfolgeeinrichtung der Treuhand hier das Sagen.

Sie muß dabei die verschiedenartigsten Interessen in Rechnung stellen, vor allem aber das Gerangel um den Boden des einstigen Staatsgutes.

Ausgerechnet in Neumark hat sich vor über 20 Jahren eine neue Genossenschaft, die aus der legendären "Pflanze" von Vippachedelhausen hervorgegangen ist, angesiedelt. An der Stirnseite des gelben Gebäudes, in dem sich die Leitung der "Nachfolgerin" unserer spezialisierten LPG Pflanzenproduktion, die es einst errichtete, etabliert hat, steht in großen grünen Lettern: Erzeuger-Genossenschaft Neumark eG.

Der Betrieb entstand im Frühjahr 1991, wobei man sich den Übergang von einer sozialistischen Produktionsgenossenschaft zu einer Genossenschaft bürgerlichen Rechts keinesfalls als "Spaziergang" vorstellen darf. Die Leitung der "Pflanze" und deren seinerzeitige Genossenschaftsmitglieder kannten sich zwar im DDR-Recht aus, besaßen aber kaum Ahnung von den in der BRD geltenden Normen.

Geholfen hat ihnen ein kundiger Rechtsanwalt aus Köln, der den altgedienten Neulingen die Genossenschaftsgesetzgebung der BRD erklärte, bei Verhandlungen über Finanzoperationen zugegen war und wichtige Schriftsätze für sie verfaßte. Zu den Besonderheiten gehörte die Regelung, daß eine solche Genossenschaft nur von Landeigentümern gegründet werden dürfe. Doch da waren unsere früheren LPG-Mitglieder durchaus in der Vorhand, gehörte doch die westliche Darstellung der Eigentumsverhältnisse bei sozialistischen Genossenschaften ins Reich der Phantasie. Zu DDR-Zeiten wurde das weiterhin in den Grundbüchern festgeschriebene bäuerliche Landeigentum niemals angetastet.

Natürlich ging es in der spannungsgeladenen Periode zwischen Oktober 1989 und dem Frühjahr 1991 nicht ohne heftige Diskussionen ab. Die Menschen auf den Dörfern wollten schließlich wissen, was nun geschehen sollte. Leitungsmitglieder der alten "Pflanze" hatten eine Konzeption ausgearbeitet, die dann der alte Vorsitzende, der zugleich auch der neue war, vor der Mitgliederversammlung erläuterte. Durch ihren Beschluß wurde die heutige Erzeugergenossenschaft Neumark eG geboren. Sie stieg gewissermaßen wie der legendäre Phönix aus der Asche. Auf diese Weise konnten für einen beträchtlichen Teil der früheren Vippacher LPG-Mitglieder die Arbeitsplätze gesichert werden.

Mit sämtlichen Landeigentümern schloß der Vorstand Pachtverträge ab, erhalten sie doch für ihre Flächen eine finanzielle Vergütung.

Zunächst konnte der Betrieb noch mit der Großtechnik der DDR weiterarbeiten. Doch sehr bald wurden die zuvor volkseigenen Landmaschinenbetriebe ohne viel Federlesen aufgelöst, so daß keine Ersatzteile mehr erhältlich waren. Unter diesen Bedingungen mußten neue Geräte und Aggregate angeschafft werden. Dabei handelte es sich ausschließlich um Fabrikate wie Class, John Deere, Horch Tiger oder Väderstadt. An das zu ihrem Erwerb nötige Kapital zu gelangen, erwies sich anfangs als äußerst schwierig, weil die Banken bei der Kreditvergabe größte Zurückhaltung an den Tag legten. Das seinerzeitige BRD-Landwirtschaftsministerium unter Leitung des CSU-Mannes Kienzle verfolgte nämlich die Orientierung, die staatlichen oder genossenschaftlichen Großbetriebe im "Anschlußgebiet" höchstens drei Jahre weiterbestehen zu lassen. Angesichts dessen hielten sich Geldinstitute und andere denkbare Investoren vorerst zurück.

Herr Kienzle irrte sich allerdings. Es gelang der Genossenschaftsleitung in Neumark nämlich, doch noch an Gelder heranzukommen. Damit erwarb der Betrieb im ersten Jahrzehnt seines Bestehens nicht nur moderne Agrartechnik, sondern baute auch neue Kuhställe und eine große Biogasanlage.

Die Erzeugergenossenschaft mußte übrigens einen äußerst herben Landverlust hinnehmen: Quer durch ihre Anbaufläche verlegte man eine ICE-Strecke, was zur Einbuße von etwa 200 Hektar teilweise besten Ackerlandes führte.

Nach 20jährigem Bestehen ihrer Genossenschaft können die Neumarker auf beachtliche Ergebnisse in der tierischen und pflanzlichen Produktion verweisen. Sie erreichten hohe Erträge, besonders bei Ackerkulturen und Milch. Durch die Biogasanlage konnte eine bedeutende Menge Strom erzeugt werden.

In einem weiteren Beitrag werde ich den RF-Lesern über einige Ergebnisse des Wirkens der "Pflanze-Nachfolger" noch konkreter berichten.

Eberhard Herr

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Am 19. Oktober fand in Berlin die 7. Mitgliederversammlung des RF-Fördervereins statt. Sie wurde mit zwei bewegenden Filmdokumentationen - zu jüngsten Kampfaktionen in vielen Ländern sowie zu Höhepunkten der jetzt fast 16jährigen "RotFuchs"-Geschichte - eingeleitet. Die Versammlungsteilnehmer hörten den Bericht des Vorstandes, den der langjährige und verdienstvolle bisherige Vorsitzende, Botschafter a. D. Rolf Berthold, erstattete, sowie die Berichte des Kassierers und der Revisionskommission.

In der anschließenden Diskussion zur Tätigkeit des RF-Fördervereins sprach eine Reihe der knapp 1700 Mitglieder des derzeit in 30 Regionalgruppen und 20 Lesergruppen gegliederten Vereins.

Zum neuen Vorsitzenden wurde der Historiker Prof. Dr. Götz Dieckmann aus Bad Belzig gewählt. Als seine Stellvertreter berief die Versammlung Wolfgang Dockhorn, Berlin, die frühere Vorsitzende des Rates des Kreises Güstrow Ingrid Buchhorn und den Wirtschaftsfachmann Walter Schmidt aus Bitterfeld.

Dr. Klaus Steiniger wurde vom neuen Vorstand als Chefredakteur der Zeitschrift bestätigt.

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Über Beine, die wir uns selbst gestellt haben

Die DDR ist sicherlich nicht deshalb von der Bildfläche verschwunden, weil Zehntausende ihrer Bürger 1989 auf die Straße gegangen sind. Sie ist auch nicht untergegangen, weil "von denen da oben" bestimmte Fehler gemacht wurden. Selbst die immer wieder beschworene fehlende "Reisefreiheit" und der offensichtliche Mangel an Bananen haben ihr nicht das Genick gebrochen. Der Verrat Gorbatschows und seiner Clique spielte mit Gewißheit eine ganz maßgebliche Rolle. Und sicher trug die ökonomische Überlegenheit unserer Gegner - nicht zuletzt auch aufgrund der zu niedrigen Arbeitsproduktivität als einem Schlüsselproblem bisheriger sozialistischer Gesellschaften in Europa - wesentlich dazu bei, daß wir in dieser Runde der Geschichte noch nicht siegen konnten. Natürlich hat jeder seine eigene Sicht auf Gründe der Niederlage. Ich möchte einige Gedanken dazu beisteuern. 1954 in der DDR geboren, entschloß ich mich 1973, nach Absolvierung der 10klassigen Polytechnischen Oberschule (POS) als zu dreijährigem Dienst bereiter Zeitsoldat in die bewaffneten Organe der DDR einzutreten. Schon nach der Grundausbildung war für mich klar, Berufssoldat werden zu wollen. Zur gleichen Zeit bat ich um Aufnahme in die Partei der Arbeiterklasse. Bereits als Schüler hatte ich in Mecklenburg eine örtliche Grundorganisation unseres Jugendverbandes - der FDJ - geleitet.

Als Kandidat der SED mußte ich mich bewähren. Doch das, was ich erlebte, stand im Kontrast zu meinen Erfahrungen aus der FDJ. Schon die erste Versammlung der Abteilungs-Parteiorganisation verließ ich mit gemischten Gefühlen. Man diskutierte lang und breit über die "große Politik". Selbst sonst eher wortkarge Genossen hielten auf einmal lange Vorträge, während Probleme, die uns buchstäblich auf den Nägeln brannten, keine Erwähnung fanden. Der Dienstvorgesetzte stellte fest, wir stünden im sozialistischen Wettbewerb "gut da". Dabei war mir nicht einmal aufgefallen, daß es bei uns so etwas gab. Als Neuling sagte ich mir zunächst: Im großen Berlin ticken die Uhren eben anders, als in einem mecklenburgischen Dorf.

Doch jede APO-Versammlung spielte sich nach dem gleichen Muster ab. Von der Leitung wurden Themen vorgegeben und einzelne Genossen beauftragt, dazu Redebeiträge auszuarbeiten. Wortmeldungen außerhalb dieses Schemas wies man in der Regel mit der Begründung zurück, sie sprengten den vorgegebenen Zeitrahmen. So etwas kannte ich von unseren FDJ-Versammlungen nicht. Da konnte jeder, wie ihm der Schnabel gewachsen war, das sagen, was ihm am Herzen lag.

Nach dem Wechsel in eine andere Diensteinheit erlebte ich einen frappierend ähnlichen Versammlungsablauf. Tagungen des ZK der SED wurden langatmig bis zum letzten Komma "ausgewertet", die Realität unseres Alltags aber fiel unter den Tisch. Wenn ein Genosse sagte, er wolle auf der nächsten APO-Versammlung das Problem XYZ zur Sprache bringen, gab es unter uns einen bitteren Spruch: "Da kannst Du Dich ja gleich an die Jerusalemer Klagemauer stellen. Dort passiert auch nichts."

Einmal erhielt ich den Auftrag, eine Reportage Lothar Loewes, des BRD-Fernsehkorrespondenten in der DDR, "zu behandeln". Unter Verwendung einer Floskel Karl Eduard von Schnitzlers schloß ich mit den Worten "Gut gebrüllt, Loewe!" Als ich dem noch ein paar improvisierte Sätze hinzufügen wollte, belehrte mich der APO-Sekretär: "Genosse, Du willst doch Deinen guten Vortrag nicht etwa mit einer kleinlichen Fehlerdiskussion beenden. Wir müssen immer das Große und Ganze im Auge behalten."

Als früheres Mitglied der SED, aus der ich übrigens nie ausgetreten bin, lautet mein Fazit: Wir waren viel zu wenig bereit, uns den wirklichen Problemen im Lande zu stellen. Dabei haben wir nicht erkannt, daß auch in einem sozialistischen Land die Macht nicht "gottgegeben" ist, sondern wie das Vertrauen des Volkes täglich neu erstritten und behauptet werden muß.

Wilfried Steinfath, Berlin

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"RotFuchs"-Wegbereiter (6): Walter Schmidt

Auf der 7. Mitgliederversammlung des RF-Fördervereins wurde Walter Schmidt zu einem der stellvertretenden Vorsitzenden gewählt. Die Teilnehmer sprachen damit einem Genossen der Basis - dem langjährigen Vorsitzenden der RF-Regionalgruppe Bitterfeld-Wolfen - ihr Vertrauen aus.

Der heute 72jährige gehörte neben dem nicht minder verdienstvollen ehemaligen Generaldirektor des VEB Chemiekombinat Bitterfeld Dr. Adolf Eser in diesem traditionsreichen Industrierevier zum kleinen Kreis jener, welche schon frühzeitig den Stier bei den Hörnern packten. Walter Schmidt brachte dabei seine reichen politischen und fachlichen Erfahrungen ein. Er erwies sich als ein standhafter Kämpfer, der keine Tabus kennt und bei eigener Prinzipienfestigkeit auch die Meinungen fair gesonnener Andersdenkender gelten läßt. Walter und seine Mitstreiter vermochten es, in Bitterfeld-Wolfen eine unserer effektivsten Regionalgruppen auf die Beine zu stellen.

Zur Biographie unseres Wegbereiters: Er erlernte im VEB Farbenfabrik Wolfen den Beruf eines Betriebs- und Maschinenschlossers. Sieben Jahre später - 1964 - war er FDJ-Sekretär des Werkes. Nach Ableistung seines Grundwehrdienstes in der NVA kehrte er zunächst in die Farbenfabrik zurück. 1977 - Walter war inzwischen im VEB Chemiekombinat Bitterfeld tätig - wählten ihn seine Genossen zum Sekretär einer SED-Grundorganisation des Produktionsbereichs. Zwischenzeitlich hatte er sich im Abendstudium zum Meister und Ingenieur-Ökonom qualifiziert.

Nach Absolvierung der SED-Parteihochschule nahm Walter Schmidt 1984 seine Tätigkeit als Wirtschaftssekretär der Industriekreisleitung der Partei im Chemiekombinat Bitterfeld auf. Nachdem er im November 1989 aus dieser Funktion hatte ausscheiden müssen, wurde er im Januar 1990 Schichtarbeiter im Kombinat. Dieser hervorragende DDR-Betrieb, der eine breite Produktpalette lieferte, wurde zwei Jahre später durch das Kapital der BRD im wesentlichen plattgemacht. Walter war nun wie viele seiner Kollegen arbeitslos.

Von 1991 bis 1993 konnte er sich zum Betriebswirt qualifizieren. Zur Existenzsicherung gründete er einen Baustoffhandel, der später eine GbR und danach eine GmbH wurde. 2006 - bei Erreichen des Rentenalters - meldete sie Walter Schmidt seinen Plänen entsprechend ab.

Durch Brigitte, die Frau unseres unvergessenen ersten Hallenser Regionalgruppenvorsitzenden Joachim Thel, lernte Walter den "Rot-Fuchs" kennen und fand in ihm seine politische Heimat. Bei der Gründung der Regionalgruppe Bitterfeld-Wolfen gehörten dieser 14 Mitglieder an, heute sind es 54. Hinzu kommt ein großer Kreis ständiger Leser. Zur positiven Bilanz des Geleisteten gehört ein vertrauensvolles und kameradschaftliches Verhältnis zu den Genossen der Linkspartei.

Und auch das sollte hier nicht verschwiegen werden: Walter Schmidt ist bereits wiederholt in anderen RF-Kollektiven mit qualifizierten Vorträgen zur imperialistischen Wirtschaftsstrategie - über die Bilderberger als eigentlichen Machtkern - erfolgreich aufgetreten.

RF

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Als bei Stuna kein Stein auf dem anderen blieb

Zu Jahresbeginn 1990 suchte der VEB Stuck und Naturstein dringend einen kaufmännischen Direktor. Meine Leitungserfahrungen im Kombinat Ingenieurhochbau Berlin gaben den Ausschlag, mich auf diesen Posten zu stellen. Stuck und Naturstein - kurz Stuna genannt - war ein Spezialbetrieb mit etwa 900 Beschäftigten und einer ausgeprägten Leistungsfähigkeit zur Rekonstruktion und Pflege historischer Bausubstanz. Hauptarbeitsfeld waren die historischen Gebäude an Berlins berühmter Renommiermeile Unter den Linden. Der Betriebsleiter, den ich aus langjähriger Arbeit im Bauwesen der DDR-Hauptsadt gut kannte, freute sich, in mir eine zuverlässige Stütze gefunden zu haben. Kollegen aus dem Ingenieurhochbau, die jetzt bei Stuna arbeiteten, hatten mich ihm empfohlen. Mit dem Direktor war ich mir darin einig, daß die Zukunft nicht rosig aussehen würde. Die ersten Monate verliefen indes ruhig. Die übergeordnete Behörde hüllte sich in Schweigen.

Doch dann meldete sich die Treuhand mit der Aufforderung, unseren Betrieb zu privatisieren. Den ersten westdeutschen Bewerber - den Hanielkonzern - lehnten wir ab. Wir wußten jedoch, daß wir dem Verlangen nicht würden ausweichen können. Einige Leute im Betrieb empfanden sich als "Freiheitskämpfer" und versprachen sich von der Privatisierung Erfolg im persönlichen Fortkommen. Sie sollten jedoch schwer enttäuscht werden.

Als sich Franzosen um uns bemühten, zeigten wir uns gesprächsbereit. Sie kamen vom Weltkonzern Cement Français und waren gerade bei dem Versuch gescheitert, das Zementwerk Rüdersdorf zu ergattern. Trotz ihres günstigeren Preisangebots hatte ein BRD-Konzern den Zuschlag erhalten.

Tatsächlich entwickelte sich eine konstruktive Zusammenarbeit mit den Franzosen. Sie schienen unsere Abneigung gegen die neuen deutschen Herren stillschweigend zu teilen. Gemeinsam mit meiner Frau wurde ich zu einem abendlichen Essen in das damalige Hotel Stadt Berlin eingeladen. Zwei freundliche Franzosen führten mit uns ein sehr persönliches Gespräch.

Sie interessierten sich für Biographisches, wobei die Sprachkenntnisse meiner Frau für sie von großem Wert zu sein schienen. So wurde ich als kaufmännischer Direktor bestätigt und hatte nun den Privatisierungsprozeß des VEB Stuck und Naturstein, dessen Umwandlung in ein kapitalistisches Unternehmen zu betreiben. Das war eine schmerzliche Erfahrung. In dieser Zeit mußte ich viel lernen und lesen, erahnen und erspüren.

Die Abschlußbilanz des VEB war zu erarbeiten, die Eröffnungsbilanz des "neuen" Betriebes stand an, das Rechnungswesen war auf elektronische Datenverarbeitung umzustellen, die Produktions- und Finanzberichterstattung zu ändern. Das Schlimmste: Es erfolgten erste Entlassungen. Es galt, neue Bankbeziehungen aufzunehmen, Beschaffungs- und Absatzstrategien an die veränderte Lage anzupassen, Kunden zu finden. Der Kaufvertrag enthielt eine ermutigende Beschäftigungsgarantie auf zwei Jahre für die meisten Stuna-Mitarbeiter, Investitionen wurden zugesagt.

Erstaunt waren wir über den direkten Einfluß unserer Chefs auf die Bewertung des Betriebsvermögens. Flugs wurde "abgewertet". So erreichte der Grund und Boden - 10.000 m² gut erschlossenes innerstädtisches Gebiet mit bestem Straßen- und Gleisanschluß - pro Quadratmeter nur 50 bis 100 DM. Stuna samt Betriebsgebäude und Produktionshallen war für die Franzosen ein Schnäppchen. An diesem Beispiel läßt sich ermessen, wie die Treuhand das Volkseigentum der DDR regelrecht verschleuderte.

Die Stuna-Beschäftigten waren an Besuche Erich Honeckers im Berliner Bauwesen gewöhnt. Die übertriebenen Vorbereitungen - bis zum gründlichen Fegen des Betriebsgeländes - hatten Verärgerung hervorgerufen. Dennoch war man auf den hohen Besuch und die aufgeschlossenen Gespräche des DDR-Staatschefs mit den Arbeitern stolz. Doch das, was sich nun ereignen sollte, stellte alles Bisherige in den Schatten. Als Gäste waren Bundespräsident Richard von Weizsäcker und Frankreichs Präsident François Mitterrand angekündigt. Stuna stand Kopf. Französische Unternehmer wurden eingeladen, der Präsident des Konzerns sagte sich an, auch Birgit Breuel, die neue rigorose Vorsitzende der Treuhand, war zur Stelle. Zu den Vorbereitungen gehörte der Bau eines Hubschrauberlandeplatzes, die Aufstellung eines großen Versammlungszeltes mit Buffet, eine Ausstellung historischer Natursteinerzeugnisse, die Anfertigung von Naturstein-Putten als Gastgeschenke. Dazu überall Polizei und Sprengstoffhunde, Scharfschützen auf den Dächern. Kostenpunkt: 200.000 DM.

Als beide Präsidenten das Zelt betraten, in dem sie von etwa 100 Personen erwartet wurden, waren sie in ein persönliches Gespräch vertieft. So nahmen sie den Beifall der Anwesenden kaum wahr, traten kurz an den Präsidiumstisch, ließen sich die Geschenke überreichen und verließen nach kurzem Fototermin den Schauplatz des Geschehens. Nachdem sich die allgemeine Verblüffung gelegt hatte, verglichen etliche Stuna-Leute diese Visite mit Erich Honeckers Besuchen. Damals hätten die Menschen doch mehr Beachtung gefunden, meinten einige.

Für mich als kaufmännischen Direktor hatte das Eintreiben von Außenständen großes Gewicht, erwies sich jedoch als ein Kampf gegen Windmühlenflügel. Ich staunte über den Gleichmut des französischen Chefs. Erst später erkannte ich sein Konzept, das nicht auf Großzügigkeit beruhte. Als wir in die roten Zahlen gerieten und die Verluste deutlich "abrechenbar" wurden, war Insolvenz angesagt.

Binnen weniger Monate verlor auch der letzte Mitarbeiter seinen Job. Im Rahmen der vereinbarten Investitionsverpflichtung angeschaffte Betonverarbeitungsmaschinen wurden kurzerhand demontiert und nach Bayern verkauft. Stunas bisheriges Auftragsvolumen verteilte sich nun auf die vielen kleinen Westberliner Firmen der Branche.

Dr. Peter Looß, Berlin

Unser Autor war Leiter der Abteilung Bauwesen/Investitionen der SED-Bezirksleitung Berlin

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Das Flaggschiff der "Schwarzbauten"-Armada

Der RF 186 brachte einen Artikel aus meiner Feder über "Schwarzbauten im Sozialismus". Mittlerweile habe ich mich etwas umgehört und bin auf etliche amüsante Geschichten zum Thema gestoßen. Eine davon möchte ich erzählen.

Zu den schönsten "Schwarzbauten" der DDR zählt die detailgetreue Rekonstruktion der "SAXONIA" - jener legendären Lokomotive, mit der 1839 die erste deutsche Fernbahnstrecke zwischen Leipzig und Dresden eingeweiht wurde.

Die Idee zu einem Nachbau entstand im Vorfeld des 150. Jahrestages der Eröffnung dieser Städteverbindung. Dazu plante die DDR eine Festveranstaltung in Regie der Deutschen Reichsbahn. Sie sollte 1989 in Riesa stattfinden. Die Vorführung einer originalgetreuen "SAXONIA" war als Höhepunkt ins Auge gefaßt worden. Erwogen wurde eine Lok-Parade von etwa 150 Schienenfahrzeugen, die von ihr angeführt werden sollte.

Das Vorhaben, sie nachzubauen, fand zunächst großen Anklang und allgemeine Zustimmung. 1985 wurde eine damit befaßte Arbeitsgruppe ins Leben gerufen. Ihr gehörten Vertreter des Verkehrsministeriums, der Deutschen Reichsbahn, der Dresdner Hochschule für Verkehr sowie Leiter von Ausbesserungswerken und Lehrwerkstätten an. Mit dem Vorsitz wurde der Abteilungsleiter Triebfahrzeuge in der Reichsbahn-Hauptverwaltung für Maschinenwirtschaft Heinz Schnabel betraut.

Das Gremium formulierte Richtlinien für den Bau und vergab entsprechende Aufträge. Was ihm "lediglich" fehlte, waren Geld und Material. Das vermochte die Arbeitsgruppe auch nicht aufzutreiben, weil das Vorhaben ja kein Bestandteil des laufenden Volkswirtschaftsplanes war.

Das illustre Projekt konnte also - wenn überhaupt - nur außerhalb dieses Rahmens verwirklicht werden. Das aber war nach offizieller Auffassung unmöglich. Da einige Mitglieder der erwähnten Arbeitsgruppe diese Meinung teilten, zogen sie sich rasch wieder aus dem Kreis der "Lokomotivbauer" zurück.

So wurde die Rekonstruktion der "SAXONIA" ein klassischer "Schwarzbau".

Zu dem heiklen Unterfangen gehörte zunächst einmal die Beschaffung technischer Unterlagen. Da es sich um das Baujahr 1838 handelte, gab es weder Konstruktionspläne noch Fotos. Nach intensiven Recherchen wurde schließlich eine Blaupause mit der Seitenansicht der Maschine ausfindig gemacht. Das Problem bestand "nur" darin, daß sich die Zeichnung im Nürnberger Eisenbahnmuseum, also bei den "Kapitalisten", befand. Wie sie in die DDR gelangte, ist eine Geschichte für sich. Dem Vernehmen nach sollen kollegiale Beziehungen zwischen Eisenbahnern aus Ost und West dabei eine Rolle gespielt haben.

In einem Interview, das Heinz Schnabel vor vier Jahren dem MDR-Fernsehen gab, deutete er nur an, wie es ihm mit viel Geschick, "Vitamin B" - dem DDR-Codewort für Beziehungen der besonderen Art - und einer "persönlichen Geldprämie", vor allem aber mit dem Enthusiasmus etlicher Eisenbahner, Werkstattmeister, Lehrwerkstätten und Studenten gelang, die "SAXONIA" pünktlich zur 150-Jahr-Feier fertigzustellen. Die Kopie der Jubilarin führte man der staunenden Öffentlichkeit aus Ost und West an jenem Tage vor.

Drei Monate nach deren Präsentation wurde die Summe von 2,4 Millionen DDR-Mark auf das Konto des Reichsbahnausbesserungswerkes (RAW) Halle "zur Begleichung der Kosten für den Bau der Lokomotive" überwiesen. Das Problem bestand nur darin, daß es weder Rechnungen noch ausgewiesene Kosten gab.

Sämtliche Teile der "SAXONIA" waren in "Eigenleistung" und aus "eigener Kasse" - mit anderen Worten "schwarz" - entstanden. So rührte Heinz Schnabel den stattlichen Betrag nicht an.

Nach der Annexion der DDR wurde das RAW Halle wie die meisten anderen Industriebetriebe im Osten plattgemacht. Von den 2,4 Millionen für die "SAXONIA" fehlt jede Spur.

Wolfgang Giensch, Neubrandenburg

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Kluges aus Klugmanns Blatt

Unter der Schlagzeile "Freund hört mit" berichtete die in Kanada erscheinende "Deutsche Rundschau" des Chefredakteurs Juri Klugmann in der Erstaufmachung ihrer September/Oktober-Ausgabe u. a.: "Daß die USA in aller Welt lange Ohren machen, ist seit mehr als 20 Jahren bekannt. Nach dem Ende des Kalten Krieges definierte die Nationale Sicherheitsdirektive 67 vom 22. März 1992 die Wirtschaftsspionage als neues Hauptziel. Acht Jahre später, am 17. März 2000, plauderte der ehemalige CIA-Chef James Woolsey im "Wall Street Journal" darüber.

Warum regt sich also alle Welt so furchtbar auf, wenn Kronzeuge Edward Snowden jetzt bestätigt, daß die Geheimdienste da offenbar schneller waren und die Abhörer auch tatsächlich abhören und speichern. Die Enthüllungen Edward Snowdens scheinen eine bisher nicht entdeckte Form der geheimdienstlichen Zusammenarbeit zu belegen. Verkürzt gesagt: Einer macht die Drecksarbeit für den anderen. Snowden sagt, diese Zusammenarbeit werde so organisiert, daß Behörden anderer Länder "ihr politisches Führungspersonal vor dem 'Backlash' schützen" können, falls herauskommen sollte, "wie massiv die Privatsphäre von Menschen mißachtet wird". Das Erschreckendste an der Tatsache überhaupt: Wenn ein amerikanischer Präsident heute oder in Zukunft einen Unterdrückungsstaat errichten will, hat er mit Hilfe der NSA alle Werkzeuge schon in den Händen.

In der 100.000 m² großen Zentrale Fort Meade der 1952 gegründeten NSA arbeiten derzeit ca. 20.000 Menschen. Auf den Parkplatz vor dem 'Schwarzen Block' passen mehr als 40.000 Kraftfahrzeuge."

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Aus Eddas Blickwinkel: Das Sinken der "Büchner"

Friede den Hütten! Krieg den Palästen!" Dieser zornige Aufruf Georg Büchners im "Hessischen Landboten" wurde zum geflügelten Wort. Die Flugschrift richtete sich gegen die sozialen Mißstände seiner Zeit.

In der DDR erfuhr Georg Büchner, Dichter des Vormärz, späte Wertschätzung. Ein Schiff erhielt seinen Namen.

1950 in Antwerpen gebaut, pendelte es als "Charlesville" zwischen Belgien und Kongo, bis es von der DDR gekauft und mit dem Namen "Georg Büchner" versehen wurde. Die "Büchner" wurde als Fracht- und Ausbildungsschiff genutzt. Bis zu 150 Lehrlinge befanden sich an Bord, wenn es Kurs auf Kuba nahm. Zehn Jahre später - 203 "Pötte" gingen zu dieser Zeit für die Deutsche Seerederei auf große Fahrt - legte die "Georg Büchner" als stationäres Ausbildungsschiff am Kai von Rostock-Schmarl an.

Dort ankerte bereits ein ähnlicher Riese, der 10.000-Tonner "Frieden". Wir durchstreiften das Traditionsschiff viele Male, steckten unsere Nasen in Maschinenräume und Kajüten, standen auf der Brücke, und noch immer spüre ich die schwindelnde Höhe beim Blick aufs Wasser vom obersten Deck.

Nach der politischen Rückentwicklung, die als "Wende" verkauft wurde, warteten viele DDR Bürger vergebens auf die von Kohl versprochenen "blühenden Landschaften" - auch die Seeleute. Die im März 1990 erlassene "Verordnung zur Umwandlung von volkseigenen Kombinaten, Betrieben und Einrichtungen in Kapitalgesellschaften" brachte 8000 Mitarbeiter der Deutschen Seerederei sofort um Lohn und Brot. In Rostock kam es zu einem sprunghaften Anstieg von Entlassungen. Weniger als 60 Prozent der Erwachsenen waren ein Jahr später noch in regulärer Beschäftigung - verwirrend bedrohliche Veränderungen für die Rostocker, die in der DDR Bewohner der am schnellsten wachsenden Großstadt gewesen waren. Sie galt als Tor zu den Weltmeeren. An Aufbau beteiligte sich das ganze Land: Steine wurden gesammelt und zum Hafenausbau an die Küste geschickt. Nach dem Schulabschluß halfen etliche junge Leute beim Ausheben der neuen Hafenbecken. Meine Klasse war auch dabei. Begeistert sind wir Morgen für Morgen vom GST-Marinestützpunkt mit einer Barkasse über die Warnow zu den großen Anlagen geschippert.

Was aber wurde unter der Herrschaft des Geldes aus der "Georg Büchner"?

Die Stadt Rostock kaufte sie zum symbolischen Preis von 1 D-Mark, um sie vor dem Abwracken zu bewahren. Der maritime Riese erhielt vorerst noch Denkmalstatus, wurde sogar mit Millionenaufwand zum Hotel- und Jugendherbergsschiff umgebaut.

Doch der Trägerverein ging pleite. 2012 mußte er die "Büchner" aufgeben. Nun wurde der Denkmalschutz schleunigst wieder aufgehoben und das Schiff zur Verschrottung in Litauen freigegeben.

Im Mai 2013 fuhr ich zum Geburtstag meines Bruders nach Rostock. Wir saßen gerade am Kaffeetisch, als mein Neffe Andreas erschien. Er gratulierte kurz und löste dann mit folgenden Worten ungläubiges Entsetzen aus: "Die 'Büchner' ist gesunken!"

"Das kann doch nicht wahr sein!", sagte ich. Wir schalteten das Radio ein und erstarrten. Die böse Nachricht wurde bestätigt. Sofort fiel das Wort "Versicherungsbetrug".

Am nächsten Morgen erfuhren wir Näheres aus der "Ostseezeitung". Unter Protest vieler Rostocker war die "Büchner" am 30. Mai von einem polnischen Schlepper abgeholt worden. Nach zwei Tagen bei ruhiger See mit vier Knoten fahrend geschah des nachts vor Polens Küste etwas Mysteriöses. Der Schlepper steuerte einen seltsamen Zickzackkurs. Dann neigte sich das Schiff zur Seite. Eine Stunde später wurde die Leine gekappt. Der Schlepper umkreiste die sinkende "Büchner", die 15 Kilometer vor dem Festland auf Grund ging, noch einmal und steuerte dann rasch den Gdánsker Hafen an.

Auf einer Seekarte sieht man im weiten Umfeld bereits ein halbes Hundert anderer Wracks, darunter auch die 1945 gesunkene "Wilhelm Gustloff".

Zum Untergang der "Büchner" äußerte sich ihr alter Kapitän Georg Peters: "Das war grob unseemännisch. Unbemannt abschleppen kommt so gut wie niemals vor, weil nachts Lichter und am Tage Flaggen gesetzt werden müssen. Die Schleppleine muß kontrolliert und neu angebracht werden, falls sie bei heftigem Seegang reißt. Über die Notleiter dann das Deck erreichen zu wollen, wäre lebensgefährlich."

In Rostock hatte man bis zuletzt darüber gestritten, ob man die "Büchner" im Hafen halten, weiter ausbauen oder einem Geschichtsverein in Antwerpen überlassen sollte. Doch die Stadt verscherbelte das Schiff zum Schrottpreis.

Neuer Eigentümer wurde eine obskure Gesellschaft auf den nicht gerade in der Nähe gelegenen Seychellen. Sie soll das Schiff zunächst gehörig versichert haben. Von 4 Millionen Euro ist die Rede - dem Vierfachen des Schrottwertes. So etwas gilt im Kapitalismus als "Normalität". Die "Georg Büchner" ist untergegangen, nicht aber das Anliegen ihres Namensgebers.

Edda Winkel

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Danke!

Hand aufs Herz: Langjährige "Rot-Fuchs"-Leser, die sich darüber im klaren sind, daß ihre Lieblingszeitschrift weder ein Parteien- noch ein Stiftungshinterland oder irgendwelche Mäzene besitzt, haben den Braten natürlich längst gerochen. Sie wissen, was alljährlich im November auf sie zukommt: die ebenso dringende wie leider unverzichtbare Bitte, dem roten Fuchs beim Einkauf eines Festbratens, wenn er denn überhaupt besorgt werden kann, symbolisch eine "Gänsekeule" zu spendieren. Der beigelegte Überweisungsschein soll das erleichtern.

Unser nun schon seit fast 16 Jahren erscheinendes Blatt ist in der grellen Finsternis des Kapitalismus zu einem Leuchtfeuer geworden, dessen Signale vielen die Orientierung erleichtern.

Im letzten Jahr Hinzugekommene oder mit dem Gedanken des Bezugs unserer Printausgabe noch Spielende stellen sich unwillkürlich die Frage: Wie haben es die ehrenamtlich arbeitenden "RotFuchs"-Macher eigentlich geschafft, daß die auflagenstärkste marxistische Monatsschrift der BRD niemals in die roten Zahlen geraten ist? Und das, obwohl für Druck und Versand einer Ausgabe dem RF Kosten in Höhe von rund 15.000 € entstehen. Übrigens haben wir nie einen Preis festgelegt oder eine Spendenempfehlung gegeben.

Das Geheimnis der Freunde wie Feinde verblüffenden Langlebigkeit unseres für Kommunisten und Sozialisten mit und ohne Parteibuch, Arbeitende wie Erwerbslose und Hartz-IV-Bezieher, Studenten, Schüler und Azubis, Gewerkschafter, linke Christen und viele andere geschriebenen Blattes läßt sich leicht lüften: Der nach dem Solidarprinzip allen - auch völlig Mittellosen - zugängliche "RotFuchs" lebt zu 100 Prozent von der Solidarität seiner treuen und verläßlichen Leser. Sie haben ihn nie im Stich gelassen und so für den Fortbestand dieser in Deutschland wohl einmaligen, zugleich aber auch international inzwischen weit verbreiteten Zeitschrift gesorgt.

Während "alle Welt" in Schulden versinkt und nach Rettungsschirmen ruft, basiert unsere Liquidität auf der freiwilligen Unterstützung durch unzählige Spender, denen die bereits traditionelle "Gänsekeule" oftmals eine freudige, nicht selten aber auch eine hart abgerungene Pflicht geworden ist. Ehrlich gesagt: Dadurch, daß wir in den letzten Jahren bei ständig weiter steigender Auflage etliche besonders spendenfreudige Mitstreiter durch Tod oder Behinderungen des Alters verloren haben, sind die RF-Kassen jetzt weniger gefüllt als früher - im letzten Quartal allemal. Doch wir sind sicher, daß finanziell etwas besser gestellte Leser diesen Umstand beim Einkauf der "Gänsekeule" in Rechnung stellen werden.

Ehrensache ist: Der RF läßt niemanden im Regen stehen, der außerstande ist, sich unter die Spender einzureihen.

Klaus Steiniger

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Prof. Buchholz legt den Kinkels die Karten

Der namhafte DDR-Strafrechtler Prof. Dr. Erich Buchholz hat sich während der zurückliegenden Jahre in zahlreichen wissenschaftlichen Veröffentlichungen mit der bundesdeutschen Justiz und deren Rechtsprechung auseinandergesetzt. 2012 legte er unter dem Titel "Der dritte Akt der Totalliquidierung - Rechtsbrüche und Unrechtsurteile am laufenden Band" eine weitere eindrucksvolle Schrift vor. Wie sich aus dem Untertitel "Die justitielle Verteufelung der DDR durch rechtswidrige Strafverfolgung ihrer Bürger - erneute Auflage eines 'Staates ohne Recht'" ergibt, befaßt sich der Autor mit den Willkürprozessen gegen ehemalige Angehörige der Grenztruppen, Richter und Staatsanwälte. Das im Untertitel erwähnte Buch "Staat ohne Recht", an dem Erich Buchholz als Verfasser mitwirkte, erschien 1959 in der DDR.

Auch damals beschäftigte sich der spätere Leiter des Strafrechtsinstituts der Berliner Humboldt-Universität mit der bundesdeutschen Klassenjustiz. Seine 2012 erschienene Schrift, von der hier die Rede ist, setzt diese Polemik - bezogen auf den Zeitraum nach 1990 - fort. Buchholz enthüllt die "politische Funktion der rechtswidrigen Strafverfolgung von DDR-Hoheitsträgern". Er stellt fest, daß dieser Personenkreis auf der Grundlage von DDR-Recht korrekt gehandelt hat, was eine strafrechtliche Verantwortlichkeit ausschließt. Nur wenn diese gegeben gewesen wäre, hätte nach dem 3. Oktober 1990 ein Strafverfolgungsanspruch bundesdeutscher Justizorgane bestanden. Unter Verstoß gegen das im Artikel 103 Abs. 2 des Grundgesetzes geregelte Rückwirkungsverbot, wonach eine Handlung nur dann bestraft werden kann, "wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde", verhängte die BRD Urteile mit zum Teil empfindlichen Strafen. Das entsprach dem zum Rechtsbruch auffordernden Appell des damaligen BRD-Justizministers Klaus Kinkel, der auf dem 15. Deutschen Richtertag 1991 gefordert hatte, "das SED-Regime zu delegitimieren".

Bereits in dieser Aufforderung sieht Erich Buchholz die Richtung, die der angeblich unabhängigen Justiz vorgegeben werden sollte. Hinzu kam, daß nahezu ausnahmslos bundesdeutsche Richter und Staatsanwälte an den Verfahren gegen DDR-Hoheitsträger mitwirkten, die über keine Kenntnisse des DDR-Rechts verfügten. Diese aber wären, wenn eine Strafbarkeit nach ihm vorgelegen hätte, dringend erforderlich gewesen. Buchholz beanstandet darüber hinaus, daß in den Prozessen kein einziger DDR-Hochschullehrer als Sachverständiger zugelassen wurde, um das dem Gericht fremde Recht zu erläutern und zu vermitteln.

Ausführlich setzt sich der Autor mit "Formen und Methoden der Verdrehung und Entstellung des hier maßgeblichen DDR-Rechts bei der rechtswidrigen Strafverfolgung von Angehörigen der Grenztruppen der DDR" auseinander.

Abschließend befaßt sich Prof. Buchholz mit den eigens für DDR-Bürger eingeführten Sonderverjährungsbestimmungen. Er gelangt zu der Bewertung, daß in dem gegen sie gerichteten Verjährungsgesetz von 1993 eine erhebliche Verschlechterung gegenüber der Behandlung faschistischer Straftäter vorliegt, in dem es nicht nur "eine fast zehnmal so lange Zeit", sondern auch "eine rückwirkende Wiedereröffnung nach bereits eingetretener Verjährung vorsieht, die bei NS-Verbrechen nachdrücklich ausgeschlossen wurde". Und: "Ein so krasser Unterschied in der Behandlung von NS-Verbrechern einerseits und DDR-Bürgern andererseits hat nichts mehr mit Rechtsstaatlichkeit zu tun und ist ausschließlich politisch erklärbar", stellt Erich Buchholz fest.

Hier äußert sich jemand, der sich in den juristischen Materien beider Staaten bestens auskennt. Der Autor hat die Entwicklung und Entstehung des sozialistischen Strafrechts maßgeblich mitgeprägt, bis auch er neben vielen anderen verdienstvollen Hochschullehrern von der Humboldt-Universität verjagt wurde.

Nach 1990 hat Prof. Buchholz viele Jahre als Rechtsanwalt die von der BRD betriebene politische Strafverfolgung in der Praxis miterlebt und ihr im Sinne der von ihm vertretenen Mandanten Widerstand entgegenzusetzen versucht. Das Buch ist eine komprimierte Orientierungshilfe für all jene, welche die Prozesse gegen DDR-Hoheitsträger nach 1990 politisch wie juristisch einordnen wollen.

Rechtsanwalt Ralph Dobrawa


Erich Buchholz: Der dritte Akt der Totalliquidierung - Rechtsbrüche und Unrechtsurteile am laufenden Band, GNN-Verlag Schkeuditz, 2012, 13 Euro, ISBN 978 3 89819 386 3

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RF-Extra

Was ist linke Außenpolitik?

Linke Außenpolitik in Deutschland ist zuallererst oppositionell. Die Außenpolitik der rot-grünen, schwarz-roten und schwarz-gelben Bundesregierungen war von der Umwandlung der Bundeswehr zu einer Armee im Einsatz geprägt und von einer kontinuierlichen Zunahme ihrer Auslandsoperationen nicht nur nach Zahl und geographischer Ausdehnung, sondern auch in der Intensität begleitet.

Die Ziele dieser Auslandseinsätze werden zwar immer wieder humanitär verbrämt, sind aber klar festgeschrieben, so in den Verteidigungspolitischen Richtlinien von 2011: "Freie Handelswege und eine gesicherte Rohstoffversorgung sind für die Zukunft Deutschlands und Europas von vitaler Bedeutung. Die Erschließung, Sicherung von und der Zugang zu Bodenschätzen, Vertriebswegen und Märkten werden weltweit neu geordnet ... Störungen der Transportwege und der Rohstoff- und Warenströme, z. B. durch Piraterie und Sabotage des Luftverkehrs, stellen eine Gefährdung für Sicherheit und Wohlstand dar." Ähnliche Formulierungen fanden sich schon seit den 90er Jahren in den Verteidigungspolitischen Richtlinien und den Weißbüchern der Bundeswehr sowie in den offiziellen Strategiedokumenten der jeweils amtierenden Regierungen von Grün bis Schwarz.

Sie stellen den Konsens unter den "politischen Eliten" der BRD dar, die hier ein nationales Interesse definieren, dem "wir" - wörtlich! - "dienen" und für das "wir" erforderlichenfalls auch sterben sollen.

Gegenwärtig ist die Bundeswehr in Afghanistan, im Kosovo, vor der Küste Libanons, in der Türkei an der Grenze zu Syrien, am Horn von Afrika, in Sudan, in Kongo und in Mali, Senegal und angrenzenden Ländern Westafrikas im Rahmen mandatspflichtiger Einsätze aktiv.

Deren Intensität nimmt auch dann zu, wenn offiziell, wie in Afghanistan, von einem "Abzug" die Rede ist. So wurden um die Jahreswende 2012/2013 erstmals Kampfhubschrauber der Bundeswehr vom Typ Tiger nach Afghanistan verlegt. Überspitzt könnte man sagen, diejenigen Einheiten, die eher zum Brunnenbauen gedacht waren, werden abgezogen, dafür aber Einheiten mit großer Kampfkraft verstärkt. Auch als potentielles Einsatzgebiet der bewaffneten Kampfdrohnen, die angeschafft werden sollen, wird immer wieder Afghanistan genannt, was viel darüber aussagt, was wir uns unter diesem "Abzug" vorzustellen haben.

Eine massive Intensivierung hat auch der Einsatz am Horn von Afrika erlebt, bei dem es der Bundeswehr nach dem neuen Mandat seit Mai 2012 auch erlaubt ist, die Küste unter Beschuß zu nehmen. Die Atalanta-Mission machte davon auch prompt Gebrauch, erstmals nur fünf Tage nach Ausweitung des Mandats. Die Presse berichtet hierüber kaum. Ich habe mich im Rahmen des parlamentarischen Fragerechts mehrfach erkundigt, doch die Bundesregierung macht zu diesen Angriffen keine brauchbaren Angaben. Eine Intensivierung des Einsatzes läßt sich sogar im Kosovo beobachten, wo die NATO lange Zeit eigentlich "nur" Präsenz gezeigt oder ab und an Demonstrationen mit Tränengas aufgelöst hat. Seit einiger Zeit aber versuchen die deutschen Truppen der KFOR die völkerrechtswidrige Grenze zwischen Serbien und dem Kosovo mit Gewalt durchzusetzen: Sie fliegen albanische Zöllner über die von Serben bewohnten Gebiete des Kosovo und versuchen von der Bevölkerung geschaffene Grenzübergänge zu schließen. Auch hier kommt es zu Schußwechseln, über die in der BRD nicht berichtet wird.

Neben diesen vom Bundestag mandatierten Aktivitäten sind aber die Bundeswehr und eine zunehmend militarisierte deutsche Polizei noch in vielen weiteren Einsätzen aktiv: Sie patrouillieren an Grenzen oder schulen Soldaten und Polizisten in Zentralasien, für Irak, in den palästinensischen Gebieten und auf dem halben afrikanischen Kontinent.

Beispielhaft - und auch Vorbild für die Mission jetzt in Mali - ist der als EUTM Somalia bezeichnete Einsatz. Hier werden junge Somalier, die zuvor von den USA in ihrer Heimat rekrutiert wurden, von der Bundeswehr und anderen europäischen Armeen im Häuserkampf ausgebildet und anschließend, mit Waffen ausgerüstet, in den somalischen Bürgerkrieg geflogen. Die Partei Die Linke hat hierzu mehrere kleine Anfragen und einen Antrag gestellt, somit immerhin öffentlich machen können, daß die Bundesregierung nicht ausschließen kann, daß sich Minderjährige unter den jungen Männern befinden, die für den Bürgerkrieg ausgebildet und ausgerüstet werden.

In einem anderen Fall, in dem die äthiopische Armee im Auftrag der Bundesregierung vermeintliche somalische Polizisten ausgebildet hatte, mußte Staatssekretär Werner Hoyer auf meine Frage hin vor dem Bundestag einräumen, daß sich nachweislich Minderjährige unter diesen befunden haben und daß diese seither in Somalia eher die Rolle einer Miliz spielen.

Solche Einsätze gibt es noch eine ganze Menge. Allein im letzten Jahr haben die Missionen EUCAP Niger - hier werden Gendarmeriekräfte in Niger aufgebaut - und EUCAP Nestor - hier werden Marinekräfte der ostafrikanischen Staaten fortgebildet und aufgerüstet - begonnen. Diese Missionen finden ganz überwiegend im EU-Rahmen statt, und viele davon werden im Bundestag überhaupt nur behandelt, wenn wir sie durch mündliche und kleine Anfragen oder Anträge thematisieren. Die Gemeinsame Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik entpuppt sich also vor allem auch als Instrument zur Entparlamentarisierung und Entdemokratisierung der Außen- und damit zugleich der Kriegspolitik. Auch hier wurde inzwischen recht klar formuliert, was deren Ziele sind.

In ihrer Rede vor dem Europäischen Parlament zur Gründung des Europäischen Auswärtigen Dienstes - einer Art zivil-militärischer Superbehörde, welche abseits demokratischer Kontrolle die Kompetenzen eines Außen- wie eines Verteidigungsministeriums und vieler Bereiche nationaler Entwicklungs-, Wirtschafts- und Innenministerien umfaßt - wurde die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton sehr deutlich. Es geht den "europäischen Eliten" darum, die EU zum mächtigsten globalen Akteur aufzubauen und darüber zu entscheiden, wer die Profite einstreicht und wer die Lasten zu tragen hat. Wenn wir die Rolle der Bundesrepublik in der Schuldenkrise betrachten und den von höchster diplomatischer Ebene geäußerten deutschen Hegemonieanspruch für Europa, dann wird endgültig klar, daß es sich hier um ein wesentlich von der BRD geprägtes imperiales Projekt handelt. Dafür ist es notwendig, die Möglichkeiten der Bevölkerung und der Parlamente, Einfluß auf die Außenpolitik zu nehmen, möglichst weit einzuschränken.

Doch nicht nur die parlamentarischen Kontrollrechte stehen einer derart imperialistischen Außenpolitik im Wege, sondern auch die Menschenrechte und das Völkerrecht. Wie selektiv Menschenrechte wahrgenommen und wie sie selbst zum Instrument der Außenpolitik gemacht werden, muß ich hier nicht weiter ausführen, das ist ja tagtäglich spürbar. Ich möchte nur einen Fall aus meiner parlamentarischen Arbeit nennen: Die Bundeswehr macht keine Kriegsgefangenen. Entweder sie tötet ihre Gegner, oder sie übergibt sie irgendwelchen Behörden vor Ort, in Afghanistan etwa dem Kabuler Geheimdienst NDS, der für seine Folter in dortigen Gefängnissen berüchtigt ist.

Durch Fragen, die ich an die Bundesregierung gestellt hatte, kam heraus, daß der BND den folternden NDS mit mehreren Millionen Euro unterstützt und ihm Ausrüstung zur Verfügung gestellt hat, wobei er dieses Geld aus dem Haushaltsposten "Stabilitätspakt für Afghanistan" des Auswärtigen Amtes erstattet bekam. Das ist nur ein Beispiel, um zu verdeutlichen, daß eine Politik, andere Länder zu erobern und dort Regierungen zu installieren, welche die Ausbeutbarkeit von Mensch und Natur sicherstellen sollen, mit Menschenrechten nicht vereinbar ist.

Sie ist auch mit dem Völkerrecht nicht zu vereinbaren, das immer stärker unterwandert wird. Hier spielen doppelte Standards ebenfalls eine wichtige Rolle. Wir haben jüngst mit einer kleinen Anfrage am Beispiel Syriens herausgearbeitet, daß sich die Bundesregierung und deren Verbündete jeder Kritik an der Verletzung syrischer Souveränität - von Waffenlieferungen und der Einschleusung von Kämpfern bis zu Luftangriffen aus der Türkei und Israel - enthalten. Andererseits nehmen sie den Abschuß eines türkischen Kampfflugzeuges durch die syrische Luftverteidigung, das in den Luftraum des Landes eingedrungen war, zum Anlaß nehmen, die NATO und mit ihr die "Patriot"-Staffeln der Bundeswehr an der Grenze zu mobilisieren. Das Völkerrecht verletzen immer nur die anderen, die politischen Gegner. Zugleich versuchen die westlichen Staaten unter dem Schlagwort der "Schutzverantwortung" wie etwa in Libyen, die Intervention selbst zu einer völkerrechtlichen Pflicht umzudeuten. Dem müssen wir uns entschieden entgegenstellen! Denn der Kern des Völkerrechts und seiner friedenserhaltenden Wirkung ist das Souveränitätsprinzip, das Einmischungsverbot.

Schon lange vor der Eskalation in Syrien habe ich vor dem Hintergrund auch der Erfahrungen in Somalia darauf hingewiesen, daß die Aufweichung des Souveränitätsprinzips auf das hinausläuft, was ich als "ferngesteuerte Bürgerkriege" bezeichne und wovon die Ausbildungs- und Ausstattungshilfe - als "Sicherheitssektorreformen" und Waffenlieferungen deklariert - ein zentraler Bestandteil ist.

Das hat noch ganz andere Auswirkungen, wovon meiner Meinung nach die wichtigste darin besteht, daß die Machtfrage ins Ausland verlagert wird. Wir können in letzter Zeit immer deutlicher beobachten, daß sich Bewegungen, die eine unerwünschte Regierung stürzen möchten, gar nicht mehr an die eigene Bevölkerung wenden müssen, sondern an internationale Verbündete, die NATO-Staaten und die Golfmonarchien.

Was ergeben sich daraus für Forderungen an eine linke Außenpolitik? Als Bewegung in einem mächtigen EU- und NATO-Staat müssen wir uns zuallererst gegen den westlichen Interventionismus stellen. Das bedeutet, daß wir uns einer Militarisierung der EU widersetzen und den Austritt aus den militärischen Strukturen der NATO mit dem Ziel ihrer Auflösung fordern müssen. Denn diese Strukturen beinhalten einen klaren Automatismus zur Intervention: Wenn ein Staat angegriffen wird, müssen auch alle anderen in den Krieg ziehen. Solche Angriffe, das sehen wir gerade in der Türkei, werden laufend provoziert. Auch innerhalb der EU dominiert die Vorstellung, daß man sich an jedem möglichen Einsatz beteiligen müsse, nur um die Gemeinsame Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik zu "stärken".

Wir müssen außerdem den beständigen Lügen entgegenwirken, mit denen neue Kriege - auch etwa gegen Iran - vorbereitet werden. Das sehe ich als eine meiner Hauptaufgaben. So haben wir zum Beispiel eine kleine Anfrage zu dem Massaker in Hula auf den Weg gebracht, für das die Bundesregierung von Anfang an die syrische Regierung verantwortlich gemacht hat. Zur Verhinderung solcher Kriegslügen gehört auch die Unterstützung für Whistleblower, die unter Einsatz ihres Lebens und ihrer Freiheit Informationen über westliche Kriegführung öffentlich machen. Deshalb habe ich als erste Abgeordnete Julian Assange in der Londoner Botschaft Ecuadors besucht, deshalb unterstütze ich die Solidaritätsbewegung für Bradley Manning und Edward Snowden.

Wir müssen aber auch selbst ins Detail gehen und beobachten, wohin Deutschland, die EU und die NATO Waffen liefern, wo sie Militärs und Polizeikräfte für wen aufbauen und unterstützen und welche Rolle westliche Geheimdienste in Bürgerkriegssituationen spielen. Natürlich bin ich für ein Verbot aller Waffenexporte, die Beendigung aller Ausbildungs- und Ausstattungshilfe und die Auflösung des Auslandsgeheimdienstes. Zugleich müssen wir größere Transparenz und demokratische Kontrolle - das sind unsere von der Verfassung eigentlich garantierten Rechte - einfordern. Erst das ermöglicht uns, der imperialistischen Politik ernsthaft Steine in den Weg zu legen und die Öffentlichkeit zu informieren, welch unmoralische Politik da im Namen von Demokratie und Menschenrechten vollzogen wird.

Nicht nur deshalb, sondern vor allem auch, weil es unsere menschliche Pflicht ist, müssen wir uns auf der ganzen Welt gegen Menschenrechtsverletzungen, gegen die Enteignung und Entmündigung der Bevölkerungen und Gemeinwesen stellen. Wir dürfen uns dabei nur nicht an der Agenda der westlichen Staaten und ihrer Hofberichterstatter orientieren. Im Gegenteil müssen wir uns auf die Orte konzentrieren, wo Menschen durch deutsche Unternehmen und deutsche Politik eingeschränkt, verarmt und unterdrückt werden. Hier haben wir Verantwortung und Handlungsmöglichkeiten. Hier sind es europäische Fischereiabkommen wie in Westafrika oder Freihandelsabkommen, welche zum Hunger der Bevölkerung beitragen.

Es sind europäische Pläne wie das Desertec-Projekt, welche die Aussichten der Sahrauis auf Selbstbestimmung in der Westsahara weiter untergraben. Es ist die Europäische Migrationspolitik, welche ganze Völker zu Gefangenen ihrer eigenen Regierungen oder sogenannter sicherer Drittstaaten macht. Und es sind die Menschen in Afghanistan, dem früheren Jugoslawien, Somalia, Libyen und Syrien, welche durch die imperialistischen Konflikte zwischen Großmächten und westlichen Plänen zur Neuordnung ganzer Territorien in unsägliches Leid gestürzt werden. Wir müssen uns für deren Rechte stark machen, indem wir zuallererst die Lehre aus der faschistisch-imperialistischen deutschen Vergangenheit aktualisieren: Von deutschem Boden darf nie wieder Krieg ausgehen!

Sevim Dagdelen


Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:

- Sevim Dagdelen (1. v. l.) beim Protest ihrer Fraktion gegen den Massenmord von Kundus. Sie wurde am 22. Oktober erneut in den Bundestag gewählt.

- BRD-Marinesoldaten der Fregatte "Karlsruhe" vor Dschibuti

*

Weder Dämonisierung noch Glorifizierung vermitteln ein objektives Bild

Sachliches über Stalin

Mehr als 60 Jahre nach Stalins Tod am 5. März 1953 ist der sowjetische Staatsmann und Parteiführer laut "Spiegel" für Deutsche "Bruder Todfeind" und "mit Hitler gleichzusetzen". War das vor sechs Jahrzehnten auch so?

Wer diesen Tag erlebt hat, wird nie vergessen, welche Trauer Millionen und Abermillionen Menschen überall auf der Welt empfanden. Fotos, Filme und Berichte dokumentieren das. Nicht nur Bürger der UdSSR fragten: Wie soll es ohne IHN weitergehen? Und sechzig Jahre später? Ist Stalins Bild aus dem Gedächtnis der Nachkommen verdrängt, sein Wirken allein auf das Schlagwort "Stalinismus" reduziert?

Im ND vom 5. März 2013 las man: "LINKE-Spitze einhellig für Gedenken an Opfer des Stalinismus" sowie den Text einer Gedenktafel, die am Gebäude des Parteivorstands der Linkspartei angebracht werden soll. Das unter Stalin an unzähligen aufrechten Kommunisten der UdSSR und anderer Länder begangene Unrecht wird weder vergessen noch verziehen. Es ist aus dem Buch der Geschichte nicht zu löschen, gehört es doch zu den schlimmsten Entartungen in der überwiegend ehrenhaften Chronik der kommunistischen Bewegung.

Verbindet sich aber nichts anderes als das mit Stalins Namen?

Springers "Die Welt" bezeichnete den sowjetischen Spitzenpolitiker am 5. März 2013 als "Allmächtigen" und widmete ihm einen ganzseitigen Artikel. "Nur wenige Menschen haben das 20. Jahrhundert derart geprägt wie ... Stalin", lautete dessen erster Satz.

Etliche Kommentare brachten mich auf die Idee, über Stalins Beziehungen zu den Deutschen tiefer nachzudenken. Vor 1945 war er für mich der "Blutsäufer", wie ihn die faschistische Goebbels-Propaganda und auch einige meiner Lehrer darstellten, nach der Befreiung im Mai 1945 wurde er für Millionen in einem widerspruchsvollen Prozeß allmählich der "weise und große Staatsmann", nach dem Sieg der Konterrevolution in der UdSSR und den ehemals sozialistischen Staaten Europas dann aber eine geschichtliche Persönlichkeit, wie sie Schiller im "Wallenstein" sah: "Von der Parteien Gunst und Haß verwirrt, schwankt sein Charakterbild in der Geschichte."

Bei weiterem Nachdenken zeigt sich: Die Deutschen, die Stalin so oder so sahen und sehen, gibt es nicht. Jeder sieht in ihm höchst Unterschiedliches. Nazis und Bischöfe den Leibhaftigen, nicht wenige Kommunisten die Hoffnung auf eine vom Kapitalismus befreite Menschheit, bourgeoise Politiker eine Figur im Ränkespiel der Mächte. Und umgekehrt: Stalin hatte als Staatsmann mit den Spitzenpolitikern der Weimarer Republik und Nazideutschlands, dann aber auch mit Wilhelm Pieck und dessen Mitstreitern zu tun. Sein Sohn fiel als Offizier den Faschisten in die Hände und fand im Konzentrationslager den Tod.

Das Thema "Stalin und die Deutschen" ist mir nicht fremd. Der namhafte SED-Kulturpolitiker Alexander Abusch legte 1949 den Titel "Stalin und die Schicksalsfragen der deutschen Nation" vor. Dort wurden sowohl seine theoretischen Arbeiten analysiert, die sich mit der "deutschen Frage" befaßten, als auch Stalins Handlungen bei schicksalsschweren Ereignissen: Brest-Litowsk, Rapallo, dem Nichtangriffspakt, Plänen für die Nachkriegsentwicklung, Potsdam und der DDR-Gründung.

Mit welchem Respekt Stalin damals behandelt wurde, läßt sich unschwer aus Begriffen herauslesen, die Abusch für ihn fand: "Lenin unserer Tage", "marxistischer Erzieher", "wahrer Führer für alle friedliebenden Völker".

Ohne Zweifel gehörte Stalin zu den Kampfgefährten Lenins, welche mit der Oktoberrevolution eine weltgeschichtliche Wende einleiteten.

Die "Rapallo"-Politik sollte Grundlage friedlicher Koexistenz zwischen Deutschland und Sowjetrußland werden. Nützte oder schadete sie den Deutschen?

Wenn Stalins Einfluß auf die deutsche Politik geprüft wird, ist vor allem auch das Wirken der Kommunistischen Internationale - der Komintern - in Betracht zu ziehen. Er war an der Ausarbeitung ihrer Strategie und Taktik maßgeblich beteiligt. Stalin unterstützte die Politik Ernst Thälmanns auch zu einem Zeitpunkt, als dieser von innerparteilichen Widersachern im Zuge der "Wittorf-Affäre" zu Fall gebracht werden sollte. Hier ist nicht der Platz, um auch von Stalin zu verantwortende taktische Fehler der KPD vor 1933 zu erörtern. Ich meine vor allem die Bewertung der SPD als "sozialfaschistisch".

Stalin kannte - auch aus geheimdienstlichen Quellen - Hitlers Pläne, die UdSSR durch einen Aggressionskrieg zu vernichten. Unter diesen Umständen blieben der sowjetischen Führung nur zwei Optionen: Mit Frankreich und England ein System der kollektiven Sicherheit gegen Nazideutschland zu vereinbaren, was mit "München" 1938 scheiterte, oder den Kriegsausbruch solange wie möglich hinauszuschieben. Denn seit 1933 war Deutschland für die UdSSR der potentielle Aggressor. Der 1939 abgeschlossene Nichtangriffsvertrag zwischen Moskau und Berlin, der zweifellos auch negative Begleitumstände hatte, ist nur so zu erklären, nicht aber als "Hitler-Stalin-Pakt" fehlzuinterpretieren.

Am 3. Juli 1941 stellte Stalin fest: "Man könnte fragen: Wie konnte es geschehen, daß sich die Sowjetregierung auf den Abschluß eines Nichtangriffspaktes mit solchen wortbrüchigen Leuten und Ungeheuern wie Hitler und Ribbentrop eingelassen hat? Ist hier von der Sowjetregierung nicht ein Fehler begangen worden? Natürlich nicht! Ein Nichtangriffspakt ist ein Friedenspakt zwischen zwei Staaten. Eben einen solchen Pakt hat Deutschland uns im Jahre 1939 angeboten.

Konnte die Sowjetregierung ein solches Angebot ablehnen? Ich denke, kein einziger friedliebender Staat kann ein Friedensabkommen mit einem benachbarten Reich ablehnen, selbst wenn an der Spitze dieses Reiches solche Ungeheuer und Kannibalen stehen wie Hitler und Ribbentrop. Dies aber natürlich unter der einen unerläßlichen Bedingung, daß das Friedensabkommen weder direkt noch indirekt die territoriale Integrität, die Unabhängigkeit und die Ehre des friedliebenden Staates berührt."

Stalin zog das Fazit: "Was haben wir durch den Abschluß des Nichtangriffspaktes mit Deutschland gewonnen? Wir haben unserem Lande für eineinhalb Jahre den Frieden sowie die Möglichkeit gesichert, unsere Kräfte zur Abwehr vorzubereiten, falls das faschistische Deutschland es riskieren sollte, unser Land trotz des Paktes zu überfallen. Das ist ein unbestreitbarer Gewinn für uns und ein Verlust für das faschistische Deutschland."

"Der Spiegel" deutete in seiner Ausgabe vom 11. Juni 2011 das Geschehen freilich anders. Er schrieb über ein Porträt Stalins: "Bestie und Unmensch ... Die deutsche Niederlage entschied das Duell zweier Despoten, die einander seit 1923 belauert hatten: Hitler und Stalin." Immerhin wurde eingestanden: "In den Jahren des Krieges hing alles, aber auch alles vom Widerstand der Roten Armee ab. Am Ende des Krieges war Stalin, auch für Hunderte Millionen Menschen außerhalb der Sowjetunion, zu dem unverrückbaren Begriff, ja zu dem Inbegriff der Größe des sozialistischen Staatsmannes geworden, dem sie die Rettung der demokratischen Freiheit der ganzen Welt vor ihrer Vernichtung durch Hitler zu danken hatten."

Stalin hatte es seit der Schlacht an der Wolga weitgehend in der Hand, wie mit den Eindringlingen zu verfahren war. Sollte er die Mordbefehle Hitlers und seiner Feldmarschälle kopieren? "In der ausländischen Presse wird manchmal darüber geschwätzt, daß die Rote Armee das Ziel habe, das deutsche Volk auszurotten und den deutschen Staat zu vernichten ... Solche idiotischen Ziele hat die Rote Armee nicht und kann sie nicht haben. Die Rote Armee setzt sich das Ziel, die deutschen Okkupanten aus unserem Lande zu vertreiben und den Sowjetboden von den faschistischen deutschen Eindringlingen zu befreien.

Es ist sehr wahrscheinlich, daß der Krieg für die Befreiung des Sowjetbodens zur Vertreibung oder Vernichtung der Hitlerclique führen wird. Wir würden einen solchen Ausgang begrüßen. Es wäre aber lächerlich, die Hitlerclique mit dem deutschen Volk, mit dem deutschen Staat gleichzusetzen. Die Erfahrungen der Geschichte besagen, daß die Hitler kommen und gehen, das deutsche Volk, der deutsche Staat aber bleibt", hieß es in Stalins Armeebefehl Nr. 55 vom 23. Februar 1942.

Der Einsilbigkeit mancher "Linker" beim Thema Stalin stehen die Aktivitäten von Antikommunisten aller Schattierungen gegenüber. Den meisten geht es darum, Hitler und Stalin gleichzusetzen, um damit die Totalitarismusdoktrin, die Sozialismus und Faschismus auf eine Stufe stellt, "wissenschaftlich" zu begründen.

Schon am 26. Januar 1934 hatte Stalin auf dem XVII. Parteitag der KPdSU erklärt: "Wer den Frieden will und geschäftliche Beziehungen mit uns anstrebt, wird stets bei uns Unterstützung finden. Denjenigen aber, die versuchen sollten, unser Land zu überfallen, wird eine vernichtende Abfuhr zuteil werden, damit ihnen in Zukunft die Lust vergeht, ihre Schweineschnauze in unseren Sowjetgarten zu stecken."

Millionen Menschen, zunächst die Angehörigen der Naziwehrmacht, hatten die Folgen der Mißachtung dieser Warnung zu tragen. Daß der Krieg am erbittertsten auf dem Boden der Sowjetunion geführt wurde, nutzte die faschistische Propaganda, um Stalin und der Roten Armee die unendliche Zahl der Opfer anzulasten. Bis zum Mai 1945 glaubten viele Wehrmachtssoldaten, ihre Heimat gegen den "Bolschewismus" zu schützen. Sie ließen sich von den nazistischen Bankrotteuren bis fünf Minuten nach zwölf - vor und in Berlin - mißbrauchen.

Wie aber sollte es nach der Kapitulation weitergehen?

Am 9. Mai 1945 sagte Stalin: "Die Sowjetunion feiert den Sieg, wenn sie sich auch nicht anschickt, Deutschland zu zerstückeln oder zu vernichten."

In den internationalen Beziehungen suchte Stalin nicht nur sowjetische, sondern auch Interessen der friedliebenden und demokratischen Kräfte Deutschlands durchzusetzen. Das beweisen das Potsdamer Abkommen, die Unterstützung der Herstellung der Arbeitereinheit und des Volksentscheids über die Enteignung der Kriegs- und Naziverbrecher, vor allem aber die Zustimmung zur Gründung der DDR. Am 13. Oktober 1949 schrieb er in seiner Glückwunschbotschaft an Wilhelm Pieck und Otto Grotewohl: "Die Bildung der friedliebenden Deutschen Demokratischen Republik ist ein Wendepunkt in der Geschichte Europas."

Veröffentlichte Dokumente, darunter auch die Gesprächsprotokolle von SED-Politikern mit Stalin, lassen das Urteil zu, daß er gegen die Spaltung Deutschlands war. Er versuchte, die Remilitarisierung der BRD und damit den Rüstungswettlauf auf deutschem Boden zu verhindern. Zugleich riet er den SED-Politikern, den Aufbau des Sozialismus nicht zu forcieren. Die letzte Tat in der "deutschen Frage", die mit dem Namen des sowjetischen Staatsmannes verbunden war, ist die sogenannte Stalin-Note vom 10. März 1952. Darin wandte er sich an die Regierungen der USA, Großbritanniens und Frankreichs und plädierte für den Abschluß eines Friedensvertrages mit Deutschland, wobei er konkrete Vorschläge für dessen Ausgestaltung unterbreitete. Als Kernbestandteil betrachtete Stalin das Weiterbestehen Deutschlands als einheitlicher Staat, gesamtdeutsche Wahlen nach den Regeln des bürgerlichen Parlamentarismus, den Abzug aller Besatzungsmächte von deutschem Boden und die Festlegung des demokratisch verfaßten deutschen Staates auf einen ihn vertraglich verpflichtenden Neutralitätsstatus. Adenauer und seine Auftraggeber in Washington lehnten das Angebot ab und wählten den Weg der weiteren Spaltung und der Verschärfung des Kalten Krieges. Am 19. März 1953 wurde im Bundestag mit 225 gegen 165 Stimmen der "Generalvertrag" angenommen, der die BRD in die NATO führte.

Nicht verschwiegen werden soll, daß die von Stalin empfohlene global- und kontinentalstrategisch determinierte "Österreich-Lösung", wäre der Westen auf sie eingegangen, vermutlich schwerwiegende Konsequenzen für die DDR gehabt hätte. Eine 40jährige Existenzdauer wäre ihr dann wohl kaum beschieden gewesen.

Im Dezember 1989 sorgten von Marx, Engels und Lenin wegdriftende "Reformer" dafür, daß die Hauptlosung des SED-PDS-Parteitags nicht "Wir retten die DDR", sondern "Wir brechen unwiderruflich mit dem Stalinismus als System" hieß. Eine verhängnisvolle Entscheidung.

Prof. Dr. Horst Schneider


Vor etwa einem Jahrzehnt faßte der Vorstand des RF-Fördervereins folgenden Beschluß:

Wir betrachten Stalin als eine bedeutende Persönlichkeit der Geschichte - mit Licht und Schatten, Verdiensten und Verbrechen. Seine historische Rolle ist nur unter den Bedingungen von Raum und Zeit zu bewerten. Der RF weist den Begriff "Stalinismus" zurück und lehnt jede Dämonisierung oder Glorifizierung der Person Stalins ab.


Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:

- Einigung in Potsdam: Im Sommer 1945 verständigten sich Stalin, Truman und Churchill (von r. nach l.) über die Grundsätze der Deutschland betreffenden Nachkriegspolitik.

- In den Schützengräben von Stalingrad wurde die Wende des Krieges durch die Rote Armee erzwungen.

Ende RF-Extra

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Vom Mut einer slowakischen Kommunistin

Die nicht gerade "linker" Sympathien verdächtige auflagenstarke slowakische Zeitung "Sme" brachte auf ihren Internetseiten ein Interview mit Dr. Viera Klimentová, stellvertretende Vorsitzende der Kommunistischen Partei der Slowakei, zu den im August 1968 von den Staaten des Warschauer Vertrages ergriffenen Maßnahmen. Sie waren auf die Vereitelung eines schon damals drohenden konterrevolutionären Umsturzes in der CSSR gerichtet.

Das Interview wurde von "Sme" natürlich nicht ohne Hintergedanken gebracht. Seitdem sieht sich die prominente Genossin einer Schmähkampagne der Medien des Kapitals gegenüber. Sie geht, wie Äußerungen in mehreren Interplattformen erkennen lassen, bis zu Morddrohungen. Mit "Kommunisten wie der Klimentová" müsse "endlich Schluß gemacht werden", hieß es dort. Im folgenden bringen wir Auszüge aus dem "Sme"-Beitrag. Kursive Textstellen stammen von der Interviewerin, die das Inkognito vorzog.

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Unveränderte Ansichten überdauerten auch bei der 62jährigen Viera Klimentová. Anstelle von Okkupation spricht sie bewußt von brüderlicher internationalistischer Hilfe. Überzeugt weist sie auf eine alte Ausgabe eines Weißbuches hin, das sie von ihrem Vater, einem ehernen Kommunisten, erhalten hatte. Ihr Kommentar:

So etwas finden Sie heute nur noch im Museum, wenn überhaupt. Darin werden die Ereignisse der Konterrevolution in Ungarn dargestellt.

Es sind suggestive Fotografien, herausgegeben von der ungarischen kommunistischen Partei, ergänzt mit einem Kommentar über die bestialische Ermordung von Kommunisten.

Wären die Soldaten des Warschauer Vertrages nicht gekommen, hätten wir das gleiche Szenarium erleben müssen wie in Ungarn. Lange schon hatten sie für uns Kommunisten die Laternenpfähle ausgesucht. Die Soldaten des Warschauer Vertrages waren keine Aggressoren. Der Warschauer Vertrag wurde sechs Jahre nach Gründung der NATO geschaffen - als Instrument der Verteidigung mit dem Ziel des Schutzes des sozialistischen Aufbaus vor den unablässigen Bemühungen der westlichen Staaten, der äußeren Bedrohung und der Infiltration der kommunistischen Partei, um sie von innen zu zersetzen.

Zu ihrer Weltanschauung führten sie ihre Eltern, beides überzeugte Kommunisten. Der Vater trat der Kommunistischen Partei noch während des Krieges bei, die Mutter 1948. Ihre Zuversicht über die Rechtmäßigkeit des Kommunismus ist auch nach 50 Jahren unerschütterlich.

Es war die Zeit des Aufbaus des sozialistischen Staates. Es gab Agenten, die dagegen kämpften und das heute nicht verhehlen. Unverhüllt bekennen sie sich zu ihrer antisozialistischen Tätigkeit und ihrer Doktrin zur Beseitigung des Sozialismus mit all seinen historischen Wurzeln.

Der junge Staat mußte sich dagegen wehren, sagt Viera, die 1951 gerade geboren war, resolut. Ebensowenig berührten sie die Reformideen des Prager Frühlings.

Ich schätzte Svoboda und dessen heldenhaften Weg während des Krieges mit dem 1. Tschechoslowakischen Armeekorps von Buzuluka bis Prag. Er wußte mit Problemen umzugehen - menschlich wie taktisch. Mit Dubcek traf mein Vater als politischer Mitarbeiter der KSC-Bezirksleitung von Banská Bystrica zusammen - gut hat er über ihn nicht gesprochen. Mein Vater äußerte sich über Dubcek wie über einen Menschen, der bereit ist, für seine Karriere alles zu tun, der die Medien und die Kameras liebt, innerlich aber klein und schwach gewesen sei.

Vieras Vater, früher Offizier der Tschechoslowakischen Volksarmee, wurde kurz vor dem 21. August 1968 gegen seinen Willen entlassen.

Schon im Frühjahr 1968 begann Vater darüber zu sprechen, daß sich die Verhältnisse in der Gesellschaft und in der Partei sehr schwierig und schlecht entwickeln. Die ganze Situation weise in eine falsche Richtung. Unter seinen Kollegen wurde er zum schwarzen Schaf. Einer von ihnen richtete sogar die Waffe auf Vater. Deshalb schickten sie ihn, der die Kommunistische Partei in allen Lebenslagen stets verteidigt hatte, erst einmal in Urlaub.

Noch einen Tag vor dem Einmarsch des Militärs besuchte sie ein sowjetischer Freund.

Wir wohnten damals in Zilina. Am 21. August gegen 5 Uhr früh ertönte aus dem Lautsprecher an der Straßenecke die Meldung, ausländische Truppen hätten die Grenzen der Tschechoslowakei überschritten. Die Menschen sollten Ruhe bewahren. Damit weckte ich Vater, der mich direkt fragte: "Wer, die Deutschen?" Ich denke, die Russen, antwortete ich. "Dann ist es gut." Bis heute erinnere ich mich genau an seine Antwort, auch, wie er es sagte.

Noch am gleichen Tag fuhren sie ins Krankenhaus nach Martin, in dem sich damals die Mama befand. Als sie unterwegs protestierende Menschen sah, bewertete sie dies als manipulierten Lärm.

Dort befanden sich Provokateure, die eine Hysterie auslösten. Hätten uns nicht die Truppen des Warschauer Vertrages geholfen, es wäre zur physischen Liquidierung der Kommunisten gekommen. Wir wurden damals als Kollaborateure gebrandmarkt, weil wir die Ankunft von Truppen des Warschauer Vertrages begrüßten. Das ging so weit, daß man uns die Fensterscheiben einschlug. Ich war gerade im Wohnzimmer, als die Steine flogen.

Zu Schulbeginn am 1. September forderte die Lehrerin alle auf, gemeinsam das Lied "Bez domu Ivane!" (Iwan, scher dich nach Hause!) zu singen. Ich war 17 Jahre alt - aber das wollte ich nicht singen. Verko, warum singst Du nicht, fragte mich unsere Lehrerin, eine Tschechin. Voller Überzeugung antwortete ich ihr, daß ich ein solches Lied nicht singen werde.

Sie sagt, sie werde niemals ihre Fahne nach dem Winde drehen.

Die gesamte Zeit danach traf ich auf ganz entgegengesetzte Ansichten, die häufig verdeckt waren. Man drohte mir, ich könne das Studium nicht beenden. In der Kommission, vor der ich meine Jahresarbeit über Aufbau und Rolle der Tschechoslowakischen Volksarmee zu verteidigen hatte, war in jener Zeit ein Major, der mich aufforderte, nicht so konsequent meine Ansichten zu vertreten, sonst bräuchte ich die Schule gar nicht erst zu beenden.

1972 wurde sie - 21jährig - Mitglied der Partei. Nach 1968 hatten etwa 400.000 Personen bei Überprüfungen ihre Parteimitgliedschaft verloren. Bis 1989 war Viera dann als Sekretär für ideologische Arbeit in Lucenec tätig.

Seit 1990 war ich fünfmal beim Arbeitsamt. Das, was sie 1968 nicht erreicht hatten, gelang ihnen 1989.


Den Beitrag übersetzte Uwe Klaus, Leitungsmitglied des dem RF eng verbundenen slowakischen Verein "Cervená Líska" ("RotFuchs").


"Wir, der Kern der ökonomischen Reformer, versuchten in Prag damals eben nicht den Kommunismus zu reformieren. Unser eigentliches Ziel war es, ihn abzuschaffen ..."
Ota Sik in "Die Welt", 5.11.1990

Sik gehörte dem ZK der KPC an und war während des konterrevolutionären "Prager Frühlings" stellvertretender Ministerpräsident.

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Tel Aviv ghettoisiert die Palästinenser

Der Krieg gegen ein kleines Volk ist fast vergessen: der Krieg in Palästina! Israels Regierung Netanjahu geht es darum, die Araber aus ganz Palästina zu vertreiben. Dabei handelt es sich um ein uraltes Ziel radikaler Zionisten. Schon auf dem 1. Jüdischen Weltkongreß, der 1897 in Basel stattfand, umschrieb Theodor Herzl den von seiner Gruppierung angestrebten künftigen Staat als aus ganz Palästina bestehend, einschließlich Galiläas und Samarias. Da war für die angestammten arabischen Palästinenser schon kein Platz mehr vorgesehen. Doch damals gehörte das Gebiet ja zum Osmanischen Reich, und ein jüdischer Staat war nicht in Sicht. Die Balfour-Deklaration ließ dann erste Konturen einer "nationalen Heimstätte" der Juden auf dem Boden Palästinas erkennen. Dabei sollten die Rechte aller nichtjüdischen Gemeinschaften, so der Alewiten, Haschemiten, Maroniten, Drusen und Sunniten, nicht beeinträchtigt werden.

Das den Arabern, die bekanntlich ebenfalls Semiten sind, gegebene Versprechen eines solchen Staates wurde indes gebrochen. Strategische Interessen des Westens besaßen Vorrang. Aber auch den Juden, die in immer größerer Zahl in das jetzt britische Mandatsgebiet einwanderten, stand eine Heimat zu. Da sich keine Lösung herbeiführen ließ, mit der alle einverstanden waren, empfahl die Peel-Kommission schon 1938 eine Teilung Palästinas.

Nach dem 2. Weltkrieg ergriff der Tod vom Nahen Osten Besitz. Jetzt begann der Kampf der jüdischen Einwanderer gegen die britische Mandatsregierung. Er wurde in erster Linie von drei Gruppen geführt: der Selbstschutzorganisation Hagana, den beiden terroristischen Organisationen Lohami Herut Israel und Irgun Zwai Leumi unter Menachem Begin. Diese tat sich besonders dadurch hervor, daß sie am 21. Juli 1946 das Jerusalemer King-David-Hotel in die Luft jagte, wobei 96 Menschen ums Leben kamen.

Der Exodus der Palästinenser begann erst nach dem 14. Mai 1948. An jenem Tag hatte David Ben Gurion den Staat Israel proklamiert. Dessen erster Präsident Chaim Weizmann erklärte, Palästina werde "so jüdisch wie England englisch und Amerika amerikanisch" sein. Was folgte, war die Vertreibung von 850.000 Palästinensern und der sofort einsetzende Siedlungsbau in den durch Israel okkupierten Gebieten.

Nur einmal war man dem Frieden tatsächlich nahe. Premierminister Yitzhak Rabin, einst ein Terrorist, der für die Massaker von Dir Jassin und Mount Scopus Verantwortung trug, bot Jassir Arafat die Hand zur Versöhnung. "Land für Frieden" hieß die Devise. Die Hoffnung auf Frieden erfüllte damals ganz Palästina. Doch sie starb mit Rabin, den drei Revolverschüsse des Ultranationalisten Jegal Amir niederstreckten.

Seit 1992 vertreibt Israel mit imperialistischer Hilfe vor allem der USA die Palästinenser systematisch aus ihrer Heimat. Und die Welt schaut zu, wie ein kleines Volk seit 60 Jahren verzweifelt einen Platz sucht, wo es in Frieden leben kann - seinen eigenen Staat.

Bald plante man in Tel Aviv den nächsten Angriff auf Länder der Region: Syrien und die Islamische Republik Iran. Da man aber einen Kriegsvorwand brauchte, zeigte Netanjahu der UN-Vollversammlung vorsorglich ein paar Zeichnungen, die Teherans Kernforschungsprogramm ohne Beweise zum Atomwaffenprogramm erklärten. Da fällt einem sofort das LKW-Foto ein, das der USA-Vertreter im UN-Sicherheitsrat als "Beweis" für Saddam Husseins angebliche Massenvernichtungswaffen präsentierte, die in Irak aber niemals gefunden wurden. Bei all dem ging es allein um den Raub des irakischen Öls.

Wenden wir uns kurz dem Gaza-Streifen zu: Die bei der letzten Strafexpedition mit Bombenterror überzogenen Palästinenser unterdrückt man jetzt mit Armut und Arbeitslosigkeit. Strom gibt es meist nur für einige Stunden am Tag, denn das Kraftwerk, das Gaza Energie liefert, wird mit Kraftstoff betrieben. Dessen Zuteilung aber regelt die israelische Armee, die den Gaza-Streifen durch Einkesselung in ein riesiges Ghetto verwandelt hat. So kann man den Stromentzug - vor allem im Winter - als Waffe benutzen.

Mit ihren großen dunklen Augen blicken die Kinder von Gaza in eine Welt ohne Zukunft. Sie haben das Spielen durch Steinwürfe auf die Okkupanten ersetzt und das Lachen verlernt. Wie soll man auch lachen, wenn der Tod jeden Tag in Gestalt von Killerdrohnen zuschlagen kann. Israels Armee und seine Geheimdienste sind Ankläger, Richter und Vollstrecker der ständig verhängten Todesurteile in einem.

Wer in einer solchen Welt lebt, greift unwillkürlich zur letzten Waffe der Verzweifelten: dem Terror. Die Palästinenser wehren sich gegen die Atommacht Israel mit Raketen aus Pappe, Ammoniumnitrat und Klebestreifen. Tod erzeugt immer nur Tod, Gewalt immer nur Gewalt. So schließt sich der Kreis!

Aber es gibt auch ganz andere jüdische Menschen in Israel. Erinnern wir uns an die sieben Piloten, die es im letzten Libanonkrieg ablehnten, Beirut weiter zu bombardieren. Da zählte man bereits 11.000 erschlagene Zivilisten. Oder denken wir an die mutigen israelischen Sanitäter, die nach dem Massaker von Sabra und Schatila am 15. September 1982 gegen den Befehl von General Ariel Sharon in die Lager einrückten, um Säuglingen und Kleinkindern zu helfen. Dessen Armee hatte die 80.000 Flüchtlinge abgeriegelt und sie drei Tage lang umzingelt. Dann schickten die Angreifer christliche Falange-Einheiten vor, um Jagd auf "Terroristen" zu machen, zu denen man die Opfer des Terrors erklärt hatte.

So steht es um die Palästinenser und deren angestammte Heimat. Wer, wenn nicht wir, hat den Mut, Unrecht beim Namen zu nennen, auch wenn reflexartig das Stigma des Antisemitismus als einzige Erwiderung bleibt, derer sich die Helfer und Beschirmer des israelischen Unterdrückungsapparates bedienen. Wir sollten durch unseren unablässigen Protest dazu beitragen, daß in Palästina statt den Schüssen der Besatzer und Unterdrücker wieder Kinderlachen zu hören ist.

Joachim Augustin, Bockhorn (Friesland)

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Erklärung der Türkischen Kommunistischen Partei 1920

Ihr werdet Syrien nicht besiegen können!

Die imperialistischen Herren der Welt haben noch einmal nackte Gewalt angesagt. Wie der Wolf, der das Schaf fressen möchte, haben sie angekündigt, daß sie eine Militäroperation durchführen werden, "um Syrien zu bestrafen". Die internationalen kapitalistischen Medienmonopole sind sich ihrer Begabung, Gehirnwäsche zu betreiben, so sicher, daß sie sich nicht einmal darum kümmern, irgendwelche ausgedachten Beweise zu erfinden, um die Zerstörung eines unabhängigen und souveränen Staates zu rechtfertigen. Sie zeigen selbst denjenigen, die überhaupt nichts wahrhaben möchten, daß ihre Vorgehensweise weder mit Logik, Recht und Gerechtigkeit noch mit Zivilisation und Modernität zu tun hat.

Das Ziel der USA, Englands, Frankreichs und Deutschlands ist es, die ganze Welt von neuem zu kolonialisieren und zu versklaven, die Profite der Chefs der internationalen Banken und Holdings noch mehr zu steigern, und, um dieses Ziel zu erreichen, die Völker des Nahen Ostens zu zersplittern und zu verfeinden, um Israel als einzigen Wächter der Region noch mehr zu stärken. Warum ist Syrien das Ziel?

Das unabhängige, souveräne und progressive Syrien, daß das kolonialistische Frankreich vertrieb und durch eine antiimperialistisch-antifeudale Revolution der Kompradorenbourgeoisie und den Großgrundbesitzern ein Ende bereitete, ist das Rückgrat des Kampfes gegen Imperialismus und Zionismus in der Region. Es ist zugleich der beste Freund des palästinensischen und libanesischen Widerstandes, die Hochburg des Laizismus und der Aufklärung sowie ein Zufluchtsort für alle Unterdrückten.

Deswegen ist Syrien in das Visier der imperialistischen Tyrannen geraten, deswegen ist es der Hauptfeind des zionistischen und kolonialistischen Israel, deswegen ist es das Haßobjekt der anachronistischen Ölkönigreiche Saudi-Arabien und Katar; deswegen ist es der Feind der AKP Erdogans, die unter dem Befehl der NATO steht und Träumen von einem Osmanischen Reich nachjagt.

Die Imperialisten, welche seit zwei Jahren terroristische Banden, die der Muslimbruderschaft und Al-Quaida nahestehen, auf Syrien hetzten, wurden gezwungen, selbst aktiv zu werden, als sie sahen, daß ihre Knechte vor der Niederlage standen. Das Volk und die Armee Syriens haben den Stellvertreterkrieg, den der imperialistische Block durch fanatisch-religiöse Mörderbanden führt, überstanden. Deswegen wurden die USA, England, Frankreich und Deutschland aktiv. Da es die Knechte des Imperialismus nicht schafften, sind nun die Herren selbst an der Reihe. Aber auch sie werden, wie ihre Knechte, besiegt werden.

Der Führer des vaterländischen Verteidigungskrieges des syrischen Volkes, Baschar al-Assad, hat am 28. August folgende Worte an seine Generäle gerichtet: "Wie ihr wißt, haben wir seit dem Anfang der Krise darauf gewartet, daß der wahre Feind sein Gesicht zeigt. Ich weiß, daß eure Moral hoch ist und ihr bereit seid, jeden Angriff abzuwehren, was das Vaterland retten wird."

Vor den Augen der ganzen Welt greifen die westlichen Kolonialisten, die NATO, das zionistische Israel, die knechtenden Ölkönige, der Feind des Laizismus - die türkische AKP, die Muslimbruderschaft und Al-Quaida gemeinsam Syrien an.

Sie alle stehen vor einer großen Enttäuschung. Sie werden die Hiebe der Unterdrückten einstecken müssen.

Syrien ist bis heute der Zufluchtsort für alle unterdrückten Völker der Region und für Revolutionäre, die vor der Unterdrückung durch die Herrschenden fliehen müssen. Palästinenser, Libanesen, Iraker, Türken, Kurden, Armenier, Assyrer, Drusen, Iraner, Ägypter - die Revolutionäre aller Länder werden Syrien, das ihnen in ihrer schwärzesten Stunde Beistand leistete, nicht allein lassen.

Die Welt wird es sehen. Die USA und ihre Knechte werden Syrien nicht besiegen können. Syrien wird siegen, die Völker werden siegen!

Ankara, 29. August 2013
Türkische Kommunistische Partei 1920

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Katars Schlüsselrolle im schmutzigen Spiel

Der erste ausländische Staatschef, der zur Entsendung von Interventionstruppen nach Syrien aufrief, um das "Assad-Regime" zu stürzen, war der Emir von Katar. Das winzige Königreich am Golf verfügt über die drittgrößten Erdgasvorkommen des Planeten. Und noch ein Rekord: Auf die etwa 250.000 Staatsbürger Katars entfällt das - natürlich unterschiedlich verteilte - weltweit höchste Pro-Kopf-Einkommen.

Die Vereinigten Staaten unterhalten im mikroskopisch kleinen Mitteloststaat zwei Militärbasen von strategischer Bedeutung. Die Truppen des Pentagons schützen vor allem enorme Investitionen führender US-Konzerne. Auch für die BRD-Rüstungsfirmen erweist sich Katar als Goldgrube. So lieferte Krauss-Maffei-Wegmann bisher 62 Leopard-Kampfpanzer und 24 Panzerhaubitzen für 1,89 Mrd. Euro, die vor allem für Zwecke der inneren Repression in dem rechtsstaatlichen Prinzipien abholden und autokratisch regierten, auf Menschenrechte pfeifenden Königreich benötigt werden.

Eine besonders üble Rolle spielte Katar bei der Aggression gegen Libyen. Der Emir entsandte Kampfflugzeuge zur Unterstützung der NATO-Luftwaffenverbände. Seine US-trainierten Special Forces bewaffneten die von ihnen abgerichteten Bodentruppen der inneren Gegner Gaddafis und führten sie in den Kampf. Der Chef der dann in Tripolis etablierten "Übergangsregierung" Jalil erklärte später, Katar habe zwei Milliarden US-Dollar aufgeboten und damit eine Schlüsselrolle beim Sieg der "Libyschen Revolution" gespielt.

Warum dieser Aufwand getrieben wurde, läßt sich aus der Tatsache herleiten, daß die Direktinvestitionen Katars in Libyen mehr als 10 Milliarden US-Dollar betragen.

Übrigens stammt der überwiegende Teil des den syrischen "Rebellen" bereitgestellten Arsenals aus libyschen Altbeständen. Dort sind nach Gaddafis Sturz allein etwa 3000 Boden-Luft-Raketen "herrenlos" geworden. Etliche davon wurden - meist auf dem Weg über die Türkei - ebenso an die buntscheckige Truppe der syrischen "Freiheitshelden" weiterbefördert wie mindestens 70 Tonnen anderer Kampfmittel, die aus der einstigen Anti-Gaddafi-Hochburg Benghazi in drei Transporten auf den Weg gebracht worden sind.

RF, gestützt auf "The Guardian", Sydney

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René aus Kubas Kundschafter-Quintett kehrte heim

In der Höhle des Löwen

Die Solidarität der antiimperialistischen Weltöffentlichkeit und von 11 Millionen Kubanern hat die Heimkehr des ersten der Cuban Five in seine Heimat ermöglicht. Schon am 6. Mai suchte René González die US-Interessenvertretung in Havanna auf, um seinen Verzicht auf die amerikanische Staatsbürgerschaft zu erklären. Drei Tage später war dem heute 67jährigen, der als in Chicago Geborener automatisch US-Bürger war, die Entlassungsurkunde ausgehändigt worden.

Nach Verbüßung einer 15jährigen Freiheitsstrafe - die "bedingte Entlassung" erfolgte am 7. Oktober 2011 - hatte das Gericht gegen González einen mehrjährigen Zwangsaufenthalt in den Vereinigten Staaten verhängt. Ende März 2012 durfte er seinen todkranken Bruder Roberto besuchen und später zur Beisetzung des Vaters eine zweite Kubareise unternehmen. Die Richterin Joan Lenard gestattete ihm dort zu bleiben unter der Bedingung, daß er seine US-Staatsangehörigkeit aufzugeben bereit sei.

Welchen "Verbrechens" hatten sich René González und seine vier weiterhin in US-Haft befindlichen Kundschafter-Genossen schuldig gemacht?

Am 8. Dezember 1990 unternahm René seinen riskantesten Flug. Als er in Florida landete, ging der von ihm weisungsgemäß "gekidnappten" Maschine gerade das Benzin aus. Sein Auftrag bestand darin, die von Miami aus operierenden und für unzählige Anschläge auf kubanisches Territorium verantwortlichen Organisationen rechtsradikaler Exilkubaner auszuspähen, um deren Pläne durchkreuzen zu können. In Exklusiv-Interviews mit der Zeitung "Escambray" und Radio Sancti Spiritus gab René González nach seiner endgültigen Rückkehr in die Heimat präzise Auskünfte. Seine Eltern hätten in den USA einem Komitee "Gerechtigkeit für Kuba" angehört und sich nach der im April 1961 erfolgten Landung CIA-gelenkter Söldner in der Schweinebucht an Demonstrationen beteiligt. Dadurch zur Zielscheibe einer Haßkampagne geworden, seien sie aus Furcht vor Racheakten einige Monate später nach Kuba übergesiedelt. Er selbst aber habe Jahrzehnte später ganz andere "Pläne" verfolgt und sei in die USA zurückgekehrt. Seine Familie habe davon nichts wissen dürfen.

Nach der Landung in Boca Chica habe er schon bald im antikubanischen Hetzsender "Radio Martí" eine Erklärung abgegeben, mit der es ihm gelungen sei, das Vertrauen der Feinde Havannas zu gewinnen. Diese betrachte er als die unerfreulichste Aufgabe seines Lebens. Schon bald traf González mit Felix Rodriguez ("Katze") - dem Boß der Terrorgruppe "Hermanos al Rescate" - zusammen, der ihn in Kontakt mit der nicht minder anrüchigen "Pilotenvereinigung" CUPA brachte. Als ihm der Bandit vorgestellt wurde, ließ jemand aus dessen Begleitung die Worte fallen: "Das ist der Mann, der Che ermordete."

1991 gelang es René González, in die Organisation des Killers aufgenommen zu werden. Er begleitete die "Hermanos" (Brüder) sogar, als sie bei einem Flug über Havanna antikommunistische Traktate abwarfen. Nach seinen Gefühlen in einer solchen Situation befragt, antwortete González: "Ich mußte so handeln, um die eigenen Leute warnen zu können." "Hermanos al Rescate" sei die am besten ausgerüstete Truppe für psychologische Kriegführung gewesen, die er kennengelernt habe. Allerdings hätten sich die Terroristen insofern verkalkuliert, als ihre Rechnung, die Kubaner würden sich 1961 gegen Castro erheben, nicht aufgegangen sei. Als es Jahrzehnte später - 1994 - zu antisozialistischen Zusammenrottungen auf Havannas Uferpromenade Malecon gekommen sei, hätten sie sich bereits am Ziel gewähnt. Die Träume der "Hermanos" seien allerdings abermals zusammengebrochen, als die USA und Kuba dann Auswanderungsvereinbarungen trafen. Er sei auch in andere antikubanische Gruppierungen eingedrungen und habe sogar den streng geheim gehaltenen Aufenthaltsort des Spitzenterroristen Posada Carriles in Erfahrung bringen können.

Auf die Frage nach den Umständen seiner Verhaftung am 12. September 1998 antwortete René González: "Am Morgen trommelten sie an unsere Tür. Als ich öffnete, drangen sie sofort mit gezogener Waffe ein, warfen mich zu Boden und fesselten mich. Als Olguita - meine Frau - aus dem Schlafzimmer trat, wurde sie gegen eine Wand geschleudert. Dann fragten sie mich nach meinem Namen und ob ich zu den ,Hermanos al Rescate' gehörte."

Später - in den Korridoren des Justizgebäudes und im Gerichtssaal - sei ihm ein geradezu kannibalischer Haß entgegengeschlagen. Während des ersten Verhandlungstages habe er unter den Zuschauern Angehörige auszumachen versucht. Da sei plötzlich der Ruf "Daddy" zu ihm gedrungen. Seine Tochter Irmita habe in seiner Richtung den Daumen steil nach oben gehalten - die alte römische Geste für Freispruch. Seit diesem Augenblick habe er wieder durchatmen können.

Nach dem Urteilsspruch lernte René González die Maximum-Sicherheitsgefängnisse der US-Bundesstaaten Pennsylvania, South Carolina und Florida kennen. Tausende Briefe aus aller Welt hätten die Cuban Five erreicht - auch ihn. Sendungen aus Kuba seien plötzlich mit Briefmarken, die ihre Porträts trugen, frankiert gewesen. Selbst Wächter hätten sie daraufhin um ihre Unterschrift gebeten.

Auf dem 8. Kongreß der Organisation kubanischer Hochschulstudenten stellte der durchs Feuer gegangene Kundschafter der kubanischen Staatssicherheit den Bezug zum Heute und Morgen her. "Als Marxist akzeptiere ich die historische Tatsache, daß ich nicht mehr alles erleben werde, was ich erleben möchte", sagte González. "Einige Dinge, die ich sehen wollte, werdet erst Ihr wahrnehmen - aber Ihr müßt sie Euch schaffen." Er fügte hinzu: "Um unseren Sieg zu konsolidieren, um ihn sicher zu machen, müssen wir tiefgreifend forschen, die Wahrheit suchen, die Fehler der Geschichte genau betrachten, denn die Gestaltung des Sozialismus ist immer das Werk von Menschen, die nicht perfekt sind." Es gelte, Marx und Martí zu lesen - "die Werke jener Denker, die das Wesen der Phänomene tiefgreifend erkundet haben". Wie immer und überall rief René dazu auf, den Kampf für die Freilassung seiner vier tapferen Genossen zu verstärken.

RF, gestützt auf "Granma Internacional", Havanna, und "The Guardian", Sydney

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PTB: Der Sozialismus ist kein Kochbuch

Am 14. Oktober 2012 errang die Partei der Arbeit Belgiens (PTB/PvdA) einen spektakulären Erfolg. Europas am schnellsten wachsende marxistische Partei, der allein vom Wahltag bis zum März 2013 mehr als 2000 neue Genossen beigetreten sind - darunter nicht wenige in Belgien lebende Migranten aus Asien und Afrika - zählte zu diesem Zeitpunkt 6811 eingetragene Mitglieder. Über die beeindruckenden Resultate bei den Kommunal- und Provinzialwahlen - die PTB zog z. B. in die Distriktparlamente von acht der neun Antwerpener Stadtbezirke ein und konnte im 40 000 Einwohner zählenden Arbeiter- und Zuwanderer-Revier von Borgerhout bei einem Stimmenanteil von 17 % ihre erste gewählte Stadträtin beglückwünschen - haben wir den RF-Lesern seinerzeit ausführlich berichtet.

Worin aber liegen die Gründe für das außergewöhnliche Voranschreiten dieser in der Altersstruktur und ihrer Geschichte nach jungen Partei, die sich in die Tradition der belgischen Kommunisten gestellt hat? Besitzt sie eine Droge zur Massenverzauberung? Oder reden ihre Führer, wie es allerorts Opportunisten tun, den Leuten nach dem Mund?

Von all dem kann keine Rede sein. Die PTB liefert ein geradezu klassisches Beispiel dafür, wie die Verbindung von Prinzipienfestigkeit und Toleranz gegenüber Andersdenkenden aus dem linken Spektrum der Gesellschaft zum Erfolg führt.

Der noch junge, aber bereits hinreichend kampferfahrene und theoretisch hochbefähigte PTB-Vorsitzende Peter Mertens, dessen inzwischen auch im Mainzer Verlag André Thiele erschienenes Buch "Comment osent-ils?" (Wie können sie es wagen?) in Belgien buchstäblich über Nacht zu einem Bestseller wurde, hat in einem "Solidaire"-Interview zu Strategie und Taktik seiner Partei Rede und Antwort gestanden.

"Wo will die PTB hin, und was ist der Sozialismus, für den sie sich schlägt?" begann das spannende Frage- und Antwort-Spiel.

"Wir stehen vor enormen Herausforderungen. Es geht darum, jedem neuen Mitglied der stürmisch wachsenden PTB seinen Platz zu geben und zugleich die Organisation als marxistische Partei funktionsfähig zu halten", erwiderte Peter Mertens. Man dürfe nicht annehmen, daß Menschen allein auf Grund ihrer Unzufriedenheit automatisch nach links gedrängt würden. "Wenn wir den Tendenzen der weiter zunehmenden Rechtsentwicklung auch auf dem Gebiet der Ideen Einhalt gebieten wollen, brauchen wir eine echte Kraft, eine fest in den Massen verwurzelte Partei", stellte der PTB-Vorsitzende fest.

"Wir haben die Pflicht, nicht Zuschauer, sondern Akteure in dieser Gesellschaft zu sein." Die sich ständig vertiefende Systemkrise eröffne einen wachsenden Spielraum links von der Sozialdemokratie, die sich in Europa vollständig diskreditiert und an den Kapitalismus verkauft habe. Dieses Vakuum könne allerdings auf verschiedene Weise gefüllt werden. Die PTB nähere sich - was die Organisierung des Widerstandes und die Vision von einer ausbeutungsfreien Gesellschaft betreffe - am meisten der portugiesischen PCP.

Peter Mertens wich einer Bewertung der Rolle der durch die Konterrevolution zerstörten UdSSR und der anderen sozialistischen Staaten Europas nicht aus. "Wir verteidigen das Projekt einer sozialistischen Zukunft im 21. Jahrhundert", sagte er. Sollte man dabei die Erfahrungen des 20. Jahrhunderts über Bord werfen? Das sei intellektuell unredlich. Sowohl die UdSSR als auch China hätten sich aus unterentwickelten in moderne und produktive Länder verwandelt. Die Bevölkerung habe nie zuvor bestehende Möglichkeiten erhalten. Als Beispiel führte Peter Mertens das vorbildliche sowjetische Gesundheitswesen, die in den sozialistischen Staaten Europas verwirklichte Konzeption sozialer Sicherheit und das Volksbildungswesen der DDR an. Dessen eingehendes Studium habe Finnland bekanntlich in die Lage versetzt, heute zu den in dieser Hinsicht fortgeschrittensten Ländern Europas zu zählen. "Der finnische Bildungsminister sagte, das System seines Landes basiere zu großen Teilen auf den Erfahrungen des ostdeutschen polytechnischen Unterrichts", stellte Peter Mertens fest. "Oder nehmen wir die Emanzipation der Frauen - was für ein enormer Fortschritt!" In Kuba seien derzeit 65 % aller wissenschaftlich-technischen Kader weiblich!

Überdies werde die PTB niemals die Tatsache vergessen, in welchem Maße der Sozialismus zur Niederlage des Hitlerfaschismus beigetragen habe. "Wenn 27 Millionen sowjetische Menschen nicht ihr Leben geopfert hätten, sähe die Welt heute anders aus."

Alle positiven Seiten des Sozialismus im 20. Jahrhundert müßten auch für den Sozialismus im 21. Jahrhundert bewahrt werden, unterstrich der PTB-Vorsitzende. Andererseits wären die belgischen Marxisten schlecht beraten, wenn sie negative Erfahrungen der UdSSR und der übrigen sozialistischen Staaten Europas übernehmen würden. "Es gab Fehler, gravierende Fehler, die uns als Lektionen für die Zukunft dienen sollten", sagte Peter Mertens.

Auf die Frage, ob es zutreffe, daß sich die ursprünglich zu engeren Auffassungen tendierende PTB nach ihrem Parteitag im Jahre 2009 mehr geöffnet habe, weniger sektiererisch und weniger dogmatisch geworden sei, antwortete der belgische Arbeiterführer: "Wir wollen keine Partei sein, die sich nicht an Prinzipien hält. Wir haben nicht die Ambition, den Weg der Sozialdemokratie nachzuvollziehen, die lediglich gewisse Auswüchse des Kapitalismus beschneiden, aber an der Verwaltung des Systems selbst teilhaben möchte. Nein, wir sind eine marxistische Partei, die für eine moderne sozialistische Gesellschaft kämpft."

Die PTB müsse sich jedoch verändern und zu einer offenen Partei werden, in der sich jeder Werktätige wohl fühle. Es gehe um eine Partei ohne Dogmatismus. "Der Sozialismus ist kein Kochbuch, aus dem man erfahren kann, wieviel Gramm man hierfür und wieviel dafür braucht. Wir haben nicht für alle Probleme fertige Antworten ." Der PTB-Vorsitzende fügte hinzu: "Erforderlich ist eine Sprache ohne Ausrufungszeichen, ohne Jargon und - bitte schön - nicht ohne Humor."

Peter Mertens zog Bilanz: Man wäre blind, sähe man nicht, daß sich die PTB wirklich verändert hat.

RF, gestützt auf "Solidaire", Brüssel



Peter Mertens: Wie können sie es wagen?
Der Euro, die Krise und der große Raubzug.
Verlag André Thiele, Mainz 2013, 360 S., 19,90 €

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Gyula Thürmer gegen Bilderstürmer

Schon im November 2012 nahm das von halben und ganzen Faschisierern mit Rückhalt aus Brüssel dominierte ungarische Parlament ein die Reste bürgerlicher Demokratie weiter untergrabendes Gesetz an: Es verbietet die öffentliche Verwendung von Namen und Bezeichnungen, "die mit den autoritären Regimes des 20. Jahrhunderts verbunden sind". Dabei beschränken sich die Nachfolger Horthys auf die offen faschistische Diktatur Szalasis (Oktober 1944 bis April 1945) und die Zeit Volksungarns zwischen 1948 und 1990.

Bezeichnend für die ideologische Verfaßtheit der Gesetzgeber ist die Tatsache, daß die ab 1933 Hitler in die Hände spielende Herrschaft des Reichsverwesers Horthy, der schon kurz nach der Niederschlagung der ungarischen Räterepublik 1919 ans Ruder gelangt war und bis 1944 amtierte, von den Budapester Bilderstürmern bewußt ausgeklammert wurde. Ohne Zweifel geht es Regierungschef Orbán und seinem Klüngel allein um die Diskriminierung, Diskreditierung und Ausschaltung der ungarischen Kommunisten aus dem öffentlichen Leben der Donaurepublik.

Wie der Vorsitzende der bisherigen Ungarischen Kommunistischen Arbeiterpartei (UKAP), Genosse Gyula Thürmer, die französische Monatsschrift "Initiative Communiste" wissen ließ, hat das Regime der geistigen Nachfolger Horthys längst eine breite Schneise politischer Verwüstung geschlagen: Bisher wurden 43 Leninstraßen und 36 Karl-Marx-Straßen ihres unter der Volksmacht erworbenen Namens beraubt. Der Moskauer Platz in der Landeshauptstadt sowie 44 Straßen der Befreiung und 53 nach dem 1944 von der ungarischen Polizei erschossenen Antifaschisten Endre Sagvari benannte Straßen teilten dieses Schicksal.

Um sonst drohender Illegalisierung vorzubeugen, sah sich ein Außerordentlicher Kongreß der UKAP dazu genötigt, auf das "K" im Parteinamen vorerst zu verzichten. "Immer mehr Menschen erwachen aus ihrer Lethargie und erkennen, daß einzig und allein die kapitalistischen Regierungen für ihr derzeitiges Los verantwortlich sind. Sie honorieren zugleich die Tatsache, daß die ungarischen Kommunisten verläßlich auf seiten der Arbeitenden und um den Arbeitsplatz Gebrachten stehen", erklärte Gyula Thürmer.

Zur Bilanz des "ungarischen Wunders" gehört die Tatsache, daß derzeit rund 500.000 Menschen - 11 % der aktiven Bevölkerung - ohne Broterwerbsquelle sind. Junge Leute verlassen in Scharen das Land, in dem die Arbeitslosenrate bei unter 25jährigen derzeit mehr als 28 % beträgt.

Gyula Thürmer erklärte gegenüber "Initiative Communiste" auch, warum die UKAP bereits 2009 die Europäische Linkspartei wieder verlassen habe. "Wir wollen den Kapitalismus überwinden, die ELP aber will ihn verbessern. Wir gehen von den Positionen des Marxismus-Leninismus, der Theorie und Praxis des Klassenkampfes und dem proletarischen Internationalismus aus. Die ELP, der weder Portugals PCP noch Griechenlands KKE jemals beigetreten sind, steht bedauerlicherweise auf dem Boden des Reformismus."

Indem wir diese wichtigen Informationen an die RF-Leser weitergeben, übermitteln wir unseren ungarischen Genossen solidarische Grüße. Wir tun das in der Gewißheit, daß der Tag kommen wird, an dem die erzwungene Verstümmelung ihres Parteinamens nur noch eine Fußnote der Geschichte ist.

RF, gestützt auf "Initiative Communiste", Paris

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Schotten sich die Schotten ab?

In Schottland soll 2014 eine schon im Oktober 2012 zwischen dem britischen Premier Cameron und seinem Glasgower "Counterpart" Alex Salmond vereinbarte und von den Parlamenten in Westminster und Holyrood sanktionierte Volksabstimmung über ein weiteres Verbleiben dieses Landesteils im Vereinigten Königreich stattfinden. Bürgerlich-nationalistische Kräfte der schottischen Regierungspartei SNP suchen die Bevölkerung für eine Lostrennung von England zu gewinnen, wobei es nach jüngsten Meinungsumfragen bisher keine Mehrheit für diesen Plan gibt.

Zur Vorgeschichte: Als Schottland 1707 eine Union mit England einging, war es keineswegs dessen Kolonie. Es handelte sich auch nicht um einen Fall von Eroberung, sondern um einen durch die herrschenden Klassen beider Seiten vereinbarten Schritt. Die schottische Bourgeoisie erschloß sich durch ihre Partnerschaft mit ihren bereits wesentlich besser etablierten englischen Klassengenossen neue wichtige Kapitalquellen, während London einen potentiellen Konkurrenten rechtzeitig auszuschalten und ins eigene Boot zu ziehen vermochte. Unter kapitalistischen Vorzeichen waren also beide Seiten Gewinner. Anders als das rückständige Irland hatte Schottland eine äußerst stürmische Industrialisierungsperiode durchlaufen.

Heute ist die schottische Wirtschaft in die britische voll integriert. Dennoch streben nicht nur maßgebliche Kreise der in Glasgow am Ruder befindlichen Schottischen Nationalpartei (SNP), sondern auch linke und ultralinke Kräfte, die sich von einer "Souveränität" des Landesteils etwas erhoffen, die Eigenstaatlichkeit an. Die numerisch sehr kleine KP Schottlands, die ebenfalls solchen Vorstellungen folgt, sollte Lenins an einige Genossen gerichteten Rat in Erwägung ziehen: "Malt den Nationalismus nicht in roten Farben!"

Inzwischen haben Premierminister David Cameron und Schottlands 1. Minister Alex Salmond, ein Exbankier, die Wahlkommission akzeptiert, die bereits mit ihren Vorbereitungen für das erst in Jahresfrist stattfindende Referendum begonnen hat.

Übrigens genießen die Pläne der schottischen Nationalisten bei der Londoner Unionistischen Regierungskoalition aus Konservativen und Liberalen deshalb eine gewisse Sympathie, weil Schottlands Abtrennung zu einer wesentlichen Schwächung der Labour-Positionen im britischen Unterhaus führen würde.

In Mediendebatten spielt die Frage eine Rolle, ob ein unabhängiges Schottland der EU neu beitreten müsse und - wenn ja - ob es damit automatisch zur Eurozone gehöre. Nicht minder heftig wird die künftige NATO-Mitgliedschaft eines separaten schottischen Staates diskutiert. Dabei sondiert man die Frage, ob eine Regierung in Glasgow diese beibehalten könnte, auch wenn sie die Forderung aufrechterhalte, die U-Boot-Basis der U.S. Navy in Faslane zu schließen.

Am 24. Juni 2014 jährt sich der Tag zum 700. Mal, an dem schottische Truppen unter König Robert the Bruce die Engländer in der Schlacht von Bannockburn besiegten. Ein Jubiläum, das schon heute für Auftrieb bei den schottischen Nationalisten sorgt.

RF, gestützt auf "The Socialist Correspondent", Glasgow, und "The New Worker", London

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Unvergessener Henri Alleg

Schon am 18. Juli ist der Schriftsteller, Journalist und Klassenkämpfer Henri Alleg - eine Symbolgestalt für die Treue französischer Kommunisten zum Marxismus-Leninismus - gestorben. Er gehörte dem Nationalen Patenschafts-Komitee des Pols der Kommunistischen Wiedergeburt in Frankreich (PRCR) an und war Ehrenpräsident des Internationalen Komitees für Klassensolidarität. Dieses war in der Nachfolge des "Komitees Erich Honecker" entstanden, das sich als Reflex auf die Verfolgung und Einkerkerung des führenden DDR-Politikers formiert hatte.

Henri Alleg, der bis zu deren Verbot als Direktor der linken Tageszeitung "Alger Republicain" in den vordersten Reihen des antikolonialistischen Befreiungskampfes und der KP Algeriens gestanden hatte, war von der Soldateska der Unterdrücker des nordafrikanischen Volkes brutal verfolgt worden. Im Juni 1957 wurde er verhaftet und von Angehörigen der 10. Fallschirmjägerdivision des berüchtigten Generals Massu zusammen mit seinem dann ermordeten Genossen Maurice Audin, dessen Leichnam niemals gefunden wurde, grausam gefoltert. Über das Erlebte hatte Henri Alleg in seinem weltweit für Aufsehen sorgenden Buch "La Question", das 1958 sowohl in der DDR als auch in der BRD unter dem Titel "Die Folter" erschien, detailliert berichtet.

Nach dem Putsch gegen Ben Bella, der dem progressiven Kurs des unabhängig gewordenen Algerien ein Ende bereitete, erneut in Ungnade gefallen, lebte er seit 1965 wieder in Frankreich, wo er an hervorragender Stelle in der einst von Maurice Thorez, Marcel Cachin und Jacques Duclos zu hohem Ansehen geführten alten FKP tätig war. Als Generalsekretär der kommunistischen Tageszeitung "L' Humanité" erwarb er sich große Verdienste. Einer der hochkarätigsten linken Intellektuellen des Landes, zeichnete sich Henri Alleg durch Bescheidenheit, Schlagfertigkeit und einen außergewöhnlich feinen Sinn für Humor aus.

Seit Jahrzehnten aufs engste mit zahlreichen Freunden und Genossen in den sozialistischen Ländern verbunden, erschütterte ihn die dort zur Wiederherstellung früherer Macht- und Eigentumsverhältnisse führende Konterrevolution zutiefst. Ohne Zögern engagierte er sich für die Verteidigung durch die BRD-Rachejustiz Verfolgter - besonders auch für standhaft gebliebene DDR-Bürger wie Erich Honecker.

Als Frankreichs einst ruhmreiche FKP in den 90er Jahren von revisionistischen Kräften weitgehend kampfunfähig gemacht wurde, wahrte Henri Alleg den marxistischen Prinzipien und dem proletarischen Internationalismus unbeirrbar die Treue. Er engagierte sich in Zusammenschlüssen französischer Kommunisten außer- wie innerhalb der FKP, die nicht von der Fahne gegangen waren.

Wir, die wir in schweren und stürmischen Zeiten der Sache gleichermaßen treu geblieben sind, entbieten Henri Alleg einen letzten Gruß.

RF, gestützt auf "Initiative Communiste", Paris

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Australiens Kommunisten berieten in Sydney

Vom 4. bis 7. Oktober tagte in Sydney der 12. Nationalkongreß der CPA - der kampferprobten Partei australischer Kommunisten. Er bestätigte die zuvor landesweit von den Mitgliedern diskutierte Politische Resolution und wählte ein neues Zentralkomitee, das bis zum 13. Nationalkongreß in vier Jahren als höchstes Exekutivorgan der Partei amtieren wird.

Die CPA gehört zu jenen marxistisch-leninistischen Parteien, die allen Stürmen und Rückschlägen, von denen die internationale revolutionäre Arbeiterbewegung betroffen wurde, trotzend den Kampf fortgesetzt haben.

Nach Überwindung einer von rechtsopportunistischen Liquidatoren herbeigeführten schweren Krise zunächst als Sozialistische Partei Australiens unter dem unvergessenen Peter Symon neu formiert und später auch zum traditionellen Parteinamen zurückgekehrt, hat sich die CPA in ihrer langen und wechselvollen Geschichte als wahre Vorhut des bewußtesten Teils der Arbeiterklasse und anderer Werktätiger auf dem Fünften Kontinent erwiesen. Vor dem 12. Nationalkongreß hatte der bislang die südaustralische Parteiorganisation in der Hafenstadt Adelaide führende Bob Briton überdies die Aufgaben des Generalsekretärs wahrgenommen.

Dr. Hannah Middleton - sie erwarb ihre akademischen Meriten übrigens in der DDR - hatte aufgrund ernster gesundheitlicher Probleme vorzeitig aus dieser Funktion ausscheiden müssen.

Der RF beglückwünscht die australischen Kommunisten und deren uns eng verbundene Wochenzeitung "The Guardian" zum erfolgreichen Verlauf des 12. Nationalkongresses und wünscht der neuen CPA-Führung von Herzen Erfolg.

RF

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Briefmarken offenbaren den Charakter eines Staates

Philatelistische Visitenkarte der DDR (6)

Während das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe die Entschädigung von Angehörigen der Opfer des barbarischen Luftangriffs auf das serbische Städtchen Varvarin durch NATO-Flugzeuge, zu deren Verband auch Maschinen der Bundesluftwaffe gehörten, ohne Skrupel zurückwies, wurde im französischen Oradoursur-Glane eine rührselige Show in Szene gesetzt. Bundespräsident Joachim Gauck, dessen Vater ein hoher Nazi-Offizier war, schloß an der Stätte deutscher faschistischer Kriegsverbrechen den französischen Staatschef und Pseudo-Sozialdemokraten François Hollande tränenreich in die Arme.

Demgegenüber ehrte die DDR - der von Männern und Frauen des Widerstandes gegründete deutsche Staat des Friedens, der Völkerfreundschaft und des Antifaschismus - herausragende Persönlichkeiten des Kampfes gegen die Hitlertyrannei auch philatelistisch auf eindrucksvolle Weise. Dreimal - 1962, 1972 und 1982 - erinnerte ihr Ministerium für Post- und Fernmeldewesen durch graphisch einprägsam gestaltete Postwertzeichen an Georgi Dimitroff - den Helden von Leipzig -, der im Reichstagsbrandprozeß als bulgarischer Kommunist und späterer Generalsekretär der Komintern den in der Pose eines Anklägers auftretenden Hitler-Intimus Hermann Göring zum Angeklagten gemacht hatte. Solche Marken wären den postalisch Verantwortlichen des Staates der Globkes und Oberländers - schwerbelasteter Nazis im unmittelbaren Umfeld des ersten BRD-Kanzlers Konrad Adenauer - wohl kaum in den Sinn gekommen.

Der deutsche Kommunist und Held der Sowjetunion Dr. Richard Sorge, der Moskau als dessen Kundschafter in der Tokioter Nazibotschaft - ohne bei Stalin ein Echo zu finden - als erster über das Datum des bevorstehenden Überfalls auf die UdSSR unterrichtet hatte, erfuhr durch die DDR 1976 dieselbe Würdigung.

Die Deutsche Post ehrte mit ihren Editionen ermordete Antifaschisten vieler Länder Europas, darunter die französische Résistance-Kämpferin Danielle Casanova, den Tschechen Julius Fucik, dessen "Reportage unter dem Strang geschrieben" in aller Welt Verbreitung fand, die niederländische Studentin Johanna Janetje Schaft, den Generalsekretär der Polnischen Arbeiterpartei Pawel Finder, die sowjetische Partisanin Soja Kosmodemjanskaja, den belgischen Schriftsteller René Blieck, den österreichischen Wissenschaftler Alfred Klahr, den spanischen Arbeiterführer José Diaz, den ungarischen Parteijournalisten Julius Alpari und die sieben Brüder Cervi, die als italienische Partisanen allesamt ihr Leben geopfert hatten.

Die Frage, ob die BRD - der imperialistische deutsche Staat - wohl ähnliches zu bieten hat, erledigt sich von selbst. Der beschränkt sich auf die Verhöhnung der Opfer von Varvarin und theatralische Gesten eines in leeren Worthülsen geübten Politikasters mit Kanzelerfahrung.

Rainer Albert, Zwickau

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Werke des Holzschnittkünstlers HAP Grieshaber in der KZ-Gedenkstätte Osthofen

"Malgré tout - Trotz allem!"

Der Titel der bis zum 1. Dezember geöffneten Exposition, erklärte Maxime des Künstlers, erinnert an Liebknechts "Trotz alledem". Die Würdigung der Widerständigen zu Zeiten des Rückschritts - ob geschlagene aufständische Bauern im ausgehenden Mittelalter, KZ-Häftlinge in Buchenwald, Auschwitz und Neuengamme oder chilenische Anhänger Allendes nach dem Pinochet-Putsch 1973 - bestimmte maßgeblich das Schaffen Hans Andreas Paul (HAP) Grieshabers. Der 1908 geborene und 1981 verstorbene Künstler war Schriftsetzer, Typograph, Drucker, Holzschneider und Maler. Er gehörte zu jenen, welche unter Hitler mit Ausstellungsverbot belegt wurden. In der BRD stellte er sich bild- und wortgewaltig gegen die Kräfte der Reaktion. Mehrere seiner Projekte verwirklichte er gemeinsam mit namhaften Kunstschaffenden der DDR. Die HAP-Grieshaber-Ausstellung zeigt Ausschnitte des Werkes eines der bedeutendsten deutschen Holzschnittmeister des 20. Jahrhunderts. Im ehemaligen KZ Osthofen gewinnen seine Bilder gesteigerte Aussagekraft und Eindringlichkeit: Hier, an der Stätte faschistischen Terrors, fügen die sprechenden Wände ihre Botschaft den Blättern und Druckstöcken hinzu: "Trotz allem!"

Das Konzentrationslager bei Worms regte einst Anna Seghers zu ihrem später weltberühmten Roman "Das siebte Kreuz" an. Zwischen März 1933 und Juli 1934 diente das ehemalige Fabrikgelände im Hessischen vor allem zur Einschüchterung von Kommunisten, Sozialdemokraten und Gewerkschaftern. Durchgesetzt nach beharrlichen Mühen, wurde die Anlage 1976 zur Gedenkstätte KZ Osthofen.

Beim Eintritt in die Räume, die einst der Unterbringung von SS-Wachmannschaften dienten, erblickt der Besucher zuerst das fast fünf Meter lange Triptychon "Weltgericht". Grieshaber - Akademiemitglied, Hochschulprofessor und Träger vieler internationaler Kunstpreise - schuf das dreiteilige Bild 1970 als Auftragsarbeit für den Sitzungssaal eines Bundestagsausschusses. Markant und überlebensgroß ragen die Figuren der Eva und des Adam auf den originalen Reliefs der Holzdruckstöcke empor. Schwarz von Druckfarbe und seitenverkehrt stehen sie wie ratlos links und rechts neben dem als Kopie eingefügten Mittelteil. Hier beherrschen ein Atompilz und die Menschengestalt des Weltenrichters das Großformat. Im Augenblick der Vernichtung sind die Schöpfungen der Erde, der Luft und des Wassers noch gegenwärtig und füllen die Bildfläche dicht gedrängt. Die gemaserte Spur des organischen Werkstoffes auf dem rauhen Papier scheint von Wäldern und von menschlichem Fleiß zu sprechen. Unverkennbar in der Formsprache ist der starke Einfluß Pablo Picassos.

Ein weiteres dreigeteiltes großformatiges Bildwerk widmete Grieshaber 1973 dem Deutschen Bauernkrieg: "Die Vierteilung Jerg Ratgebs, 1526". Diese Arbeit schuf der Holzschneider für den Rathaussaal in Pforzheim. Der Geburtsstadt des hingerichteten Kriegsrates der Aufständischen, des großen Renaissance-Malers Jerg Ratgeb - Schwabe wie Grieshaber - "wollte (... der nachgeborene Künstler) die Erinnerung daran, daß in ihrer Stadt Jerg Ratgeb so brutal umgebracht wurde, (... ) nicht ersparen", erfährt man im Ausstellungskatalog. Grieshabers Holzschnitt-Technik nimmt die Druckkunst-Tradition der Jerg-Ratgeb- und Albrecht-Dürer-Zeit auf und verjüngt sie. Im Zentrum befindet sich die Darstellung der Richtstätte mit Pferdekörpern, Wagenstangen und verrenkten Menschengliedern. Die Gesichter aller - ob Henkersknecht, Zugpferd oder Opfer - ähneln sich in grauenhafter Verzerrung. Links und rechts stehen Tafeln mit je einem Männerkopf vor schwarzen Flammen: Der Ritter, der 1525 wider das Bauernheer zog, und der Weltkriegssoldat des 20. Jahrhunderts - auch sie ähneln einander mit eisernem Helm, der den Mund verschließt und vom Antlitz nur ein starres Augenpaar erkennen läßt. Die "Revolution des gemeinen Mannes" gegen Entrechtung und soziale Verelendung sah Grieshaber als den Beginn der europäischen Freiheitsbewegungen - und war damit in der Bundesrepublik einer der wenigen, die diese Klassenkämpfe 450 Jahre später würdigten und deren Bedeutung bewußtmachten.

Holzschnitt ist eine Technik, die zur äußersten Konzentration in der Form zwingt: Das Werkzeug dringt dabei in den einst lebendigen Stoff, der seine Eigengesetzlichkeit der Druckfläche überträgt. Grieshaber hat seinen liniendurchfurchten Bildzeichen in Holz große, oft saalwandfüllende Formate und starke Farben gegeben. Daß seine vier Triptychen in Osthofen versammelt sind, sei eine Weltpremiere, sagen die Veranstalter. "Afrikanische Passion" (1960) und "Kongo-Triptychon (1961) sind Kommentare des Künstlers zu den Befreiungsbewegungen in der Dritten Welt. Starke Rot- und Orange-Töne hinter dem Druckschwarz der lebensfroh tanzenden Gestalten. Fast ist der Rhythmus der Trommel zu hören! Doch sein "Raketenmensch" in ihrer Mitte kündet mit maskenhaften Zügen von bedrohlicher Aufrüstung.

Von den insgesamt 23 in Osthofen ausgestellten Werken Grieshabers und acht weiteren, in Vitrinen zu betrachtenden Arbeiten gemahnen insbesondere vier äußerst formkonzentrierte Blätter aus der Mappe "56.000 Buchenwald" (1977) an den besonderen Ort. Darunter eines mit dem Titel "Vasso auf Jaros". Wieder holt der Künstler die Geschichte, hier die des KZ Buchenwald, in seine damalige Gegenwart. Er verweist auf die KZ-Insel in der Ägäis, wo die griechischen Obristen politische Gegner wie Vassos, einen Freund des Künstlers, inhaftierten und folterten.

Die Buchenwald-Mappe ließ Grieshaber bewußt in Leipzig herausgeben. Auch Fritz Cremer und Herbert Sandberg waren darin mit Grafiken vertreten; Franz Fühmann und Stephan Hermlin schrieben Texte.

Ein schlichtes, plakatives Blatt in Blau auf holzfaserhaltigem Werkdruckpapier rüttelt an Verstand und Sinnen: "Gefesselte Taube", geschnitten 1950, ist wieder kriegsbrandaktuell. Das Plakat aus demselben Entstehungsjahr mit dem Porträt einer koreanischen Mutter, Mund und Augen in Trauer verengt, ist das Motiv der Ausstellung: "Malgré tout - Trotz allem!"

Marianne Walz

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Nichts hören, nichts sehen, nichts sagen

Die Karten liegen jetzt offen auf dem Tisch: In der BRD wurde mit Unterstützung der Innenminister und der Spitzen des DSB und des NOK, die vor Jahren noch getrennt waren, flächendeckend gedopt. Und dies seit 1949.

Prof. Reindell hat dazu bereits 1950 eine Studie erarbeitet, die als Grundlage für die Einführung des Staatsdopings diente. Die jetzige Offenbarung trägt den Titel: "Doping in Deutschland von 1950 bis heute aus historisch-soziologischer Sicht im Kontext ethischer Legimitation". Allerdings war der Zwischenbericht von 2012 umfassender als das nun vom Bundesinstitut für Sportwissenschaft vorgestellte Resümee: Einiges unterliegt dem "Datenschutz", anderes fiel dem Reißwolf zum Opfer. Die Verantwortlichen (Innenminister wie DOSB-Präsidenten) können sich an nichts mehr erinnern.

Also helfen wir nach: "Wenn es nicht schadet, soll man auch das Bestmöglichste unseren Sportlern angedeihen lassen", hatte Schäuble erklärt. Und Genscher forderte: "Medaillen, koste es, was es wolle."

Spitzenathleten der BRD wie Heidi Schüller oder Manfred Ommer bezweifeln auch die Glaubwürdigkeit von Thomas Bach. In dessen aktiver Zeit sei Doping nie ein Thema gewesen, erklärte dieser. Bach war 1984 bei den Spielen in Montreal aktiver Fechter. Dort setzten die BRD-Olympiaärzte den Aktiven 1400 "Aufbauspritzen".

"Freiburg war das Paradies für die Athleten, das waren richtige Pilgerfahrten", erklärte Manfred Ommer zum Doping-Mekka.

Da fragt man sich unwillkürlich: Wenn die Innenminister Genscher, Maihofer und Schäuble sowie die noch lebenden Sportpräsidenten von Richthofen und Bach - dieser hat ja inzwischen den Olymp erklommen - von nichts wußten, dann heucheln sie entweder oder haben keinen Bezug zu ihrem Leistungssport. Vermutlich trifft beides zu.

Das Institut für Sportwissenschaft ist bekanntlich eine Behörde des Bundes. Deshalb müßten seine Akten im Koblenzer Bundesarchiv verwahrt werden. Dort gibt es aber nur ganze 62 Seiten. Wo sind denn die restlichen Unterlagen des Instituts geblieben? Hat man sie etwa vernichtet?

Wann endlich bekennt man sich zum Mißbrauch von Medikamenten? Immerhin hat die BRD auf dieser Strecke fünf Tote zu beklagen. Und warum unterdrückte man die Wahrheit so lange?

Die Antwort gab der schon 1910 gestorbene amerikanische Schriftsteller Mark Twain: "Eine Lüge ist dreimal um die Erde gelaufen, bevor sich die Wahrheit die Schuhe anzieht."

Erhard Richter

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Ein Übersiedler aus der BRD zum DDR-Sport

Als Arbeitsloser aus der BRD in die DDR gekommen, konnte ich durchaus verstehen, daß der in diplomatischer Hinsicht zunächst weitgehend isolierte andere deutsche Staat danach trachtete, internationales Ansehen durch den Sport zu gewinnen.

Die Reibereien nicht nur zwischen den Sportverbänden beider Staaten trugen aus meiner Sicht teilweise schizophrene Züge. Bei der Aufstellung einer gesamtdeutschen Olympiamannschaft war nach der Einführung des Hammer-Zirkel-Ährenkranz-Emblems auf der DDR-Staatsflagge ein zusätzlicher Konfliktstoff entstanden.

Am 4. November 1959 erließ das Bundesinnenministerium ein Verbot des Zeigens der "Sowjetzonen-Flagge", das als Störung der öffentlichen Ordnung dargestellt wurde. Hinzu kamen die Verweigerung des Auftretens westdeutscher Athleten in der DDR sowie Einreiseverbote für deren Sportler in die BRD. Zum Reigen der Intrigen gehörten Anschuldigungen, DDR-Turner hätten Sportgeräte manipuliert, denen schon bald erste Dopingvorwürfe folgten. Das Ganze gipfelte dann in der Ausgrenzung von Aktiven und Sportfunktionären aus der DDR.

Welchen Wert sie der Sportbewegung mit dem Breitensport im Zentrum beimaß, war in der Verfassung und im Arbeitsrecht der DDR festgelegt. Dabei handelte es sich nicht um leere Worte. Vom Schulsport über Betriebssportfeste, Spartakiaden aller Art bis zur Talenteschmiede für Spitzenleistungen genoß der Amateursport allzeit eine umfassende Förderung durch den Staat. Profi-Sportler kannte die DDR hingegen nicht.

Bei der Leichtathletik-EM, die im September 1990 in Split stattfand, konnten die Athleten aus der Noch-DDR ein letztes Mal den Ruf ihrer Sportnation unter Beweis stellen, während die BRD-Sportler wegen ihres schlechten Abschneidens von der eigenen Presse mit Häme bedacht wurden.

Auch in der Zeit nach dem Anschluß der DDR an die BRD entfiel bei Olympischen Spielen, Welt- und Europameisterschaften zunächst ein hoher deutscher Medaillenanteil auf Athleten, die noch in der DDR ausgebildet worden waren.

Als ich seinerzeit aus dem Westen in die DDR übersiedelte, nahm ich schon bald die enorme Begeisterung von Millionen bei der Friedensfahrt wahr. Die sportlichen Erfolge stärkten das Selbstbewußtsein der DDR-Bürger wie das internationale Prestige ihres Staates.

Nach dem Untergang der DDR und ihrer Sportförderung erodierte die deutsche Körperkultur sichtbar und verkam immer mehr zum Profi-"Sport" à la Formel 1. Um von alldem abzulenken, suchten die Medien jahrzehntelang den Sportlern und Sportfunktionären der DDR in Sachen Doping den Schwarzen Peter zuzuschieben und eigene diesbezügliche Aktivitäten zu verschleiern. Die Tatsache, daß auch gesundheitliche Schäden bei einigen Aktiven in Kauf genommen wurden, ist sicher nicht zu rechtfertigen.

Nun hat eine Studie der Humboldt-Universität mit der unablässig strapazierten Lüge aufgeräumt, die BRD habe mit alldem nichts zu tun gehabt. Es stellte sich heraus, daß dort systematisches Doping seit Staatsgründung Trumpf war. Die an der Studie beteiligten Wissenschaftler fürchten aber bereits Klagen und fordern deshalb Rechtsschutz.

Der Mohr "DDR" hat seine Schuldigkeit getan und kann fortan nicht mehr als "abschreckendes Beispiel" benutzt werden, um die eigenen schmutzigen Hände blitzsauber erscheinen zu lassen.

Dipl.-Ing. Hermann Ziegenbalg, Riesa-Weida

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Griff in die literarische Schatztruhe (13. Teil)

Einst erfolgreiche DDR-Autoren dem Vergessen entreißen

Auguste Lazar zählt wie Alex Wedding, Berta Lask und Max Zimmering zu den namhaften Wegbereitern der proletarischen Kinderliteratur. Sie wurde am 12. September 1887 in einer bürgerlich-liberalen Wiener Familie geboren. In ihrer Heimatstadt studierte sie Literaturwissenschaft, promovierte 1919 und wurde Lehrerin. Sie heiratete den Mathematikprofessor Karl Wieghardt, der nach Dresden berufen wurde, wo sie Kontakt zu Hans und Lea Grundig, Victor und Eva Klemperer, Fritz Schulze und Eva Knabe fand. In seinem Buch "Zwischen Karneval und Aschermittwoch" bemerkte Hans Grundig: "Die Gusti war ein gelehrter Doktor der Literatur, aber keinesfalls ein verstaubtes Bücherbrett, das nutzlos seine Tage verbrachte." 1959 schuf Lea Grundig ein Porträt Auguste Wieghardt-Lazars, dem 1967 eine Tuschzeichnung folgte.

Lazar wurde mit ihrem Erstling "Sally Bleistift in Amerika" (1935), den zuerst Sandor Ek und danach Karl Erich Müller illustrierten, weltberühmt. Den Kinderbuch-Klassiker durchdrang der Gedanke der Solidarität mit allen Ausgebeuteten. 1939 ging Auguste Lazar ins britische Exil, aus dem sie erst zehn Jahre später zurückkehren konnte.

Ihr zweites Buch "Jan auf der Zille" entstand 1934/35 und erschien 1950 in der DDR. Darin erzählt sie die Geschichte eines tschechischen Jungen, der am antifaschistischen Widerstand teilnahm und dabei in lebensbedrohliche Situationen geriet. Helmut Dziuba verfilmte den Stoff 1988 mit Peter Sodann.

Nach ihrer Rückkehr begann für Auguste Lazar eine besonders schöpferische Phase. Sie schrieb Kinderbücher wie "Bootsmann Sibylle" (1950, illustriert von Hans Baltzer), "Der neue Däumling" (1954), "Jura in der Leninhütte" (1960, illustriert von Sandor Ek), "Die Schreckensherrschaft und das Glück der Anette Martin" (1961), "Die Brücke von Weißensand" (1965, illustriert von Lea Grundig), "Kampf um Kathi" (1967) und "Akelei und das Wurzelmännchen" (1970). Anläßlich ihres 90. Geburtstages brachte der Kinderbuchverlag "Sally Bleistift in Amerika" und "Die Brücke von Weißensand" in einem Band heraus. Stationen ihres Lebens schilderte Auguste Lazar in dem Bekenntnisbuch "Arabesken. Aufzeichnungen aus bewegter Zeit" (1957). Eindringlich berichtet sie von dem in Agonie liegenden Wien nach dem ersten Weltkrieg, Dresden im Würgegriff des Faschismus und London unter dem Geheul der Sirenen.

Phantastische und zugleich nüchterne Bilder schuf Auguste Lazar in "Schach dem König" (1964). Als Nichthistorikerin wandte sie sich hier gegen Fehldarstellungen der Französischen Revolution.

Die vielseitige Literatin starb am 7. April 1970 in Dresden. Sie hatte vielen jungen Autoren mit Rat und Tat zur Seite gestanden. Jurij Brézan schrieb über sie: "Es gibt wohl kaum einen Autor in und um Dresden, der ihr nicht Wesentliches verdankte." Rudolf Hirsch bezeichnete sie als "die zauberhafteste, strengste und charmanteste, aufrichtigste Freundin bis zu ihrem letzten Tag".

Theo Harych wurde, wie er selbst vermerkte, "als fünfter unnützer Fresser" am 19. Dezember 1903 im heutigen Doruchów (Provinz Posen) geboren. Er besuchte die einklassige Volksschule. Der Vater - ein Trinker - verdingte ihn frühzeitig bei einem brutalen Großbauern, da dieser jährlich acht Taler für täglich sechzehn Stunden Arbeit zahlte. Als Hütejunge und Knecht lernte Harych das harte Leben eines Häuslerkindes "hinter den Bergen" kennen. Knapp sechzehn, floh er von Hause, da er von einem "Paradies auf Erden" gehört hatte, ins Geiseltal bei Merseburg - das anhaltinische Braunkohlenrevier. Das "Paradies" entpuppte sich bald als eine weitere Hölle. "Ehrliche, im Kampf um ihr Recht erprobte Arbeiter, zeigten dem Armeleutekind den Weg", schrieb er.

1921 beteiligte sich Harych am mitteldeutschen Aufstand, wofür er ins Gefängnis kam. Er verfaßte "Brandbriefe", Kurzgeschichten und Gedichte, die niemand drucken wollte. Seit 1926 arbeitete er als Kraftfahrer in Berlin.

1949 las er den Appell "Schreib das auf, Kumpel!" und sandte zwei seiner Geschichten an den Verlag Volk und Welt. Er erhielt von diesem eine finanzielle Beihilfe. 1951 erschien sein Erstling "Hinter den schwarzen Wäldern. Die Geschichte einer Kindheit". Der Rapport seines entbehrungsreichen Lebens fand starke Resonanz. Es folgten sein Kinderbuch "Bärbels und Lothars schönster Tag" und der Roman "Im Geiseltal" (beide 1952). Hier waren Bergarbeiter seine Helden. Die Handlung, zu der erregende Passagen gehören, spielte in der Zeit bis 1921. 1954 wurde er mit dem Heinrich-Mann-Preis ausgezeichnet. Im Jahre 1958 legte Harych den Roman "Im Namen des Volkes" vor (von Carl Balhaus 1961 unter dem Titel "Mord ohne Sühne" verfilmt), in dem er sich mit dem Justizmord an dem polnischen Landarbeiter Jakubowski beschäftigte.

Am 22. Februar 1958 wählte Harych nach langer Krankheit den Freitod.

Seine beiden ersten Romane erschienen 1974/75 als zweibändige Werkausgabe im Mitteldeutschen Verlag. Sie waren - wie Martin Reso schrieb - "nicht nur eine dichterische Abrechnung mit der qualvoll freudlosen Jugend, sondern auch ein lebendiges Zeugnis der Menschwerdung, frei von Illusionen, trotz der Schwere des Schicksals nicht ohne Optimismus".

Dieter Fechner

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Was Archie unter Lebensqualität versteht

Manchmal, besonders an Feiertagen, grübelt Archie über Begriffe wie Lebensniveau nach. Dann sucht er am Bildschirm nach einer besinnlichen Sendung klassischer Musik oder nach einem niveauvollen Fernsehspiel, findet aber nur wenig oder gar nichts davon. Die Programme der Privatsender betrachtet er vorwiegend als fade bis trivial oder krawallig und klamaukhaft, von wenigen Ausnahmen abgesehen. Die neue Berufsgruppe der sogenannten Comedians produziert sich immer flauer und flacher. Meist zerlatschen sie ihre eigenen Pointen, setzen sich drauf, wenn überhaupt welche da sind. Ein Riesen-Publikum kreischt schenkelklatschend schon beim Erscheinen dieser Möchtegern-Komiker, unbegreiflich für Archie, wobei er zugesteht, daß es bisweilen auch echt Humoriges gibt. Wirklich Interessantes oder Sehenswertes kommt allerdings meist erst um Mitternacht.

Beim Zappen geriet Archie schon vor Jahren in eine Art Kasperle-Theater: Ein Pfarrer interviewte den anderen. Beide ähnelten aus Holz geschnitzten Marionetten. Der eine von ihnen war schon vor Jahren zum ZDF-Journalisten mutiert, gab sich aber immer noch hahnig-pastoral, der andere galt in früheren Jahren bei eingeweihten Kreisen als McCarthy der BRD. Nun spielte er die Rolle eines von der SPD und den Grünen ins Rennen geschickten Präsidentschaftskandidaten, was nicht nur Archie schon damals als schizophren empfand. "McCarthy" rutschte beim ersten Anlauf hinten runter, weil da Merkels CDU noch nicht mit im Boot war. Später erpreßte sie dann ihr seinerzeitiger Koalitionspartner FDP.

Die beiden Expfarrer stellten im Interview, das irgendwie in Archies Gedächtnis haftet, die BRD als schönste aller Welten mit der höchstmöglichen Lebensqualität dar. Da war von Bankenkrächen, S-Bahn-Chaos und Kinderarmut, von Hartz-IV-Prozessen ohne Ende und immer neuen Dioxin-Skandalen, von Giftmüll-Futter für Schweine und Hühner natürlich keine Rede. Alles wurde in Seidenpapier eingewickelt.

Archies älteste Enkelin meinte nur: "Ganz schön heftig, eh, die beiden, wo leben wir denn eigentlich, kraß, eh." Der vor sich hin salbadernde Fast-Präsident - seine Sternstunde kam erst später - behauptete mit milder Kanzelstimme, die hie und da zu beobachtende Politikverdrossenheit sei ganz leicht zu beheben. Man müsse nur einen Blick ins Ausland werfen, wo alles doch in puncto Lebensqualität weit schlimmer sei. Ein seltsames Argument. Aber so sind sie halt, die Sonntagsprediger a. D. unter sich.

Da geht es Archie durch den Kopf, was für einen durchschnittlichen Arbeiter oder kleinen Angestellten - von der Wiege bis zur Bahre - eigentlich unter Lebensqualität zu verstehen ist. Das Thema eignet sich für eine Volksbefragung, am besten anonym, damit keiner um seinen Broterwerb zittern muß, wenn er überhaupt einen Job hat. Leider sind Volksbefragungen ja im Grundgesetz nicht vorgesehen.

Echte Lebensqualität kann jedenfalls dort niemals entstehen, wo Existenzangst mit im Spiel ist oder Altersarmut droht. Bis zum Ende aller Tage lediglich dahinzuvegetieren oder dem Nachwuchs nicht das bieten zu können, was über Kinderarmut hinausgeht, hat mit normalem Leben nichts zu tun, mit Qualität noch weniger. Ist die Lebensqualität großer Gruppen der Gesellschaft dauerhaft bedroht, werden aus den Gut-Bürgern mit der Zeit Mut-Bürger und schließlich Wut-Bürger. Sie fahren aus der Haut, rufen andere zum Protest auf oder demonstrieren sogar im Bankenviertel von Frankfurt am Main. Drehen die auf die Palme gebrachten Wut-Bürger aber stärker an der Schraube, können sie das ganze System in Schwierigkeiten bringen.

Ein Paradebeispiel für gesunkene Lebensqualität in der Hauptstadt ist übrigens der jammervolle Niedergang der Berliner S-Bahn. Damals, zu DDR-Zeiten, als das Normal-Ticket noch 20 Pfennig kostete, fuhren die Züge merkwürdigerweise auch im Winter verläßlich. Jetzt - für den Nahverkehrs-Fahrschein muß man mehr als den Preis eines Brotes berappen - werden die Passagiere mit immer den gleichen Sprüchen und Ausflüchten von Senat und Bundesbahn abgespeist. Profit und Dividende rangieren weit vor den Bedürfnissen der Bevölkerung. Heiliges Kanonenrohr! denkt Archie, was sich die Leute so alles bieten lassen! Warum trinken sie denn auch noch von dem Kakao, durch den man sie zieht?

Angesichts dessen ist es wirkl ich schwer, keine Satire zu schreiben. Aber dafür haben ja die beiden eingangs erwähnten geistlichen Herren a. D. gesorgt, über deren groteskes Salbadern zum Thema Lebensqualität man sich eigentlich nur totlachen konnte.

Manfred Hocke


Bildunterschrift der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildung der Originalpublikation:

Sternstunde der Heuchelei: Peter Hahnes einstiger Talk-Partner trat einmal mehr im falschen Film auf. Als Seelentröster des Vaters eines von deutschen NSU-Faschisten ermordeten türkischen Imbiß-Besitzers vergoß er Krokodilstränen.

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Leserbriefe an RotFuchs

Eure Wünsche zu meinem 85. Geburtstag sind mir sehr teuer. An jenem Tag dachte ich an meinen russischen Vater Nikolai, der die Revolution 1917/18 in Petrograd miterlebte. Nachdem er die Technische Hochschule in Saratow besucht hatte, ging er zunächst nach Sibirien, um Geld zu verdienen. Nach einer Kriegsverwundung schickte man ihn als Instrukteur in die Traktor-Schule von Zarskoje Selo - das spätere Puschkino. Von dort aus fuhr er mit seinen Kollegen allabendlich nach Petrograd, um die Redner der Revolution zu hören.
Ich erinnere mich an seinen Vergleich zwischen Lenin und Trotzki. Während Lenin in kurzen klaren Sätzen gesprochen habe, so daß ihn jeder leicht verstehen konnte, sei Trotzki zwar ein begnadeter Redner gewesen, der die Massen aufzuputschen vermochte, ohne daß man hinterher wiederholen konnte, was er eigentlich gesagt hatte.
Mein Vater gehörte zu den ersten 10.000 Mitgliedern der KPR, die später ein goldenes Parteibuch erhielten. Er wurde zunächst auf einen hohen Posten der 6. Roten Armee im Kaukasus gestellt und später, als Kriegskommissar Trotzki seinen Vertrauten sämtliche Spitzenämter übertrug, nach Sibirien versetzt.
Seine Frau, eine Lettin, wollte angesichts der schweren Erkrankung ihres Kleinkindes und fehlender ärztlicher Hilfe nach Riga zurückkehren. So verließen beide Rußland 1922. Die Ehe zerbrach, denn plötzlich war Nikolai nichts anderes mehr als ein armer Emigrant.
Nikolai heiratete dann meine Mutter, eine Balten-Deutsche, die gut Russisch sprach. 1928 kam ich zur Welt.
Heute ruhen meine Hoffnungen auf Euch - auf den Erben der DDR. Wir alle sind den Schöpfern und Gestaltern des "RotFuchs" zu tiefstem Dank verpflichtet, haben sie doch den einzig richtigen Weg eingeschlagen. Die Zeitschrift ist zum Sammelpunkt von Sozialisten und Kommunisten geworden, ohne sich in endlosen ideologischen Streitereien zu verlieren.

Dr. Vera Butler, Melbourne


Unlängst habe ich Bernd Fischers Buch "Der Große Bruder" erhalten und es gleich mit lebhaftem Interesse gelesen. Dabei wurde ich in längst vergangene Zeiten meiner Tätigkeit in der DDR und zu meinen alten Freunden zurückversetzt. Dieses Buch ist die erste wirklich gründliche Darstellung des Entstehens und der Entwicklung einer langjährigen, äußerst engen Zusammenarbeit zwischen den Aufklärungsorganen der UdSSR und der DDR. Bernd Fischer vermochte nicht nur ein objektives Bild der wirklich brüderlichen Zusammenarbeit zu vermitteln, sondern auch den Geist der Arbeitsatmosphäre zwischen Mitarbeitern beider Dienste zu schildern.
Die DDR-Aufklärung war einer der effektivsten Nachrichtendienste der Welt. Die hochwertigen Informationen der HVA des MfS - z. B. über aggressive NATO-Pläne und die Wiederaufrüstung der BRD - waren von größter Bedeutung für die UdSSR und das gesamte sozialistische Lager. Die Einschätzung des Chefs der sowjetischen Aufklärung W. A. Krjutschkow trifft völlig zu: "Die DDR-Aufklärung hat für uns weit mehr getan ..."
Ich habe natürlich, lieber Klaus, auch Deinen Artikel im Februar-"RotFuchs" über das Fischer-Buch gelesen und bin mit Dir völlig einer Meinung. Mich beunruhigt Dein Gesundheitszustand, und ich möchte hoffen, daß Du auch in diesem Fall der Sieger sein wirst.
Als Sekretär der Vereinigung ehemaliger Kundschafter der UdSSR übermittle ich Euch freundschaftliche Kampfesgrüße.

Oberst a. D. Vitali Korotkow, Moskau


Ich hörte förmlich Obama und seinesgleichen mit den Hufen scharren, wann es denn in Syrien endlich losgehen könne. Bei meiner Meinungsbildung half mir der September-RF sehr. Hut ab vor dem britischen Unterhaus, dessen mehrheitliche Absage an einen Überfall sicher nicht aus reiner Menschenfreundlichkeit geschehen sein dürfte. Manche von jenen aus dem Osten, welche wie Angela Merkel in der BRD etwas geworden sind, haben, als sie in der DDR aufwuchsen, sicher auch voller Inbrunst gesungen "... daß nie eine Mutter mehr ihren Sohn beweint!" Heute müssen in Syrien und anderswo unzählige Mütter ihre Söhne beweinen.
Die systematische Verteufelung Putins läßt erkennen, daß er offensichtlich nicht so mitspielt, wie sich das der Friedensnobelpreisträger wünscht. Für mich ist es ein Beweis, daß der russische Präsident - zumindest in dieser Frage - Stehvermögen besitzt. Würden ihn seine Feinde wegen Syrien loben, hätte er bestimmt etwas falsch gemacht.

Marianne Wuschko, Hoyerswerda


Meine Meinung zu zwei Beiträgen der Septemberausgabe des RF: Die Feststellungen Torsten Scharmanns zur "Russen-Phobie" teile ich voll und ganz. Mein Beruf brachte es mit sich, daß ich in Moskau u. a. zwei Akademien absolvieren durfte und dann in meiner Leipziger Dienststellung enge Beziehungen der Waffenbrüderschaft mit dem belorussischen Militärbezirk pflegte. Während des Studiums besuchten wir auch das Schlachtfeld bei Borodino, wo einst die russische Armee der napoleonischen widerstand. Bezeichnenderweise hatten Einheiten der faschistischen Wehrmacht in dem dieser Schlacht gewidmeten Museum eine Fleischerei betrieben. Alle Ausstellungsstücke wurden geraubt oder vernichtet. Ob Frau Merkel wohl Auskunft geben kann, wo diese "Beutekunst" abgeblieben ist?
In Chatyn bei Minsk sahen wir in einem der fast 300 restlos niedergebrannten Dörfer Belorußlands die Skulptur eines Schmiedes, der das einzige überlebende Kind auf seinen Händen trug. Denkt Frau Merkel auch an solche im deutschen Namen begangene Untaten, wenn sie mit Präsident Putin spricht?
Und auch Pastor em. Hans-Joachim Brühe möchte ich zustimmen. Um den 7. Oktober 1954 waren wir - die ersten DDR-Offiziere an der Lenin-Akademie der Sowjetarmee - im Moskauer Bolschoitheater. Dort trafen wir Otto Nuschke. Er hörte, daß wir deutsch sprachen und wandte sich uns sofort zu. In herrlich väterlicher Art erkundigte er sich nach unserem Befinden, wollte er wissen, wer wir seien. Wenn das Gespräch auch nur wenige Minuten dauerte, hatten wir das Gefühl, einen echten Kampfgefährten getroffen zu haben - einen sozialistischen Christen, wie es in der DDR nicht wenige gab. Heute wünschte man sich, daß viele ehemalige Mitglieder der DDR-CDU Nuschkes Vorbild vor Augen hätten.

Generalmajor a. D. Heinz Bilan, Leipzig


Liebe "RotFüchse", ich bin schon seit ein paar Jahren Euer Leser - übrigens durch einen West-Linken - und jedes Mal überwältigt von dem Herzblut und dem fundierten Wissen Eurer Autoren. Für mich, Jahrgang 1961, kann ich nur sagen: Es war ein großes Glück, fast 30 Jahre in der "Gänsefüßchen-Republik" gelebt zu haben. ... Was Besseres kriegen wir wohl nicht mehr.
Und ich bedaure, daß ich nicht ein paar von diesen ehrlichen und aufrichtigen Redakteuren, Autoren und Leserbriefschreibern des RF persönlich kenne. Was die Bücher betrifft, die Dieter Fechner da immer wieder herauskramt, werde ich wohl auch kaum eines davon kennenlernen. Aber daß es Euch gibt, ist in einem solchen Grade bewahrenswert, daß es in der "Opa-Kiste" für den im Dezember 2012 geborenen Enkel gewiß eine "RotFuchs"-Ecke geben wird.

Steffen Czubowicz, Ludwigshafen am Rhein


Im Artikel "Berlin hält an München fest" (RF 188) heißt es: "Die Tschechoslowakei blieb bis 1945 das 'Reichsprotektorat Böhmen und Mähren' des SS-Generals Heidrich und seiner Nachfolger."
Die Sache verhält sich jedoch anders: Der erste tschechisch-slowakische Staat entstand am Ende des Ersten Weltkrieges. Damals zerfiel die österreichisch-ungarische KuK-Doppelmonarchie. Im nördlichsten Teil wurde die Tschechoslowakische Republik gegründet, im Westen lebten die Tschechen, im Osten die Slowaken. Dadurch wurde die zunehmende Germanisierung des Westteils ebenso aufgehalten wie die Magyarisierung des Ostteils. Die CSR wurde 1938 durch das Münchener Abkommen zerschlagen. Hitlerdeutschland gliederte aber nur die früheren KuK-Kronländer Böhmen und Mähren - was territorial in etwa der heutigen Tschechischen Republik entspricht - an. Zur gleichen Zeit erklärten politische Parteigänger der Nazis um Hlinka den slowakischen Landesteil für unabhängig. Die Slowakei blieb bis 1944 ein Satellit des "Reiches".
Böhmen und Mähren waren auch nicht "Heidrichs Protektorat" - als Protektorats-Macht fungierte das faschistische Deutsche Reich.
Als dessen selbsternannte Rechtsnachfolgerin sollte die BRD ihre bisherige Position zu "München" endlich aufgeben. Dieser Forderung Horst Schneiders stimme ich uneingeschränkt zu.

Wolfgang Mäder, Neubrandenburg

Bemerkung der Redaktion:
Der Fehler geht nicht auf das Konto des Autors, sondern entstand beim Redigieren.


Schon seit längerer Zeit wollte ich mich bei den Autoren und Gestaltern des "RotFuchs" bedanken. Die Zeitschrift macht Mut, da man in ihr die eigenen Gedanken und Ideen bestätigt findet. Sie gibt uns Kraft für die weitere Arbeit.
16 Leipziger nahmen Ende August am bereits 91. Treffen tschechischer, polnischer und deutscher Antifaschisten in Mala Upa am Fuße der Schneekoppe teil. Ein Höhepunkt war dabei wieder die internationale Kundgebung an diesem auf tschechischem Territorium gelegenen traditionsreichen Ort. Schon die Busfahrt dorthin erhöhte die Vorfreude, Gleichgesinnten zu begegnen. Gemeinsam sangen wir Lieder von Ernst Busch, die Prof. Koenitz auf einer CD zusammengestellt hatte. Beeindruckend war die Übereinstimmung aller beteiligten linken Kräfte. Wenn dann am Schluß der Kundgebung mehrsprachig die Internationale gesungen wird, ist das ein ergreifender Augenblick.

Gerda Uhlig, Leipzig


Am 23. August brachte der "Weser-Kurier" einen Leserbrief, den ich der Redaktion zu einem von ihr veröffentlichten Beitrag über die Bibliothek Peter Sodanns gesandt hatte. In meiner Zuschrift bezog ich mich auch auf deren Werbeprospekt, in dem es u. a. heißt: "Das Vergessen ist die Mutter der Verwahrlosung. Kultureller Vandalismus ist eine Strategie der Sieger. Mit dem Raub des kulturellen Erbes wurden die Kulturträger erniedrigt, wurde 1989/90 Platz geschaffen für die Kulturindustrie des Westens."
Ganz sicher aber werden die Bibliothek und das Museum dieser Kulturindustrie zumindest etwas von ihrem Platz streitig machen. Unterstützen und besuchen wir die Einrichtungen Peter Sodanns!

Gerd-Rolf Rosenberger, Bremen


In Herbert Klingers Beitrag "Hitlers 'Wunderwaffen'-Debakel" (RF 188) ist davon die Rede, daß V-Raketen in Konzentrationslagern produziert wurden.
Ein Außenlager "Laura" des KZ Buchenwald befand sich im "Fröhlichen Tal" unweit der Ortschaft Schmiedebach. Es wurde 1943 in einem Schieferbruch errichtet. Dieser bestand aus einem Tagebau und unterirdischen Hallen. Beide wurden für Tests von Triebwerken der V2 genutzt. Die Gefangenen pferchte man in eine zum Schlafsaal umgebauten Scheune, wo sie auf mehrstöckigen Holzverschlägen schliefen.
Bis zum Todesmarsch im April 1945 befanden sich dort rund 2600 Häftlinge, von denen etwa 550 starben. In den Ortschaften entlang der Marschroute wurden zu DDR-Zeiten Gedenksteine für die Opfer aufgestellt.
Nach Übergabe des von US-Truppen befreiten Gebiets an die Sowjetarmee demontierte man die Anlagen und sprengte die unterirdischen Hallen, was Anfang der 60er Jahre leider zu einem schweren Grubenunglück führte. Seitdem wird Schiefer hier nur noch im Tagebau gefördert.
Zwischen 1965 und 1968 erforschten Schüler der Wurzbacher Polytechnischen Oberschule "Geschwister Scholl" die Geschichte des Lagers. Bis zum Ende der DDR bestand die Arbeitsgemeinschaft "Laura - die Hölle im Schieferberg". Sie unterhielt viele Kontakte zu ehemaligen Häftlingen. Die Ergebnisse ihrer Nachforschungen wurden publiziert. Seit 1998 besteht der Förderverein Gedenkstätte Laura e. V.

Lutz Wolfram, Harth-Pöllnitz


Kürzlich entdeckte ich auf einem Bahnhof ein Plakat. Es bestand aus zwei Porträts: Links sah man Martin Luther King, rechts Barack Obama. Beide blickten sich an. Über Kings Foto standen dessen berühmte Worte "I have a dream" (Ich habe einen Traum.). Der Text zu Obama lautete hingegen: "I have a drone" (Ich habe eine Drohne.). Viele Passanten waren beeindruckt oder fühlten sich irritiert.

Dr. Ulrich Sommerfeld, Berlin


Ausgangspunkt des Artikels von Horst Neumann "Revolutionen brauchen Köpfe" im RF 188 war die Frage eines Lesers, wie es möglich sei, "daß ein kleines Quantum Abtrünniger und Verräter ausreicht", um den Sozialismus zu Fall zu bringen. Ist das aber wirklich so gewesen? In der Sowjetunion begann schon während der 70er Jahre eine kaum merkliche Zersetzung, die sich von Parteitag zu Parteitag verstärkte und schließlich zu einem Zerfallsprozeß führte. Am Ende waren es Leute wie Gorbatschow und Jelzin, die sich zu Revisionisten wandelten und dem Sozialismus in der UdSSR, ohne auf nennenswerten Widerstand zu stoßen, den Rest geben konnten. Was Hitler nicht schaffte, erreichten sie schleichend.
Die Führung der SED wehrte sich zwar gegen Gorbatschows Kurs, bekam aber ihre eigenen Probleme leider nicht in den Griff. Wenn wir in der SED damals über die Partei redeten, sagten wir manchmal ironisch: "Die Partei ist doch auch nur ein Mensch!" Höchst selten wurde Erich Honecker im Politbüro widersprochen, obwohl es manche Bedenken gab, so zur Preispolitik in bezug auf Artikel des Grundbedarfs, zu Mieten und Dienstleistungen. Und vor allem über die Ergebnisse der Volkskammerwahlen mit um die 98 Prozent schüttelten selbst Gutwillige den Kopf.
Noch ein Wort zum "RotFuchs". Auch die jüngste Ausgabe las ich als ehemaliger Chefredakteur der "Schweriner Volkszeitung" wieder neugierig und mit Interesse für dieses und jenes von der ersten bis zur letzten Seite. Ich bestaune die Ausdauer beim regelmäßigen Verfassen der niveauvollen Leitartikel.

Hans Brandt, Banzkow


Der Beitrag "Revolutionen brauchen Köpfe" weckt Zweifel in mir. Die Rolle, die Persönlichkeiten in der Geschichte spielten, ist unbestritten. Mitunter wird sie übertrieben dargestellt, ein anderes Mal unterschätzt. Das Wirken von Lenin, Ho Chi Minh, Fidel Castro und Hugo Chávez hat mit Sicherheit großen Einfluß auf die Entwicklung in ihren Ländern und darüber hinaus gehabt. Auch Mao Tse-tung hatte bedeutenden Anteil am Sieg der chinesischen Revolution, doch seine Politik des "Großen Sprunges" und die "Kulturrevolution" fügten China großen Schaden zu.
Entscheidend aber sind in allen Fällen die Volksmassen. In Rußland waren sie angesichts ihrer sozialen Lage bereit, den Bolschewiki zu folgen. In Kuba und Venezuela sehen die Menschen, was in anderen Ländern Lateinamerikas geschieht. Für die Niederlage des Sozialismus in der DDR wird mitunter in erster Linie die überalterte Partei- und Staatsführung mit ihren Fehlentscheidungen verantwortlich gemacht. Doch leider wollte eine Mehrheit der DDR-Bevölkerung offensichtlich den Anschluß an die brutale kapitalistische Marktwirtschaft. Dabei ist relativ unerheblich, ob es solche Tendenzen schon vor 1989 gab oder ob sie auf die verstärkte westliche Propaganda danach zurückzuführen sind.

Dr. Kurt Laser, Berlin


Mit großer Zustimmung habe ich den Leitartikel "Erinnern an Auschwitz" im September-RF gelesen. Ich kann die dort getroffenen Feststellungen und Mahnungen nur nachhaltig unterstützen, werden wir doch durch die Realität belehrt, wie notwendig diese sind. Ich hoffe, mit meinem Buch, welches anläßlich des 50. Jahrestages der Eröffnung des Auschwitz-Prozesses erscheint, dazu einen Beitrag leisten zu können. Dort sind erstmals wichtige Passagen aus dem Schlußvortrag des Nebenklagevertreters Prof. Dr. Kaul und dessen Erwiderungen auf die Ausführungen der Verteidigung abgedruckt.

Rechtsanwalt Ralph Dobrawa, Gotha


Dr. Sigmund Jähn, DDR-Fliegerkosmonaut und erster Deutscher im Weltraum, war vor einiger Zeit in der ProCurand Seniorenresidenz in Strausberg zu Gast. Fast dreieinhalb Jahrzehnte nach seinem Flug in den Kosmos hielt der gebürtige Vogtländer einen Lichtbildervortrag über die Raumfahrt von Ziolkowski bis in unsere Tage. Die Bewohner des Hauses interessierten sich vor allem auch für den Menschen Sigmund Jähn. Nach seinem Weltraumflug war er nach Strausberg versetzt worden. Zuvor hatte er viele Jahre im Jagdfliegergeschwader 8 der NVA in Marxwalde gedient. Von 1979 bis 1990 war Sigmund Jähn dann Chef Kosmische Ausbildung im Kommando der LSK/LV in Eggersdorf.
Auch als Hochdekorierter fuhr Sigmund Jähn noch immer jeden Tag mit dem Fahrrad zum Dienst, bis ihm sein Vorgesetzter das untersagte. Am 2. Oktober 1990 endete seine Zugehörigkeit zur NVA. Damals 53jährig, erhielt er einen Beratervertrag der Europäischen Raumfahrtbehörde ESA, in deren Auftrag er noch oft im russischen Sternenstädtchen zu tun hatte.
Seit 1982 war Sigmund Jähn Ehrenbürger von Strausberg - ein Titel, den er nach dem Oktober 1990 mit dem Schließen des Ehrenbuches verlor. Erst sehr viel später kamen die Strausberger Stadtverordneten nicht umhin, ihm diese Würde erneut zuzuerkennen.

Heinz Pocher, Strausberg


Ich möchte dem Artikel "Ukrainische Nazis und ihre Wurzeln" (RF 188) von Willi Gerns noch etwas hinzufügen. Als Autor des Buches "Rechte in der Rada" war ich durch die linke ukrainische Bewegung "Antifaschist" zu einer Informationsveranstaltung nach Kiew eingeladen worden. Sie erwies sich als Pressekonferenz im Journalistensaal der Ukrainischen Nationalen Nachrichtenagentur UNIAN. Dort wurde die von "Antifaschist" herausgegebene Zitaten- und Aussagen-Sammlung zum ukrainischen Nationalismus vorgestellt. Aus Vergangenheit und Gegenwart werden darin Äußerungen zur Ideologie und zu den Untaten der ukrainischen Nationalisten dokumentiert - übrigens auch mehrere Aussagen meines Buches. Ich wurde dort als deutscher Publizist eingeführt, dessen bisherige Veröffentlichungen heikle Themen aufgegriffen und einen wichtigen Beitrag im Kampf gegen die Ultrarechten geleistet hätten.

Helmut Wagner, Berlin


Die Energienetze der BRD für Gas und Strom befinden sich nahezu vollständig in Privathand. Sie gehören - der Absicht nach "für ewige Zeiten" - den vier großen Konzernen E.ON, RWE, Vattenfall Europe und Energie Baden-Württemberg. Welches Privatunternehmen aber gestattet einem Politiker, in seine Geschäfte hineinzureden? Frau Dr. Merkel bildet da keine Ausnahme: Diktiert sie etwa den Giganten der Branche "ihre" Neue Energiepolitik? Das Gegenteil ist der Fall. Lobbyisten und Politiker haben die Pflicht, alles nur Erdenkliche zu tun, damit den Energiekonzernen auch in den nächsten Jahrzehnten steigende Profitraten gesichert werden. Allein dafür sind sie in Amt und Würden, erhalten sie ihre "runden" Bezüge.
Wer die Netze besitzt, hat auch das Sagen bei der Energieversorgung. "Mit den Netzen verdienen wir inzwischen so viel, daß wir auf den Gas- und Stromverkauf verzichten könnten", äußerte in diesem Zusammenhang ein E.ON-Vorstandsmitglied. Die berechtigte Forderung nach Umwandlung der privaten Energieversorgung in eine öffentliche kommunale Daseinsvorsorge, um die kostengünstige Bereitstellung von Strom und Erdgas zu sichern, ist mit dem Profitstreben der Energiekonzerne völlig unvereinbar.

Dr. Wolfgang Schacht, Wandlitz


Am 1. September, dem Weltfriedenstag, hatten Parteien sowie in- und ausländische Friedensinitiativen wie alljährlich zu einer Demonstration aufgerufen, die vor dem Brandenburger Tor begann. Auch ich war als diesmal einzige Vertreterin der KPD mit einer weithin sichtbaren Parteifahne beteiligt. Unterwegs wurde ich von zwei Polizisten mit der Begründung aus der Demo herausgeholt, ich führte "das Symbol der verbotenen KPD" mit mir. Nach Wegnahme der Fahne forderten mich die Beamten auf, ihnen zum Einsatzwagen zu folgen. Sie ignorierten die von mir betonte Tatsache, daß die 1990 - also noch zu DDR-Zeiten - in Ostberlin gegründete KPD nicht verboten sei. Die Zulassungsurkunde steht ja im Internet. Während der sich hinziehenden "Behandlung" dachte ich daran, daß sich KPD-Mitglieder in der gesamten Geschichte der kommunistischen Bewegung ständiger Verfolgung ausgesetzt sahen. Nun war auch ich betroffen.
Da ich meinen Personalausweis nicht bei mir hatte, fuhren mich die Polizisten in ihrem Einsatzwagen nach Hause, um an diesen zu gelangen. Die Teamleiterin der Polizei meinte nach mehreren Telefonaten, möglicherweise sei die 1990 gegründete KPD doch nicht verboten. Die Fahne trage jedoch das Symbol der 1956 vom Verbotsurteil betroffenen Partei. Wie ich erfuhr, hatten sich in der Vergangenheit polizeiliche Vorgesetzte wegen einer solchen "Verwechslung" entschuldigen müssen. Ein diesbezügliches Schreiben trage ich jetzt für alle Fälle immer bei mir.

Sylvia Feldbinder, Berlin


Frieden, Frieden und immer wieder Frieden höre ich nicht nur von den Linken. Ist der Weltfrieden damit gemeint...? Der Wunsch nach globaler Harmonie, das Urbedürfnis der Menschheit, ist ein Unterfangen, an dem sich manche Parteien noch weitere 150 Jahre debattierend aufhalten könnten. Zu Herzen gehende Gala-Spendenaktionen für die Opfer werden immer wieder inszeniert, doch nach wie vor finden Kriege statt. Die Polit-Gaukler und Wortjongleure mißbrauchen das Wort Frieden als leere Phrase, als politisch-existenzsicherndes Standbein für etablierte Parteien, Wirtschaftsmagnaten und Medien-Moguls - mir wird dabei ganz übel! Frieden im Kapitalismus ist eine leere Phrase, ein Widerspruch in sich selbst.

Peter Dornbruch, Crivitz


Ich möchte mich zu dem Beitrag unserer kritisch-solidarischen Freundin Prof. Dr. Heidi Urbahn de Jauregui äußern. Seit fast einem Vierteljahrhundert suchen wir nach den wahren Ursachen des Untergangs der DDR, der UdSSR und anderer sozialistischer Staaten. Dabei müssen wir uns vor der Gefahr von Verallgemeinerungen - auch bei der Schuldzuweisung - hüten. Sollten wir nicht besser differenzieren, wenn wir über "die führenden Leute der DDR", "die Schriftsteller", "die SED-Mitglieder" sprechen?
Ein so charakterloser Typ wie Schabowski, der es bis zum Chefredakteur des ND und zum 1. Sekretär der Berliner SED-Bezirksleitung brachte, sollte niemals mit den ehrenhaften Genossen Wilhelm Pieck, Walter Ulbricht, Otto Grotewohl und Erich Honecker in einen Sack gesteckt werden. Die SED-Parteiführung läßt sich auch nicht mit den Jakowlews, Gorbatschows, Jelzins und Schewardnadses vergleichen.
Der Schriftsteller Stefan Heym degradierte die DDR zu einer "Fußnote in der Geschichte", während Peter Hacks die rhetorische Frage stellte: "Wessen sollten wir uns rühmen, wenn nicht der DDR?"
Die SED hatte 2,3 Millionen Mitglieder und Kandidaten. Nur recht wenige sind nach der Konterrevolution, als ihnen der Wind ins Gesicht blies, an Bord geblieben.
Ohne Zweifel hat es auch in der DDR kleine oder größere Sumpfblüten wie den an feudale Zeiten erinnernden Jagdkult gegeben. Das hat uns sehr geschadet. Wir wissen um die Defizite der DDR und auch, daß wir die Wahrheit nicht gepachtet haben. Es ist gut, einen sachlichen, fairen Gedankenaustausch zur Frage der Ursachen unserer Niederlage auf marxistischer Grundlage fortzusetzen, dabei aber stets historische, politisch-moralische, ökonomische, psychologische und personelle Zusammenhänge nicht aus dem Auge zu verlieren.

Horst Jäkel, Potsdam


Ich gehöre zu den Internetlesern Eurer Zeitschrift. Es ist interessant und meist hochwertig, was Ihr publiziert. Kompliment! Ich habe von 1975 bis 1985 in der Internationalen Abteilung des FDJ-Zentralrats gearbeitet. Später war ich Abteilungsleiter im Amt für Jugendfragen und zuletzt Leiter der Internationalen Abteilung im Amt für Jugend und Sport der DDR. Daher kenne ich Eberhard Aurich persönlich ganz gut. Mein Eindruck ist, daß wir es uns mit den Betrachtungen darüber zu einfach machen, weshalb wir gescheitert sind. Wenn wir es mit der Gestaltung des Sozialismus ehrlich gemeint haben - und davon gehe ich aus -, sollten wir uns auch zu einer tiefgründigen, sachlichen und redlichen Analyse durchringen. Das wären wir auch denjenigen schuldig, die es hoffentlich noch einmal versuchen wollen. Dabei sollte keiner - es sei denn, außerordentliche Gründe sprächen dafür - ausgeschlossen werden.
Wer eine Niederlage verkraften muß, der kann sicherlich auch eine konträre Meinung aushalten. Statt sich ernsthaft mit den Ursachen des Niedergangs auseinanderzusetzen, debattieren wir darüber, ob Eberhard Aurich als ein Karrierist und einer der Väter der Niederlage zu betrachten sei. Wir sollten uns um die historische Wahrheit kümmern und dabei nicht zögern, die schmerzlichen Gründe der Niederlage des Sozialismus auf deutschem Boden zu benennen und zu analysieren. Dabei helfen uns weder ein Gott noch ein Kaiser, noch ein anderes höheres Wesen, sicher aber Marx, Engels und Lenin.

Herbert Grießig, E-Mail


Drei Artikel der Septemberausgabe befassen sich mit der Frage, woran der Sozialismus in Europa gescheitert sei. Johann Weber betont die schwierigen Ausgangsbedingungen. Das ist sicher richtig, doch wenn man bedenkt, was die Sowjetunion unter noch viel komplizierteren Bedingungen zu leisten vermochte, kann darin wohl kaum die entscheidende Erklärung liegen. Prof. Heidi Urbahn de Jauregui verweist auf den verlorenen Glauben an den Sieg des Sozialismus bei führenden Funktionären und - daraus folgend - auf die Entfremdung der Spitze vom Volk und den Verlust an Motivation. Auch das ist richtig beobachtet.
Aber wie ging die Siegeszuversicht verloren, die ja in den Anfangsjahren der DDR mit Händen zu greifen war?
In der UdSSR versprach Chruschtschow, die USA binnen weniger Jahre im Lebensstandard zu überholen. Das war eine völlig unrealistische Perspektive, ganz zu schweigen von dem Versprechen, die Sowjetbürger würden bis 1980 im Kommunismus leben. Wer den Mund zu voll nimmt, muß sich nicht wundern, wenn sich das Volk nach dem Platzen der Prahlereien von einer solchen Führung frustriert und zynisch abwendet. Horst Neumann stellt zu Recht die wichtige, manchmal sogar entscheidende Rolle von Führungspersönlichkeiten in den Vordergrund. Was aber sind deren entscheidende Merkmale?
Erstens müssen sozialistische Führer die marxistische Theorie erfassen und erfolgreich anwenden, die richtige Linie entwickeln und in der revolutionären Organisation verankern.
Zweitens müssen sie ein Kollektiv von Politikern schaffen, welches die Klasse und die Massen dafür gewinnt und mobilisiert. Gelingt das, lassen sich sogar ernste politische Fehler korrigieren, ohne die Loyalität der Menschen zu verlieren. Voraussetzung: keine Schönfärberei! Wenn sich solche Führer auch noch wie Lenin durch Charisma und Bescheidenheit auszeichnen, ist das um so besser.

Fritz Dittmar, Hamburg


Nach meiner Ansicht schadet es der Diskussion über Entstehen und Vergehen der DDR nicht, wenn dabei noch etwas zugelegt wird. Beides ist doch wohl nur zu begreifen, wenn die DDR in die seinerzeitige internationale Politik eingebettet wird. Ihre Gründung war eine Antwort auf Deutschlands Spaltung durch die westlichen Siegermächte. Allein daraus folgt, daß die DDR kein Staat nach westlichem Muster werden konnte. Und selbst wenn sie so gewesen wäre, wie sie nach unserem heutigen Verständnis hätte sein sollen, hätte sie den Untergang der Sowjetunion nicht zu überdauern vermocht. Allein die materiellen Ressourcen fehlten unserem kleinen Land. Und was wäre ohne den Schutz des mächtigen Verbündeten geschehen? Doch weitaus zeitgemäßer erscheint mir die Diskussion über die Frage, wie es denn weitergehen soll. Diese Diskussion anderen zu überlassen, entspricht nicht dem Kaliber unserer Aufgabe.

Siegfried Spantig, Hagenow


Ich möchte Euch meine Hochachtung und Dankbarkeit für die Herstellung und Zusendung des unersetzlichen RF versichern. Leider sind mir als Hartz-IV-Bezieher außer guten Worten, fleißiger Weiterverbreitung und gelegentlichen Leserbriefen keine Mittel zu Eurer Unterstützung gegeben. In der Augustausgabe las ich den Artikel "Als Gorbatschow nach Frisco lud", in dem "ein bedingungsloses Grundeinkommen" (BGE) als "reaktionär, endsolidarisierend und spaltend" bezeichnet wird. "Es könnte das System eher zementieren", hieß es dort. Doch aus meiner Sicht muß es uns Sozialisten natürlich auch darum gehen, daß die weniger werdende gesellschaftlich notwendige Arbeit (die dem Artikel zufolge von 20 % der Bevölkerung bewältigt werden könnte) möglichst gerecht und zweckmäßig verteilt und entlohnt wird. Daß es dazu aber auch eines BGE oder einer "Grundsicherung" bedarf, um nicht in einen fatalen Wettstreit um eben diese verbliebene(n) Arbeit(slöhne) zu geraten, halte ich - wie viele andere Linke - für selbstverständlich und somit die Forderung für durchaus fortschrittlich. Sie als "Luftschloßbauten" und "ideologische Seifenblasen" zu bezeichnen, finde ich angesichts des Elends von Obdachlosen, Asylsuchenden, Hartz-IV-Beziehern, Leiharbeitern, Niedriglohnempfängern (und des weltweiten Hungers ohnehin) als zynisch.

Thomas Movtchaniouk, Düsseldorf


Es ist wohl nicht zu übersehen, daß die drei Haupttriebkräfte des revolutionären Weltprozesses - das sozialistische Weltsystem, die kämpferische Arbeiterbewegung und die nationale Befreiungsbewegung -, von denen wir zu Recht ausgegangen sind, nach der schweren Niederlage des Sozialismus in der uns bekannten Form heute nicht mehr zur Verfügung stehen. Für Marxisten wäre es gut zu erfahren, was denn nun "die Welt im Innersten zusammenhält" und welche Triebkräfte - dem historischen Materialismus entsprechend - heute und in Zukunft wirken.
Von den Beliebigkeiten bürgerlicher Visionäre dürfen wir uns nicht einlullen lassen. Besonders unter dem Eindruck der sich immer mehr verschärfenden Krise des Kapitalismus, die sogar unsere Gegner dazu zwingt, mal im "Kapital" nachzuschlagen, müssen wir eine Antwort parat haben, welche die Menschen begreifen.

Peter Pöschmann, Döbeln


Im September-RF ist der Redaktion ein Fehler unterlaufen: Im Beitrag "Ein weiteres Gleiwitz der USA" wird Sarin, ein chemischer Kampfstoff, der je nach Reinheitsgrad als farblos bis gelb-dunkelbraune Flüssigkeit produziert wird, fälschlicherweise als bakteriologische Massenvernichtungswaffe beschrieben.

Stabsfähnrich LSK/LV a. D. Mike Otto, E-Mail

Bemerkung der Redaktion: Wir entschuldigen uns für diese Fehlleistung.


Es vergeht kaum ein Tag, an dem Themen aus der DDR in bürgerlichen Medien keine Rolle spielen würden. Mal sind es die "bedauernswerten" Kleinen, die in den Kindergärten und Kinderkrippen sozialistischem Drill ausgesetzt waren, mal ist es das DDR-Krebsregister, das nicht der Gesundheit der Bürger, sondern allein der totalen Kontrolle des Staates über sie diente. Mal ist es das Schulsystem Margot Honeckers, das nichts taugte, aber von den Finnen übernommen wurde und dort zu einem hohen Bildungsstand beitrug, mal wurden die Eltern geradezu gezwungen, ihre Kinder impfen zu lassen, auch auf die Gefahr hin, daß dadurch Masern und Keuchhusten ausgemerzt wurden. In der DDR fehlte vieles: Da gab es keine Arbeitslosen, keine Suppenküchen, keine Tafeln. Sogar die Freizeit, der Sport und die Kultur wurden den DDR-Bürgern aufgezwungen. Aber es kommt ja noch viel schlimmer: Die DDR fühlte sich dem Frieden verpflichtet. Die NVA hat als einzige deutsche Armee keinen Krieg geführt - ungeheuerlich, unglaublich!
Das allgemeine Geheul ist groß. Ja, man muß alles unternehmen, um die Vorbildwirkung der DDR endlich loszuwerden.

Horst Franzkowiak, Hoyerswerda


Als Wessi begrüße ich die vielen Beiträge des RF, die mein Wissen über Alltag, Verhaltensnormen, Probleme und Vorteile des Lebens in der DDR und ihrer Geschichte komplettieren.
Jobst-Heinrich Müllers Artikel "Bernsteins Rezept" in der August-Ausgabe ist ein westliches Gegenstück dazu: Er stellt dem Versuch der ostdeutschen Marxisten, in 40 Jahren Sozialismus praktisch zu gestalten, die Mühen und Erfahrungen der westdeutschen Marxisten gegenüber, den politischen, juristischen, ideologischen und massenpsychologischen Tricks der Bourgeoisie der BRD Widerstand zu leisten. Ja, sie überhaupt zu durchschauen. Das sind Fallen, auf die manche Politiker in der PDL tatsächlich schlecht vorbereitet zu sein scheinen. Müller kritisiert die Bezugnahme von PDL-Politikern auf Ludwig Erhard. Da fällt mir Sahra Wagenknechts Buch "Freiheit statt Kapitalismus" ein. Ist sie in eine solche Falle getappt? Was an ihrem Buch auch immer zu kritisieren sein mag: Wagenknecht propagiert nicht Erhards Wirtschaftsvorstellungen, wie man das ab und zu in linken Kritiken liest, sondern wirft CDU/FDP/SPD vor, sie seien längst hinter die Parole "Wohlstand für alle" zurückgefallen. Auch solche Veröffentlichungen haben ihren Platz im Spektrum linker Agitation, je nach Adressat und Kontext: Man braucht nicht zu verbergen, daß man Kommunist ist, wenn man mit Gegnern oder Unwissenden diskutiert, falls man die richtigen Informationen, Daten und Zahlen parat hat. Anders aber liegen die Dinge, wenn man sich mit Gedrucktem an Leute wendet, die lebenslang entpolitisiert worden sind und beim Wort "Kommunismus" Brechreiz antrainiert bekommen haben. Wenn Bücher ihr linkes Etikett vordergründig zur Schau tragen, kann der Autor diese Sorte Leser nicht hindern, sie zuzuklappen, bevor sie auch nur bemerken, daß sie mit der inhaltlichen Kritik eigentlich einverstanden sind.

Engelbert Wengel, Frankfurt am Main

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Prof. Dr. Georg Grasnick
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Bernd Gutte
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Erik Höhne
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Wolfgang Mäder
Bruno Mahlow
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Prof. Dr. Herbert Meißner
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Jobst-Heinrich Müller
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veröffentlicht im Schattenblick zum 5. Dezember 2013