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ROTFUCHS/126: Tribüne für Kommunisten und Sozialisten Nr. 172 - Mai 2012


ROTFUCHS

Tribüne für Kommunisten und Sozialisten in Deutschland

15.‍ ‍Jahrgang, Nr. 172, Mai 2012



Inhalt

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Über Wolkenkuckucksheime

Denke ich über "linken" Radikalismus nach, den Lenin als "Kinderkrankheit im Kommunismus" charakterisierte, dann steht mir ein bizarres Erlebnis vor Augen. Im Dezember 1989 gehörte ich dem ND-Reporterteam an, das aus der Berliner Dynamohalle vom Sonderparteitag der SED/PDS berichtete. Damals zeichneten sich bereits die Konturen jener Konterrevolution ab, die zum Untergang des Sozialismus in Europa führte und auch das Schicksal der DDR besiegelte.

Diese düstere Situation lastete auf Delegierten und Gästen. Während Gregor Gysi mit dem symbolträchtigen "großen Besen" den Marxismus-Leninismus aus der Partei hinausfegte, standen an den Saaltüren junge Leute, die ihre Zeitung "Spartakist" anboten. Deren Hauptschlagzeile lautete: "Für ein rotes Sowjetdeutschland in einem roten Sowjeteuropa!" Ein älterer Genosse meinte sarkastisch: "Die errichten den Kommunismus auch noch auf dem Mond - ohne Rücksicht auf die dort fehlende Atmosphäre."

Als Marxisten haben wir den Bau von Wolkenkuckucksheimen, in die andere dann ihre Kuckuckseier legen, stets zurückgewiesen. Subjektives Wollen - so redlich die Motive der Akteure auch sein mögen - führt ohne nüchterne Analyse der realen Situation in die Irre.

Lenin behielt bei konsequenter Ausnutzung jeder sich im Klassenkampf bietenden Chance stets das jeweils Erreichbare im Auge. Eindringlich warnte er vor "kommunistischem Hochmut" und forderte dazu auf, niemals im Überschwang der Gefühle die Bodenhaftung zu verlieren. Während er jene verspottete, welche die Kraft der Kommunisten mikroskopisch zu verkleinern suchten, warnte er seine Kampfgefährten zugleich vor der Gefahr, den Gegner zu unterschätzen und die eigene Potenz durch ein Vergrößerungsglas zu betrachten.

"Linke" Phrasendrescherei und die Ausgabe lebensfremder Parolen sind nicht minder schädlich als rechter Opportunismus. Andererseits schließen Prinzipienfestigkeit und Toleranz gegenüber fairen Andersdenkenden einander nicht aus. Ich erinnere mich an die Bemerkung eines in derlei Dingen erfahrenen Genossen, der mir vor einem Einsatz als ND-Auslandskorrespondent ans Herz legte: "Wenn Du Leuten begegnest, die unseren Standpunkt nicht teilen - und das ist die Mehrheit -, dann höre sie an, laß sie aussprechen, falle ihnen nicht ins Wort und sage erst danach das Deine. Aus marxistischer Sicht, versteht sich." Natürlich hatte er nicht jene notorischen Brunnenvergifter im Auge, denen man von Beginn an Paroli bieten muß. Seine Bemerkung richtete sich gegen Intoleranz und Rechthaberei um jeden Preis. Denn Prinzipienlosigkeit ist ebenso schädlich wie besserwisserische Prinzipienreiterei jener, die sich für besonders avantgardistisch halten, wenn sie Revolution mit drei R schreiben. Dialogbereitschaft und die Fähigkeit, sich einer auch anderen zugänglichen Sprache zu bedienen, sollte nicht durch flachen Jargon und rhetorische Höhenflüge verdrängt werden. Marxisten müssen keinerlei Ikonen vor sich hertragen. Jene, die ihr Handwerk verstehen, werden auch ohne Pomp und Gloria wahrgenommen und anerkannt. Es gibt im Deutschen zwar das Wort Personenkult, nicht aber den Begriff Persönlichkeitskult. Mit anderen Worten: Nur kleine Bahnhöfe werden groß ausgerufen.

Einst erzählte man in Berlin eine humorige Geschichte mit ernstem Hintergrund. Sie handelte von sechs miteinander konkurrierenden Textilgeschäften in der Jerusalemer Straße: Der erste Kaufmann gab seinen Laden als größten der Stadtmitte aus, der zweite nannte ihn den größten Berlins, der dritte nahm schon ganz Deutschland in Anspruch, der vierte verstieg sich zu Europa, und der fünfte glaubte mit der Benennung "größtes Geschäft der Welt" alle anderen ausgestochen zu haben. Doch erst der Trumpf des sechsten stach: größtes Geschäft in dieser Straße.

Übertragen wir die Satire ins Politische: Niemand tut sich einen Gefallen, wenn er aufs hohe Roß eines Alleinvertretungsanspruchs innerhalb der Linken steigt, andere ignoriert und die reale Existenz mehrerer unterschiedlich profilierter kommunistischer Parteien von verschiedener Größe außer Betracht läßt.

Wir stehen unverändert für die Zusammenführung von Kommunisten, Sozialisten und anderen engagierten Linken mit und ohne Parteibuch auf marxistischer Grundlage. Im Bemühen um deren Einheit lassen wir uns jedoch nicht von der Vorstellung leiten, kurzfristig etwas übers Knie brechen zu können. Es geht nicht um eine Erweiterung des linken Parteienfächers, sondern darum, die Sammlung kommunistisch-sozialistischer Kräfte fortzusetzen und dabei die Basis wesentlich zu verbreitern. Eine Vorhut ohne Massen ist wie ein Brunnen ohne Wasser.

Die Zurückweisung des "linken" Radikalismus als einer zur eigenen Isolierung führenden Ideologie bedeutet indes keineswegs die generelle Ablehnung von Radikalität besonders junger Antifaschisten mit wachem Klasseninstinkt. Sie haben alles Recht der Welt, am Anfang ihres politischen Weges gewissermaßen "links von sich selbst" zu stehen. Während wir dem Dogmatismus den Kampf ansagen, weisen wir zugleich das revisionistische Süßholzraspeln jener zurück, die den Kern der Lehre von Marx, Engels und Lenin als dogmatisch-nostalgisch herabzusetzen bestrebt sind.

Klaus Steiniger

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Wie ein Arbeiterjunge aus "Hitlers letztem Aufgebot" zum Marxisten wurde

Harry Machals: Die Zäsur meines Lebens

Im Mai 1945 - ich war noch keine 17 - stellte der vom deutschen Faschismus entfesselte und verlorene Zweite Weltkrieg auch für mich eine Zäsur dar. Die Endphase des großen Gemetzels erlebte ich als totalen Zusammenbruch meiner damaligen "Ideale".

Doch der Reihe nach: Am 15. Januar 1945 erhielt ich aus der Hand meines Lehrobermeisters im Dornier-Flugzeugbau Wismar den Facharbeiterbrief. Die Freude war groß! Ich hatte es geschafft! Doch schon am übernächsten Tag traf die Einberufung zum Reichsarbeitsdienst ein, den ich in Bützow ableisten sollte. Die Sowjetarmee war in jenen Tagen zur Befreiung Ostpreußens angetreten. Im Westen drangen die sehr spät gelandeten anglo-amerikanischen Truppen bis zum Rhein vor. Der Bombenkrieg der Briten richtete sich - einem Befehl Churchills folgend - weiterhin gegen dicht besiedelte deutsche Wohngebiete.

Die Wahrheit über den Verlauf der Kämpfe und den nahenden Sieg der Alliierten wurde uns immer noch kriegsbegeisterten Jungen verschwiegen. Ich hatte zwischen 1943 und 1945 in einem durch fanatische Nazis geführten Dornier-Lehrlingsheim gewohnt und wurde dort mit faschistischer Ideologie vollgestopft. Neben der Berufsausbildung setzte man mich auch bei der sogenannten Heimat-Flak ein. Außerdem ließ ich mich als Segelflieger ausbilden, da ich dem "Vorbild" solcher Jagdfliegerasse wie Mölders und Galland nachstrebte. Selbstgezeichnete Porträts dieser beiden Nazi-Idole hingen sogar über meinem Bett.

Der Einberufung zum RAD folgten einige Wochen üblicher Drill, wobei wir an der Handgranate, dem Karabiner 98 und der Panzerfaust ausgebildet wurden. Schließlich sollten wir ja am Endkampf um Berlin teilnehmen, wo Hitler von seinem "Führerbunker" aus, glaubten wir, das "titanische Ringen" lenkte. Auch beim RAD gab man nur Siegesparolen aus. Niemand erfuhr, wie es wirklich stand. Nach dem Morgenappell vom 20.‍ ‍April - Hitlers Geburtstag - schlug die Stimmung dann aber um. Hektische Betriebsamkeit setzte ein, die Unterführer wirkten nervös. Sowjetische Verbände stießen auch auf Mecklenburg vor. Am 24. April wurde der Abmarsch in Richtung Westen befohlen. Endlose Kolonnen jener, welche vor den "Sowjets" das Weite suchten, bewegten sich nach Wismar, Lübeck und Kiel.

Unsere RAD-Abteilung hatte sich im allgemeinen Chaos aufgelöst. Sammelpunkt sollte das Rittergut "Gottesgabe" bei Eutin-Malente sein. Am Morgen des 2. Mai zirkulierten dort drei gepanzerte Fahrzeuge der Briten. Ihr Kommandeur forderte uns nach der Meldung, wir seien unbewaffnet, dennoch zur Kapitulation auf. Zugleich erteilte er Befehl, unsere Einheit solle vorerst auf den Feldern des Rittergutes arbeiten. Was er nicht wußte: Wir hatten in einem Waldstück noch verbliebene Waffen sorgfältig geölt und in Zeltplanen vergraben.

Die Tage auf "Gottesgabe" vergingen schnell. Jeden bewegte die bange Frage, was aus uns bislang fanatisierten Angehörigen der Hitlerjugend im Falle des Überlebens wohl werden könnte. Wie würden die Sieger mit vormals strammen Nazigefolgsleuten verfahren? Mein erlernter Beruf bot keine Perspektive mehr, da jetzt niemand Flugzeugbauer brauchte.

Am 8. Mai erfolgte in Berlin-Karlshorst die bedingungslose Kapitulation der faschistischen Wehrmacht. Doch Freude kam nicht auf, nur enorme Verunsicherung. Bald wußte ich, daß mein Heimatstädtchen Lübtheen zur sowjetischen Zone gehörte. An eine Rückkehr dorthin dachte ich nicht. Die Nazipropaganda über die Rote Armee saß tief.

Bald darauf erhielten wir Befehl zum Abmarsch in ein britisches Internierungslager. Es befand sich in einem großen Waldstück, das von Engländern, aber auch von deutschen Panzersoldaten bewacht wurde. Dort lagerten etwa 10.000 bis 15.000 Wehrmachtsangehörige, RAD-Gruppen, Luftwaffenhelfer und Versprengte unter freiem Himmel. Es ging um das Überleben in Erdlöchern. Die Verpflegung bestand aus einer kleinen Dose Corned beef und einem halben Brot für jeweils drei Tage. Ich blieb dort bis zum 16. Juni. Das britische Armeekommando ließ uns wissen, Internierte unter 18 würden nicht in die SBZ entlassen. Sie sollten sich vielmehr im benachbarten Kriegsgefangenenlager einen "Vormund" suchen, der bereit sei, den Betreffenden zu seinem Wohnsitz mitzunehmen. So irrte ich drei Tage umher, sprach unzählige Landser vergeblich an und stieß am Ende auf einen jungen Unteroffizier, der die Vormundschaft über mich anzutreten bereit war. Als er am 1. Juli wie viele andere entlassen wurde, befand ich mich an seiner Seite.

Nach einer Tagesfahrt von etwa 5000 Kriegsgefangenen mit Lastwagen der Briten nach Lemgo in Niedersachsen schlugen wir uns in den Heimatort meines "Retters" durch. Seine Familie lebte in Bad Pyrmont. Dort durfte ich eine einwöchige Verschnaufpause einlegen, bis ich bei Großbauern im Nachbarort als Landarbeiter unterkam. Selbst aus einer kleinen Ackerbürgerstadt stammend, war mir das, was ich jetzt zu tun hatte, nicht fremd.

Erst im Januar 1946 konnte ich Kontakt zu meinen Eltern in Lübtheen aufnehmen. Sie rieten mir zu baldiger Rückkehr und befreiten mich von der Angst vor der sowjetischen Besatzungsmacht. Mit der Ankunft in Mecklenburg sollte sich für mich alles ändern.

Unter dem Einfluß meiner antifaschistischen Eltern und anderer Kommunisten wurde ich schon am 14. Februar 1947 Mitglied der SED, in deren Reihen ich mich mit der Zeit zum Marxisten entwickelte. Als Arbeiterkind konnte ich in der DDR ein Studium absolvieren und an der Parteihochschule "Karl Marx" das Diplom eines Gesellschaftswissenschaftlers erwerben.

Als heute 83jähriger blicke ich auf einen wechselvollen Weg zurück. Die antifaschistische Befreiungstat der Roten Armee und ihrer damaligen Alliierten aus der Antihitlerkoalition leitete die Wende zum sinnerfüllten Teil meines Lebens ein.

Harry Machals, Rostock

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Warum sich Eingeknickte rituell vom MfS distanzieren

Gerhard Rieges Vermächtnis

Am 15. Februar 1992 nahm sich der PDS-Bundestagsabgeordnete Prof. Dr. Gerhard Riege das Leben, weil er den permanenten Angriffen und Unterstellungen nicht länger standhalten konnte. Die Betroffenheit über den Tod des früheren Rektors der Friedrich-Schiller-Universität Jena war unter seinen Fraktionskollegen und deren Mitarbeitern groß. Doch die Trauer wurde bereits nicht von allen Mandatsträgern geteilt.

15‍ ‍Jahre später erschienen auf der Internetseite sozialisten.de einige Passagen aus dem Abschiedsbrief Prof. Rieges: "Mir fehlt die Kraft zum Kämpfen und zum Leben. Sie ist mir in der neuen Freiheit genommen worden. Ich habe Angst vor der Öffentlichkeit, wie sie von den Medien geschaffen wird und gegen die ich mich nicht wehren kann. Ich habe Angst vor dem Haß, der mir im Bundestag entgegenschlägt, aus Mündern und Augen und aus der Haltung von Leuten, die vielleicht nicht einmal ahnen, wie unmoralisch und erbarmungslos das System ist, dem sie sich verschrieben haben. Sie werden den Sieg über uns voll auskosten. Nur die Hinrichtung ihres Gegners gestattet es ihnen, die Geschichte umzuschreiben und von allen braunen und schwarzen Flecken zu reinigen. Solange es die PDS gibt, wird es auch den Stachel geben, der die Erinnerung an einen Versuch der Alternative und an die eigene Vergangenheit mit dem Zweiten Weltkrieg wachhält."

Doch die Front der Solidarität mit Gerhard Riege bröckelte schneller als erwartet. Zwar ging die PDS noch in die Landtags- und Bundestagswahlkämpfe der 90er Jahre mit der Forderung nach Abschaffung der infamen Gauck-Behörde. Aber nicht alle Abgeordneten ihrer Fraktionen waren bei den Wahlen des "Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR" und der Landesbeauftragten bereit, diesen Gesinnungsterroristen und notorischen Brunnenvergiftern die Zustimmung zu versagen. Inzwischen hat man an der Auswahl der "Stasi-Beauftragten" Brandenburgs, Ulrike Poppe, sogar nach Kräften mitgewirkt.

Bis heute besteht der antikommunistische und inquisitorische Charakter dieser Behörde unverändert fort, gewandelt hat sich indes die PDS/PDL. Nicht wenige einstige WASG-Anhänger und auch so manche PDS-Mitglieder hatten von Beginn an ein - gelinde gesagt - gespaltenes Verhältnis zur DDR. Nicht selten wurden Parteitagsreden mit einer geradezu rituellen Distanzierung von angeblichen Verbrechen des MfS eingeleitet.

Die Landesverbände der PDL im Osten spekulieren inzwischen wohl ausnahmslos auf eine Regierungsbeteiligung um jeden Preis. Dafür sind Teile ihrer Führungen bereit, offizielle und inoffizielle Mitarbeiter der DDR-Staatssicherheit den Todfeinden des Sozialismus zum Fraß vorzuwerfen.

In Brandenburg legt die derzeit mit der SPD koalierende Linkspartei bei der Distanzierung vom MfS besonderen Eifer an den Tag. So meinte eine PDL-Landtagsabgeordnete in der Debatte um die Ehrung Erwin Strittmatters, man müsse den Bedenken Rechnung tragen, daß sich der Schriftsteller "immerhin in zwei Diktaturen" engagiert habe. Rot gleich braun - eine Lehrstunde für Farbenblinde. Dabei übersiedelte diese Abgeordnete 1957 als Siebenjährige mit ihren Eltern aus der BRD in die DDR, wo sie es bis zur Direktorin einer Polytechnischen Oberschule brachte - unter sozialistischen Bedingungen keine ungewöhnliche "Karriere". Nun nannte sie das Land, dem sie viel zu verdanken hatte, eine "Diktatur", wobei sie gewiß nicht auf die Marxsche Lehre zurückgreifen wollte, daß jeder Staat die Diktatur der jeweils herrschenden Klasse ist.

Der stellvertretende PDL-Fraktionsvorsitzende im Brandenburger Landtag, Stefan Ludwig, stellte sich hinter den Bericht der Poppeschen "Landesbehörde" und dessen Überprüfungsergebnisse zu angeblichen "Stasi"-Verbindungen bestimmter Personengruppen. Insbesondere ist auch die Haltung der führenden PDL-Politiker Kerstin Kaiser und Thomas Nord, die einmal aus freien Stücken in eine marxistische Partei eingetreten waren, zu ihrer eigenen Zusammenarbeit mit dem MfS, die ebenso freiwillig erfolgte, charakterlos, wenn auch zeitgemäß.

Mit deutlicher Mehrheit nahm der Landtag in Potsdam am 25. Januar einen gemeinsamen (!) Antrag von Mandatsträgern der SPD, der PDL und der CDU zum von Unterstellungen strotzenden Bericht einer "Stasi-Kommission" an. Nur die Grünen und drei FDP-Abgeordnete stimmten dagegen, vier enthielten sich der Stimme. Stefan Ludwig sprach von einer gigantischen Dimension der Überwachung, der die DDR-Bürger ausgesetzt gewesen seien. Daher verbiete sich jede Verharmlosung des MfS.

Der in die abgewetzten Schuhe von Gauck und Birthler gestiegene neue Großinquisitor Roland Jahn bezeichnete bei seinem ersten Auftritt in Erlangen die "Aufarbeitung des Erbes der Geheimpolizei" durch seine Institution als "Erfolgsgeschichte". Am 24. November 2011 debattierte das Berliner Abgeordnetenhaus über das "Erste Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die Errichtung der Stiftung 'Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen'". Der anrüchige Charakter dieser Geschichtsfälscherwerkstatt ist weithin bekannt. Die Horrorshow wird verharmlosend als Gruselkabinett bezeichnet. Im erwähnten Änderungsantrag ging es darum, alle Mitarbeiter des Hauses Knabe - in Sachen Wahrheitsverdrehung allesamt keine Waisenknaben - fortan nach Tarif zu bezahlen. Die Differenz zum bisherigen Entgelt hätte insgesamt mehr als 120.000 Euro ausgemacht. Wer nun vermutet, dieser Antrag sei von der CDU eingereicht und durch die PDL vehement abgelehnt worden, täuscht sich. Er wurde vielmehr von der PDL gestellt, während sämtliche anderen Fraktionen das Ansinnen aus rein fiskalischen Gründen zurückwiesen.

Wie glaubwürdig ist es, wenn sich die zur Hierarchie des Bundestages zählende "Genossin" Petra Pau darüber entrüstet zeigt, daß sie mit NPD-Leuten verglichen werde, wenn sie zugleich jegliche Solidarität mit den vom Klassengegner angefallenen einstigen Mitarbeitern des MfS strikt verweigert und der "jungen Welt" empfiehlt, die Redaktion möge ihr "Drecksblatt" endlich zumachen?

Die Unterstützer und Nachbeter einer solchen Pogromhetze gegen die Schutz- und Sicherheitsorgane des ersten und einzigen sozialistischen Staates in der deutschen Geschichte sind um Meilen mehr vom Marxismus entfernt, als man das nach der Lektüre des Erfurter Programms vermuten könnte.

Konstantin Brandt

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Über "linke" Bannerträger, die Marx nur noch vom Hörensagen kennen

"Schmidtchen Schleicher"

Der Beitrag von Günter Bartsch im Februar-RF spricht mir aus dem Herzen. Seit der "Wende" habe ich stets die PDS oder die Partei Die Linke gewählt. Doch im September 2011, als in Berlin die Entscheidung anstand, zögerte ich erstmals, überhaupt zur Wahl zu gehen. Am Ende tat ich es dann doch.

Gründe für meine Zweifel waren die Selbstherrlichkeit der Führung der Berliner PDL, deren Bild in der Öffentlichkeit sowie die Personalquerelen, die fleißig mitgetragen und angeheizt wurden. Überbordender Pluralismus, Selbstdarstellung, konzeptionsloses Durcheinanderreden und Spiegelfechtereien bestimmten die Szene. Warum propagieren die Mächtigen in der Wirtschaft eigentlich keinen Pluralismus? Weil das Profitstreben das zentrale Anliegen aller Beteiligten ist. In diesem Ziel sind sie sich völlig einig. Warum aber wird der Parteienpluralismus bedient, der doch nur zum Auseinanderdividieren von Menschen führt?

Will die PDL die gesellschaftlichen Verhältnisse in diesem Land tatsächlich ändern? Mit dem oben Dargestellten, das von vielen Linksorientierten auch so empfunden wird, soll das klappen? Die BRD ist ein Land voller Ungerechtigkeiten und Probleme, die es zu benennen gilt und die der Lösung harren. Doch einige in der Linkspartei beschäftigen sich nur mit sich selbst. Das aber wissen die Herrschenden sehr genau. Deshalb räumen sie auch auf Öffentlichkeit bedachten Funktionären in ihren "Qualitätsmedien" immer wieder Platz ein.

Wie können manche in der PDL Zweifel und Bedenken im Hinblick auf die generelle Ablehnung von Auslandseinsätzen der Bundeswehr haben? Gilt für sie nicht mehr die erprobte und am Ende selbst von Kohl "akzeptierte" Losung der DDR, daß von deutschem Boden nie wieder Krieg ausgehen darf? Blicken sie nicht mehr durch, was sich hinter "humanitären bewaffneten Einsätzen" verbirgt? Was soll hier das Gerede, man müsse "von Fall zu Fall entscheiden"? Ist es nicht schlimm, daß sich einige Politiker der PDL bei den Herrschenden für ein ganz normales Geburtstagstelegramm an Fidel Castro quasi entschuldigt haben, womit sie die großartige Arbeit von Cuba Sí unterlaufen?

Wo ist der Aufschrei der "Linken" über das Urteil des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte zur Ablehnung von Wiedergutmachungsforderungen griechischer und italienischer Opfer der hitlerfaschistischen Okkupation? Ein internationales Gericht knickt vor der BRD, ihrer Macht und ihrem Geld ein! Gab es in der Geschichte nicht ähnliches?

Sicher bin ich ungenügend darüber informiert, wer von den Führungskräften der PDL welche Auffassung zu einzelnen Problemen vertritt. Aber Politiker, die wie Oskar Lafontaine, Sahra Wagenknecht und Ulla Jelpke, aber natürlich auch andere, einen überschaubaren Standpunkt vertreten, kommen mir stets in den Sinn, wenn es um Grundsätzliches geht.

Doch was soll man von einflußreichen PDL-Mitgliedern halten, welche die "junge Welt" am liebsten vom Zeitungsmarkt verbannt hätten und sogar zum Anzeigenboykott aufriefen? Sind das noch Linke oder betreiben sie bereits eine Politik "des Schmidtchen Schleicher mit den elastischen Beinen"?

Kann jemand, der in den Chor der DDR-Verteufler einstimmt, ohne sich der Mühe einer etwas differenzierteren Analyse zu unterziehen, noch als Linker gelten? Ja, die DDR war wie jeder andere Staat eine Klassendiktatur, aber eine Diktatur des Proletariats im Marxschen Sinne, also der Arbeiter und Bauern. Gab es den Antifaschismus in der BRD ebenfalls als Staatsdoktrin? Es ist doch pure Infamie, wenn man der DDR unterstellt, ihr "verordneter Antifaschismus" sei die Wurzel des heutigen Rechtsradikalismus in Deutschland!

Und obendrein besitzt die BRD auch noch eine Kanzlerin, die bedeutungsschwer in der Weltgeschichte umherreist und anderen Regierungen sowie deren Völkern unablässig weismachen will, wie diese zu leben hätten. Sie hält dort Gardinenpredigten über Menschenrechte, während es daheim - in einem der reichsten Länder der Welt - Millionen Arme und sozial Ausgegrenzte gibt. Hat sie das etwa in der DDR gelernt? Entweder heuchelte sie damals, oder sie verstellt sich jetzt. Vermutlich trifft beides zu.

Um zum Ausgangspunkt zurückzukehren: Das Berliner Debakel der PDL hat gezeigt, was der Verzicht auf eine klare antikapitalistische Opposition unter den gesellschaftlichen Bedingungen dieses Landes einbringt. Wer um jeden Preis mit der Begründung regierungsbeteiligt sein will, daß es ohne die PDL ja noch viel schlechter aussähe, muß sich nicht wundern, wenn seine politische Glaubwürdigkeit Schaden nimmt und ihm immer mehr Wähler weglaufen. Denn eine Regierungsbeteiligung der PDL bedeutet stets, den vorgegebenen Rahmen zu akzeptieren. Diesen aber bestimmen nicht Parteipolitiker, sondern jene, welche tatsächlich an den Hebeln der Macht stehen. Glaubt man denn in PDL-Kreisen wirklich, daß auf Bundesebene irgendwann ein gemeinsames Regieren mit dieser SPD ohne totale Selbstverstümmelung möglich oder erstrebenswert wäre?

Es war nicht der Wille linksorientierter Berliner, die Ergebnisse der PDS/PDL innerhalb zweier Wahlperioden zu halbieren. Das lag allein am Kurs der Führung, die auf Gedeih und Verderb ein Riesenmaß unpopulärer und volksfeindlicher Entscheidungen der Koalition mitgetragen hat - gegen den Wunsch und den Willen der eigenen Anhänger.

Einige PDL-Funktionäre finden es vorteilhaft, wenn vor lauter Pluralismus weder klare Linien noch zukunftsweisende Strategien erkennbar sind. Man vermag sich des Eindrucks nicht zu erwehren, daß in der "Linken" inzwischen ein "Team" am Werkeln ist, das Marx nur noch dem Namen nach oder vom Hörensagen kennt. Tagespolitische Erwägungen und taktische Spielereien ersetzen Prinzipienfestigkeit. Wer aber der Argumentation jener folgt, die man als Gegner bekämpfen müßte, übernimmt deren Spiel - ob er das will oder nicht. Und wenn das unbewußt geschieht, signalisiert das nur den Mangel an politischer Bildung auf Führungsebenen der PDL.

"Die Linke" entideologisiert sich zusehends selbst. Wenn man aber keine Ideologie, keinen eigenen Handlungsrahmen und keinen Kompaß mehr besitzt - wonach richtet man sich dann?

Ein Programm allein reicht da wohl nicht aus. Auch konkrete Vorstellungen von einem anzuvisierenden Ziel gehören dazu. Ob man dieses nun Sozialismus oder Kommunismus nennt, spielt - zumindest vorerst - eine eher untergeordnete Rolle. Die PDL spricht übrigens unverdrossen vom "demokratischen Sozialismus". Gibt es denn auch einen undemokratischen?

Reiner Neubert, Berlin

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Lenin: Drei Quellen und drei Bestandteile des Marxismus

[Hinweis der Schattenblick-Redaktion:
Der Beitrag wurde nicht in den Schattenblick übernommen.]

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Wie ein Hamburger Zollbeamter sein Berufsverbot zu Fall brachte

Uwe Scheer gab nicht auf

Der irreführenderweise als "Radikalenerlaß" von Willy Brandt und den Ministerpräsidenten der Länder verabschiedete Text, der angeblich "Personen, die nicht die Gewähr bieten, jederzeit für die freiheitlich-demokratische Grundordnung einzutreten", vom öffentlichen Dienst fernhalten sollte, war juristisch weder eine Verfügung noch ein Erlaß oder gar ein Gesetz.

Betroffen waren nicht nur in der Ausbildung stehende oder sich bewerbende Arbeiter, Angestellte oder Beamte, sondern auch "Beamte auf Lebenszeit" wie ich.

Ich bin vom Jahrgang 1940. Mein Vater war Maurer, später Postbeamter. Schon vor 1932 ging er von der SAJ zu den Kommunisten über. So lag es nahe, daß ich schon als Kind die "Hamburger Volkszeitung" der KPD las. Seit dem Beginn meiner Lehre im April 1955 war ich gewerkschaftlich organisiert.

Wir engagierten uns gegen die Gründung der Bundeswehr und die Einführung der Wehrpflicht. Das von Adenauer forcierte KPD-Verbot habe ich hautnah in Hamburg vor dem Verlagsgebäude der HVZ erlebt, das die Polizei am Morgen des 17. August 1956 abriegelte und durchsuchte. Am Tag zuvor hatte das Bundesverfassungsgericht sein grundgesetzwidriges Urteil gefällt. Die BRD stellte sich dadurch mit den faschistischen Diktaturen Spaniens und Portugals auf eine Stufe.

Im Frühjahr 1958 legte ich vor der Handelskammer Hamburg meine Prüfung ab. Ich blieb als Angestellter in der Lehrfirma, bis ich 1961 zur Bundeswehr einberufen wurde. Mein Versuch, als Kriegsdienstverweigerer anerkannt zu werden, blieb erfolglos.

1958‍ ‍begann die Kampagne "Kampf dem Atomtod", die anfangs auch von der SPD, dem DGB und anderen Organisationen mitgetragen wurde.

Ich beteiligte mich an den ersten Ostermärschen der Atomwaffengegner in die Lüneburger Heide. Dabei spielte der 2011 von uns zu Grabe getragene Sprecher der Initiative "Weg mit den Berufsverboten!" Horst Bethge eine große Rolle. Damals war er in der Deutschen Friedensunion (DFU) aktiv. In dieser Zeit unterstützte ich sie ebenfalls. Man verunglimpfte uns als "Die Freunde Ulbrichts".

Ganz zu Beginn meiner Dienstzeit bei der Bundeswehr rief mich der Sicherheitsoffizier zu sich. Er hielt mir vor, zur Arbeiterjugendkonferenz nach Eisenhüttenstadt und dann zur Ostseewoche nach Rostock gefahren zu sein. Da ich die linke Zeitung "Blinkfüer" in die Kaserne abonniert hatte und sie dort sogar auslegte, war ich als Kommunist abgestempelt, obwohl ich der illegalen Partei gar nicht angehörte.

Mein Berufsverbotsverfahren dauerte vom Mai 1983 bis Ende Januar 2003. Nach der Zeit beim "Bund" war ich am 1.10.1963 bei der Oberfinanzdirektion Hamburg eingestellt worden. Ich arbeitete dort als Zollassistent, Zollsekretär und zuletzt Zollobersekretär 20 Jahre lang ohne jede Beanstandung. ÖTV-Mitglied, Personalrat und Betriebszeitungsredakteur, habe ich mich für die Kollegen eingesetzt.

Im Herbst 1982, als die SPD/FDP-Regierung Helmut Schmidts durch Kohls CDU-Kabinett abgelöst wurde, begann gegen linke Bundesbedienstete das große "Jagen", das auf der Ebene der Länder und Kommunen schon ein Jahrzehnt früher eingesetzt hatte. Im Mai 1983 wurde gegen mich ein Disziplinarverfahren eingeleitet. Ich sollte mich zu bestimmten Vorwürfen äußern. Es handelte sich um meine Kandidaturen 1978 und 1982 für die DKP zur Bezirksversammlung Hamburg-Wandsbek. Die Partei hatte mich vorgeschlagen, weil ich u. a. als stellvertretender Vorsitzender einer örtlichen Mietergemeinschaft über kommunale Erfahrungen verfügte.

Mit meinem Anwalt habe ich den langen Kampf durchgestanden. Mir wurden absurde Fragen gestellt. So wollte man z. B. wissen, welche Zeitung ich läse. Und natürlich, ob ich DKP-Mitglied sei. Ich habe darauf keine Antwort gegeben und mich auf das Grundgesetz berufen.

Entgegen den üblichen Gepflogenheiten wurde nach den sich hinziehenden Terminen kein Abschlußbericht des Untersuchungsführers vorgelegt, in dem belastende oder entlastende Fakten hätten genannt werden müssen. Statt dessen erhielt ich Anfang 1984 von der für Hamburg zuständigen Kammer des Bundesdisziplinargerichts eine Anschuldigungsschrift zugestellt. Aufgrund meiner unbestrittenen Kandidatur für die DKP könne man weder den Kollegen des Zollamtes noch den Zollbeteiligten zumuten, mit mir weiter zusammenzuarbeiten, weshalb eine Entlassung unumgänglich sei, hieß es da. Ich gehörte zu jenem Personenkreis, der keine Gewähr biete, "jederzeit für die freiheitlich-demokratische Grundordnung einzutreten". Mit meinem Anwalt konnte ich die Akten aus der Zeit meines langjährigen Wirkens beim Zoll einsehen. Wir fanden keinen einzigen Satz, der diese Vorwürfe erhärtet hätte.

In der ganzen Zeit des Verfahrens bekam ich Rechtsschutz durch die Gewerkschaft ÖTV.

Deren Betriebsgruppe habe ich auch während der Suspendierung jahrelang geleitet und bin in dieser Zeit immer wiedergewählt worden. Ich trat sogar bei einer Versammlung meines Hauptzollamtes mit dem Präsidenten der Oberfinanzdirektion als suspendierter Beamter in der Diskussion auf.

Letztlich haben wir gewonnen. Dabei half uns eine konsequente und umfassende Öffentlichkeitsarbeit. Auch die internationale Solidarität mit den Berufsverbotsopfern in der BRD hatte großen Einfluß. Zeitungen kommunistischer Parteien und Gewerkschaften des Auslands traten für uns ein. Ich selbst war auf Einladung der französischen CGT in Paris und habe dort auf mehreren Postämtern sowie vor der Presse gesprochen. Journalisten vom lokalen Fernsehsender RTL-Nord und vom WDR erschienen bei mir zu Hause. Sie berichteten über meinen "Fall". Als nach fast zwei Jahrzehnten ein Urteil des Oberverwaltungsgerichts Hamburg erging, das die Oberfinanzdirektion dazu aufforderte, mich in irgendeiner Weise zu rehabilitieren und wieder einzustellen, brachte sogar Springers auflagenstarkes "Hamburger Abendblatt" eine ganzseitige Reportage mit meinem Foto.

Nach dem Anschluß der DDR an die BRD wurde Innenminister Schäuble gefragt, was denn mit den durch Berufsverbote Betroffenen im Westen geschehe, da nicht wenige frühere SED-Mitglieder, jetzt zum Teil in der PDS, vom öffentlichen Dienst im Osten weiterbeschäftigt würden. Schlitzohrig antwortete dieser, man werde einen Weg finden.

Der bestand darin, daß man uns aus Angestellten des Bundes zu Arbeitern machte. Nachdem ich meiner Entlassung als Beamter zugestimmt hatte, durfte ich schon am nächsten Tag als Angestellter auf einem Zollamt im Hamburger Hafen wieder anfangen. Auf Grund eines in anderer Sache ergangenen Urteils des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte forderte ich nunmehr meine Wiedereinsetzung als Beamter. Nach mehreren Terminen traf das Hamburger Oberverwaltungsgericht eine entsprechende Entscheidung.

Auf meine in der abschließenden Verhandlung gestellte Frage, ob ich wieder als Beamter eingestellt würde, wenn die Oberfinanzdirektion "grünes Licht" gäbe, nickte deren Prozeßvertreterin nur mit dem Kopf. So erhielt ich im Januar 2003 meine erneute Bestallung - mit einer Urkunde, die mir "jahrzehntelange treue Dienste für die Bundesrepublik Deutschland" bescheinigte.

Uwe Scheer, Hamburg

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Rostocker "RotFüchse" und Basisaktivisten der Partei Die Linke steckten die Köpfe zusammen

Gemeinsames in den Vordergrund gestellt

Schon am 24. Oktober 2011 hatte sich Harry Machals, damals Vorsitzender der "RotFuchs"-Regionalgruppe Rostock, an den Vorsitzenden des Kreisverbandes der Partei Die Linke, Prof. Dr. Wolfgang Methling, gewandt und ihm einen kameradschaftlichen Gedankenaustausch über Fragen von gemeinsamem Interesse vorgeschlagen. Dabei ging er natürlich davon aus, daß der RF keine politische Partei ist, aber über gewissen Einfluß in den meisten linken Formationen dieses Landes verfügt.

Leider blieb das Schreiben unbeantwortet. Doch nach mehreren Vorgesprächen wurde Übereinkunft erzielt, ein Treffen des Vorstandes der "RotFuchs"-Regionalgruppe mit Vertretern mehrerer Basisorganisationen nordwestlicher Wohngebiete der Hansestadt durchzuführen. Als Grundlage einer freimütigen und solidarischen Debatte vereinbarten die Beteiligten zwei Themenkomplexe. Einmal sollte es um die Vorstellung aktueller Aufgaben der "RotFuchs"-Genossen nach der zentralen Veranstaltung gehen, die am 24. September 2011 mit etwa 350 Teilnehmern und einem Grundsatzreferat Prof. Dr. Götz Dieckmanns in der Rostocker Lokalität "Nordlicht" stattfand, und der 6. zentralen Mitgliederversammlung des RF-Fördervereins am 29. Oktober 2011 gehen. Zweitens verständigte man sich auf eine Information über Erkenntnisse und Schlußfolgerungen aus dem Erfurter Parteitag für die politische Arbeit an der Basis der Partei Die Linke.

Das ins Auge gefaßte Rund-Tisch-Gespräch fand dann am 24. Februar im Mehrgenerationenhaus Evershagen statt. Zugegen waren jeweils sechs Genossinnen und Genossen beider beteiligter Seiten. Der RF wurde u. a. durch seinen neugewählten Rostocker Vorsitzenden Carsten Hanke und dessen Vorgänger Harry Machals vertreten. Die Anwesenheit der Genossin Ida Schillen, Vorstandsmitglied der Partei Die Linke, die einer der beteiligten Basisorganisationen angehört, war von besonderem Wert. Als Gast nahm auch der ehemalige Rostocker Oberbürgermeister Dr. Henning Schleiff teil.

Nach der Begrüßung durch Carsten Hanke äußerte sich Harry Machals zur politisch-strategischen Bedeutung der RF-Konferenzen in Rostock und Berlin. Er verwies zugleich auf von ihm als positiv betrachtete Ergebnisse des Erfurter Parteitags der PDL und hob Übereinstimmendes hervor. Seine Worte bildeten die Überleitung zum Einspiel des Redebeitrags des Genossen Klaus Steiniger auf der 6. Mitgliederversammlung des RF, der Grundsatzfragen des Zusammenwirkens linker Kräfte gewidmet war.

Zur Aussprache einladend hob Harry Machals hervor, daß es darum gehe, Trennendes nicht in den Vordergrund zu stellen, also keine Debatte über unterschiedliche politisch-ideologische Standpunkte zu führen. Die äußerst kritische Situation in der BRD erfordere vielmehr ein engeres praktisch-politisches Zusammenwirken linker Kräfte. Die Anwesenden ließen erkennen, daß sie als ständige Leser des RF Kenntnis vom Vortrag des Genossen Dieckmann im "Nordlicht" hätten.

An der Aussprache beteiligten sich alle Genossinnen und Genossen. Dabei wurde hervorgehoben, daß viele Basis-Mitglieder der PDL im Nordwesten schon seit zwei Jahren mit der RF-Regionalgruppe in gutem und einvernehmlichem Kontakt stünden.

Die Teilnehmer der ersten Runde des "Offenen Gesprächs" kamen überein, darauf hinzuwirken, daß Rostocks linke Kräfte am 1. Mai mit Info-Ständen auftreten, wobei der PDL-Kreisvorstand gebeten wurde, dabei die Initiative zu übernehmen, sich im Verlauf des Jahres über gemeinsames Handeln zu weiteren wichtigen politischen Anlässen von Fall zu Fall zu beraten (8. Mai, OdF-Gedenktag, 95. Jahrestag der Oktoberrevolution u. a.), weitere linksorientierte Kräfte, besonders junge Leute und deren Organisationen, in die Widerstands- und Protestfront einzubeziehen. Stärkeres Interesse für Facebook, Twitter, Occupy usw. sollte auch bei Älteren geweckt werden, damit sie sich dazu notwendige Grundkenntnisse aneignen können.

Genosse Carsten Hanke informierte über einen Vorgang am Institut für Politik und Verwaltungswissenschaften der Rostocker Universität, wo das von einem Mitarbeiter der Fakultät geleitete Seminar auf der Grundlage einer Magisterarbeit über den "RotFuchs", "alte Eliten" und die "Extremismus"-Thematik diskutiere. Es wäre von Vorteil, hier eine Versachlichung der antikommunistisch ausgerichteten Debatte zu erreichen. Genossin Ida Schillen äußerte sich zu Fragen im Zusammenhang mit der Neuwahl des Bundespräsidenten. Genosse Uwe Kramp schilderte seine ehrenamtliche Arbeit in der Wohngemeinde und machte auf systemkritische Stimmungen in der Bevölkerung aufmerksam. Die PDL-Basis-Funktionäre Udo Wachtl, Frank Weber, Ursula Zöllick und Günter Walter sprachen zu Fragen wirkungsvollerer Mobilisierung der Mitglieder ihrer Partei.

Treffen dieser Art sollen ihre Fortsetzung finden.

Carsten Hanke/Harry Machals, Rostock

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Rudolf Herrnstadt und Ilse Stöbe deckten Trümpfe im kriminellen Spiel der Nazis auf

Die Erfolge der "Residentur Arvid"

Im September 1933 weigerten sich die Hitler-Faschisten, sowjetische Pressevertreter zum Reichstagsbrandprozeß zuzulassen. Als Antwort darauf wies Moskau eine Reihe deutscher Journalisten aus. Einer von ihnen war Rudolf Herrnstadt, der durch seine scharfsinnigen Reportagen in führenden deutschen Zeitungen bereits weithin bekannt war. Erst viel später erfuhr man, daß er für den Aufklärungs- und Abwehrdienst der Roten Armee tätig war.

Anfang der 30er Jahre arbeitete Herrnstadt beim "Berliner Tageblatt", ohne seine KPD-Mitgliedschaft zu verheimlichen. In der Redaktion war auch die junge Journalistin Ilse Stöbe tätig. Beide offenbarten einander ihre übereinstimmenden Ansichten, so daß Herrnstadt sie in seine Arbeit einbeziehen konnte.

Er übernahm bald das Warschauer Korrespondentenbüro der Zeitung und brachte Ilse Stöbe dort unter. Herrnstadt nutzte seine guten Beziehungen zu Herrn von Moltke, dem deutschen Botschafter in Warschau, und gewann so wesentlichen Einfluß auf dessen Mission. Nach der Machtauslieferung an Hitler leitete Herrnstadt für kurze Zeit das Moskauer Büro der Zeitung. Auf Empfehlung der Zentrale des sowjetischen Militär-Geheimdienstes GRU verwandelte er sich in einen fanatischen Antikommunisten, damit ihn die Nazis bei seiner Rückkehr nach Deutschland ungeschoren ließen.

Kurze Zeit nach der erwähnten Ausweisung aus der UdSSR kehrte Herrnstadt wieder nach Warschau zurück. Dort konnte er ein äußerst effektives Agentennetz aufbauen. Er traf auch mit dem KPD-Mitglied Gerhard Kegel zusammen, der seine Breslauer Zeitung in der polnischen Hauptstadt vertrat, wo er sich vor möglicher Verfolgung durch die deutschen Faschisten zunächst einmal sicher wähnte.

Kegel willigte ein, mit der GRU zusammenzuarbeiten. Unter Einbeziehung des Genossen Welkisch und der Ehefrauen beider entstand die äußerst erfolgreiche Residentur "Arvid".

Herrnstadt gelang es überdies, den Gutsbesitzer von Schelia, der Sekretär der deutschen Botschaft in Polen war, in seine Aufklärungstätigkeit einzubeziehen. Dieser erhielt den Decknamen "Arier" und arbeitete für harte Devisen, die vom sowjetischen Geheimdienst auf sein Schweizer Konto eingezahlt wurden. Mit Schelias Hilfe erhielt Herrnstadt Einblick in den diplomatischen Postverkehr der Nazi-Botschaft. Allerdings glaubte der Aristokrat, daß er den britischen Geheimdienst beliefere.

Für seinen ausschweifenden Lebensstil, zu dem auch das Glücksspiel gehörte, benötigte von Schelia entsprechende Mittel. Das Warschauer Zentrum konnte die sowjetische Aufklärung bis Ende August 1939 mit Materialien aus internster Quelle versorgen. Kurz vor Hitlers Überfall auf Polen wurde von Schelia in eine maßgebliche Position der Informationsabteilung des Ribbentropschen Außenministeriums berufen. Zur selben Zeit beorderte die Zentrale Herrnstadt aus Sicherheitsgründen nach Moskau zurück. Zuvor hatte er Ilse Stöbe sämtliche Vollmachten des Warschauer Residenten übertragen.

Ende 1939 übernahm sie auch die Kontakte zu Herrn von Schelia. Dieser brachte sie als Mitarbeiterin im Presseklub des Nazi-Außenministeriums unter, während Gerhard Kegel der deutschen Botschaft in Moskau zugeordnet wurde. Er fand heraus, daß Botschafter von der Schulenburg und andere Diplomaten Hitler vor einem Krieg mit der UdSSR warnten.

In Berlin sicherte Ilse Stöbe unterdessen einen ständigen Informationsfluß aus dem Nazi-Außenministerium an die Zentrale der GRU. Sie informierte über die Kriegsvorbereitungen gegen die UdSSR, den geheimen Aggressionsplan, die Schaffung von drei Heeresgruppen, welche gegen Leningrad, Moskau und Kiew vorstoßen sollten sowie über die Tatsache, daß drei Viertel der faschistischen Zehn-Millionen-Armee bereits in einem Aufmarschraum östlich der Linie Stettin-Berlin-Wien stationiert waren. Offenbar hat Stalin auch diesen Hinweisen - ähnlich wie denen Richard Sorges, der aus Tokio berichtete und dessen Warnungen in den Wind geschlagen wurden -, keinen Glauben geschenkt.

Als nach dem Ausfall des Funkgeräts der Warschauer Gruppe die Verbindung mit Moskau abriß, wurde der Kontakt über in Brüssel operierende Aufklärer hergestellt, denen die deutschen Okkupanten bald auf den Fersen waren. Nach ihrer Enttarnung erfolgte auch die Festnahme Ilse Stöbes und von Schelias durch die Gestapo.

Die Kommunistin wurde beim Verhör aufs grausamste gefoltert. Die Vernehmer übergossen sie mit kaltem Wasser und warfen sie dann in einen Eiskeller. Doch Ilse Stöbe schwieg bis zuletzt. Vor ihrer Hinrichtung am 23. Dezember 1942 vertraute sie einer Mitgefangenen an: "Durch mein Schweigen habe ich das Leben von drei Männern und einer Frau gerettet."

Rudolf Herrnstadt arbeitete während des Krieges in der Politabteilung der Roten Armee und engagierte sich überdies im Nationalkomitee Freies Deutschland. Später übernahm er nach leitender Tätigkeit bei der "Berliner Zeitung" die Chefredaktion des Zentralorgans "Neues Deutschland".

Als Kandidat des Politbüros des ZK der SED geriet er 1953 in Konflikt mit Auffassungen Walter Ulbrichts, der die Initiative zum beschleunigten Aufbau des Sozialismus in der DDR ergriffen hatte, was in Moskau offenbar auf gemischte Reaktionen stieß.

Herrnstadt wurde von allen Funktionen entbunden. Bis zu seinem Tode (1966)‍ ‍arbeitete er in einer Bezirksfiliale des Deutschen Zentralarchivs.

Gerhard Kegel war nach dem Krieg Direktor des Verlags der "Berliner Zeitung" und später DDR-Botschafter bei der UNO. Er starb am 9. November 1989.

Dr. Manfred Bewersdorf, Neubrandenburg

Gestützt auf die Publikation "Geheimmaterialien des 20. Jahrhunderts", Januar 2012 (Nr. 331), Moskau

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Rainer Stankiewitz trifft ins Schwarze und auch daneben

Gemischte Gefühle

Mit seiner "solidarischen Kritik" im März-RF wirft Rainer Stankiewitz Fragen auf, die das Erscheinungsbild unserer Zeitschrift betreffen. Ihm geht es dabei um gewisse Korrekturen im argumentativen Herangehen und in der Akzentsetzung des RF. Dagegen ist nichts einzuwenden, haben wir (alten) Genossen doch schon vor Jahrzehnten gelernt, Kritik und Selbstkritik seien als "Entwicklungsgesetz des Sozialismus" unverzichtbar, auch wenn dessen Handhabung dann oftmals ganz anders aussah. Ich komme noch darauf zurück.

Der Schweriner Verleger und RF-Autor, der eine mutige Schaufensterzeitung gestaltet, hat seine Überlegungen in eine sprachliche Form gekleidet, die dem Leser Vergnügen bereitet. Er vermeidet abgegriffene Klischees. Die stilistische Eleganz muß indes in einer entsprechenden inhaltlichen Tiefe ihre Ergänzung finden. Da aber setzen meine Bedenken ein.

Ich weiß zum Beispiel nicht, wie Rainer Stankiewitz zu der Erkenntnis gelangt ist, die alten Genossen würden sich in ihren "Wohlfühlklubs" überwiegend mit "dem Lecken von Wunden" befassen und aus der Lobpreisung der "Errungenschaften des niedergewalzten Arbeiter-und-Bauern-Staates" die Illusion ableiten, ihre Republik könne irgendwann wieder auferstehen. Wenn unserem Autor die Lektüre des RF bisweilen das nachvollziehbare Gefühl beschert, er käme aus "schändlichem Scharmützel heim in die Geborgenheit der Familie", dann sollte er auch anderen eine solche Zuflucht für Gleichgesinnte gönnen. Jenen nämlich, welche aus dem Schulterschluß mit Ihresgleichen die Gewißheit gewinnen, daß ihre Lebensleistung - die DDR - nicht ohne Sinn gewesen ist. Es handelt sich um Menschen, die über positive wie negative Erfahrungen verfügen, welche auch den kommenden Generationen zur Verfügung stehen sollten.

Wann und wo immer ich Gleichgesinnten begegne, spielt neben dem Bewahren des Wissens um die unter widrigen Umständen mit außergewöhnlichen Anstrengungen zustande gebrachten Errungenschaften der DDR stets auch die Suche nach den Ursachen unseres Scheiterns eine ebenso große Rolle. Der Frage nach dem Anteil eigener Schuld, die zu unserem Dilemma beitrug, wird keineswegs ausgewichen. Die Tatsache, daß die SED, die auch meine Partei war, in einem so verheerenden Maße degenerieren konnte, hat ohne Zweifel nicht zuletzt damit zu tun, daß ihr Statut über Jahre hinweg zur Makulatur wurde. In ihm verankerte Regeln wie "Kritik von unten in jeder Weise zu fördern", "furchtlos Mängel in der Arbeit ohne Ansehen der Person aufzudecken", "gegen jeden Versuch anzukämpfen, Kritik zu unterdrücken und sie durch Beschönigung und Lobhudelei zu ersetzen", "herzloses und bürokratisches Verhalten" zu bekämpfen, "Personenkult als unvereinbar mit den Leninschen Normen des Parteilebens nicht zu dulden", in "geheimer Wahl und Einzelabstimmung" über jeden Kandidaten die Leitungsorgane zu wählen, die Parteimitglieder "im Geiste der Unversöhnlichkeit gegenüber Mängeln zu erziehen" - von alledem war in der Endphase der SED kaum noch etwas übriggeblieben. Die Entscheidungskompetenz lag nun ausschließlich bei den Spitzen des Parteiapparats. Wir aber - auch ich! - haben das zugelassen, wobei wir uns der Selbsttäuschung hingaben, das verlange die Parteidisziplin. So wurde aus einer einstmals revolutionären Vorhut im Laufe der Zeit eine zahnlose "Partei von Gehorsamen".

Jeder, der seine im Statut verbürgten Rechte mit Nachdruck einzufordern suchte, setzte sich der Gefahr von Ausgrenzung, Abstrafung und Herabstufung aus. Dieses Drohpotential bewirkte zwangsläufig den Reflex, sogar gegenüber zweifelhaften politischen Entscheidungen der "Obrigkeit" zu kuschen, auch wenn sie im Anschluß an Parteiversammlungen oftmals sorgenvollen Gesprächsstoff bildeten. Doch wie man es auch drehen und wenden mag: Wir - die Mehrheit der Genossen - haben unsere politische Verantwortung nicht wahrgenommen. Ich selbst habe lange gebraucht, um mich zu einer solchen Erkenntnis durchzuringen. Geholfen hat mir dabei die Rückbesinnung auf die Geschichte unserer Bewegung. Jene, welche sich vor unserer Zeit als Kommunisten verstanden, haben unter weit schwierigeren Bedingungen und ohne Aussicht auf raschen Erfolg, aber bei vielfach höheren Risiken den ungleichen Kampf geführt. Unter dem Faschismus drohte ihnen sogar das Fallbeil.

Was die Empfehlung unseres "solidarischen Kritikers" betrifft, sich im "RotFuchs" statt schwärmerischer Rückblicke auf die verflossene DDR mehr den Zukunftsvorstellungen der heranwachsenden Generationen zuzuwenden, ist das Erfordernis einer thematischen Erweiterung unseres Blattes nicht zu bestreiten. Aber die Richtung, die von Dir, lieber Rainer Stankiewitz, empfohlen wird, dürfte wohl kaum zum Ziel führen. Deiner Behauptung, daß "eine humanistische Gesellschaft eine menschliche Vereinbarung des Ausgleichs" ist, kann ich so nicht folgen. Ein "humanistischer Ausgleich" zwischen Ackermann und Hundt auf der einen und den Hartz-IV-Habenichtsen auf der anderen Seite dürftest wohl auch Du kaum im Auge haben! Das gleiche gilt für Politiker und Militärs, die abermals deutsche Kriegsbeteiligung verantworten, und Friedensaktivisten auf der Gegenseite der Barrikade. Solche Ausgleichsillusionen könnten als Absage an den Klassenkampf verstanden werden. Eine Utopie freundlicher Klassenharmonie hast Du vermutlich auch nicht im Auge.

In mir weckt das - ohne unseren ehrenhaften Autor in ein falsches Licht setzen zu wollen - die ungute Erinnerung an jenen Formulierungskünstler aus Moskau, der einst mit fliegenden Fahnen in den Kampf für "allgemein menschliche Werte" zog, was für Millionen und Abermillionen Bürger der sozialistischen Staaten zum totalen Werteverlust geführt hat. Auch die von Rainer Stankiewitz geäußerte Zuversicht, daß sich "das jetzige System fast selbst beseitigt", dürfte wohl kaum auf politischem Realismus basieren.

Dennoch: Mit jungen Leuten darüber zu diskutieren, wie die Welt in 20 Jahren aussehen sollte, damit sie dann ihren Vorstellungen entspricht, ist ein durchaus produktiver Ansatz. Ich selbst habe drei Urenkel zwischen 2 und 14. Natürlich frage ich mich oft, wie sie nach einer solchen 20-Jahres-Frist wohl gerne leben würden. Auch wenn ich und meine Generation dann nicht mehr da sind, würde es mich sehr beunruhigen, müßte ich annehmen, daß ihre Lebensentwürfe darauf hinauslaufen könnten, einmal zu jenen Parasiten gehören zu wollen, deren Motto "die Reichen und die Schönen" heute als erstrebenswertes Idol angepriesen wird. Ganz zu schweigen von der ebenso grausigen wie irrealen Aussicht, daß einer von ihnen jemals im Klub der wirklich Mächtigen Aufnahme fände. Aber für sehr wahrscheinlich halte ich es, daß die Interessen meiner Urenkel menschlich normal und damit erstrebenswert sein dürften. Dazu gehören solide Bildung, eine sinnvolle berufliche Entwicklung bei verbürgtem Recht auf Arbeit, eine Familie und die Erfüllung des Wunsches nach Kindern.

Am Heute gemessen stehen solcher Normalität allerdings turmhohe Hindernisse entgegen. Sie zu überwinden, wird nicht leicht sein. Übrigens waren Zukunftswünsche, wie sie jetzt Heranwachsende hegen, schon einmal für Millionen Deutsche täglich erlebbare Wirklichkeit. Ist es DDR-Nostalgie, daran zu erinnern? Doch lassen wir das! Sonst handle ich mir am Ende von Rainer Stankiewitz noch den Vorwurf ein, ich sei ein Rückwärtsgewandter aus dem "Wohlfühlklub der alten Genossen".

Wolfgang Clausner, Schwerin

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Wulff: Sich nicht am Nasenring durch die Manege führen lassen!

Ein Nestbeschmutzer?

Der damalige Bundespräsident Christian Wulff hielt am 24. August 2011‍ ‍bei einem Treffen von Nobelpreisträgern für Ökonomie in Lindau am Bodensee eine bemerkenswerte Rede, die wir auszugsweise und kommentarlos wiedergeben.

Die Banken- und Schuldenkrise hat die Politik, hat die Regierungen und Notenbanken an Grenzen gebracht. Die Aufgaben, die Regierungen derzeit weltweit zu bewältigen haben, sind immens und haben Auswirkungen auf die ganze Welt: steigende Rohstoff- und Lebensmittelpreise, Überhitzungen von Ökonomien, zum Beispiel in den Schwellenländern.

Viele der Maßnahmen gegen die Krise sind höchst umstritten. Es ist ja nicht so, daß in den Wirtschaftswissenschaften alle eine einheitliche Auffassung vertreten. Auch die hier versammelten Wirtschaftsnobelpreisträger haben sehr unterschiedliche Ansichten. Davon konnte ich mich gestern Abend in einer tollen Diskussion mit fünf Nobelpreisträgern überzeugen. Und sie müssen im Blick haben, welche Maßnahmen sie ihren Völkern zumuten können.

Als die Krise ausbrach, bestand auf globaler Ebene schnell Einigkeit. Beschlossen wurden Konjunkturpakete in einem bislang nie dagewesenen Ausmaß. Dem Finanzsektor und den Banken eilte man zu Hilfe - mit Geld der Steuerzahler, Staatsgarantien und massiven monetären Transfusionen durch die Notenbanken. Im Jahr 2008 galt es, mit allen Mitteln den Kollaps zu verhindern und den Kreislauf des Patienten Weltwirtschaft zu stabilisieren. Ich möchte hier daran erinnern, daß das mit dem Vorsatz geschah, ihn dann aber auch baldmöglichst zu therapieren. Doch immer noch ist der Bankensektor labil, sind die Staatsschulden in den größten Volkswirtschaften auf Rekordniveau und die fundamentalen Probleme für Wachstum und Wettbewerbsfähigkeit so präsent wie zuvor.

Auf dem Deutschen Bankentag hatte ich den Finanzsektor bereits gewarnt. Wir haben weder die Ursachen der Krise beseitigt, noch können wir heute sagen: Gefahr erkannt - Gefahr gebannt. Wir sehen tatsächlich weiter eine Entwicklung, die an ein Dominospiel erinnert: Erst haben einzelne Banken andere Banken gerettet, dann haben Staaten vor allem ihre Banken gerettet, jetzt rettet die Staatengemeinschaft einzelne Staaten. Da ist die Frage nicht unbillig: Wer rettet aber am Ende die Retter? Wann werden aufgelaufene Defizite auf wen verteilt beziehungsweise von wem getragen?

Über viele Jahre wurden in vielen Ländern Probleme immer wieder über höhere staatliche Ausgaben, höhere Schulden und billigeres Geld vor sich hergeschoben. Das verlängern wir gerade. Dabei wurde im großen Stil konsumiert und spekuliert, anstatt in gute Bildung und Ausbildung, in zukunftsweisende Forschung und Innovationen zu investieren - in das, was eine produktive und wettbewerbsfähige Wirtschaft überhaupt erst ausmacht. Nun klaffen in den öffentlichen Kassen Löcher, wertvolles Saatgut wurde verzehrt, statt fruchtbaren Boden zu bestellen. Und ich möchte hier in Lindau formulieren: Politik mit ungedeckten Wechseln auf die Zukunft ist an ihr Ende gekommen. Was vermeintlich immer gutging - nämlich neue Schulden zu machen -, geht eben nicht ewig gut. Es muß ein Ende haben, sich an der jungen Generation zu versündigen.

Ich verstehe die Empörung vieler junger Menschen an vielen Orten der Welt, wenn sie sich aufregen, daß es aus ihrer Sicht nicht fair zugeht und daß zum Teil ihre Zukunftschancen bereits in der Gegenwart verbraucht werden. Denn es sind ihre Zukunftschancen, die hier auf dem Spiel stehen.

Nach meiner Überzeugung bedeuten alle notwendigen Problemlösungen, wie immer sie aussehen, Zumutungen - Zumutungen für alle Beteiligten. Wichtig dabei ist, daß die Lasten fair verteilt werden. Ich verstehe, daß viele nicht nachvollziehen wollen, daß Bankmanager zum Teil exorbitant verdienen, daß aber zugleich Banken mit Milliarden gestützt werden. Und Trittbrettfahrer in der Finanzwelt spekulieren weiterhin darauf, von der Politik und damit letztlich von Steuerzahlern aufgefangen zu werden - weil sie zum Beispiel zu groß sind und zu relevant für den gesamten Wirtschaftskreislauf.

Das Versagen von Eliten bedroht langfristig den Zusammenhalt in der Gemeinschaft, in der Gesellschaft. Wer sich zur Elite zählt und Verantwortung trägt, darf sich eben auch nicht in eine eigene abgehobene Parallelwelt verabschieden. Sondern jede, jeder hat Verantwortung für das Ganze und für den Zusammenhalt in einem Land. Daß es nicht fair zugeht und Lasten einseitig verteilt werden, dieses Gefühl haben aber immer mehr Bürgerinnen und Bürger.

Zuerst: Politik muß ihre Handlungsfähigkeit zurückgewinnen. Sie muß sich endlich davon lösen, hektisch auf jeden Kursrutsch an den Börsen zu reagieren. Sie muß sich nicht abhängig fühlen und darf sich nicht am Nasenring durch die Manege führen lassen, von Banken, von Ratingagenturen oder sprunghaften Medien. Politik hat Gemeinwohl zu formulieren, mit Mut und Kraft im Konflikt mit Einzelinteressen.

Von nachhaltigem Wirtschaften sind wir leider weit entfernt. Es gelingt uns noch nicht, die grundlegenden Bedürfnisse der Gegenwart für alle Menschen zu befriedigen. Und es gelingt uns noch weniger, den Handlungsspielraum künftiger Generationen zu erhalten.

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Wie eine zunächst abgeschmetterte Petition gegen Nazi-Literatur am Ende doch noch zur "Chefsache" wurde

Plötzlicher Sinneswandel

Im November 2010 (!) landete unter dem Titel "Es weihnachtet sehr" die Offerte eines Arndt-Buchdienstes in meinem Briefkasten. Über 100 Titel und Texte mit Tausenden Seiten Verherrlichung des deutschen Faschismus und Militarismus wurden mir da angeboten. Es ging vornehmlich um vermeintliche Heldentaten der SS sowie aller Waffengattungen der Hitler-Wehrmacht im 2. Weltkrieg. Unter Verweis auf die Artikel 1, 25, und 26 des Grundgesetzes und des dort verankerten Vorrangs völkerrechtlicher Normen gegenüber dem Landesrecht der BRD sowie die in den Nürnberger Prozessen geahndeten, in den Büchern aber gepriesenen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit forderte ich in einer Petition an den Bundestag das Verbot nazifreundlicher Literatur. Im Januar 2011 erhielt ich die von einer Unterabteilungsleiterin Cornelia Peters abgezeichnete Mitteilung, daß "der Inhalt von Büchern und Texten in den Schutzbereich der Meinungsfreiheit" falle und "dementsprechend selbst die Verbreitung nationalsozialistischen Gedankenguts nicht von vornherein aus dem Schutzbereich von Art. 5 Abs. 2 GG fällt". Das kam einer Zurückweisung gleich. Immerhin bemerkte die Dame noch, daß "die Meinungsfreiheit nicht vorbehaltlos gewährleistet, sondern ... durch allgemeine Gesetze oder kollidierendes Verfassungsrecht eingeschränkt werden" könne. "Unter Strafe gestellt wird, wer eine unter der Herrschaft des Nationalsozialismus begangene Handlung der in § 6 Abs. 1 des Völkerstrafgesetzbuches (Völkermord) bezeichneten Art öffentlich oder in einer Versammlung billigt, leugnet oder verharmlost. Ebenfalls wird bestraft, wer den öffentlichen Frieden in einer die Würde der Opfer verletzenden Weise dadurch stört, daß er die nationalsozialistische Gewalt- und Willkürherrschaft billigt, verherrlicht oder rechtfertigt."

Donnerwetter, dachte ich mir, da liefert mir besagte Unterabteilungsleiterin ja eine überzeugende Begründung für die Berechtigung meiner Petition! Also wies ich deren Zurückweisung unter Verwendung der zuletzt zitierten Feststellungen meinerseits zurück. Ich verwahrte mich dagegen, daß sie unter dem Betreff "linksund rechtsradikale Publikationen" geführt und Faschismus ausschließlich als Nationalsozialismus verharmlost werde.

Dann vernahm ich nichts mehr. Ich hatte die Sache schon abgehakt, als mir im Januar 2012 ein gewichtiger Brief ins Haus flatterte. Der Petitionsausschuß des Bundestages ließ mich zu meiner Überraschung wissen, daß er in seiner Beratung am 15.12.2011 beschlossen habe "die Petition a) der Bundesregierung - dem Bundesministerium des Inneren - zu überweisen, b) den Landesvolksvertretungen zuzuleiten". Auf drei Seiten folgte eine Begründung dieses Beschlusses: "Geschützt werden durch die Meinungsfreiheit Werturteile sowie Tatsachenbehauptungen, wenn diese Voraussetzung für die Bildung von Meinungen sind. Es kommt nicht darauf an, ob die Äußerung begründet oder grundlos, emotional oder rational ist, als wertvoll oder wertlos, gefährlich oder harmlos eingeschätzt wird", hieß es da. Für den "Tatbestand der Volksverhetzung" sei die Staatsanwaltschaft zuständig. Und weiter: "Strafbare Handlungen zu verfolgen und aufzuklären ist ... generell Sache der Strafverfolgungsbehörden der Länder ... Nur in Ausnahmefällen ist der Bund zuständig ..."

Während sich das Bundesministerium des Inneren bisher ausgeschwiegen hat, gingen mir etliche Briefe von Petitionsausschüssen der Landesvertretungen zu. Aus Bayern wurde mir z. B. mitgeteilt: "Ob und gegebenenfalls welche Maßnahmen die Fraktionen in dieser Angelegenheit in die Wege leiten, haben diese in eigener Zuständigkeit zu entscheiden." Hamburg schrieb: "Leider kann aus Ihrer Petition nicht ersehen werden, ob Sie mit der Behandlung Ihres Anliegens durch den Eingabenausschuß der Hamburgischen Bürgerschaft einverstanden sind. Daher bitte ich Sie, uns mitzuteilen, ob Sie dies wünschen." Und Brandenburg reagierte so: "Ich möchte Sie bitten, dem Petitionsausschuß des Landtages ... einen handschriftlich unterzeichneten Ausdruck Ihrer Petition herzureichen." Hessen bat mich um etwas Geduld: "Bitte haben Sie Verständnis, daß aufgrund der zahlreichen Eingaben an den Landtag die Bearbeitung Ihrer Petition einige Zeit in Anspruch nehmen wird."

Angesichts des aufgeflogenen NSU-Skandals, der die BRD weltweit an den Pranger stellte, löste meine Petition offenbar einen plötzlichen Sinneswandel aus.

Georg Dorn, Berlin

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Ein Tusch für Karin!

Oftmals stehen einige im Licht, so daß jeder ihr Tun beobachten kann, während andere eine nicht minder beachtenswerte Arbeit leisten, dabei aber im Hintergrund bleiben. Verläßlich und gekonnt tun sie das Ihre, ohne die Bühne zu betreten und ins Rampenlicht zu geraten.

Als Generalmajor a. D. Heinz Geyer, Stabschef der HVA - ein engagierter "RotFuchs"-Leser -, am 30. Juni 2008 von seinen Genossen und Freunden zu Grabe getragen wurde, befand sich unter den Trauernden auch eine Frau, die wir bereits von Telefongesprächen kannten. Die versierte Chefsekretärin war bis zu seinem Tode für Heinz, der ein Buch geschrieben hatte, tätig gewesen. Nun bot sie unserer Redaktion überraschend an, ihr in Zukunft zur Verfügung zu stehen.

Inzwischen hat Karin Großmann mit fachlichem Können und politischem Verstand bereits einige Jahre zum regelmäßigen Erscheinen des RF beigetragen. Am 16. Mai wird sie 70 Jahre alt. Das ist ein Grund, ihr für ehrenamtliche ständige Einsatzbereitschaft und enge Verbundenheit mit unserer weiter an Einfluß gewinnenden kommunistisch-sozialistischen Monatszeitschrift zu danken.

Herzlichen Glückwunsch von uns allen, liebe Karin!

K. S.

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Die Volksinitiative "Berliner Wassertisch" machte den Weg frei

Zur "Vision solidarischer Bürgerkommunen"

Eine Vision geht um in der Partei Die Linke: Es ist die im Kommunistischen Manifest von Marx und Engels fixierte Vision einer "gesellschaftlichen Assoziation arbeitender Menschen", welche "die Bedingung für die freie Entwicklung aller ist". Im 2011 in Erfurt verabschiedeten Programm der Partei Die Linke finden wir sie wieder: "Unsere Vision sind solidarische Bürgerkommunen ...". Es lohnt sich darüber nachzudenken, wenn man anerkennt, daß zu den primären Bedürfnissen der Menschen nicht "Märkte" gehören, sondern "Daseinsvorsorge", Beschaffung der "Mittel, um den Lebensprozeß der Arbeiter zu erweitern, zu bereichern, zu befördern", wie es im Manifest heißt.

Diese Mittel werden oft auch als "kommunale Infrastruktur" bezeichnet und umfassen heutzutage Verkehrswege, Wasserver- und -entsorgung, Energiebereitstellung, Kommunikationsnetze, aber auch stadthygienische Leistungen wie Straßenreinigung und Müllentsorgung sowie Bildung, Kultur und Gesundheitserhaltung. All dies sind Mittel, die der noch immer als Kommune bezeichneten gesellschaftlichen Assoziation zu gehören haben. Ist das nicht der Fall, dann wird der "Lebensprozeß der Arbeiter" erheblich eingeschränkt, verarmt und blockiert, wie uns reale Abläufe in unserer kommunalen Umwelt lehren.

Was Mitte des 19. Jahrhunderts berechtigt eine Vision genannt werden konnte, sollte - nachdem 150 Jahre lang sehr unterschiedliche Wege in dieser Richtung zurückgelegt (oder auch ausgeschlagen) wurden - Anfang des 21. Jahrhunderts eigentlich keine mehr sein. Das Kommunaleigentum, welches vor allem Dienstleistungen ermöglicht, war bisher ein Stiefkind sozialistischer Politökonomie und politischer Praxis. Das rächt sich jetzt, wo es "Matthäi am letzten" ist und globale Finanzspekulanten immer dreister nach dem greifen, was die Grundlage unseres Daseins bildet. Beispielsweise kann man das Wasser wahlweise als natürliche Ressource oder Himmelsgabe betrachten, aber keinesfalls als ein "Produkt", welches wie das Kaninchen im Zylinder des Zauberers in den Pumpen der Wasserkonzerne oder auf deren Bildschirmen entsteht. Dies versuchen z. B. VEOLIA und RWE der Berliner Bevölkerung weiszumachen, indem sie auf ihr "Knowhow" verweisen, welches ein kommunaler Wasserwerker angeblich gar nicht haben könne.

Ich denke, daß im Programm der Partei Die Linke völlig zu Recht die Potenz des kommunalen Eigentums als Widerlager gegen den Irrsinn der Privatisierung unserer aller Ressourcen und zivilisatorischen Errungenschaften unterstrichen wird: "Die Grundversorgung der Menschen mit ... Energie, Wasser ... (sowie) sozialer Infrastruktur ... muß öffentlich organisiert und garantiert werden", heißt es dort. Ähnliche Aussagen finden sich an mehreren Stellen des Programms. Es stellt auch völlig richtig den Zusammenhang zwischen dem "starken" kommunalen Eigentum, dem Sozialstaatsgebot des Grundgesetzes und der Mitwirkung der Bürger (in "lebendiger Demokratie") an gesellschaftlicher Selbstverwaltung und nachhaltiger Infrastrukturentwicklung her. "Leistungen der Daseinsfürsorge müssen durch die Kommunen selbst wahrgenommen werden", liest man in diesem Zusammenhang. Das sind nicht nur "Visionen", sondern ganz praktische Ziele, für die in rund 12.000 Kommunen der BRD täglich zu kämpfen ist.

Leider sind bei kommunalen Herausforderungen dort, wo Mitglieder der Partei Die Linke wie der seinerzeitige Berliner Wirtschaftssenator Wolf, die "Einheit von Theorie und Praxis" hätten unter Beweis stellen können, ganz andere Argumente ins Feld geführt worden. Man überließ den wirklichen Kampf engagierten Bürgern außerhalb der kommunalen Amtsstuben. Sie haben dafür gesorgt, daß Berlin am 4. März 2011 durch eine als "Berliner Wassertisch" bezeichnete Volksinitiative als einziges Bundesland der BRD ein Gesetz erhielt, welches mit den Worten eingeleitet wird: "Das Volk des Landes Berlin hat das folgende Gesetz beschlossen." So bleibt die Hoffnung, daß die Abgeordneten der Partei Die Linke noch einmal genauer in ihr Programm schauen, wenn die Umsetzung dieser Entscheidung ein Modell der Rekommunalisierung werden soll.

Dr. Hermann Wollner

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Bei anderen gelesen

Rednerisch ist er doch hochbegabt, unser neuer Präsident. Dennoch ist es dem Pfarrer Joachim Gauck in den zurückliegenden Wochen nicht gelungen, dem Volk eine Vorstellung davon zu vermitteln, welche Freiheit er denn meint, wenn er den Begriff sozusagen zu seinem politischen Programm erklärt. Ich bin für die Freiheit:

Wer wollte, wer sollte ernsthaft etwas dagegen haben? Nein, Freiheit ohne was dazu geht nicht. Nur mit Freiheit kamen schon die Protagonisten der französischen Revolution nicht aus, sie stellten die Gleichheit und die Brüderlichkeit gleichberechtigt daneben. Auch Bundesdeutschlands Nationalhymne propagiert neben der Freiheit das Recht und die Einigkeit. Mit dem Schlagwort Freiheit kann man diejenige des Kapitaleigners meinen, andere für sich arbeiten zu lassen und auszubeuten. Oder die Freiheit des Hartz-IV-Empfängers, eine ihm zugemutete Arbeit anzunehmen oder abzulehnen. Welche meint Bundespräsident Gauck? Man darf gespannt sein.

Henrik Müller

Aus: ver.di News, 24. März 2012

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Eine Antwort an jene, welche das Kundus-Massaker ungesühnt ließen

Über Richtiges und Falsches zur Todesstrafe in der DDR

Brandenburgs Justizminister Dr. Volkmar Schöneburg (PDL) veröffentlichte im ND vom 4./5. Februar "Anmerkungen zur Todesstrafe in der DDR". Er schrieb: "Um es gleich vorwegzunehmen: Die Geschichte der Todesstrafe in der DDR ist unvergleichbar mit der terroristischen Praxis der NS-Militär- und Strafjustiz, die etwa 56.000 Todesurteile zu verantworten hat." Und er fuhr fort: "Nach bisherigen Erkenntnissen wurden zwischen dem 7. Oktober 1949 und dem Jahre 1981 in der DDR 231 Todesurteile verhängt, von denen 160 vollstreckt worden sind."

Der Autor verglich somit "Unvergleichbares". Das dürfte sich indes nicht nur auf Zahlen beschränken. Ganz entscheidende Fragen sollten nicht ausgespart werden: Wer wurde denn warum von der "terroristischen Praxis der NS-Militär- und Strafjustiz" betroffen? Wer hat den Justizterror als Mittel des Strafrechts eingesetzt und aus welchen Gründen? Und wer von den Henkern in Richterroben ist in der BRD jemals verurteilt worden?

Schöneburg listet die Gruppen auf, die in der DDR von der Todesstrafe betroffen wurden: In 66 Fällen habe es sich um "politische Delikte" gehandelt, in 94 um NS-Verbrechen, und 71 Personen seien wegen krimineller Taten zur Höchststrafe verurteilt worden. Übrigens waren die von Schöneburg verwendeten Zahlen in der 40. Sitzung der berüchtigten "Enquetekommission" Eppelmanns vorgetragen worden. Damals verglich ein als Experte gehörter Falco Werkentin Urteile der NS-Justiz mit denen der DDR und folgerte, diese sei "bei der Anwendung der Todesstrafe äußerst zurückhaltend gewesen".

Unter den hingerichteten NS-Verbrechern befanden sich der Pirnaer Euthanasie-Mörder Prof. Nietzsche und der von den Briten ausgelieferte Görlitzer Nazi-Führer Bruno Malitz. Zu den "Politischen" gehörte auch der Sprengstoff-Terrorist Burianek, den die BRD-Justiz "rehabilitierte". Hinzu kamen einige Mehrfachmörder. Für 21 der am Münchner Platz in Dresden Hingerichteten wurden nach der Konterrevolution spezielle Grabplatten und ein den "Opfern des Stalinismus" zugeordnetes Denkmal eingeweiht. Waren sie nicht eher Opfer ihrer eigenen Verbrechen?

Schöneburg meint, gerade bei Nazi- und Kriegsverbrechen "hätte man einen anderen Umgang dokumentieren können". Wer ist "man"?

Und wieso "greift der Einwand nicht, daß die Todesstrafe notwendig war, um die schlimmen Nazi- und Kriegsverbrechen adäquat zu bestrafen"?

1927‍ ‍geboren, habe ich genug Schrecken erlebt und Tote gesehen. So war und bin ich ein prinzipieller Gegner der Todesstrafe. Aber durften wir die Alliierten damals dafür tadeln, daß sie die in Nürnberg verurteilten Hauptkriegsverbrecher anschließend henkten? Und hätten die Politiker der DDR Großzügigkeit gegenüber solchen Tätern üben sollen?

Schöneburg äußerte sich nicht zur Abschaffung der Todesstrafe im BRD-Grundgesetz. War das nicht eine humanistische Tat? Sie hatte allerdings eine Zweigleisigkeit zur Folge: Während die westlichen Alliierten weiterhin Todesurteile verhängten und vollstreckten, gab es in der BRD diese Höchststrafe nicht mehr. Heute weiß man, daß Leute des Gehlen-Geheimdienstes, der Justiz oder des Auswärtigen Amtes eigentlich als Kapitalverbrecher vor den Richterstuhl gehört hätten. Sie waren dankbar dafür, daß ihnen in der BRD, welche die "Nürnberger Prinzipien" ratifiziert hatte, kein Haar gekrümmt worden ist. Ein großer Teil dieser "Nazi-Elite" wurde dann von Adenauer übernommen.

Mich erstaunt, daß Schöneburg die Frage unberührt läßt, ob die in der DDR verhängten Todesurteile dem Völkerrecht entsprachen. In deren erster Verfassung vom 7. Oktober 1949 hieß es: "Die allgemein anerkannten Regeln des Völkerrechts binden die Staatsgewalt und jeden Bürger." Für die meisten Todesurteile, welche DDR-Richter in den 50er Jahren fällten, galten völkerrechtliche Bestimmungen. Sie definierten unverjährbare Verbrechen gegen den Frieden, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit.

Am 4. November 1950 wurde die Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten angenommen, welche für die BRD am 15. 12.1953 in Kraft trat. Deren Artikel 2 (Recht auf Leben) lautet:

(1.) Das Recht jedes Menschen auf das Leben wird gesetzlich geschützt. Abgesehen von der Vollstreckung eines Todesurteils, das von einem Gericht im Falle eines mit der Todesstrafe bedrohten Verbrechens ausgesprochen worden ist, darf eine absichtliche Tötung nicht vorgenommen werden.

(2.) Die Tötung wird nicht als Verletzung dieses Artikels betrachtet, wenn sie sich aus einer unbedingt erforderlichen Gewaltanwendung ergibt:
um die Verteidigung eines Menschen gegenüber rechtswidriger Gewaltanwendung sicherzustellen;
um eine ordnungsgemäße Festnahme durchzuführen oder das Entkommen einer ordnungsgemäß festgehaltenen Person zu verhindern;
um im Rahmen der Gesetze einen Aufruhr oder einen Aufstand zu unterdrücken."

Schöneburg urteilte: "Das Festhalten an der Todesstrafe im Strafgesetzbuch bis 1987 gereichte dem Staat, der sich selbst als Alternative verstand, nicht zum Ruhm."

Und er bedient sich eines Marx-Zitats: "Was ist das aber für ein Gesellschaftszustand, der kein besseres Verteidigungsmittel kennt als den Scharfrichter ..." Schöneburg bezieht dieses Urteil auf die DDR. Würde er es z. B. auch auf die Vereinigten Staaten anwenden wollen?

Der Justizminister einer "rot-roten" Koalition hat eine patentierungswürdige Entdeckung gemacht: "Das Strafrecht war in der DDR Machtinstrument der Mächtigen."

Da ist zu fragen, wer diese "Mächtigen" waren. Da das Strafrecht der DDR vor allem die Macht- und Eigentumsverhältnisse sicherte, welche gegen Ausbeutung und Krieg gerichtet waren, bestanden die Mächtigen in diesem Falle aus der Mehrheit des Volkes. Was ist eigentlich schlecht daran, daß die Krauses den Krupps den Zugang zum Strafrecht verweigerten? Und auch das sei gefragt: Sagte nicht Marx, daß das Recht immer nur der zum Gesetz erhobene Wille der jeweils herrschenden Klasse ist?

Der Streit über Todesurteile und deren Funktion findet bis heute seine Fortsetzung. Laut Amnesty International haben inzwischen 129 Staaten die Todesstrafe abgeschafft, während sie in anderen - aus sehr unterschiedlichen Gründen - weiter angewandt wird.

Am 15. November 2007 sprach sich der Menschenrechtsausschuß der Vereinten Nationen für die Abschaffung der Todesstrafe aus. 99 Staaten stimmten zu, 52 votierten dagegen, 33 enthielten sich der Stimme.

Inzwischen ist die internationale Politik so pervertiert, daß friedliche Bürger in großer Zahl ohne jedes Urteil bei völkerrechtswidrigen Interventionen getötet, ja wie in Kundus sogar massakriert werden. Ist die BRD daran unbeteiligt? Was unternehmen deutsche Justizminister und Richter, um solche Zustände zu ändern?

Prof. Dr. Horst Schneider

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Über Erfolgsaussichten von Leserbriefen an die bürgerliche Presse

Wenn die Hutschnur platzt ...

Etliche "RotFuchs"-Leser schreiben gerne Briefe, nicht nur an die eigene Redaktion, sondern oftmals auch an bürgerliche Blätter, wenn es um brisante Fragen geht. Manche haben sich in diesem Metier inzwischen zu regelrechten "Profis" entwickelt. Sind solche Korrespondenzen unsinnig, oder sollte man sich dieses Mittels bedienen?

Wo immer uns der Zutritt nicht verwehrt wird, müssen wir uns bemerkbar machen und Wege vor allem in örtliche Publikationen suchen. Zu meckern und sich aufzuregen, wenn einem angesichts allzu offensichtlicher Tatsachenverdrehungen und platter Lügen "die Hutschnur platzt", ist zwar verständlich und auch sehr verbreitet, führt aber zu nichts. Ein durchdachtes, gezieltes und wirkungsvolles Vorgehen - am besten im Bunde mit anderen Antifaschisten - ist da ratsamer.

Zuerst sollte man sich einen Überblick über Strukturen, Eigentumsverhältnisse, Tabus, Abhängigkeiten, die jeweilige Parteiendominanz und redaktionelle Arbeitsbedingungen bei der Lokalpresse verschaffen. Es handelt sich in der Regel um kapitalistische Konkurrenzunternehmen mit engen Grenzen journalistischer Bewegungsfreiheit. Überregionale Nachrichten werden von dpa, Reuters, UPI, AFP und anderen Agenturen kaum verändert übernommen. Sie entsprechen den Vorgaben der EU, der NATO, der USA und der schwarz-gelben Regierung dieses Landes, manchmal auch den Intentionen der SPD oder der Grünen. In der BRD gibt es kaum noch unabhängige Presseorgane mit wirklich linker Tendenz, sieht man von der "jungen Welt", kommunistischen Publikationen und einigen Blättern der PDL ab. In den meisten Fällen müssen bürgerliche Zeitungen Rücksicht auf ihre wichtigsten Inserenten und die örtliche Lobbyisten-Mafia nehmen. Solche Kontakte sind für sie überlebenswichtig. Unter diesen Rahmenbedingungen zieht man vielerorts Leserbriefe von erkennbar linken Absendern ungern in Erwägung. Wo es ihren Verfassern dennoch gelingt, sich Gehör zu verschaffen, sollten diese mit Überlegung vorgehen, um sich eine solche Chance nicht zu verbauen.

Will man ein offenes Ohr für einen wichtigen Themenkomplex finden, empfiehlt es sich, zunächst einmal abzuwarten, wie sich der Prozeß der Meinungsbildung in der jeweiligen Zeitung vollzieht. Der richtige Zeitpunkt und ein geeigneter Anlaß sind für treffsicheres Einhaken entscheidend. So sollte man z. B. eine vernünftige Stadtratsinitiative, eine Ratssitzung oder einen Aktionstermin mit wasserdichten Argumenten unterstützen und sich durch sachliche und ausgewogene Stellungnahmen in die Debatte einbringen.

Die Leser solcher Blätter sind überwiegend an Teilforderungen und Einzelproblemen interessiert. Daher ist es nicht zweckmäßig, immer gleich "große Geschütze aufzufahren". Eher empfiehlt sich ein verbal und terminologisch zurückhaltender Stil ohne langatmige und komplizierte Sprachübungen, der das jeweils Wichtigste kurz und präzis auf den Punkt bringt.

Wählen muß man, will man den Ball ins Tor schießen, auch das richtige Maß. Briefe, die länger als 15 bis 20 Zeilen sind, haben kaum Chancen, ungekürzt veröffentlicht zu werden. Mit der Maschine geschriebene Einsendungen müssen von der Redaktion erst auf PC umgesetzt werden, was Verzögerungen oder Unwillen hervorrufen kann. Andererseits ist auch die Telefonrubrik mancher Zeitungen nur für kurze und brisante Nachfragen oder Einwürfe ganz auf die Schnelle geeignet. Die Twitter- oder Blog-Bereiche im Internet bringen mit ihrem abgehackten und oberflächlichen Kommunikationsstil am wenigsten.

Selbst in manchen auf platte Werbung getrimmten Wochenblättern, die Sensationshascherei und Boulevardklatsch betreiben, kann man bisweilen einen Treffer landen. Beispielsweise, wenn es sich um spektakuläre Vorfälle wie einen Nazi-Anschlag, Sozialdramen, Hausbesetzungen oder Politikerskandale handelt. Man sollte sich auch überwinden und der angesteuerten Zeitung ruhig mal etwas "Honig ums Maul schmieren", ihr zum Beispiel "anerkennenswerte Ausgewogenheit" bescheinigen. Nach meiner Erfahrung wirkt das bisweilen Wunder. Hingegen sollte man sie nur im äußersten Falle angreifen. Ein Leserbriefschreiber muß um Akzeptanz bei der Redaktion bemüht sein, weil er sich nur dann bei zunehmender Vertrautheit miteinander "etwas mehr herausnehmen" darf.

Ideologische Rundumschläge sind bei bürgerlichen Leserkreisen oder Zielgruppen ohne jede Aussicht auf Resonanz. Daher muß der Themenauswahl besondere Aufmerksamkeit gewidmet werden. Die geschliffenste Stellungnahme ist ein Muster ohne Wert, wenn sie nicht in der Zeitung erscheint.

So habe ich z. B. nach Wochen rührseliger Berichte über "unsere Jungen am Hindukusch" auf eine kleine Meldung über Korruption oder Kriegsgreuel der ISAF-Truppen gewartet und erst dann eingehakt. Guter Stil und Faktendichte, möglichst unter Berufung auf gerade in der Zeitung Gemeldetes, sind dabei hilfreich.

Ein Handarchiv zu thematischen Berichten des Blattes ist sehr zu empfehlen.

Gewisse Leserbrief-"Profis" sollten bedenken: Ohne Unterlaß und zu jedem Thema seinen "Senf" dazuzugeben, ist kontraproduktiv. Die Zeitung wird dann sofort vom rechten Teil ihrer Klientel der ständigen Duldung "linker Leserbriefpäpste" bezichtigt. Denen unterstellt man - manchmal auch zu Recht - Geltungssucht und Besserwisserei, wobei man dann leicht angreifbare Veröffentlichungen zum Beweis anführt.

Aus Frust und Lust sollten wir also nicht Leserpost verschicken. Taktisch klug geht's besser! Der Kampf um die Köpfe ist in aller Schärfe entbrannt. Wo es Möglichkeiten gibt, sollten wir sie klug und dosiert nutzen, um der Gehirnwäsche des Gegners Paroli zu bieten. In überregionalen Blättern ist der Spielraum dafür viel geringer, und für den eigenen Gedankenaustausch besitzen wir ja glücklicherweise solche Presseorgane wie unseren "RotFuchs".

Ernst Schrader, Kiel

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Die VW-Frühgeschichte wurde von KZ-Häftlingen geschrieben

Am 30. März 1987 beantragte ich - damals 1. Sprecher der 3. Schicht bei der Volkswagen-AG Wolfsburg -, die Vertrauenskörperleitung der IG Metall möge gemeinsam mit dem Betriebsrat des Werkes auf die Geschäftsleitung der VW-AG dahingehend einwirken, im Keller der Gießerei Gedenktafeln anzubringen. Dort waren KZ-Häftlinge und Zwangsarbeiter zusammengepfercht, die unter menschenunwürdigen Arbeitsbedingungen von den deutschen Faschisten gezwungen wurden, das Volkswagenwerk Wolfsburg mit aufzubauen. In den Fabrikhallen, finanziert mit dem 1933 beschlagnahmten Vermögen der Gewerkschaften, aus Zwangsbeiträgen, welche die Deutsche Arbeitsfront allen Beschäftigten vom Lohn abzog, und schließlich mit den 236 Millionen Reichsmark, die etwa 340.000 Volkswagen-Sparer durch monatliche Raten aufbrachten, wurden Kübelwagen, Panzer und Amphibienfahrzeuge hergestellt. Neben männlichen Gefangenen gab es seit November 1944 auch ein Arbeitskommando mit rund 650 weiblichen KZ-Häftlingen, die in einem Keller der Halle 1 des Werkes zusammengepfercht vegetieren mußten und hier zur Herstellung von Munition und Tellerminen eingesetzt waren.

Walter Drexler, Berlin

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Wie eine Brandenburger Enquetekommission im Trüben fischt

Schicht-Käse

Früher war ich Klasse, jetzt bin ich Schicht. Unverständlich? Laßt Euch aufklären: Da gibt es beim Landtag in Potsdam eine sogenannte Enquetekommission, die sich mit der "Aufarbeitung der Geschichte und Bewältigung von Folgen der SED-Diktatur und des Übergangs in einen demokratischen Rechtsstaat im Land Brandenburg" befaßt. Sie kam gegen den Willen der Fraktionen beider regierender Parteien - der SPD und der "Linken" - zustande. Da es aber die parlamentarische Mehrheit der Opposition aus CDU, FDP und Grünen so wollte, mußte sie installiert werden. Die am Ruder befindliche "rot-rote" Koalition verweigerte ihre Mitarbeit nicht.

Seitdem wird munter begutachtet, diskutiert und gestritten. Das ominöse Gremium beriet im vergangenen Jahr an zehn Tagen insgesamt 55 Stunden lang, diskutierte über zwölf Gutachten, hörte 37 Experten an und beschloß eine Umfrage zum "DDR-Bild der Brandenburger". Schließlich wollten Gutachter wie Experten auch bei dieser Gelegenheit ordentlich kassieren - auf Kosten der Steuerzahler, versteht sich.

Politisch Ernstzunehmende schüttelten über das, was da geschieht, nur den Kopf. Bei Google kann man sich recht ausführlich über die "Arbeit" der Kommission informieren und die von ihr in Auftrag gegebenen Gutachten in sich hineinziehen. Das habe ich getan und komme nun auf den eingangs von mir formulierten Satz zurück. Zu DDR-Zeiten wußte ich mich genau einzuordnen. Ich war stolz darauf, zur Arbeiterklasse zu gehören. Nach der heutigen Sprachregelung ist es weit schwerer, den eigenen sozialen Standort zu bestimmen. Da gibt es z. B. ein Gutachten, das der Kommission am 9. Dezember 2011 vorlag. Es enthält die sprachlicher Klarheit entfremdete Überschrift: "Analyse der politischen Kultur Brandenburgs im Hinblick auf ihre demokratiestützende und demokratieproblematische Wirkung". Da muß man dreimal lesen, um einen so sperrigen Titel zu verstehen. Autor ist Prof. Dr. Hans-Gerd Jaschke. Der Mann hat sicher auch Vernünftiges geschrieben, ordnet aber die Bürger dieses Landes nach inzwischen gebräuchlicher offizieller Terminologie in Schichten.

Einer davon müßte auch ich angehören. Deshalb mache ich mir fortwährend Gedanken, welche das nur sein könnte. Dabei steht fest: Der "Oberschicht" gehöre ich auf keinen Fall an. Darf ich mich da bei der "Mittelschicht" einreihen? Oder bin ich gar "Unterschicht"? Der Autor des Gutachtens bleibt mir die Antwort schuldig. Er präsentiert keine Kriterien für eine solche Einordnung. Deutlich wird indes, daß er der "Unterschicht", der er in Brandenburg besondere Anfälligkeit für Rechtsextremismus bescheinigt, nicht viel zutraut. Wenn sein Urteil stimmen sollte, könnte ich mich ihr nicht zurechnen, denn damit habe ich ja nichts im Sinn.

Sollte ich vielleicht bei der Mittelschicht ins Boot steigen? Wohl kaum! Schließlich bin ich kein Gewerbetreibender, besitze weder einen Kleinbetrieb noch eine Immobilie. Nun gerate ich schließlich selbst durcheinander. Doch eines wird sichtbar. Der Unsinn einer solchen "Schichtung" liegt auf der Hand. Sie hält wissenschaftlichen Maßstäben natürlich nicht stand. Schlimm ist nur, daß "Experten" wie der professorale Herr Jaschke hierzulande an Universitäten Lehrstuhlinhaber sind und jungen Menschen ihre verwirrenden "Erkenntnisse" einflößen dürfen.

Aber es kommt ja noch schlimmer: Der notorische Klaus Schroeder von der FU Berlin sorgt nicht nur dort für Verwirrung, sondern gehört obendrein auch noch der Brandenburger Enquetekommission an. Dort etikettierte er Ernst Thälmann als "Stalinisten übelster Sorte" und erklärte, daß "es in diesem Bundesland noch viel zu viele Straßen gibt, die nach kommunistischen Idolen benannt sind". Saskia Ludwig, CDU-Fraktionsvorsitzende im Landtag und in dieser Eigenschaft ebenfalls in der Enquetekommission, bezeichnete solche Menschen ohne Skrupel als Verbrecher. Das Makabre an ihrem Auftreten ist, daß sie in der DDR aufwuchs und deren Vorzüge voll genossen hat, sich heute aber in antikommunistischen Gemeinplätzen ergeht.

Doch zurück zu Herrn Schroeder. Der meinte, die Tatsache, daß Ernst Thälmann durch die Faschisten ermordet worden sei, gebe niemandem das Recht, ihn als Helden darzustellen. Das ist nicht nur Antikommunismus pur, sondern zugleich auch zutiefst antihumanistisch.

Natürlich darf Herr Schroeder solcherlei ungestraft seinen Studenten suggerieren und damit faschistoides Denken befördern. Muß man sich unter solchen Umständen noch über das Anwachsen des Rechtsextremismus in der BRD wundern? Auch gewisse "Forschungsergebnisse" an der Freien Universität leiten offensichtlich Wasser auf diese Mühlen.

Derlei Gedanken beschäftigen mich angesichts der durch die Enquetekommission gewonnenen "Erkenntnisse". Dieses Gremium gereicht Brandenburg nicht zur Ehre. Unser Bundesland hat gewiß ganz andere Sorgen.

Was sagen Sie, Herr Platzeck, der Sie sich als dessen Ministerpräsident doch - nach Ihren eigenen Worten - um das "Fixieren von Zukunftsvisionen" bemühen, eigentlich zu dieser illustren Kommission?

Helmut Putzger, Strausberg


Bildunterschrift der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildung der Originalpublikation:

Unser Autor war Chefdramaturg des Filmstudios der NVA. Die von ihm übermittelte Aufnahme zeigt die Schöpfer des 1988 erstaufgeführten künstlerischen Dokumentarfilms "Der Hauptmann-Transport" nach der Premiere im Gerhart-Hauptmann-Haus Erkner. Von links nach rechts: Kameramann Rudolf Völkel, Oberst a. D. Helmut Putzger, der langjährige Leiter des Hauses Dr. Gustav Erdmann, Klaus Steiniger, Verfasser des Szenariums, sowie Regisseur und Drehbuchautor Mathias Blochwitz

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Der Rechtsschutz des Grundgesetzes beruht auf seiner Unteilbarkeit

Niemand ist Freiwild

Seit Jahren ist das Thema Staatssicherheit der DDR in den Medien der BRD ein Dauerbrenner. Warum eigentlich? Sind nicht alle Fragen schon längst beantwortet und sämtliche von den Siegern dieser Runde der Geschichte "vorsorglich" eingeleiteten Ermittlungsverfahren abgeschlossen oder eingestellt worden?

Wenn die Kampagne dennoch fortgesetzt wird, liegen Absicht und Zweck auf der Hand. Es geht nicht nur um das Schüren von Abscheugefühlen gegenüber einstigen Mitarbeitern des MfS, sondern vor allem darum, jede positive Erinnerung an die DDR auszulöschen. Sie darf nicht als das auch nur partiell bessere Deutschland oder gar als Alternative zum kapitalistischen System in Erinnerung bleiben.

Bezeichnend für das Vorgehen der Medien ist der Stil vulgärer Schwarzweißmalerei. Dabei werden sämtliche Zwischentöne vermieden, die außergewöhnlichen Bedingungen der Zeit des Kalten Krieges nicht einmal in Betracht gezogen. Die jahrzehntelange Wühltätigkeit der Gegner des Sozialismus hat es danach nicht gegeben.

Von der CIA und anderen imperialistischen Diensten wie deren Operationen gegen die DDR ist keine Rede. Verschwiegen wird, was der BND, der Verfassungsschutz, der Militärische Abschirmdienst (MAD), die "Kampfgruppe gegen Unmenschlichkeit" (KgU), der "Untersuchungsausschuß freiheitlicher Juristen" und diverse "Ostbüros" - das der SPD vorneweg - im Kampf gegen die DDR "geleistet" haben.

Andererseits sucht man unablässig den Eindruck zu erwecken, das MfS sei zur Drangsalierung und Einschüchterung der eigenen Bevölkerung ins Leben gerufen worden. Man tut so, als habe es für dessen Tätigkeit überhaupt keine Existenzberechtigung gegeben. Die persönliche Integrität der allermeisten offiziellen und inoffiziellen Mitarbeiter der DDR-Staatssicherheit, deren Motive, Haltungen und Handlungen spielen in der Berichterstattung keine Rolle. Selbst Egon Bahr, einst "Architekt" der Bonner Ostpolitik zur Aufweichung der DDR, sagte am 10.‍ ‍Februar in einem Interview mit der "Berliner Zeitung", die Gauck-Birthler-Jahn-Behörde habe sich überlebt und sei sogar von Übel. Am nächsten Tag fiel die Meute der Befürworter eines "Weiter so!" über den Mann her, der wahrlich nicht im Verdacht von Sympathien für Kommunisten steht.

Ginge es bei den Veröffentlichungen der Medien tatsächlich um das Aufdecken vermeintlicher oder tatsächlicher Gesetzesverstöße, könnte man für die Initiatoren einer solchen Kampagne ja Verständnis aufbringen. Doch das ist nicht der Fall. Der öffentliche Dienst, die Parlamente und Einrichtungen des Staates sind bereits mehrfach überprüft worden. Das hindert die Initiatoren immer neuer Wellen von Denunziationen angeblich "Stasi-Verdächtiger" keineswegs daran, den Anschein zu erwecken, daß der Bedarf an weiteren "Nachforschungen" dieser Art unendlich sei.

In Ermangelung von Tätern suchen die Urheber solcher Hysterie den Eindruck zu erwecken, mit der früheren Zugehörigkeit zum MfS wäre bereits ein gesetzlicher Straftatbestand erfüllt. Die Betroffenen werden gewissermaßen als überführte Rechtsbrecher dargestellt. Dabei ist es völlig egal, ob die ins Visier Geratenen gegen Bestimmungen verstoßen haben oder nicht.

Welchen Denkmustern und Ideologien solche "Geschichtsaufarbeiter" ihr "Rechtsverständnis" entliehen haben, verdeutlicht ein Blick in die jüngere Geschichte.

Nach dem 8. Mai 1945 wurden schwerbelastete Hitlerfaschisten in hohen und höchsten Staatsämtern Westdeutschlands massenhaft installiert. Demgegenüber gelten Mitarbeiter des MfS en bloc als Täter von ihnen nicht begangener Verbrechen. Dieses Totschlagsargument führt bis heute zu gesellschaftlicher Ausgrenzung. Die im Grundgesetz der BRD verankerten elementaren Rechte aller Bürger werden früheren Angehörigen des MfS generell verweigert. Das gilt z. B. für die freie Entfaltung der Persönlichkeit, die Gleichheit vor dem Gesetz, die Unantastbarkeit der menschlichen Würde und die Unverletzlichkeit des weltanschaulichen Bekenntnisses.

Obwohl offiziell vom Prinzip der Individualschuld ausgegangen wird, wendet man es auf ehemalige MfS-Mitarbeiter nicht an. Gegen sie richtet sich das grundgesetzwidrige Verdikt einer vermeintlichen Kollektivschuld. Allein deren frühere Tätigkeit und ihr bewußtes Eintreten für den Erhalt der völkerrechtlich weltweit anerkannten DDR, reichen für eine "Sonderbehandlung" aus.

Die Rechtsprechung kennt hierzulande die Institution der Verjährung, wobei diese in der Regel auch eingehalten wird. Doch in bezug auf ehemalige Mitarbeiter des MfS stellt man sie in Abrede. Selbst bei Kriminellen, deren Tat mit Freiheitsentzug von fünf bis zu zehn Jahren bedroht ist, verjährt die Strafverfolgung nach zehn Jahren. Anders liegen die Dinge bei MfS-Zugehörigkeit. Wer für die Sicherheit des Staates DDR eingetreten ist, hat damit ein "Dauerdelikt" begangen, das weiterverfolgt werden muß. So betreibt man die lebenslange soziale, berufliche und gesellschaftliche Ausgrenzung einer zum Freiwild erklärten Menschengruppe. Offenbar haben die Hexenjäger und Rufschädiger jegliches Gefühl für Maßstäbe verloren!

Hier besitzt augenscheinlich der politische Wille zur Vernichtung des niedergeworfenen Gegners absolute Priorität. In diesem Sinne muß auch die 2011 verabschiedete 8. Novelle des "Stasi-Unterlagen-Gesetzes" beurteilt werden. Sie sieht die abermalige Ausweitung der Überprüfung vor und ist Ausdruck ungebremster Verfolgungswut.

In seiner Sitzung vom 14. Februar stimmte der rosa-schwarze Berliner Senat einem Antrag des Innensenators Frank Henkel (CDU) zu, das sogenannte Stasi-Unterlagengesetz bis zum 30. November 2020 zu verlängern. Wie es in der Henkel-Vorlage heißt, bestehe nach wie vor ein "erheblicher Bedarf an der Wahrnehmung dieser Aufgaben". Blanker Gesinnungsterror sowie die Diffamierung von SED, DDR und MfS gehen unter dem Wowereit-Henkel-Senat also unverdrossen weiter. Ein wahrer Rechtsstaat - mit dem Akzent auf rechts!

Unsere Position dazu wird von der Überzeugung umrissen, daß Rechtsstaatlichkeit unteilbar ist. Sie kann nicht im Sinne eigener politischer Intentionen willkürlich ausgelegt oder eingeschränkt werden. Dem Tribunal blinden Hasses, der Abrechnung und Vergeltung muß endlich Einhalt geboten werden!

Dr. sc. Heinz Günther, Berlin

Raute

RF-Extra

Zur jüngsten Rufmordkampagne medialer Giftmischer

"Rote Knastärzte" im Visier

Menschen, die eine Freiheitsstrafe verbüßen, leben gegen ihren Willen in einer ungewohnten Umgebung und einem ständigen Spannungsfeld. Sie unterliegen doppeltem Streß: dem Druck der gefängnisinternen Regeln, die das Personal durchzusetzen versucht, und der Einwirkung krimineller Hierarchien unter den Gefangenen selbst. Diese entwickeln - gleich ob sie sich "politische" oder einfach Gefangene nennen - knastspezifische Verhaltensweisen und haben entsprechende gesundheitliche Probleme.

Die medizinische Versorgung Inhaftierter ist in allen Ländern eine wesentliche Aufgabe der Vollzugseinrichtungen und wird durch deren Medizinischen Dienst wahrgenommen. Beim Vollzug festangestellte Ärzte und solche, die auf Honorarbasis tätig sind, gehören ebenso dazu wie Pfleger, Schwestern, Röntgenassistenten und andere angestellte oder verbeamtete Justizvollzugsbedienstete. Jede der Einrichtungen besitzt ein Krankenrevier, größere unterhalten eine Krankenhausabteilung oder sogar ein Haftkrankenhaus. Auch inhaftiertes Fachpersonal wird unter Kontrolle mit eingesetzt.

"Gefängnisärzte arbeiten in einem konfliktträchtigen Spannungsfeld. Ihre primäre Aufgabe, die individuelle ärztliche Betreuung der ihnen anvertrauten Menschen in Haft, kollidiert oft mit Vorgaben und Zwängen der Gefängnisadministration, die der Dienstgeber des Gefängnisarztes ist. Prinzipien der Patienten-Arzt-Beziehung wie Vertraulichkeit und Verschwiegenheit geraten in Konflikt mit Prinzipien der Gefängnisverwaltung wie 'Sicherheit an erster Stelle'. Die duale Rolle des Gefängnisarztes als ärztlicher Betreuer der Gefangenen einerseits und medizinischer Berater der Gefängnisleitung andererseits birgt ebenfalls Konfliktstoff in sich", heißt es in einem diesbezüglichen Leitfaden des österreichischen Bundesministeriums für Justiz.

Die langjährige Gefängnisärztin der Justizvollzugsanstalt Tegel, Regina Strehl, beschreibt diese Konflikte in ihrem Buch "Die Welt hinter Gittern. Meine Jahre als Knastärztin": "Die Angehörigen des Medizinischen Dienstes in Justizvollzugsanstalten haben nicht nur mit einer besonderen Gesetzen folgenden Situation am Arbeitsplatz zu tun, die per se schon nicht konfliktfrei sein kann, auch die Öffentlichkeit in Gestalt der Medien mischt sich kräftig ein."

Den Boulevardzeitungen bescheinigt sie, daß diese über Vorgänge schreiben, die in einer Parallelwelt passieren, deren Inneres sie nur höchst oberflächlich kennen. Die im Vollzug Tätigen seien "durch die Befriedigung von Sensationsgier massivem Druck ausgesetzt".

Wie ist es aber erst um die Wahrheit bestellt, wenn die Medien, die Gerichte, die staatlich subventionierte Forschung dem Auftrag der BRD-Führung zur Delegitimierung der DDR folgen?

Und wem hilft dies? Es hilft den Neonazis in der Fortsetzung der antibolschewistischen Propaganda ihrer alten Kameraden. Es unterstützt die antikommunistische Hetze, die gegen die "Soffjetzone" begann und gegen die DDR ihre Fortsetzung fand. Den ehemaligen Gefangenen, auch den "Politischen", hilft es indes wenig. Sie geraten in den Verdacht, ihre Geschichten zugunsten dieser Delegitimierung verfälscht zu haben.

Während bisher vorwiegend die Bedingungen in den Untersuchungshaftanstalten des MfS und in Bautzen II dazu dienten, die Hetzjagd und Ausgrenzung gegen ehemalige haupt- und ehrenamtliche Mitarbeiter dieses Ministeriums fortzuführen, gerät seit einigen Jahren auch die Strafvollzugseinrichtung Hoheneck in den Blickpunkt der DDR-Delegitimierer.

Pünktlich zum Jahrestag der Öffnung der Berliner Grenzen durch die DDR-Führung strahlte das Fernsehen eine Dokumentation "Die Frauen von Hoheneck" aus. Sie wiederholte die alten Kamellen eines vor Jahren gezeigten Horrorstreifens "Eingesperrt, um frei zu sein - das geheime Frauengefängnis der DDR". Inzwischen werden vor allem die medizinische Versorgung in den Vollzugseinrichtungen der DDR und das dort tätige medizinische Personal attackiert. Die Angriffe gipfeln in der Forderung, die einige "Hoheneckerinnen" in Internet-Foren erhoben haben: Solche Mediziner dürfen nicht weiter praktizieren! Die neue Hexenjagd zielt auf Ausgrenzung und ein Berufsverbot für "VP-Ärzte" im Strafvollzug und Vertragsärzte, die mit ihnen kooperiert haben.

In Hoheneck verbüßten auch wegen Staatsfeindlicher Hetze oder Ungesetzlichem Grenzübertritt (§ 213) Verurteilte ihre Strafe. Ein schwerer Fall, um den es sich hier meist handelte, lag zum Beispiel dann vor, wenn die Tat Leben und Gesundheit von Menschen gefährdete, oder unter Mitführung von Waffen bzw. Anwendung gefährlicher Mittel und Methoden erfolgte. Solche Personen fühlten sich in der Regel zu Unrecht bestraft und bezeichneten sich selbst als "politische Gefangene". Sie betrachteten sich gegenüber anderen Einsitzenden als die "besseren Gefangenen". Aus dieser Grundhaltung heraus isolierten sie sich bewußt, was ihre Lage im Vollzug erschwerte. Gefangene, die bekundeten, nach der Strafverbüßung in der DDR bleiben zu wollen, wurden gemieden und mit Verachtung bestraft.

Jene Ehemaligen, die sich als "politische Gefangene" sehen, beklagen die gemeinsame Unterbringung mit Kriminellen. Ich kenne jedoch keinen Staat, der in solchen Fällen auf gesetzlicher Grundlage Sonderregelungen beim Verbüßen einer Freiheitsstrafe vorsieht. Nehmen wir nur die alte BRD: Wegen Verstoßes gegen das widerrechtliche Verbot der KPD im Westen Inhaftierte - ja sogar Menschen, die als Organisatoren der Teilnahme an Kinderferienlagern in der DDR verurteilt wurden -, saßen gemeinsam mit Kriminellen hinter Gittern.

Die von den sich als "politische Gefangene" betrachtenden Inhaftierten vorgenommene Fehleinschätzung ihrer Situation und Rolle im Vollzug hat die Streßsituation in dessen Einrichtungen zweifellos verstärkt, was - nach dem Urteil von Fachleuten - auch zu gesundheitlichen Störungen beigetragen hat.

Dr. Bausch von der Justizvollzugsanstalt Werl meint hierzu: "Gefängnisärzte sehen sich besonders häufig Patienten gegenüber, die sich von einer bestimmten Diagnose Vorteile versprechen. Ein Drittel der Häftlinge, so wird vermutet, täuscht Krankheiten vor - oder übertreibt das jeweilige Leiden. Immerhin sind unter ihnen auch viele Menschen mit ausgeprägten betrügerischen Fähigkeiten", sagt der Gefängnismediziner. "Andererseits können die Haftumstände durchaus handfeste Leiden auslösen. Depressionen zum Beispiel, wenn die Welt draußen ungute Botschaften schickt. Die Frau trennt sich, die Kinder melden sich trotz wiederholter Briefe nicht mehr", zählt Bausch mögliche Gründe auf. "Gut, daß im anstaltseigenen Arzneivorrat ausreichend Psychopharmaka vorhanden sind." Schließlich könne ein Gefangener "nicht seine ganze Emotionalität ausleben" - im Gegensatz zu einem Menschen in Freiheit, der Wut und Trauer beim Waldlauf oder Holzhacken abbauen kann." ("Zeit online", 25. 10. 2004, Visite beim Knastdoktor)

Diese Einschätzung trifft auf jeden Strafvollzug zu, auch auf die Situation in Hoheneck vor 1990. Die ausgestrahlten Dokumentationen und die Erlebnisberichte der Hoheneckerinnen ignorieren dies völlig. Alle gesundheitlichen Probleme während der Haft werden "dem Dreck", "der schlechten Verpflegung", "der Zwangsarbeit" und den Ärzten angelastet. Man unterstellt diesen, den Gefangenen "im Auftrage der Stasi" gegen deren Willen oder ohne ihr Wissen Psychopharmaka verabreicht zu haben, um ihnen zu schaden. Eine ungeheuerliche Beschuldigung!

Die Ärztin Regina Strehl von der JVA Tegel vertritt die Meinung: "Natürlich müssen wir als Bedienstete der Justiz unsere Patienten im Gefängnis sachlich und korrekt weiterbehandeln, egal wie ausfallend oder persönlich beleidigend sie uns gegenüber aufgetreten sind, weil wir ihre Wünsche nach Beruhigungsmitteln, Zusatzkost oder auch Vergünstigungen nicht erfüllen. Ein Patient meinte einmal wütend, ich sei wie eine Ärztin in Dachau, als ich ihm nicht die von ihm gewünschte, sondern eine andere Tablette angeboten habe.

Auch die berufliche Qualifikation wird bei einem im Strafvollzug tätigen Arzt schnell angezweifelt. Ich erinnere mich an den Auftritt eines Inhaftierten, der in der Sprechstunde immer lauter wurde, weil ich ihm nicht täglich zwei Schlaftabletten verordnen wollte, sondern es bei einer Tablette beließ. Als er zuletzt nur noch schrie, forderte ich ihn auf, das Sprechzimmer zu verlassen. Er sprang auf, und brüllte mich wütend an: 'Sie haben als Ärztin doch sowieso keine Ahnung, sonst wären Sie doch nicht hier gelandet!'"

Auch heute übliche Verfahren der medizinischen Vorstellung von Gefangenen beim Arzt werden so ausgelegt, als habe es diese nur im Strafvollzug der DDR gegeben, um "politischen Gefangenen" zu schaden. So behauptet Norman Rose auf seiner Webseite: "Als erstes Hindernis für politische Häftlinge erwies sich, daß sie erst mal einen Antrag auf eine ärztliche Untersuchung stellen mußten."

Ähnliches liest man in Erlebnisberichten ehemaliger Hoheneckerinnen.

In Wirklichkeit wurde jeder Gefangene, der in eine DDR-Vollzugseinrichtung kam, einer Eingangsuntersuchung durch den Medizinischen Dienst unterzogen und einem Arzt vorgestellt. Weitere Termine waren für alle Gefangenen, nicht nur für die "politischen", anmeldepflichtig. Dies erwies sich aus organisatorischen Gründen als unumgänglich. Der Hamburger Gymnasiallehrer Norman Rose aber setzt noch eine Lüge drauf: "Zudem war es in der Regel so, daß Patienten, vor allem politische Häftlinge, erst nach erheblicher Verspätung von Tagen und Wochen einem Arzt zur Konsultation zugeführt wurden."

Offensichtlich überträgt Herr Rose die Verhältnisse des heutigen Gesundheitswesens der BRD mit seiner Zwei-Klassen-Medizin und langen Wartezeiten einfach auf die DDR. Es trifft sicher in Einzelfällen zu, daß Gefangene auf einen Termin beim Facharzt warten mußten, was auf eine Vorstellung beim Anstaltsarzt jedoch nicht bezogen werden kann.

Bernd-Dieter Hüge schrieb zu einer Zeit, als die Stoßrichtungen der DDR-Delegitimierung noch nicht klar waren, als "politischer Gefangener" der Strafvollzugseinrichtung Rüdersdorf "Mein Knastbuch".

Er arbeitete dort im Krankenrevier als Strafgefangenen-Sanitäter. Nach wahrheitswidrigen Behauptungen der professionellen DDR-Hasser soll so etwas für "Politische" nicht möglich gewesen sein. Die Medizinische Station in Rüdersdorf leitete ein Unterleutnant des SV, der ausgebildeter Krankenpfleger war. Alle Mediziner waren Honorarärzte aus dem Territorium. Hüge schreibt zur Möglichkeit von Konsultationen: "Die Karteikarten mußten von mir geführt werden, und ich hatte auch den anderen Ärzten zu assistieren. Sogar ein Hals-Nasen-Ohrenarzt kam alle vierzehn Tage ins Revier ... Und wenn der Internist kam, begleitete ich ihn zur Visite und schrieb auf, was er verordnete ... Ich hatte den drei Ärzten zu assistieren, die wöchentlich ins Revier kamen ­... Außerdem kam einmal die Woche der Zahnarzt."

Wie die Ärzte in Hoheneck die Einsitzenden behandelten, beschreibt Gabriele Stötzer in "Die bröckelnde Festung" u. a. so: "Übergewichtige Gefangene konnten sich vom Arzt Diätessen verschreiben lassen. Mit einer Diät bekam man zum Mittagessen nichts Gebratenes, aber jeden Abend Butter zum Brot, die es sonst nur zweimal die Woche gab. Der Arzt konnte stark untergewichtigen Gefangenen auch einen Viertelliter Milch täglich verordnen und in besonders hartnäckigen Fällen von Magersucht sogar eine zusätzliche Puddingration. Für die Übergewichtigen gab es zweimal die Woche einen Reistag. Alle zwei Tage wiederholte sich der Ansturm auf Früchtewürfel, Bromasolax, Laxigen und Leopillen. Dazu Tabletten nach Rezept gegen die vielen Krankheiten, die sich in Leber, Nieren, Kreuz, Handgelenken, Unterleib und Füßen regten. Die Tabletten wurden alle einzeln und nur für einen bestimmten Tages- bzw. Nachtabschnitt ausgegeben, nie in größeren Mengen."

Wenn die einstigen Ärzte des DDR-Strafvollzugs und Vertragsärzte, die dort praktizierten, nicht gemobbt oder aufgrund des dargestellten Sachverhalts ihrer beruflichen Existenz beraubt werden können, dann bleibt immer noch die "Stasi-Keule".

Jedem Mediziner, der mit dem Geheimdienst seines Landes dienstlich zusammengearbeitet hat, unterstellt man, die ärztliche Schweigepflicht verletzt zu haben. Dabei hinterziehen die Medien meist die Tatsache, daß es auch in der BRD eine umfassende ärztliche Schweigepflicht nicht gibt. So veröffentlichte das "Ärzteblatt" 2005 einen Aufsatz, in dem es heißt: "Wie schon im Bereich des Sozialrechts erkennbar, kann die ärztliche Schweigepflicht nicht um jeden Preis aufrechterhalten werden. Die Einhaltung der ärztlichen Schweigepflicht stellt zwar den Regelfall und ihre Durchbrechung die Ausnahme dar, dennoch bestehen zahlreiche Ausnahmevorschriften zur ärztlichen Schweigepflicht, die zulässigerweise deren Bruch ermöglichen. Neben Befugnissen, die dem Arzt ein Recht zur Offenbarung einräumen, bestehen etliche Rechtsvorschriften, die von ihm zwingend einen Bruch der Schweigepflicht fordern. Auch diese Offenbarung erfolgt dann nicht unbefugt, sondern aufgrund gesetzlicher Auskunfts-, Melde- beziehungsweise Mitteilungspflichten."

Die Rechtslage der Ärzte in der DDR war ähnlich. Ich bin davon überzeugt, daß kein Arzt im heutigen Strafvollzug, der für den Verfassungsschutz der BRD arbeitet, auch nur das geringste zu befürchten hat.

Chefinspekteur a. D. Dieter Winderlich

Unser Autor war letzter Chef der Volkspolizei in der DDR.

Raute

Als die DDR in den USA Dresdner Kunstschätze präsentierte

Schau der Superlative

Der Zeitraum zwischen 1972 und 1974 erwies sich als ein Wendepunkt im Ringen der DDR um ihre diplomatische Anerkennung. Mit der am 21. Dezember 1972 erfolgten Unterzeichnung des Grundlagenvertrages zwischen beiden deutschen Staaten war die Hallstein-Doktrin, die von der anmaßenden Alleinvertretung Deutschlands durch die kapitalistische BRD ausging, endgültig gescheitert. Am 18. September 1973 wurde die DDR - gemeinsam mit der BRD - in die Vereinten Nationen aufgenommen. 43‍ ‍kapitalistische Industriestaaten und Entwicklungsländer stellten diplomatische Beziehungen zum sozialistischen deutschen Staat her. Die Zeit des Boykotts und der politischen Isolierung hatte ein Ende gefunden. Am 4. September 1974 wurden volle diplomatische Beziehungen zwischen der DDR und den USA hergestellt. Am darauffolgenden 9. Dezember öffneten die Botschaft und ein Konsulat der DDR in Washington D. C., der Hauptstadt der Vereinigten Staaten, ihre Pforten. Als erster DDR-Botschafter in den USA wurde am 20. Dezember Prof. Dr. Rolf Sieber im Weißen Haus bei Präsident Gerald R. Ford akkreditiert. Im folgenden berichtet das Botschafterehepaar Rolf und Helga Sieber über ein herausragendes kulturelles Ereignis in den bilateralen Beziehungen: die Vorbereitung und Eröffnung einer einmaligen Kunstausstellung, bei dem sie sich buchstäblich vom ersten bis zum letzten Tag ihres Aufenthalts in den USA - zwischen November 1974 und Juli 1978 - engagierten. Hier ist ihr Bericht:

Am 21. November 1974 trafen wir in Washington ein. Herzlich begrüßten uns künftige Mitarbeiter der DDR-Vertretung, die Botschafter der anderen sozialistischen Staaten, Mitglieder der in den USA wirkenden Vereinigungen "Freundschaft mit der DDR" und "Studium der DDR" sowie der stellvertretende Protokollchef der Ford-Administration.

Schon wenige Tage danach lernten wir auf einem Empfang den Direktor der Washingtoner Nationalen Kunstgalerie Carter Brown und dessen Gattin kennen. Als Mr. Brown erfuhr, daß wir aus der DDR seien, outete er sich als leidenschaftlicher Kunstsammler, der bereits einige berühmte Museen in Berlin und Dresden kennen- und schätzengelernt habe. Den Vorschlag, daß wir uns mit ihm und seiner Gattin gerne einmal in unserer Residenz darüber unterhalten würden, zumal meine Frau eine gebürtige Dresdnerin sei und wir einen Koch aus dem legendären Italienischen Dörfchen der Elbestadt mitgebracht hätten, griffen sie sofort auf.

Kurze Zeit später verriet mir Mr. Brown nach einem festlichen Essen einen "Traum", den er kürzlich gehabt habe: Die Washingtoner Kunstgalerie würde in einigen Jahren neben dem gegenwärtigen West Building auch ein East Building erhalten. Von ihm erwarte der Aufsichtsrat, dem übrigens auch einige Mitglieder der US-Regierung von Amts wegen angehörten, einen konkreten Vorschlag, mit welcher attraktiven Ausstellung man beginnen sollte. Seine Frage, ob das nicht mit Dresden realisiert werden könnte, bejahte ich ohne Zögern. So wurde meine erste Amtshandlung, noch bevor mich US-Präsident Ford zur Akkreditierung im Weißen Haus empfangen hatte, ein Erfolg. Bei einem Gegenbesuch im Hause Carter Browns einigten wir uns dann auf das weitere Vorgehen. Ich würde den Ministerpräsidenten der DDR, den Außenminister, den Kulturminister, die Staatssekretäre für Außenhandel sowie für Wissenschaft und Technik über die Möglichkeit einer Dresdner Ausstellung informieren und sie dafür zu gewinnen suchen, die US-Partner des Botschafters zu empfangen und zu unterstützen. Überdies hielte ich auch weiterhin zu ihnen Kontakt.

Carter Brown informierte mich darüber, daß er inzwischen wichtige Mitstreiter für das Projekt "Dresdner Kunstausstellung in den USA" gewonnen habe: vor allem einen so einflußreichen Mann wie David Rockefeller, den Direktor und Aufsichtsratsvorsitzenden der New Yorker Chase Manhattan Bank, der bei der nächsten Europareise mit dem Privatflugzeug auch DDR-Ministerpräsident Horst Sindermann aufzusuchen gedenke, um mit ihm über die Gestaltung der Dresdner Ausstellung zu sprechen. David Rockefeller gehörte zu den wenigen Persönlichkeiten in Führungskreisen der USA, welche sich schon sehr frühzeitig für diplomatische Beziehungen mit der DDR erklärt hatten. Zu den Aufgaben der Chase Manhattan Bank gehörte übrigens auch die Abwicklung der finanziellen Verpflichtungen der DDR, die sich aus ihrer UN-Mitgliedschaft ergaben.

Ihre Bereitschaft, neben Carter Brown den Vertrag mit der DDR über die Dresdner Ausstellung auszuhandeln und zu unterschreiben, bekundeten auch Philippe de Montebello, der amtierende Direktor des Metropolitan Museum of Art, New York, und Jan McKibbin White, Direktor des Fine Arts Museum of San Francisco. Alle drei Einrichtungen sind in den USA sehr einflußreich und überdies weltbekannt. Sie haben ständig hohe Besucherzahlen und werden durch finanzkräftige Sponsoren gefördert.

In Washington sollte die Ausstellung vom 1. Juni bis zum 4. September 1978, in New York vom 21. Oktober 1978 bis zum 13. Januar 1979 und in San Francisco vom 18. Februar bis zum 26. Mai 1979 zu sehen sein, ließ Carter Brown wissen. Damit könnte aus seinem "Traum" faszinierende Wirklichkeit werden.

Die drei Veranstalter hatten IBM, die damals wohl weltgrößte Computerfirma mit 200.000 Beschäftigten und über das ganze Land verteilten Filialen, dafür gewonnen, die Öffentlichkeitsarbeit für die Ausstellung zu übernehmen. IBM gründete zu diesem Zweck extra ein kleines Unternehmen und stellte 2 Millionen Dollar als Startkapital bereit. Die vom Konzern angebotenen Kataloge und vor allem die vielen nachgestalteten Souvenirs verschiedener Preisklassen fanden reißenden Absatz, so daß IBM erhebliche Gewinne eingefahren haben dürfte, die der DDR leider entgingen.

Das Echo in der USA-Presse war außergewöhnlich stark. In Artikeln wurde über die Konzeption und die Exponate der in 12 Abteilungen gegliederten Schau "Die Pracht Dresdens. 500 Jahre Kunstsammlungen. Eine Ausstellung aus der Deutschen Demokratischen Republik" ausführlich berichtet. Auch die 25 in den USA erscheinenden deutschsprachigen Zeitungen veröffentlichten spezielle Beiträge über Vergangenheit und Gegenwart der Kunstsammlungen in Dresden, Berlin und anderen Großstädten der DDR.

Zur gleichen Zeit, aber besonders nach der Eröffnung, kündigten sich Sponsoren mit sehr konkreter Spendebereitschaft an. Von besonders großem Interesse für die Veranstaltermuseen war die Unterstützung durch reiche Privatstiftungen, weil dadurch die vom USA-Kongreß bewilligte Versicherungssumme, die 40 Millionen Dollar betrug, auf weit über 80 Millionen Dollar erhöht werden konnte.

Im Verlauf der dreieinhalbjährigen Vorbereitungszeit hatte es nicht an einflußreichen politischen Kräften des In- und Auslands gefehlt, die es den beiden beteiligten Staaten nicht gönnten, erstmals eine derartige Kunstausstellung zu präsentieren. Als wir - meine Frau und ich - im März 1976 mit David Rockefeller zusammentrafen, machten wir ihn auf derlei Aktivitäten aufmerksam. Er rief daraufhin in unserem Beisein US-Außenminister Cyrus Vance an und ersuchte ihn, dafür Sorge zu tragen, daß solchen Querelen ein Ende gesetzt werde. In der Folgezeit kam es weder bei den Vorbereitungen noch an den drei Ausstellungsorten zu irgendwelchen Provokationen.

Am 1. Juni 1978 wurde die Dresdner Kunstausstellung in dem mit einem Kostenaufwand von 95 Millionen Dollar errichteten neuen Ostf lügel der Nationalgalerie feierlich eröffnet. In der Washingtoner Presse hieß es, die Hauptstadt der Vereinigten Staaten verfüge nunmehr über das teuerste, monumentalste und anspruchsvollste Museum mit zeitgenössischer Kunst. Im Auftrag des Kuratoriums der Einrichtung dankte Richter White vom neunköpfigen Supreme Court den obersten Repräsentanten der DDR für das kulturpolitische Ereignis, das hunderttausenden Bürgern der Vereinigten Staaten neue Einsichten und Erkenntnisse über Vergangenheit und Gegenwart der DDR vermittle. Auch der Bürgermeister der US-Metropole Walter Washington brachte gegenüber dem anwesenden DDR-Kulturminister Hans-Joachim Hoffmann seine Genugtuung darüber zum Ausdruck, daß der Hauptstadt der Vereinigten Staaten die Ehre dieser Schau zuteil werde. Deren Einwohner würden die Ausstellung als "große Brücke der Verständigung im Leben unserer Völker" betrachten. In seiner Rede äußerte Minister Hoffmann die Überzeugung, daß die Bereitstellung von 710 Werken aus acht Museen der Staatlichen Kunstsammlungen Dresdens ein sichtbarer Beweis für die Möglichkeit friedlicher Koexistenz zwischen Staaten unterschiedlicher sozialer Ordnung sei.

ADN-Korrespondentin Ilse Schäfer berichtete vom Ort des Geschehens: "Seit die versammelte Washingtoner Prominenz bei den Eröffnungsfeierlichkeiten die Gläser zu einem Toast auf den Staatsratsvorsitzenden Erich Honecker und die Regierung der DDR erhob - als Dank für das Zustandekommen der Exposition -, ist die nach Ansicht vieler Fachleute bisher spektakulärste Ausstellung in den USA Tagesgespräch. Die amerikanische Presse reagierte so überwältigt wie die sich drängelnden Kunstliebhaber."

"Die Schau ist in ihrer puren Schönheit, Seltenheit, Vielfalt, im Ausmaß ihres historischen Wertes und in der reinen Anzahl von Kunstgegenständen, die uns geradezu die Sprache verschlagen, einfach überwältigend. Die Art der Darbietung der Kunstschätze, an der Dresdner und Washingtoner Experten gemeinsam gearbeitet haben, ist das Bewundernswerteste, was jemals in einem amerikanischen Museum zu sehen war", schrieb die sonst eher kühle New York Times. Die Zeitung prophezeite: "Diese Ausstellung zu besuchen, ist ein Erlebnis, über das die Leute für den Rest ihres Lebens reden werden." Und die Washington Post stellte fest: "Amerika hat nie eine so kostbare Sache gesehen wie diese Leihgabe aus der Deutschen Demokratischen Republik." Dafür lohne es, "ewig Schlange zu stehen".

Am dritten Ausstellungstag rief mich David Rockefeller an. Er sagte: "Ich bin zusammen mit den übrigen Mitgliedern der Trilateralen Kommission - wir sind etwa 20 Personen - in Washington. Wir würden gern die Dresdner Kunstausstellung besuchen. Könnten Sie uns begleiten? Wenn ja, wann?" "In einer Stunde hole ich Sie vom Hotel ab", antwortete ich.

Heute sehe ich mich - mit dem Abstand von Jahrzehnten - dazu veranlaßt, der exakten Schilderung des Geschehens jener Jahre noch einige Überlegungen hinzuzufügen, die mir damals nicht in den Sinn gekommen sind.

Ich besitze ein Foto, das den seinerzeitigen USA-Präsidenten Jimmy Carter am 1. Juni 1978 (!) bei der Einweihung des neu erbauten Ostflügels der Kunstgalerie zeigt. Dort aber befand sich ja unsere Dresdner Ausstellung. Er zerschnitt zwar das rote Band, verlor aber kein einziges Wort über diese. Nur Stunden später wurde sie feierlich eröffnet. Seitens der USA war auch kein Regierungsmitglied zugegen, obwohl einige Minister - wie bereits erwähnt - von Amts wegen dem Aufsichtsrat der Nationalgalerie angehören. Dessen Vorsitzender, der Milliardär Paul Mellon, ließ sich ebenfalls nicht blicken. Dabei erinnere ich mich an Kommentare in tonangebenden Presseorganen der Vereinigten Staaten wie der Washington Post, die schrieb: "Die Ausstellung wird besonders in einer Zeit begrüßt, in der die Beziehungen zwischen Ost und West wieder zu vereisen drohen."

Bilanziert man indes das Gesamtergebnis der Exposition, dann spricht dieses wohl für sich selbst. Sie wurde 96 Tage lang gezeigt und von 620.089 Besuchern in Augenschein genommen. Und sie bot Gelegenheit, wichtige Erfahrungen auf dem Gebiet des kulturellen Austausches zwischen Staaten unterschiedlicher, ja konträrer Gesellschaftsordnungen zu sammeln. Überdies verdeutlichte sie die Bereitschaft beider Seiten zu Kooperation und Kompromissen bei übereinstimmendem Interesse.

Prof. Dr. Rolf Sieber
unter Mitarbeit von Helga Sieber

Ende RF-Extra

Raute

Warum Putins Wahlsieg dem "Westen" in die Glieder gefahren ist

Im Kreml spricht man Russisch

Um es gleich vorwegzunehmen: Wladimir Putin war Oberst des sowjetischen Geheimdienstes KGB und Sekretär einer Grundorganisation der damaligen KPdSU bei den bewaffneten Organen seines Landes in Dresden. Als solcher verteidigte er den sozialistischen Weg der UdSSR. Doch das ist Geschichte.

Als Präsident und interimistischer Regierungschef der Russischen Föderation, die aus der Erbmasse der Sowjetunion hervorging, verfolgte er einen ganz anderen Kurs. Heute pflegt er sich - angesichts der wiedererstandenen Macht der russisch-orthodoxen Kirche - bisweilen zu bekreuzigen und läßt durchblicken, daß ihn seine Mutter insgeheim getauft habe. Er bekennt sich zum russischen Weg der Restauration kapitalistischer Macht- und Eigentumsverhältnisse.

Ging Putin früher mit Oligarchen wie Chodorkowski, der den "Gelderwerb" aus seiner Sicht übertrieb, hart ins Gericht, so deutet er heute an, den bei der Wahl unterlegenen Milliardär Prochorow gar in die Regierung nehmen zu wollen.

Putin gilt - die Tschetschenen können ein Lied davon singen - als "harter Knochen", der auch dem "Westen" in der Kehle steckt. Mit diesem keineswegs pflegeleichten Vertreter der Interessen des wiedererstandenen, noch in der Formierung begriffenen russischen Kapitalismus, der überwiegend aus der Wirtschaftsnomenklatura einer bereits entarteten KPdSU hervorging, ist nämlich schlecht Kirschen essen. Im Unterschied zum weichlich-biegsamen Medwedew, seinem zeitweiligen Platzhalter im Kreml, mit dem NATO und EU gut zurechtkamen, gibt Putin weder leicht auf noch gerne nach.

Der schon im Vorfeld der Präsidentschaftswahlen vom 4. März durch eine tiefgestaffelte 5. Kolonne des "Westens" unternommene Versuch, ihn aus dem Sattel zu heben, ist ebenso gescheitert wie das Bemühen der vom früheren Landschullehrer Gennadi Sjuganow geführten russischen Kommunisten, Putin in einen zweiten Wahlgang zu zwingen. Der KPRF-Präsidentschaftskandidat Sjuganow schnitt mit über 17 % etwas schlechter ab als seine Partei bei den jüngsten Duma-Wahlen. Insofern ging Putins Taktik auf, der unter Ausnutzung von Teilen des kommunistischen Vokabulars und mancher Insignien mit seiner Kreml-Partei "Einheitliches Rußland" einen nicht unbedeutenden Sektor früherer KPRF-Anhänger auf seine Seite zu ziehen vermocht hat.

Spätestens seit der zweiten Hälfte der 80er Jahre war es mit der UdSSR in raschem Tempo abwärtsgegangen. Unter der Gorbatschow-Clique erfolgte noch zu "Sowjetzeiten" eine schrittweise "Öffnung" zum kapitalistischen Profitsystem bei gleichzeitiger Auslieferung von Schlüsselpositionen des Partei- und Staatsapparats an dessen Wegbereiter.

Nachdem zu Jahresende 1991 die Totenglocken der UdSSR geläutet worden waren, gingen drei Viertel des Territoriums mit etwa der Hälfte der Bevölkerung in den Bestand der Russischen Föderation über. Sie lieferte zunächst rund zwei Drittel der industriellen und etwa die Hälfte der landwirtschaftlichen Produktion des Riesenlandes.

Unter der Präsidentschaft Jelzins - eines verkommenen Subjekts, das zum prinzipienlosen Erfüllungsgehilfen nicht nur der antisowjetischen, sondern auch der antirussischen Politik der USA, der BRD und anderer imperialistischer Staaten wurde - sank die zuvor zweite Wirtschaftsmacht der Welt auf das Niveau eines Entwicklungslandes ab. Heute vegetieren 15 % der Bürger der RF unterhalb der Armutsschwelle. Fast sämtliche Staatsbetriebe wurden für ein Butterbrot an in- und ausländische Kapitalisten verschleudert. Das russische Bruttoinlandsprodukt (BIP) lag zeitweilig unter dem der Niederlande - und das bei mehr als dem Zehnfachen an Bevölkerung.

Als Putin im Jahr 2000 an Jelzins Stelle trat - er blieb bis 2008 auf diesem Posten, um anschließend mit etwa der gleichen Machtfülle Ministerpräsident zu werden -, riß er das politische Steuer des Landes herum. Er eröffnete der neuen russischen Bourgeoisie dadurch enorme Perspektiven, daß er nahezu alle Bodenschätze - Eisenerze, Nickel, Diamanten, Aluminium, vor allem aber Erdöl, Naturgas und Kohle - auf den internationalen Markt warf. Binnen weniger Jahre wurde Rußland einer der weltgrößten Exporteure dieser Ressourcen. Zugleich ließ Putin die buchstäblich am Boden liegende Rüstungs- und Weltraumindustrie massiv wieder ankurbeln, was den Einfluß des militärisch-industriellen Komplexes auf die Geschicke der RF wesentlich erhöhte. Er nutzte die Traditionen und sogar das Vokabular der Sowjetarmee, z. B. die Anrede Towarischtsch, für seine Zwecke.

Heute ist die RF wieder die sechste Wirtschaftsmacht der Welt. Bei Verelendung vieler hat die Kaufkraft der Bevölkerungsmehrheit seit 1999‍ ‍zugenommen.

Wladimir Putin spielt sehr erfolgreich auf der Klaviatur des russischen Nationalismus. Er steht der Devise "Rußland zuerst!" nicht fern, womit er bei großen Teilen der Bevölkerung auf Resonanz stößt. Vor allem auch deshalb, weil solche Töne unter der Präsidentschaft Jelzins, der sein Land zum Spielball von NATO und EU hatte werden lassen, aus dem Kreml nicht zu vernehmen waren. Obwohl auch Putin in so manche Mauscheleien und fragwürdige Kompromisse mit den beiden in Brüssel angesiedelten militärisch-ökonomischen Hauptquartieren des Imperialismus verstrickt ist, träumt er zugleich von einem wieder zur Weltmacht aufsteigenden Rußland. In seinen strategischen Überlegungen spielt vor allem auch die Entwicklung der Beziehungen zu China, Indien und den früheren Sowjetrepubliken Mittelasiens eine wichtige Rolle.

Die Russische Föderation ist das territorial größte und der Bevölkerungszahl (139 Millionen) nach neunte Land der Welt, wobei die durchschnittliche Lebenserwartung der Bürger drastisch abgesunken ist. Bei Männern beträgt sie nur noch 60 Jahre.

2010‍ ‍zählte man in der RF nicht weniger als 101 Dollarmilliardäre. Rußlands Hauptlieferanten sind heute die BRD (17,4 %) und China (13,5 %), während der russische Export zu 8,2 % in die BRD geht, gefolgt von den Niederlanden, den USA und China, die jeweils etwa 6 % der russischen Ausfuhr beziehen.

Die KPRF steht in scharfer Opposition zu Putin. Sie ist mit der einstigen KPdSU aus verschiedenen Gründen nicht identisch und hat sich gezwungenermaßen in das bestehende System Rußlands integriert. Sie will auf parlamentarischem Weg an die Macht kommen. Die Partei hält zugleich an sowjetischen Traditionen - vor allem an denen der Oktoberrevolution und des Großen Vaterländischen Krieges - fest. Zu ihren ideologischen Inhalten gehört eine starke Rückbesinnung auf Stalin. Der 14. Parteitag der KPRF setzte am 24. September 2011 folgende Hauptakzente für den künftigen Kurs: Gewährleistung der Sicherheit und nationalen Unabhängigkeit Rußlands; Verlassen der ökonomischen Sackgasse durch beschleunigte eigenständige Entwicklung des Landes; Überwindung der Armut und des sozialen Abstiegs; Rückgewinnung der Kontrolle Rußlands über seine Wirtschaft, seine Finanzen und seine Bodenschätze durch Verstaatlichung und Re-Industrialisierung.

K. S., gestützt auf "Solidaire", Brüssel

Raute

Merkels und Sarkozys EU untergräbt die iranische Wirtschaftskraft

Brüssels erpresserisches Ölembargo

BRD-Außenminister Guido Westerwelle - "unser" Topdiplomat - hat AFP zufolge Abnehmer von iranischem Erdöl dazu aufgerufen, sich dem Öl-Embargo der EU gegen Teheran anzuschließen. Brüssel verpflichtete alle EU-Mitgliedsstaaten, keine neuen Verträge mit Iran abzuschließen und ab 1. Juli auf bereits vereinbarte Lieferungen aus diesem Land zu verzichten. Nach Auffassung des Internationalen Währungsfonds (IWF) handelt es sich beim Embargo um eine politische Fehlentscheidung, da die Preise für Rohöl um 20 bis 30 % steigen werden, wenn Iran als fünftgrößter Produzent der Welt mit einer täglichen Fördermenge von 1,5 Millionen Barrel (1 Barrel = 159 l) im Export einbricht. Die EU nimmt bisher knapp 20 % davon ab, wobei Italien, Portugal und Spanien die Hauptbezieher sind.

Westliche Politiker und Medien der Bourgeoisie verbreiten seit Jahren die Behauptung, Teheran strebe nach Atomwaffen. Um dem entgegenzuwirken, müsse das mittelasiatische Land politisch und wirtschaftlich massiv unter Druck gesetzt werden. Schlüssige Beweise für diese Unterstellung gibt es bis heute nicht. Auch die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) hat keinen Verstoß Irans gegen das Völkerrecht feststellen können. Beklagt wird lediglich die "fehlende Bereitschaft" Teherans, sich ihrer ständigen Kontrolle zu unterwerfen. Doch diese Haltung ist durchaus verständlich, handelt es sich bei der in Wien angesiedelten Institution doch keineswegs um eine politisch neutrale Einrichtung, sondern wohl eher um ein Dach für Atomspione sämtlicher imperialistischer Staaten.

Mit ihrem Embargo befindet sich die EU völkerrechtlich im Abseits, wird es doch durch keine Beschlüsse der UN-Vollversammlung oder des Sicherheitsrates gedeckt. Tatsächlich verstößt die bloße Anreicherung von Uran nicht gegen internationale Verträge oder Abmachungen. Verboten sind lediglich die Herstellung und Weiterverbreitung von Kernwaffen. Das ist eindeutig im Vertrag über die Nichtweiterverbreitung von Atomwaffen - kurz: Atomwaffensperrvertrag - geregelt, der am 5. März 1970 in Kraft trat. Drei Länder haben ihn damals nicht unterzeichnet: Israel, Pakistan und Indien. Es handelt sich dabei um Staaten in Unruheregionen mit enormem Konfliktpotential und ungeklärten Grenzverläufen. Alle drei Länder konnten sich mit finanzieller und technischer Unterstützung imperialistischer Mächte unterdessen eigene Kernwaffenarsenale zulegen.

Iran signierte den Atomwaffensperrvertrag bereits 1968 und ratifizierte ihn zwei Jahre später. Seitdem hat Teheran niemals die Absicht bekundet, irgendwann auszusteigen, sondern vielmehr erklärt, den Vertrag einhalten zu wollen.

Anlaß für die erneute Verhängung von Sanktionen gegen Iran ist die Fähigkeit seiner Industrie, eine Urananreicherung von inzwischen 20 % vorzunehmen. Der Vizechef des iranischen Sicherheitsrates, Ali Wageri, teilte am 14. Februar mit, daß sein Land Kernwaffenbrennstäbe hergestellt habe, die für den Forschungsreaktor in Teheran verwendet würden. Theoretisch könnten aus zu 20 % angereichertem Uran zwar Kernwaffen hergestellt werden, sie erforderten jedoch eine riesige Menge des Rohstoffs und wären höchst ineffizient. Fachleute sprechen erst bei einem fünfundachtzigprozentigen Anreicherungsgrad von waffenfähigem Uran.

Davon ist Teheran noch meilenweit entfernt. Zum Vergleich: Die erste Atombombe der USA, die am 6. August 1945 über der japanischen Großstadt Hiroshima gezündet wurde und nahezu 200 000 Menschenleben auslöschte, enthielt etwa 60 kg Uran. Hier betrug der Anreicherungsgrad 93 %. Eine derart hohe Konzentration besitzt übrigens auch das Brennelement des BRD-Forschungsreaktors München II, der 2004 in Betrieb genommen wurde.

Worum dreht es sich wirklich?

Es geht "dem Westen" nach wie vor um den ungehinderten Zugang zu Ölquellen und die Beseitigung des in Iran bestehenden politischen Systems. Diese beiden Ziele gehören zu einer Strategie, bei der die Neuaufteilung der Welt unter Monopolgruppen und imperialistische Hauptmächte im Vordergrund steht. Nachdem die USA und die NATO Afghanistan überfallen hatten, war zunächst Irak "fällig".

Da Frankreichs und Großbritanniens Kapital nach "eigenen" Ölquellen in Nordafrika gierte, wurde Libyen unter Ausnutzung innerer Konflikte und eines ausgebliebenen russisch-chinesischen Vetos sturmreif gebombt. Seit Monaten wendet man die in Libyen gesammelten Erfahrungen auch auf Syrien an. Man bedient sich einmal mehr des bewährten "Rebellen"- Musters und bereitet systematisch eine Intervention vor, auch wenn dem inzwischen stärkere Widerstände im Wege stehen.

Die USA und deren NATO-Verbündete schließen einen bewaffneten Konflikt mit Iran keineswegs aus. Er soll als "berührungsloser Krieg" geführt werden. Flugzeugträger und Kriegsschiffe patrouillieren bereits vor den iranischen Küsten. Die USA treiben die Installierung einer schwimmenden Operationsbasis systematisch voran. Sie soll die Truppen gemäß der neuen Militärdoktrin Obamas beweglicher machen und Luftangriffe wie Kampfeinsätze gegen "Feinde" im Nahen und Mittleren Osten von internationalen Gewässern aus erleichtern.

Überdies entwickelt das Pentagon neue bunkerbrechende Waffen, um iranische Forschungs- und Industrieanlagen ausschalten oder die Infrastruktur des Landes treffen zu können.

"Es gibt keine Optionen, die nicht auf dem Tisch sind", erklärte US-Kriegsminister Leon Panetta in einem CBS-Interview.

Dr. Ulrich Sommerfeld, Berlin

Raute

Die Atommacht Israel gefährdet den Weltfrieden

Günter Grass: Was gesagt werden muß

[Hinweis der Schattenblick-Redaktion:
Der Beitrag wurde nicht in den Schattenblick übernommen.]

Raute

100‍ ‍Millionen Inder folgten dem Streikaufruf von elf Gewerkschaften

Wenn das Faß überläuft

Am 28. Februar fand in Indien unter Beteiligung von 100 Millionen Arbeitern und Angestellten ein Generalstreik statt, zu dem erstmals in der Geschichte des nach China zweitvolkreichsten Landes alle 11 Gewerkschaftsdachverbände und 500 weitere Basisorganisationen gemeinsam aufgerufen hatten. Eine besonders aktive Rolle spielten dabei der Allindische Gewerkschaftskongreß (AITUC) und das Zentrum der Indischen Gewerkschaften (CITU), die den beiden kommunistischen Parteien des Landes - der KPI (M) und der KPI - nahestehen. Der bisher umfassendste Ausstand in der Geschichte Indiens richtete sich gegen die Politik der Zentralregierung zur Privatisierung strategischer Wirtschaftssektoren wie Öl, Gas und Bergbau sowie gegen den Kurs des Anlockens ausländischer Investoren um jeden Preis, die zu einer drastischen Verschlechterung der sozialen Lage der arbeitenden Bevölkerung geführt haben. Hauptforderungen der Streikenden, deren Aktion in den traditionellen roten Hochburgen Kerala und Westbengalen fast sämtliche Aktivitäten zum Erliegen brachte, aber überall Wirkung zeigte, waren die Anhebung der Mindestlöhne und -gehälter unter Berücksichtigung der letztjährigen Inflationseinbuße von 7 %, die Entlohnung von 50 Millionen Zeitarbeitern nach den Standards regulär Beschäftigter sowie die Wiederverstaatlichung privatisierter Unternehmen. Das indische Milliardenvolk ist krassester sozialer Ungleichheit ausgesetzt. Während die Zahl der Millionäre inzwischen die Millionengrenze erreicht hat, müssen 400 Millionen Inder mit einem Einkommen von umgerechnet 2 Dollar pro Tag ihr Dasein bestreiten. Andererseits stieg die Profitrate der Unternehmer zwischen 1980 und 2008‍ ‍von 20 auf 60 %.

AITUC-Generalsekretär Gurudas Dasgupta bezeichnete den Generalstreik als "historisches Ereignis in der Chronik von Arbeitskämpfen auf indischem Boden". Erstmals sei es gelungen, die politisch und ideologisch sehr breit gefächerte Gewerkschaftsbewegung in einer solchen Aktion zusammenzuführen. Auch die einflußreiche KP Indiens (Marxistisch) - drittstärkste Kraft des Subkontinents - würdigte den "Beweis der Einheit und des Kampfgeistes der arbeitenden Klasse".

RF, gestützt auf "Solidaire", Brüssel

Raute

Das Land der Nelkenrevolution hautnah erlebt

Unterwegs in Portugal

Wir grüßen alle "RotFüchse" aus dem Land der Nelkenrevolution! Zum zweiten Mal mit dem Wohnmobil für längere Zeit in Portugal unterwegs, sind wir überall der Empörung über die dem Land durch Brüssel angelegten Daumenschrauben begegnet. Es bewegt sich hier viel, die Kommunisten der PCP und die Mitglieder der ihr nahestehenden Gewerkschaftszentrale CGTP-Intersindical sind äußerst aktiv. Der im Januar neu gewählte Führer dieser 600.000 Mitglieder zählenden Dachorganisation ist übrigens das Mitglied des ZK der PCP Arménio Carlos. Im Unterschied zu Portugals anderer, deutlich schwächerer Gewerkschaft UGT, die sich im bürgerlich-sozialdemokratischen Fahrwasser der PS befindet und im Januar einen Pakt mit den Unternehmern schloß, steht die CGTP auf Klassenpositionen.

Vielerorts fanden Veranstaltungen und Kundgebungen statt, die am 24. November vergangenen Jahres im "Greve Geral" - dem Generalstreik - gipfelten. Dieser wurde sogar von Teilen der Polizei und der Streitkräfte unterstützt, die ebenfalls ihre Forderungen einklagten. Man stelle sich vor, wie es wäre, wenn der Bundeswehrverband und die Gewerkschaft der Polizei den Versuch wagten, in gleicher Weise gegen die kapitalistische Ausbeutung in der BRD auf die Straße zu gehen!

Die Proteste galten nicht zuletzt der Einführung einer Autobahnmaut sowie der Privatisierung wichtiger Sektoren des staatlichen Gesundheitswesens und der Stromversorgung.

Am 11. Februar fand auf der Praça do Comércio in Lissabon die größte Kundgebung seit 30 Jahren statt. 750 Busse brachten die Teilnehmer aus allen Landesteilen in die Metropole am Tejo. Natürlich haben wir es uns nicht nehmen lassen, an der Massenkundgebung, zu der die CGTP aufgerufen hatte, teilzunehmen. Immer wieder wurde dort an die mit dem 25.‍ ‍April 1974 eingeleitete Nelkenrevolution erinnert. In ihrem Verlauf waren sämtliche 245 inländischen Banken, Versicherungen und Konzerne nationalisiert und mehr als 1,1 Millionen ha Land der Latifundisten im Süden schlagartig durch das Agrarproletariat in Besitz genommen worden. Die Forderung, die Errungenschaften dieser bis an die Grenze einer sozialistischen Revolution gehenden Umwälzung ein zweites Mal zu erkämpfen, wird vielerorts erhoben.

Am 24. Februar nahmen wir an einer kommunistischen Großkundgebung in Faro, dem Zentrum der Südprovinz Algarve, teil. Dort ergab sich Gelegenheit zu einem Gespräch mit dem Generalsekretär der Portugiesischen Kommunistischen Partei, dem langjährigen Metallarbeiterführer Jerónimo de Sousa. Es überraschte uns nicht, daß er über den "RotFuchs" recht gut Bescheid wußte. Die Unterhaltung drehte sich vor allem um die Frage der Notwendigkeit eines europaweiten Protests gegen die Untaten der EU und den "Krisen-Bewältigungs"-Kurs des Kapitals. Dabei hatten wir das Gefühl, daß die Worte des Portugiesischen und des Deutschen zwar phonetisch anders klingen, unsere Sprache aber dieselbe ist: die Sprache von Kommunisten. An jenem Tag in Faro war bereits von einem weiteren Generalstreik die Rede - dem insgesamt achten seit dem Sturz der faschistischen Diktatur. Er fand dann am 22. März statt. Wir waren auch dieses Mal mit von der Partie.

Portugal - ein Land mit nur etwa zehn Millionen Einwohnern, von denen jeder Zehnte derzeit ohne Job ist, während ein weiteres Zehntel "prekäre Arbeitsverhältnisse" erleidet und jeder Fünfte unterhalb der Armutsgrenze vegetieren muß -, wird wie Griechenland von der EU und ihrem Euro gewürgt.

Bis Ende April sind wir noch im Alentejo unterwegs und werden dabei auch das Grab von Catarina Eufémia aufsuchen - einer Landarbeiterin und kommunistischen Streikführerin aus der Ortschaft Baleiz’o, die - Mutter dreier Kinder und mit dem vierten im Leib - im Mai 1954 durch einen Leutnant der faschistischen Gendarmerie erschossen wurde. Nur Wochen nach dem 25. April 1974 nahmen Zehntausende an der feierlichen Umbettung Catarinas teil. Ein mehr als mannshohes Denkmal mit Hammer und Sichel wurde an jener Stelle errichtet, an der sie starb. Das Ehrengrab auf dem Friedhof von Baleiz’o ist nach wie vor Wallfahrtsort für Tausende.

Wir werden auch noch anderen Spuren der Nelkenrevolution folgen, um zum Abschluß unseres diesjährigen Portugal-Aufenthalts an den Feierlichkeiten teilzunehmen, die an den Sturz der faschistischen Diktatur vor 38 Jahren erinnern.

Wir grüßen Euch herzlich mit den Worten der PCP-Hymne: "Avante, Camarada!"

Biggi Leuchner / Lutz Manke, z. Z. Portugal

Raute

Wo Kritiker schweigen und Feinde vor Neid erblassen

Kubas Trümpfe

Kuba ist beileibe keine Großmacht, und es hat - vor allem aufgrund der jahrzehntelangen US-Blockade, aber auch infolge hausgemachter Defizite - mit tausend Schwierigkeiten zu kämpfen. Doch es besitzt Trümpfe, angesichts derer Kritiker schweigen und Feinde vor Neid erblassen. Diese zwingen sie in ganz entscheidenden Bereichen der Menschenrechtsverwirklichung zum Eingeständnis eines enormen Nachholbedarfs. Gemeint sind vor allem zwei Felder, auf denen Kuba nicht nur die anderen Länder des lateinamerikanischen Subkontinents, sondern auch hochentwickelte kapitalistische Staaten in den Schatten stellt: Bildung und gesundheitliche Betreuung.

Die Vereinten Nationen haben den Zeitraum von 2003 bis 2012 zum Jahrzehnt der Alphabetisierung erklärt, gibt es doch auf der Welt noch 64,7 Millionen eigentlich schulpflichtige Kinder ohne Unterricht und 793‍ ‍Millionen Erwachsene, die weder lesen noch schreiben können. Die UNO sollte sich bei den Kubanern Rat holen, wie diese Aufgabe zu lösen ist.

Vor über 50 Jahren startete die Regierung des revolutionären Karibikstaates eine nationale Kampagne, die schon am 22. Dezember 1961 abgeschlossen werden konnte. Die Republik Kuba erklärte sich zu Lateinamerikas erster von Analphabetismus freier Zone. Um 1.045.000 Leseunkundigen Grundkenntnisse zu vermitteln, wurden Kontingente formiert, die sich in Volkslehrer und drei verschiedene Brigadetypen unterteilten. Schon im Bildungswesen Tätige bereiteten die meist sehr jungen Alphabetisierer - mehr als die Hälfte von ihnen waren Mädchen - für ihre Entsendung in oftmals entlegene Orte und Regionen vor. Sie sorgten zugleich für die Bereitstellung elementarer Unterrichtsmaterialien.

1961‍ ‍war das Jahr der Landung konterrevolutionärer Exilkubaner in der Schweinebucht und erbitterter Kämpfe gegen bewaffnete Banden auch im Escambray-Gebirge. Es war zugleich das Jahr der Proklamierung des sozialistischen Charakters der Revolution. Der Kampf um die Schreibund Lesekundigkeit aller Kubaner wurde nicht für einen Tag unterbrochen. Bei einer Bevölkerungszahl von damals etwas mehr als 6,9 Millionen Landesbürgern konnte die Analphabeten-Rate auf 3,9 % gesenkt werden. In dem Bemühen um dieses Ergebnis spielten Studenten - auch aus anderen lateinamerikanischen Ländern - eine maßgebliche Rolle.

Später setzten viele der Alphabetisierer, aus denen oftmals Lehrer mehrerer Generationen von Kubanern wurden, ihre Anstrengungen zur Überwindung der Unwissenheit in anderen Ländern fort. Die "Insel der Freiheit" stellte Studienplätze für Lernwillige aus vielen Staaten Lateinamerikas und anderer Kontinente bereit und entsandte seine internationalistischen Wissensverbreiter an Brennpunkte des revolutionären Geschehens wie Venezuela und Bolivien. Dabei wurde das bewährte Programm "Yo si puedo" (Ich kann es!) in 30 Ländern mit demselben Erfolg umgesetzt wie während der ursprünglichen Kampagne des Jahres 1961.

2006‍ ‍wurde Kuba durch die UNESCO der König-Sejong-Alphabetisierungspreis zuerkannt. Die Weltkulturorganisation geht inzwischen davon aus, daß 99,8 % aller Kubaner über 15 lesen und schreiben können. Weltweit wurden 3,5 Millionen Menschen durch kubanische Lehrer alphabetisiert.

Gab es 1959, als Fidels Getreue in Havanna einzogen, nur 25.000 Menschen mit Hochschuldiplomen und für 500.000 Kinder überhaupt keine Schulen, während zugleich 10.000 Lehrer brotlos waren, so öffneten am 5.‍ ‍September 2011 mehr als 60 kubanische Universitäten ihre Hörsäle für nahezu 500.000 Studierende.

Auch auf einem anderen fundamentalen Gebiet der Menschenrechtsverwirklichung legte Kuba die Latte sehr hoch: bei der Betreuung werdender Mütter und noch ungeborener Kinder. In den vergangenen vier Jahren konnte die Säuglingssterblichkeit auf 4,9 bei 1000‍ ‍Lebendgeburten gesenkt werden. Nur Kanada erreicht auf dem amerikanischen Kontinent eine gleich niedrige Rate. Die USA, die sich eines besonders hoch entwickelten Gesundheitswesens rühmen und Nobelpreise für Medizin ohne Ende eingefahren haben, vermelden in der Säuglingssterblichkeit einen Landesdurchschnitt von 7,0, wobei aus vielen Elendsregionen des imperialistischen Hauptlandes das Zwei- bis Zweieinhalbfache dieser Zahl gemeldet wird. Etwa 7 Millionen Kinder sind in den Vereinigten Staaten bei Krankheit ohne jeden Versicherungsschutz.

Kubas Erfolge auf dem Gebiet der unentgeltlichen pränatalen Betreuung, der Säuglingsfürsorge und der Pädiatrie hängen eng mit der Gesamtstruktur seines Gesundheitswesens und vor allem auch mit dem landesweit verwirklichten Prinzip der Familienärzte und Familienkrankenschwestern zusammen. Hinzu kommt der genetische Gesundheitsdienst, der bestehende Risiken frühzeitig erkennt und einstuft. Im ersten und zweiten Drittel der Schwangerschaft erfolgen obligatorische Ultraschalluntersuchungen. Besondere Aufmerksamkeit und prophylaktische Betreuung wird schwangeren Frauen zuteil, die älter als 37 Jahre sind. Die Familienärzte behandeln Störungen wie Unterernährung, Anämie, Bluthochdruck, Diabetes, Schilddrüsenhormondefizite, Infektionen der Fortpflanzungsorgane, der ableitenden Harnwege und des Atmungsapparats, die ernste Folgen für die Schwangere und den Nachwuchs haben können.

Während 1970 auf jedes in Kuba verstorbene Kind nur 25 Überlebende kamen, erhöhte sich diese Zahl bis 2011 auf 1:204. In den letzten 41 Jahren stieg die Überlebensrate somit auf das 8,2-fache.

Bedenkt man, daß 7 von jeweils 10 Kubanern unter den extrem belastenden Bedingungen der US-Blockade geboren wurden, ist der Erfolg noch höher zu bewerten.

RF, gestützt auf "Granma Internacional" und "Prensa Latina", Havanna

Raute

Ein Geologe, der zum literarischen Schatzgräber wurde: Kurt Kauter

Auf den Spuren Bolívars

Simon Bolívar, der Gründer mehrerer Staaten Lateinamerikas, hat Kurt Kauter (1913-2002) in seinem literarischen Schaffen stark inspiriert. Der studierte Geologie, Mineralogie und Geographie und trug nach seiner Promotion bei der Deutschen Erdöl-Gesellschaft für Bohrungen in der Gegend von Celle Verantwortung. Bevor er Ende 1939 zur faschistischen Wehrmacht eingezogen wurde, arbeitete Kauter fast drei Jahre als Erdölgeologe in Ekuador. Sein Auftrag lautete, in zwei Küstenprovinzen vermutete Vorkommen für die Industrie Nazideutschlands aufzuspüren und deren Fündigkeit zu prüfen.

Die Provinz Esmeralda mit ihren undurchdringlichen Urwäldern und die Provinz Manabi, deren Landschaft überwiegend aus Steppen besteht, regten ihn an, über Land und Leute nachzudenken und sich in deren Geschichte, Kultur und Brauchtum zu vertiefen. Während des 2. Weltkrieges war Kauter in Norwegen, Polen, der Ukraine und im Nordkaukasus als Geologe bei der Erdölförderung eingesetzt, die große Bedeutung für die faschistische Rüstungsindustrie und die Versorgung der Hitlerwehrmacht besaß. In den letzten Kriegsmonaten schickten ihn die Reichswerke Salzgitter als Chefgeologen zur österreichischen Kohle-Öl-Union.

Nach Kriegsende begann Kurt Kauter seine Eindrücke zu notieren. Das Grauen der faschistischen Konzentrationslager bewegte ihn zutiefst. Er las politische Bücher und suchte nach einer gesellschaftlichen Alternative. Als Konsequenz neu gewonnener Erkenntnisse trat er 1947 in die KPD ein. Überdies zählte er zu den Mitbegründern der Weltfriedensbewegung. Sein politisches Engagement hatte Folgen. Als Geologe sei er im Westen "in der falschen Partei", ließ ihn ein Verantwortlicher wissen. Auch seine Frau, eine Zahnärztin, durfte nicht mehr im öffentlichen Dienst arbeiten, obwohl sie selbst gar nicht KPD-Mitglied war.

So verlegte sich Kauter auf die Schriftstellerei. Er arbeitete als Dramaturg, schrieb für die "Weltbühne", die "Deutsche Woche" und "Theater der Zeit", verfaßte Berichte für die DDR-Nachrichtenagentur ADN, die ein Büro in Hannover unterhielt. Nach dem KPD-Verbot im August 1956 wurde es für die Familie mit drei Kindern immer schwerer, den Lebensunterhalt zu bestreiten. Kauter tauchte in Hannover unter, nachdem eine Prämie für seine Ergreifung ausgeschrieben worden war. In dieser Situation riet ihm der KPD-Vorsitzende Max Reimann zur Übersiedlung in die DDR, wo er wieder als Geologe werde arbeiten können. 1958 erfolgte der Umzug nach Gotha. Kurt Kauter wurde vom Volkseigenen Betrieb Erdöl/Erdgas als Hauptgeologe eingestellt und war zunächst für die Erkundung in Südthüringen zuständig. Später übernahm er die Chefredaktion der "Zeitschrift für Angewandte Geologie" in Berlin und wurde an das Zentrale Geologische Institut der Akademie der Wissenschaften der DDR versetzt.

Neben zahlreichen Fachpublikationen verfaßte Kurt Kauter seit Mitte der 60er Jahre etliche Bücher über Geschichte, Kultur und Brauchtum lateinamerikanischer Völker. Er sammelte deren Märchen, Sagen, Mythen, Fabeln und Legenden, beschäftigte sich mit ihrer Historie und besonders den Freiheitsbewegungen auf dem Subkontinent. So entstanden Sachbücher und Reisereportagen. Er schrieb Erlebtes in Gedichten, Aphorismen, Erzählungen, Romanen und vor allem in Kinder- und Jugendbüchern nieder. Für seine Erstveröffentlichungen über Ekuador - "Im Lande des Chimborazo" (1964), "Unter dem Kreuz des Südens" (1965) und "Der Sohn des Cotopaxi" (1967) - legte er sich das Pseudonym José Maria Rocafuerte zu. Ein Mann dieses Namens war nach der Vertreibung der Spanier Ekuadors zweiter Präsident und setzte sich beherzt für die Entwicklung von Kultur und Bildung in seinem Lande ein.

Als sich Kurt Kauters "Erlebnisstoff Ekuador" - nach seinen Worten - "erschöpft" hatte, ermöglichte ihm das DDR-Kulturministerium eine Studienreise nach Südamerika. Dabei kam ihm zugute, daß er vom Staat keine Valutamittel benötigte, da er von seiner Tante, einer Bildhauerin in der BRD, geerbt hatte. So begab er sich 1972 in das Chile Dr. Salvador Allendes. Der im Jahr darauf in den Freitod getriebene Präsident verfocht die Ziele der Unidad Popular, zu der vier linksgerichtete Parteien gehörten. Ihnen ging es um die Überwindung der Armut, des Analphabetentums und der Demütigung indianischer Ureinwohner. Nach Kauters Chile-Aufenthalt entstanden eine Reisereportage, Feuerlandmärchen, Erzählungen und Fabeln. In seinem Werk "Die Letzten vom Ende der Welt" (1983) prangerte er das Unrecht an, das den Untergang der indigenen Bevölkerung Feuerlands bewirkt hatte.

Zwei Jahre später reiste Kauter nach Peru, wo er von Velasco Alvarado, dem Chef der "Regierung der Revolutionären Streitkräfte", unterstützt wurde. Inzwischen war er im Präsidium der "Liga für Völkerfreundschaft der DDR" mit der Lateinamerikathematik befaßt und speziell für Venezuela zuständig. Sein Wunsch, dieses Land kennenzulernen, lag auf der Hand.

Die Flugreise konnte in Mark der DDR bezahlt werden, während Kauter für die Kosten an Ort und Stelle abermals selbst aufkam. In Venezuela folgte er den Spuren Alexander von Humboldts, dessen Reisebeschreibungen er in seine umfangreichen Vorbereitungen einbezogen hatte. Fasziniert von Land und Leuten, besonders aber von der Persönlichkeit des Freiheitshelden Simon Bolívar, schrieb er eine Reportage (1979), Indianermärchen (1981) und die Biographie "Befreier Bolívar" (1996). Damit würdigte er jenen Mann, der die Brechung der spanischen Kolonialherrschaft in mehreren Ländern Südamerikas wie kein anderer befördert hatte.

Kurt Kauter wurde mit Venezuelas höchstem Orden "Merito al Trabajo - Primera Clase" ausgezeichnet.

Dr. Helga Raschke, Gotha

Raute

Wie mich Ernst Bloch bei meiner "Münzer"-Inszenierung beriet

Vom Feuerkopf und dem abgeklärten Philosophen

Erregt sprang ich auf und rief: "Es bricht mir das Herz, es zersprengt mir den Schädel! Ich kann den Mann nicht fassen. Er ist zu überdimensional und zu widersprüchlich, wie ihr ihn seht. Man kann ihn so nicht glaubhaft auf die Bühne bringen. Schwert und Geist bilden keine Einheit! Atheismus und Religion sind wie Feuer und Wasser!" Mein Gegenüber sog ganz ruhig an seiner Pfeife und erwiderte: "Mein Freund Wolf hat ganz recht, wenn er sagte, daß man dich an einen Stuhl binden und dir Handschellen anlegen sollte. Bevor dir das Herz bricht und du hier einen Veitstanz aufführen wirst, solltest du einmal deinen Kopf benutzen! Kunst gelingt nur, wenn man Gefühl und Verstand in Einklang bringt, wenn beide sich die Balance halten. Setz dich, und diszipliniere deinen zermarterten Geist! Dein Held Thomas Münzer wird sonst zu einem politischen Anarchisten und Chaoten, der er nie war und wie er daher auch nicht dargestellt werden darf."

So ungefähr fand in meiner Erinnerung vor nunmehr 60 Jahren die ziemlich einseitige Unterredung zwischen dem reifen, hochgescheiten Philosophen Ernst Bloch und mir, dem jungen Regisseur, statt. Ich werde dieses Gespräch nie vergessen, weil es sich in einer extrem angespannten heiklen Zeit ergab. Es war der Spätsommer des Jahres 1953.‍ ‍Der kalte Krieg strebte seinem ersten unerbittlichen Höhepunkt zu. Im Frühjahr starb Stalin. Im Kreml ging es nicht nur um die Nachfolge, sondern täglich, stündlich um weittragende internationale Entscheidungen und um die Festigung einer jungen Staatengemeinschaft von der Elbe, weit über den Ural, bis Wladiwostok. Eine wahrhaft politische Titanenarbeit. Gegenüber den westlichen Antipoden, die hochgerüstet, mit aggressivem Mißtrauen und einem ungeheuren militärischen Bedrohungspotenzial an der scheunentorweit offenen Elbgrenze standen. Die Nachwehen des 17. Juni waren noch nicht ausgestanden. Ein unbedacht oder bewußt ausgelöster Funke hätte genügt, einen Weltbrand zu entfachen. Auch Bloch war sich dessen bewußt, als er besorgt meinte, daß nach diesen zwei vorhergegangenen ein dritter Weltkrieg die gesamte Menschheit auslöschen würde.

In dieser hochbrisanten Zeit sollte ich ein revolutionäres Bauerndrama über den Theologen und Volksprediger Thomas Münzer inszenieren, das Friedrich Wolf gerade geschrieben hatte.

Von jeher faszinierte mich Wolf - der Arzt, der Helfer, der Dichter, der Einmischer. Er war stets auf Seiten der Unterdrückten, der Verfemten, der Verfolgten. Bis er selbst ein Verfolgter wurde und fliehen mußte, mit Weib und Kindern. Schon in den 20er Jahren waren seine brisanten Stücke "Zyankali", "Floridsdorf" und "Die Matrosen von Cattaro" von großer kunstpolitischer Sprengkraft. Meine ersten Rollen waren "Dr. Wanner" und ein Offizier in den "Matrosen". Später inszenierte ich an verschiedenen Theatern "Professor Mamlock", "Der arme Konrad", "Thomas Münzer" und 1960 an der Volksbühne unter Fritz Wisten in Berlin sein selten gespieltes Stück über den französischen Dichter und Revolutionär Beaumarchais. In großer und hochkarätiger Besetzung mit Winfried Ortmann, Franz Kutschera, Marion van de Camp, Edwin Marian, Armin Mueller-Stahl, Harry Riebauer, Susanne Wisten, Steffi Spira. Albert Garbe und dem gesamten großen Ensemble.

Unvergessen ist Wolfs kongeniale Übersetzung und Bearbeitung des berühmten Revolutionsstücks von Wsewolod Wischnewski "Die optimistische Tragödie", das ich zweimal inszenierte. Jedes Mal gab es Szenenapplaus bei der Textstelle: "Ihr lobt Euch selber, weil die anderen Euch nicht loben! Ihr laßt zwei Meter rotes Tuch in der Luft flattern und glaubt, daß nun das Glück der Menschheit gekommen sei!" Anfang Juni wurde ich von Wolf nach Lehnitz eingeladen, die Regiekonzeption für die Uraufführung des Münzer, die er uns parallel zu Langhoffs Inszenierung am Deutschen Theater gestattet hatte, zu besprechen. Ich war damals Oberspielleiter und Chefdramaturg am Altenburger Theater, inszenierte aber inzwischen auch schon in Weimar und Leipzig, wo ich Dozent an der dortigen Theaterhochschule war. Unauslöschlich hat sich mir diese kurze Zeit mit dem Dichter eingeprägt.

Am Ende meinte er, daß es nicht schaden würde, wenn ich auch noch Ernst Bloch konsultierte, der 1921 das Buch "Thomas Münzer als Theologe der Revolution" geschrieben hatte. Er versäumte nicht, mich darauf hinzuweisen, daß sich allerdings auch schon erste Konflikte an der Universität in Leipzig, wo dieser als Professor tätig war, anbahnten. Bloch war zwar Sozialist, lehnte Militarismus und Imperialismus ab und kritisierte die bürgerliche Philosophie, vertraute aber seinem "Prinzip Hoffnung". Neben starken humanistischen Grundzügen sollte seine Zukunftsphilosophie durch ein psychisch-triebhaftes Streben in Natur und Gesellschaft zur Lösung und Versöhnung aller Widersprüche führen. Ein Gedankenkonvolut, das mich damals nicht störte, da ich einige gut umsetzbare Hinweise über die Gestaltung Münzers und seiner revolutionären Bauern erhielt. Wichtig und erhellend war auch sein Privatissimum für mich über die radikalen Sekten und seine Idee von der Volksreformation als gesellschaftliche Umwälzung, deren Träger die Masse der Bauern und die arme Stadtbevölkerung sein sollten. Wie dem auch sei - es waren zwei Lehrstunden für den jungen Regisseur bei dem reifen Philosophen und Historiker. Unvergessen sind die beeindruckende Persönlichkeit und der reiche Erfahrungsschatz des Gelehrten.

Mit Verspätung fand die Uraufführung von "Thomas Münzer" kurz vor Jahresende in beiden Theatern statt. Trotz einiger Unkenrufe und etlicher Widerstände war dieses aufrüttelnde Bauerndrama ein achtungsvoller Erfolg. Ich weiß nicht, ob Ernst Bloch die eine oder andere Aufführung von "Thomas Münzer" sah. Sicher hätte er diese oder jene seiner fruchtbaren Anregungen wiedererkannt.

Es blieb bei einer späteren flüchtigen Begegnung zwischen uns im Leipziger Opernhaus, bei der er mir im Vorbeigehen eine Bemerkung zuwarf, die nicht gerade Rühmliches für mich beinhaltete: "Du bist ein junger Feuerkopf. Das schleift sich ab, bis du älter bist."

Er verließ uns nach 1961 und lehrte Jahrzehnte in Tübingen. Geblieben ist bei mir der Respekt vor einem großen und grundehrlichen Sinnsucher.

Erlebt hatte ich ihn noch bei seinem letzten Fernsehinterview. Ein alter Mann mit dunkler Brille, die seine Augen schützte. Seine Auslassungen waren geprägt von Altersweisheit und großer Gelassenheit. Er schien seinen Frieden mit der Welt gemacht zu haben. Er schloß mit den Worten: "Es reicht jetzt." Bloch wurde 92 Jahre alt.

Verblüfft schaue ich auf diese Zahl. Im kommenden Jahr bin ich soweit. Noch warte ich auf die beneidenswerte Weisheit des Alters. Und auch wegen der Gelassenheit werde ich mich noch eine Weile in Geduld üben müssen.

Rudi Kurz

Raute

Als Leipziger Studenten in die Schlacht von Unterwellenborn zogen

"Max braucht Wasser!"

Wer die Vorgeschichte und die Anfänge der DDR erlebt hat, dem ist der Ruf "Max braucht Wasser!" sicher noch im Gedächtnis geblieben. Er symbolisierte Notlage und Aufbruch. Da diese Ausgangssituation im Kampf um eine ausbeutungsfreie Gesellschaft von alten und neuen Feinden ständig geleugnet und verfälscht wird, aber auch wohlmeinende einstige DDR-Bürger sie mitunter verdrängen, ist ein Rückblick sinnvoll. Infolge der Konzentration der Schwerindustrie in Westdeutschland und der geringen Kapazitäten von Eisen- und Stahlwerken in der sowjetischen Besatzungszone konnten die Bedürfnisse der ostdeutschen Wirtschaft damals in keiner Weise befriedigt werden. Doch im Stahlwerk Unterwellenborn, der Maxhütte, bestand die Möglichkeit, einen vierten Hochofen anzublasen, falls dafür genügend Kühlwasser zur Verfügung stünde. Gerade das aber fehlte.

Fritz Selbmann, der für die Industrie verantwortliche stellvertretende Leiter der Deutschen Wirtschaftskommission und spätere Minister für Industrie der DDR, beauftragte eine Gruppe von Ingenieuren und Technikern mit der Ausarbeitung eines Projekts, um von der im Tal vorbeifließenden Saale aus eine Wasserleitung mit Pumpwerk den Berg hoch zum Stahlwerk zu bauen. Für die Realisierung veranschlagten die Fachleute eine Bauzeit von etwa neun Monaten. Der Hauptdirektor der Vereinigten Eisen- und Stahlbetriebe (VESTA), Hasso Grabner, erhielt den Auftrag, einen Weg zur deutlichen Verkürzung dieser Frist zu suchen.

Zur gleichen Zeit geriet die Universität Leipzig ins Blickfeld, weil dort nach zweijährigem Kampf um ihre demokratische Umgestaltung bei den Studentenratswahlen des Jahres 1947 erstmals die SED-Liste mit absoluter Mehrheit über CDU und LDPD triumphierte. Damit stellten die Genossen den Studentenratsvorsitzenden. Die Partei beauftragte mich mit der Wahrnehmung dieser Aufgabe.

Vor einem solchen Hintergrund ist erklärbar, daß mich der Hauptdirektor der VESTA Ende Oktober 1947 zu einem Gespräch einlud. Auf einem ausgedehnten Spaziergang durch Leipzigs herbstliche Straßen erläuterte mir Hasso Grabner das Maxhütten-Problem. Er schlug vor, die Leipziger Studentenschaft in die Lösung dieser Aufgabe einzubeziehen.

In Rede und Gegenrede, mit Überlegungen und Einwänden, Bedenken und deren Ausräumung entwickelten wir gemeinsam die Grundzüge des Projekts, das einen großangelegten freiwilligen Arbeitseinsatz der Leipziger Studentenschaft zur Voraussetzung hatte. In groben Zügen wurde beraten, was der Studentenrat zu organisieren habe und was die VESTA leisten müsse. So entstand ein Plan, dessen ins Auge springender Name uns am Ende auch noch einfiel: "Max braucht Wasser!"

Der Baubeginn sollte am 2. Januar 1948 erfolgen. Bis dahin war eine umfangreiche organisatorische Arbeit zu bewältigen. In sämtlichen Fakultäten wurden Listen ausgelegt, in die sich Freiwillige eintragen konnten. Nach dem Einsammeln erfolgte die Auswertung.

Die Bildung von Einsatzgruppen für jeweils zwei Wochen, der Hin- und Rücktransport mit der Bahn, die Verpflegung und sogar eine Zigarettensonderzuteilung waren zu sichern. Mit den Reichsbahnwerkstätten wurde vereinbart, Güterwaggons mit Doppelstockbetten und Strohsäcken, Holztischen, Stühlen und kleinen Kanonenöfen für die Übernachtung herzurichten und bereitzustellen. Vom Stahlwerk erfolgten die Lieferung der Rohre und die Versorgung mit Schaufeln, Spitzhacken, Schubkarren und anderem Gerät. Überdies war ein Mindestmaß medizinischer Betreuung zu gewährleisten.

All das zeigt, welche beachtliche Leistung von Menschen vollbracht wurde, die damals auf die Lösung so umfangreicher logistischer Aufgaben in keiner Weise vorbereitet waren.

Überdies kamen wir auf den Gedanken, die Studenten der Universität Jena herauszufordern, sich am Leitungsbau zu beteiligen, was dann auch geschah. Die Arbeitsbedingungen waren äußerst hart. Die gefrorene Erde mußte mit Spitzhacken aufgebrochen werden, die Erdbrocken galt es beiseitezuschaffen oder mit Schubkarren abzutransportieren und die schweren Rohre per Hand in die erforderliche Position zu bringen. Ein Einsatz von Kranwagen war am Steilhang nicht möglich.

Übrigens: Studentinnen stellten rund ein Drittel der Arbeitskräfte. Sie nahmen keinerlei Sonderrechte für sich in Anspruch.

Die Wasserleitung war sechs Kilometer lang und wurde in 96.000 Arbeitsstunden nach nur 90 Tagen Bauzeit am 1. April 1948 mit dem Hochpumpen des ersten Wassers eingeweiht. Die Eröffnungsreden hielten Fritz Selbmann und ich als Leipziger Studentenratsvorsitzender.

Max bekam Wasser, das Land mehr Eisen und Stahl, und die junge ostdeutsche Intelligenz hatte sich ein erstes großes Erfolgserlebnis verschafft, das nur bei absoluter Freiwilligkeit, Solidarität und Verbundenheit mit der neuen Gesellschaft denkbar war.

Prof. Dr. Herbert Meißner

Raute

Gerhard Vontra und des Pudels Kern

[Hinweis der Schattenblick-Redaktion:
Der Beitrag wurde nicht in den Schattenblick übernommen.]

Raute

Ruth Kraft dachte mit dem Herzen

Ruth Kraft, 1920 geboren, besuchte das Lyzeum, schloß eine kaufmännische Lehre ab und arbeitete danach als Buchhalterin. Während des Zweiten Weltkrieges war sie technische Rechnerin in der Aerodynamischen Abteilung der Heeresversuchsanstalt Peenemünde. Nach Kriegsende erhielt sie vom Sender Leipzig als dessen Redakteurin erste literarische Aufträge für Jugend-, Schulfunk- und Kinderprogramme. Sie schloß sich einem Autorenkreis der Messestadt an. 1946 wurde sie Mitglied der DDR-Blockpartei LDPD, deren Zentralvorstand sie seit 1963 angehörte. Eine Zeitlang war sie auch Vorstandsmitglied des DDR-Schriftstellerverbandes.

Nach ihrem Erstlingswerk "Rüben, Säfte und Kristalle" (1950) brachte Ruth Kraft in den 50er Jahren etliche Kinderbücher heraus, darunter "Lutz und Frosch und wie sie alle heißen" (1952), "Tipps und Tapps" (1956), "Flick und Flock" (1958). Ruth Krafts Kinderoper "Die Schildbürger" (Musik: Walter Böhme) erlebte 1951 ihre Uraufführung im vogtländischen Reichenbach. Das Buch "Schildbürger von 1598" brachte der Rostocker Hinstorff-Verlag 1953 mit Illustrationen von Fritz Koch-Gotha heraus. Ruth Krafts Roman "Insel ohne Leuchtfeuer" (1959), in dem sie ihre Erfahrungen aus der Peenemünder Zeit verarbeitete, wurde wegen der heiklen Thematik zögerlich aufgenommen. 1965 folgte der Roman "Menschen im Gegenwind". Während das erste Buch die Entwicklung von Raketenwaffen Nazi-Deutschlands schilderte, ging es im zweiten um die Heimkehr seiner einstigen Experten aus der UdSSR und den USA in beide deutsche Staaten.

Mit ihren Romanen wurde Ruth Kraft einer großen Leserschaft bekannt. Bei "Insel ohne Leuchtfeuer" erreichte sie über 20 Auflagen. Kritiker verweisen darauf, daß der Erfolg des Buches nicht zuletzt darauf zurückzuführen war, daß die Autorin ihre differenzierte Darstellung der Handelnden konsequent durchhielt und Schwarzweißmalerei vermied.

Seit den 70er Jahren wandte sich Ruth Kraft vorwiegend Gegenwartsthemen zu. Nach ihrem Graal-Müritz-Roman "Gestundete Liebe" (1970)‍ ‍legte sie den Erzählband "Träume im Gepäck" (1972) vor, in dem sieben unterschiedliche Prosatexte vereint waren, die ethisch-moralische Fragen aufwarfen. In "Solo für Martina" (1978) wurde die konfliktreiche Liebesgeschichte einer Ökonomiestudentin und eines Geigenbauers erzählt. Regisseur Achim Hübner drehte danach 1980 den gleichnamigen Fernsehfilm. In "Unruhiger Sommer" stellte Ruth Kraft die Auswirkungen einer Ehekrise auf das Leben der Kinder dar. In ihren letzten Büchern setzte sich die Autorin vor allem mit der moralischen Standortbestimmung der Frau auseinander.

Werke Ruth Krafts erschienen in der CSSR, der Belorussischen SSR, in Polen, Ungarn und Litauen. Zwischen 1953 und 1987 fanden Erzählungen von ihr Eingang in elf Anthologien. Als 80jährige legte sie 2000 ihr Erinnerungsbuch "Leben von der Pike auf" vor. Dabei durchschritt sie mehr als zwei Drittel eines geschichtsträchtigen Jahrhunderts und bewertete ihr Schriftstellerdasein. Ruth Kraft bekannte: "Vom Fabulieren wurde ich ein Leben lang getragen. Was davon in mir steckte, hat mich befähigt, mir von der Pike auf das dafür notwendige Handwerkszeug heranzuholen. Und das mit ständig wachsender Lust. Die Erfolge habe ich als Bestätigung des von mir gewählten Weges empfunden." Ihre unverwechselbaren Frauengestalten prägten sich in das Gedächtnis mehrerer Lesergenerationen ein. "Mit dem Herzen denken" überschrieb sie einen ihrer Artikel und charakterisierte damit sich und ihr Schaffen.

Dieter Fechner

Raute

Getroffene Hunde bellen

Unlängst veröffentlichte der "Uckermark-Kurier" - ein hiesiger Ableger des in Neubrandenburg erscheinenden Regionalblattes "Nordkurier" - in spektakulärer Aufmachung mit einem Riesen-Altersfoto Margot Honeckers die "Rezension" ihres Buches "Zur Volksbildung". Es handelte sich um einen Schmähartikel üblicher Art.

"Erinnerungen einer Unbelehrbaren" stand darüber. Die Verfasserin behauptete, mit der erforderlichen Delegierung zur Erweiterten Oberschule (EOS) habe "die DDR das Schulsystem der BRD in puncto sozialer Ungleichheit übertroffen". Besonders bemängelt wurde das Fehlen von Privatschulen und christlichen Einrichtungen. "Die Einheitsschule fraß jede Individualität und Kreativität", hieß es in dem UK-Artikel.

Die Antwort folgte auf dem Fuße: Fünf Leserbriefe, die das Konzernblatt abdruckte, hielten dagegen. Zunächst hatte die Redaktion offensichtlich keine einzige bejahende Zuschrift erhalten. Erst Tage später präsentierte sie eiligst in Auftrag gegebene antikommunistische Wunschbriefe. Sie richteten sich z. B. gegen die sachliche Feststellung der Neubrandenburgerin Gertraud Schlagmann: "Das Bildungssystem der DDR war so anerkannt, daß Verantwortliche anderer Länder hierher zur Hospitation kamen und unsere Erfahrungen übernahmen." Getroffene Hunde bellen!

Pfarrer i. R. Dr. Dieter und Gisela Frielinghaus, Brüssow

Margot Honecker: Zur Volksbildung. Verlag Das Neue Berlin, 256 S., 14,95 €

Raute

Vom ganz normalen Aufwachsen und Leben im Sozialismus

Cornelias kleine große DDR (6)

Am 1. September 1970 begann meine Ausbildung als technische Zeichnerin. Sie sollte drei Jahre dauern und wurde abwechselnd als Lernen für das Abitur und Lehre im Beruf absolviert. Um von daheim loszukommen, zog ich ins Internat, vor allem aus schulischen Gründen. Außerdem - ich gebe es ja zu - wohnte dort auch mein Freund, der an derselben Schule Baufacharbeiter mit Abitur werden wollte und die Klasse über mir besuchte. Unsere Einrichtung war sehr modern und besaß eine Mensa, die auch für wilde Schulfeste herhalten mußte. Eine Ärztin und eine Schwester, bei der wir uns nach dem Höhensonnenbad die Augen versorgen ließen, betreuten uns vorbildlich. Das Lehrerkollegium wirkte beeindruckend. Noch mehr aber zog mich der Spielmannszug in seinen Bann. Meine Neugier wurde sicher auch durch die Erinnerung an meinen Onkel verstärkt, der in der Eisenhüttenstädter Kampfgruppen-Kapelle auf die Pauke gehauen hatte. Ich entschied mich für die Trommel, in der Rhythmus steckte. Es war gar nicht so leicht, die Stöcke richtig zu halten und im Takt Radau machend durch das ganze Schulhaus zu ziehen oder den Sportplatz zu umrunden. Meinen ersten öffentlichen Auftritt hatte ich ausgerechnet am 11.11., der von uns stets mit großem Brimborium begangen wurde. Als der Tambourmajor eines Tages den Spielleiter ersetzen mußte, trat ich seine Nachfolge an. Doch es war eine Tortur, alle Noten im Kopf zu haben und obendrein noch - ganz allein vor der Bande - mit dem Knüppel zu wedeln.

Meine zweite Leidenschaft stellte seit der 8. Klasse Handball dar. Wenn ich mit meinen 1,63 auch nicht gerade zu den Größten zählte, war ich doch immer der Wuseler. Meine gelegentlichen Gastspiele als Torwart bescherten mir allerdings eine angebrochene Nase.

Schon im ersten der drei Lehrjahre wurde ich schwanger. Mein Freund wollte sich sonstwohin verkriechen. Dabei hatte er ja wohl einen entscheidenden Anteil an allem. Ich sprach zuerst mit meiner Lehrausbilderin, die auch gerade ein Kind erwartete, und mit meiner Klassenlehrerin, einer alleinerziehenden Mutter. Beide putzten mich nicht herunter, sondern ermutigten mich, wofür ich ihnen noch heute dankbar bin. Sie rieten mir aber dringend, bald mit den Eltern zu sprechen. Ich hätte mich ja gern Mutti anvertraut, doch mein Freund bettelte darum, auf seinen arg geplagten Vater, der das nicht verkraften werde, Rücksicht zu nehmen. Als ich in der 11. Woche war, erfuhr Mutti zufällig, wie es um mich stand, nachdem sie mich heulend in der Küche angetroffen hatte. Nach dem Zusammendonnern entwickelte sie Pläne, wie es nun weitergehen sollte. Da sie als Fürsorgerin im Bereich Mutter und Kind auch mit der Unterbrechungskommission des Bezirks zusammenarbeitete, kannte sie die Modalitäten. Zu dieser Zeit waren Abbrüche in der DDR noch genehmigungspflichtig. Nur in schwerwiegenden Fällen wurde zugestimmt. Legale Eingriffe ließ man erst einige Monate später gesetzlich zu. Trotz der nagenden Ungewißheit kam mir aber nie der Gedanke, mein Kind abtreiben zu lassen. Dabei war ich noch lange nicht volljährig, und außer dem Lehrlingsgeld hatten wir keine Einkünfte. Mutti entschied, daß ich die Ausbildung auf jeden Fall zu beenden hätte. Zugleich setzte sie alle Hebel in Bewegung und nutzte auch ihre beruflichen Kontakte zu den Entbindungsstationen, wodurch sie erreichte, daß ich in einer Wocheneinrichtung, die sonst nur Müttern aus dem Gesundheitswesen vorbehalten war, unterkommen konnte. Diese befand sich in unmittelbarer Nähe meiner Schule. Die Kosten für die Krippe trug, falls ich weiter lernen wollte, die Stadt.

Der Entbindungstermin war Mitte Februar, und ich befand mich in der 12.‍ ‍Klasse. Die Bewerbung für das Studium mußte jetzt eingereicht werden. Trotz aller Unpäßlichkeiten hieß es lernen, was das Zeug hielt. Alle Lehrer haben mich dabei unterstützt, ohne mir irgendwelche Vorteile einzuräumen. Mein Englischlehrer, ein feiner älterer Herr, behandelte mich fast respektvoll, gab mir aber gepfefferte Texte auf.

Die vielen Nächte, die ich über den Büchern verbrachte, müssen mein Kind wohl nicht in Mitleidenschaft gezogen haben. Trotz der Schwangerschaft erreichte ich einen Zensurendurchschnitt von 1,4, so daß mir ein Studienplatz an der Architekturhochschule Weimar winkte. Mutti heiratete unterdessen ihren Lebensgefährten. Auf dem Standesamt war ich als Hochschwangere zugegen. Am 15. Februar 1972 hörte ich vom Kreißsaal aus, wie unsere Lehrlinge lärmend zur Fastnacht zogen, während mein erster Sohn Markus zur Welt kam. Schon mit sieben Wochen brachte ich ihn in die Krippe, da ich wieder zur Schule mußte. Dreimal täglich ging ich zum Stillen, sang ihm Kinderlieder vor und holte ihn in jeder freien Stunde zu Spazierfahrten ab.

Die junge Ehe meiner Eltern wurde gleich hart auf die Probe gestellt, mußten sie doch mir und meinem Söhnchen ihr bisheriges Schlafzimmer - den größten Raum der Wohnung - abtreten. Es folgte eine recht unruhige Zeit. Der Kleine brüllte, was das Zeug hielt.

Am 2. August heirateten wir gegen den Rat meiner Oma, die meinte, mein Freund sei "noch viel zu grün" für einen solchen Schritt. Bald darauf ging er zum Studium nach Cottbus, während ich das letzte Lehrjahr noch vor mir hatte. Doch schon jetzt bat ich die Weimarer Hochschule darum, mir bei Studienbeginn einen Krippenplatz bereitzustellen. Man machte mir jedoch wenig Hoffnung. Die Kinder bereits Studierender wären nur mit größter Mühe unterzubringen. Das Jahr über hat die Hochschule ihr Bestes getan, um mir zu helfen. Da es aber doch nicht klappte, mußte ich schweren Herzens absagen. Ich meldete mich nun bei der Cottbuser Hochschule für Bauwesen an, wo sich mein Mann um einen Krippenplatz bemühen sollte. Zuvor schloß ich Lehre und Abitur mit der Gesamtnote Zwei ab. Eine Eins scheiterte an der versiebten schriftlichen Prüfung in Physik.

Vor meiner Immatrikulation hatte ich noch ein großes Erlebnis: Ich durfte an den X. Weltfestspielen der Jugend und Studenten in Berlin teilnehmen. Was ich dort hörte, sah und fühlte, wird mir immer freudig im Gedächtnis bleiben, auch wenn Walter Ulbrichts Tod diese Tage überschattete.

Seit meinem 18. Geburtstag hatte ich mich wiederholt darum bemüht, Kandidat der SED zu werden. Auch während der Weltfestspiele stellte ich einen Antrag. Doch da ich seit dem ersten Tag meiner Lehre als Angestellte galt und Arbeiter bevorzugt aufgenommen wurden, gehörte ich leider nicht zu den Auserwählten. Dabei mußte mich niemand von der gerechten Sache der Partei überzeugen. Ich war ja in ihrem Sinne erzogen worden und hatte der DDR viel zu verdanken. Im Unterschied zu manchen anderen, die ihr Erinnerungsvermögen im Stich ließ, habe ich das bis heute nicht vergessen.

Cornelia Noack, Beeskow

(Fortsetzung folgt)

Raute

Archie, Heribert und Reden an der Gruft

Archie hatte einen älteren Freund und Helfer, einen netten Mitbewohner im Mietshaus am Treptower Park. Er war ein Allround-Handwerker, der mit defekter Elektrik, schwierigem Tapezieren und Streichen verquollener Fenster oder Türen virtuos zurechtkam. Als Archie unmittelbar nach der gesellschaftlichen Rückwende in eine schwierige Lage geriet - privat, beruflich und finanziell -, weil fast alles zusammenbrach, was sein bisheriges Leben bestimmt hatte, stand ihm unvermutet dieser freundliche Nachbar bei und unterstützte ihn mit Rat und Tat.

Heribert, so hieß er, war technisch vielseitig begabt und sprühte vor Ideen. Er flößte Archie, der nur noch auf einer alten Schreibmaschine herumhämmerte, sich Tag und Nacht Notizen machte, um nicht den Verstand zu verlieren, wieder neuen Lebensmut ein.

Heribert brachte Archies Wohnung auf Vordermann, und dieser entlohnte ihn auch, wenn er Geld hatte, das er sich zum Beispiel durch Artikel für die "Berliner Linke" verdiente. Die zahlte damals noch ein Zeilenhonorar, bevor sie ihr Erscheinen einstellen mußte. Den Preisen einer Handwerkerfirma wäre er nicht gewachsen gewesen. So ging es nur mit Heribert voran, wenn auch langsam. Archie war jedenfalls in Gesellschaft, und während der Pausen erzählte ihm der werkelnde, malernde, reparierende Vater dreier Söhne aus seinem früheren Leben. Er stammte aus bäuerlichem Milieu und wuchs in bescheidenen Verhältnissen auf. 1945 setzte sich die kinderreiche Familie aus dem Sudentenland nach Thüringen ab. Dann besuchte Heribert die ABF, wie die Arbeiter-und-Bauern-Fakultät abgekürzt hieß, und eine Fachhochschule in Jena. Am Ende war er Ingenieur in Berlin, wo er als Parteiloser in großen volkseigenen Betrieben wie dem EAW Treptow eine Forschungstruppe leitete und sich gewerkschaftlich betätigte.

An Archies rundem Tisch erzählte Heribert, wie er schon als Junge schwere Aufgaben schultern mußte, weil der Vater im Krieg geblieben war. Aber am meisten berichtete er aus seinem Arbeitsleben im Betrieb und wie er da mit seinen ewigen Verbesserungsvorschlägen bei trägen Kollegen und so manchem Vorgesetzten auf Granit gebissen habe. In seiner Abwesenheit sei alles einfach liegengeblieben, so daß er sich kaum noch getraut habe, einmal krank zu werden. Es war eben "sein" volkseigener Betrieb, der wie seine Familie und sein Garten Heriberts Leben ausmachte. Auch im Kleingartenverein galt er als unbequem, weil er das Unkraut genauso bekämpfte wie den Schlendrian im Werk.

Vor jenen Ereignissen, die dann als "Wende" dargestellt wurden, verhielt sich Heribert durchaus kritisch zur DDR, weshalb Archie und er damals kein Paar werden konnten. Als es dann aber plötzlich mit dem Sozialismus zu Ende ging, veränderte sich ihrer beider Verhältnis zur DDR geradezu dramatisch. Während Archie fast gelähmt war und über die Gründe des Desasters nachgrübelte, wurde Heribert beinahe nostalgisch und trat in die Volkssolidarität ein. Nach dem Tod seiner Frau schloß er sich einem Gesangsverein an, um sich dort Frust und Leid von der Seele zu singen. Er war nämlich auch sehr musikalisch.

Inzwischen sah Archie seinen Freund immer seltener. So bemerkte er auch nicht, wie dieser bereits mit dem Tode rang. 14 Tage vor dem Aus hatte er Archie noch getröstet und gesagt: "Gib nicht auf, schreib weiter, laß dich nicht unterkriegen!"

Auch diesem wurde immer öfter die Luft knapp, er stand auf wackligen Knien, während Heribert an der Wand lehnte, um sich nicht vor Schmerzen krümmen zu müssen. Zwei ziemlich alte Männer, deren Biographien in der DDR wurzelten, versuchten sich halbwegs aufrecht zu halten.

Am Tag der Beisetzung vernahm Archie in der Trauerrede nicht ein Sterbenswörtchen über das, was Heribert ausgemacht hatte. Da ging es nur um Kindheit, Familie und Garten. Er sei ein guter Mensch gewesen, vor allem sangesfreudig, wurde gesagt. Dann stimmten drei Männer von seinem Verein auch noch eine traurige Melodie an. Das war alles. Heribert hatte offenbar im sozialen Niemandsland gelebt, irgendwo zwischen Himmel und Erde.

Ähnliches war Archie schon bei der Beerdigung eines Studienfreundes widerfahren. Der Wirtschaftsjurist hatte es in DDR-Tagen bis zum Professor an der Humboldt-Universität gebracht. Auch da blieb im Nachruf alles Wesentliche unerwähnt. Statt dessen hieß es nur, der Verstorbene sei bei seinen Studenten sehr beliebt gewesen. Wie bei Heribert verschwand der Rest seines Tuns und Denkens im Nebel heutiger Indifferenz.

Archie war nie ein Freund von Grabreden, doch so verlogen wie die jetzt üblichen fand er die früher gehaltenen nicht. Je nach westlicher oder östlicher Herkunft und entsprechend der Sozialisierung des Verstorbenen fällt der Nekrolog aus: mal üppig, mal mager.

Archie hält sich da lieber an Brecht: "Sorgt doch, daß ihr, die Welt verlassend, nicht nur gut wart, sondern verlaßt eine gute Welt."

Manfred Hocke

*

Leserbriefe an RotFuchs

Als wir mit der Vorbereitung zweier Veranstaltungen zum Internationalen Frauentag beschäftigt waren, traf pünktlich wie immer der "RotFuchs" ein. Der Leitartikel "Plädoyer für 365 Frauentage" ist der Aufmacher, und natürlich werden wir ihn inhaltlich nutzen. Der "Rotfuchs" wird abermals die Runde machen, denn besser, überzeugender und eindrucksvoller können keine Glückwünsche formuliert werden. Herz und Verstand sind gerührt. Danke!

Clara Zetkins Worte "Ich will dort kämpfen, wo das Leben ist", werden uns Motto und Verpflichtung bleiben.

Die Lesergemeinschaft aus Ost-Thüringen grüßt das rote Berlin! Den Frauen einen schönen Ehrentag, die Männer eingeschlossen. Wir bleiben Euch verbunden.

Im Auftrag aller: Annelore Falke, Pößneck


Im März-RF erschien ein Artikel zum Frauentag, den ich ganz interessant fand. Ich hätte mir jedoch gewünscht, daß der Platz auf der Titelseite bei diesem Thema und zu diesem Tag einer Frau eingeräumt worden wäre. Die "junge Welt" überließ am 8. März 2012 die Seite 1 einer Redakteurin und brachte außerdem noch eine Beilage, die ausschließlich von Frauen gestaltet wurde.

Na, vielleicht klappt es ja im nächsten Jahr auch beim "RotFuchs".

Brigitte Topfstädt, Berlin


Ein großes Kompliment für die wieder überaus gelungene März-Ausgabe, deren Leitartikel eine nicht bloß politisch stimmige, sondern zugleich auch menschlich bewegende Würdigung des schöneren (und nicht selten auch klügeren) Teiles der Menschheit ist. Von den Merkels einmal abgesehen.

Wolfgang Clausner, Schwerin


Meine viele Jahre währende Freundschaft mit Dr. Hans-Dieter Krüger fand am 11. Februar, nur einen Monat vor seinem 82. Geburtstag, ein jähes Ende.

hdk - Dieter Krüger - zählte zu jenen, die von allen geachtet und geschätzt wurden, weil sie sich in Wort und Tat für eine bessere Welt einsetzten. Als Arbeiterjunge und gelernter Elektriker nutzte er die Bildungsmöglichkeiten, die ihm die junge DDR bot. Er wurde Parteijournalist und ergriff Partei, er bewegte Dinge und scheute nicht die Auseinandersetzung mit Gegnern. Das prägte sein Wesen. Sehr früh stellte ihn die Partei auf den Posten des Chefredakteurs der in Halle erscheinenden "Freiheit", die nach dem ND zur auflagenstärksten Tageszeitung der DDR wurde. Er blieb es bis zur Konterrevolution.

Als wir 2001 erstmals den "RotFuchs" in Händen hielten, wußten wir: Dieses kleine, aber inhaltsreiche Blatt wird viele Leser finden. Zunächst noch Suchende, stießen wir bald auf Gleichgesinnte und gründeten mit ihnen die RF-Regionalgruppe Halle. Seitdem trägt sie dazu bei, daß unsere sozialistische Idee fortlebt.

Dieter war ein streitbarer Geist und zugleich ein Feingeist. Auch seine RF-Artikel zeugten von Haltung und Formulierungskraft. Er wird uns mit seinem Wissen und seinen Erfahrungen in den Auseinandersetzungen und Kämpfen unserer Zeit, die wir in Dieters Sinne weiterführen, sehr fehlen.

Peter Wozniak, Halle/Saale


Eine Bemerkung zum Beitrag "Freude und Ärger mit der Partei" im März-RF. Die Vita des Genossen Waldemar Arndt ist mit der vieler am Aufbau des Sozialismus in der DDR aktiv Beteiligter identisch. Der Artikel wird mit Fug und Recht als sein politisches Vermächtnis bezeichnet. Auf den flapsigen Ausspruch: "Es war nicht alles schlecht in der DDR", pflegte er zu antworten: "Es war nicht alles gut." Menschen sterben, doch Erinnerungen nicht. Wir danken Euch für die Würdigung seiner Lebensleistung. Wie Waldemar haben wir im "RotFuchs" unsere politische Heimat gefunden.

Günter Vehoff, Hagenow


Von den Leitsätzen des "RotFuchs"-Fördervereins habe ich Kenntnis genommen und bin mit diesen vollkommen einverstanden. Es gilt jedoch, das Wahlverhalten und die Aktivitäten an der Basis so zu gestalten, daß man kein Eigenbrötler ist. Als heute im 93. Lebensjahr stehender ehemaliger Teilnehmer am Vereinigungsparteitag von 1946 und konsequenter Verfechter der Einheit der Linken bin ich der Meinung, daß es sobald wie möglich wieder zum Zusammenschluß aller linken Kräfte kommen müßte.

Hermann Thomas, Wilsdruff


Am 26. Januar 1932 fand in Düsseldorf ein Ereignis statt, das Hitlers Faschisten den Weg zur Macht ebnete. Der Führer der Nazi-Partei sprach an jenem Tag im Industrieclub vor Vertretern des Großkapitals. Er weckte bei ihnen die Hoffnung auf gesichertes Privateigentum und hohe Profitraten. Zugleich beschwor er die vermeintliche Gefahr einer "jüdisch-bolschewistischen Weltherrschaft". Hitler erklärte dort: "Aber es ist undenkbar, ein starkes und gesundes Deutschland zu schaffen, wenn 50 % seiner Angehörigen bolschewistisch und nur 50 % national orientiert sind. Um die Lösung dieser Frage kommen wir nicht herum." Der Beifall der Bosse war stark, und schon bald flossen Großspenden aus der Industrie in die Kassen der NSDAP.

Uwe Bossart, Lüdenscheid


Nach Auffassung der CDU/CSU-Obristen Gröhe und Dobrindt gehört jeder zu den Bösen, der irgendwie mit der DDR zusammengearbeitet hat. In ihren Augen war es vermutlich auch ein Skandal, daß der einstige CSU-Chef und eingefleischte Antikommunist Franz-Josef Strauß der DDR einen Milliardenkredit verschaffte oder daß sie von zahlreichen Staaten völkerrechtlich anerkannt wurde. Mögen die Herren Dobrindt und Gröhe diesen deutschen Staat ruhig weiter schmähen. Sie geifern ja nur über den legitimen Versuch, die Macht des Kapitals für immer zu brechen. Doch eines steht fest: Dessen Diktatur wird mit Sicherheit nicht das letzte Wort der Menschheitsgeschichte sein!

Bernd Gnant, Geithain


Gauck-Eiferer schrieben dem neuen Bundespräsidenten wahre Wundertugenden zu: Freiheitskämpfer, Demokratielehrer, Visionär, Streiter für die Menschenrechte, Versöhner der Nation, Bewährungshelfer waren da noch die bescheidensten Attribute. Selbst sein lieber Gott müßte vor Neid erblassen.

Derlei Personenkult erinnert mich an die biblische Geschichte vom Tanz um das Goldene Kalb. Denn der evangelische Pastor, der später zum Großinquisitor aufstieg, ist zu einem Götzen geworden. In seiner neuen Rolle vermag er es, durch salbungsvolles Wortgeklingel von den eigentlichen Problemen der kapitalistischen Gesellschaft abzulenken und die Aufträge der buntgescheckten Schar aus "Politstellvertretern" der eigentlichen Kommandeure vortrefflich wahrzunehmen.

Günther Röska, Leipzig


Bereits am 10. März wurde über die Deutsche Post eine "Gedenkmünze" mit dem Konterfei des Bundespräsidenten Joachim Gauck in 999er Silber angeboten, obwohl der Mann zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht gewählt war. So etwas nenne ich Demokratie!

Eberhardt Steinhäuser, Görlitz


Zu den vornehmsten Aufgaben eines Bundespräsidenten gehört es, den Zusammenhalt der Gesellschaft zu fördern und sich für alle Bürger seines Staates einzusetzen. Genau das tut Herr Gauck nicht. Mit seiner Tätigkeit als Beauftragter für die Verwaltung der Unterlagen des MfS der DDR und durch zahlreiche Äußerungen zu aktuellpolitischen Fragen hat er mehr als alle anderen "Nachwende-Politiker" zur Spaltung der Gesellschaft, vor allem der Ostdeutschen, beigetragen. Er vertritt zu nationalen und internationalen Problemen Auffassungen, die von der Mehrheit der Bürger nicht geteilt werden. Da klingt es wie Hohn, ihn als "Präsidenten der Herzen" auszugeben.

Von einem einstigen Kirchenmann müßte man mehr Toleranz und einen ausgeprägten Gerechtigkeitssinn erwarten können. In diesem Falle ist der Bock zum Gärtner gemacht worden!

Gottfried Fleischhammer, Leipzig


Als Christian Wulff Präsident der BRD wurde, war er nicht mein Wunschkandidat, und seine Partei ist nicht die meine. Aber ich hielt ihn für einen klugen und ehrenhaften Mann, wenn er als Typ auch etwas langweilig wirkte.

Langweilig ist er nicht mehr, sorgte er doch für genug Rummel. Und wie steht es mit der Klugheit? Mir scheint es eher unklug zu sein, sich mit den Medienfürsten anzulegen.

Unser neues Staatsoberhaupt hält Hartz IV ja für eine tolle Sache und den Krieg in Afghanistan nicht minder.

Warum wird eigentlich der höchste Amtsträger in diesem Staat nicht vom Volk gewählt? In anderen Ländern geht das doch auch - von den USA über Frankreich bis Rußland.

Kurt Hahnke, Neubrandenburg


Sicherlich dachten ältere Bürger, als sie von den zehn Hinrichtungen durch die faschistische NSU erfuhren, auch an den DEFA-Film Wolfgang Staudtes "Die Mörder sind unter uns". Nicht der BRD-Verfassungsschutz deckte die Kette von Verbrechen auf, sondern erst der Tod der Nazitäter brachte sie ans Licht. Angesichts solcher Peinlichkeiten verwies die Kanzlerin auf "Ungereimtheiten deutscher Behörden", während SPD-Chef Gabriel davor warnte, die Nazis könnten in "soziale Leerräume" hineinstoßen.

Die Wirklichkeit der BRD sieht anders aus. An der Jubiläumsfeier zum 200jährigen Bestehen der Fa. Krupp nahmen der Bundespräsident, die Bosse aus Wirtschaft und Finanzen sowie die hohe Geistlichkeit teil, während Vertreter der ehemaligen Zwangsarbeiter fehlten. Krause sowieso. Er und seine Söhne mußten mit Krupps Waffen in den Krieg ziehen.

Der Magnat aber wurde durch die Alliierten zwar zu 12 Jahren Haft verurteilt, aber schon 1952 wieder freigelassen. Kurzzeitig war Krupp der reichste Mann Europas. Zur gleichen Zeit wurden Hitlers Wehrmachts- und Geheimdienst-Generäle an die Spitze sensibler Machtorgane des Adenauer-Staates gestellt.

Jetzt haben wir einen Bundespräsidenten, dessen Eltern "alte Kämpfer" der Hitlerpartei waren.

Karl Scheffsky, Schwerin


Das Februar-Heft war wieder Klasse! Ein Wort zum Beitrag von Prof. Erich Buchholz über die BRD als einzigen Staat ohne Verfassung: Nach der Annexion der DDR gibt es für das Grundgesetz offensichtlich keinen Geltungsbereich mehr. Im Stichwortverzeichnis der Broschüre "Grundgesetz der BRD 2010" fehlt jeder Hinweis darauf. Interessant ist hier das Vorwort Prof. Schades. Dort heißt es: "Seit der Wiedervereinigung am 3.10.1990 ist es (das GG) die für alle Deutschen gültige Verfassung." Das stimmt jedoch nicht mit Art. 146 GG überein. Daher steht am Ende dieses Vorworts aufschlußreicherweise: "Auch nach dem Beitritt der DDR ... ist dieser Artikel noch nicht erschöpft. Wie immer die endgültige deutsche Verfassung eines fernen Tages aussehen mag, sie wird sich an den ... bewährten Normen des GG orientieren."

Eine Anfrage im April 2010, was unter "noch nicht erschöpft" zu verstehen sei, blieb trotz einer Zusage unbeantwortet.

Joachim Heimer, Berlin


Über die "Entvölkerung Ostdeutschlands" schreibt Prof. Georg Grasnick im März-RF: "Wer Aufschluß über den humanen oder inhumanen Charakter eines Staates erhalten will, sollte nicht zuletzt dessen Politik gegenüber Familien und Kindern etwas genauer unter die Lupe nehmen."

Dazu erhält er Beifall aus dem 18. Jahrhundert, genauer von Jean-Jacques Rousseau. In dessen "Gesellschaftsvertrag" liest man: "Was ist der Zweck der gesellschaftlichen Vereinigung? Doch nichts anderes als die Erhaltung und das Wohl ihrer Glieder. Und welches ist das sicherste Kennzeichen für ihr Wohlbefinden? Die Zunahme der Bevölkerung ...

Bei Gleichheit aller übrigen Verhältnisse ist unstrittig die Regierung die beste, unter der sich ... die Zahl der Staatsbürger vermehrt. Die Regierung dagegen, unter der ein Volk dezimiert wird, ist die schlechteste. Jetzt, Ihr Rechenkünstler, macht Euch ans Werk! Zählt, meßt und vergleicht!"

Ist das nicht ein Hoch auf die Deutsche Demokratische Republik?

Dr. Wolf-Dieter Gudopp-v. Behm, Frankfurt/M


Noch ein ergänzendes Wort zur "Laudatio auf Pfarrer Erwin Eckert" von Prof. Wendelborn. Der Vollständigkeit halber sei darauf hingewiesen, daß Eckert auch im bekannten Düsseldorfer Prozeß gegen Mitglieder des westdeutschen Friedenskomitees 1959/60 zu den Angeklagten gehörte. Diesen wurde vorgeworfen, als Rädelsführer Bestrebungen einer Vereinigung gefördert zu haben, deren Tätigkeit sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung der Bundesrepublik richte. Erwin Eckert wurde zu neun Monaten Gefängnis verurteilt, wobei man die Vollstreckung der Strafe zur Bewährung aussetzte. Die Verteidiger - unter ihnen Friedrich Karl Kaul, Heinrich Hannover und der britische Kronanwalt Pritt - verließen aus Protest den Verhandlungssaal. Es war einer der größten politischen Prozesse in der Geschichte der BRD.

RA Ralph Dobrawa, Gotha


Klaus Peter Lange aus Jena hat in seinem Leserbrief (RF 169) angemerkt, daß die Aufdeckung der Schwächen der heute bei uns bestehenden Gesellschaftsordnung überaus notwendig ist. In den letzten 21‍ ‍Jahren sind viele Bücher zum Kapitalismus verlegt worden. Vermitteln sie Wissen über die ökonomischen Gesetze, die diese Gesellschaftsordnung beherrschen? Ich meine z. B. Produktion und Reproduktion, die Ware Arbeitskraft, den tendenziellen Fall der Profitrate, die Entstehung von Mehrwert u. a. Wohl kaum!

Herr Lange sollte "Lohnarbeit und Kapital" sowie "Die Kritik der Politischen Ökonomie" aus dem alten Dietz-Verlag studieren, dazu Lenins "Der Imperialismus als höchstes Stadium des Kapitalismus" mit dessen fünf Hauptmerkmalen. Dann wird er herausfinden, daß Lenin schon 1916‍ ‍die Globalisierung als unumgänglich betrachtete, nämlich als letzte Stufe des Kapitalismus. Er verwendete dabei nicht diesen Begriff, sondern umschrieb ihn als ein Stadium der Konzentration und Zentralisation der Produktion in Monopolhänden. Wer die Ereignisse im realen Kapitalismus unserer Zeit durchschaut, wird diesem Werk höchste Aktualität zuerkennen müssen. Leider mißt man auch in der linken Öffentlichkeit solchem theoretischen Wissen heute keine Bedeutung mehr bei. Man spricht von "Finanzkrise" oder "Bankenkrise", während es sich in Wahrheit um die allgemeine Krise des Kapitalismus handelt, die alle Lebensbereiche der Gesellschaft durchdringt.

Wolfgang Schröder, Schöneiche


Dem Artikel "Gruselkabinette für Erstklässler" von Bernd Gutte (März-RF) kann ich nur zustimmen. Auch in Erfurt wird gerade ein solcher Lügentempel errichtet. Auf der einen Seite streicht man Mittel für Kultur und soziale Leistungen, auf der anderen finanziert man derartige "Museen" aus Steuergeldern.

Wieweit ist man in diesem Staat schon auf den Hund gekommen, daß Kindergartenkinder zu derartigen Einrichtungen geschleppt werden? - Es wäre empfehlenswert, wenn in solchen "Museen" auch der "Preis für die Freiheit", um ein Wort Angela Merkels aufzugreifen, genannt würde: Obdachlosigkeit, Bettler auf den Straßen, Altersarmut, Drogenmißbrauch, hohe Kriminalität, Arbeitslosigkeit, "Tafeln der Herzen" zu Weihnachten und Läden zum Billigerwerb ausgemusterter Lebensmittel.

Horst Schuchardt, Erfurt


Zum Artikel Bernd Guttes: Gleichgeschaltete und staatlich verordnete Gruselkabinette gibt es inzwischen wie Sand am Meer, besonders im annektierten Osten. Die Medien sind dabei voll eingebunden. Bei uns in Suhl erscheint eine Zeitung mit dem aus DDR-Tagen beibehaltenen Namen "Freies Wort", obwohl es hier gar nicht mehr so freiheitlich zugeht. Seit geraumer Zeit veröffentlicht das Blatt eine Seite mit "Kindernachrichten", um auch die Jüngsten auf den Leim zu locken. Der Antikommunismus der Faschisten und die Antikommunismusdoktrin der BRD sind wie eineiige Zwillinge, wesensgleich und seelenverwandt.

Gert Tiede, Suhl


Merkels Staatsminister für Kultur Bernd Neumann treibt die Sorge über den "oft erschreckenden Mangel an Wissen zur DDR, insbesondere unter jungen Menschen" um. Sie hätten ein "Erfahrungsdefizit".

Bei uns gibt es gravierende Erinnerungsdefizite: So weiß z. B. keiner der Jüngeren mehr, daß die Prügelstrafe in Bremen zum festen Bestandteil des Schulalltags gehörte. Bernd Neumann unterrichtete selbst mehrere Jahre an der Schule Lehmhorster Straße. Schläge mit dem Rohrstock auf Hände und Gesäß gehörten dort zum "pädagogischen" Alltag. Bernd Neumann (Jahrgang 1942) war als junger Klassen- und Vertretungslehrer besonders gefürchtet. Mit seinen schmerzhaften Backpfeifen verbreitete er Angst.

Gerd-Rolf Rosenberger, Bremen-Nord


Anfang März nahm ich als Gast am Parteitag der mecklenburgischen Linken in Güstrow teil. Vor dessen Beginn kam ich mit einem Funktionär ins Gespräch, der Delegierter war. Als Mitglied der Partei Die Linke brachte ich meinen Unmut über die Bundeswehr in den Schulen zum Ausdruck, worauf mir entgegnet wurde: "Ja, genau wie in der DDR!"

Das hat mich sehr gewundert, dachte ich doch immer, es gäbe einen Unterschied zwischen der Bundeswehr der BRD und der Nationalen Volksarmee der DDR.

Heute führt Deutschland wieder Krieg. Erneut fallen Bomben. Und das geschieht seit dem Überfall auf Jugoslawien auch in Europa. Wäre eine deutsche Beteiligung an solchen Kriegen vor dem Untergang der DDR denkbar gewesen?

Peter Dornbruch, E-Mail


Ich habe den Artikel von Leo Kuntz "Wie mich die Nazis zum 'Dinarier' machten" im RF Nr. 170 gelesen. Auch ich konnte mit dem Begriff zunächst nichts anfangen. So recherchierte ich im Internet und wurde dort fündig. Es ist erschreckend, daß heute noch etwas "zum Rassebild" abrufbar ist: "westlich - ostisch - dinarisch - faelisch." Zum "Dinarier" heißt es: "Charakteristik - seitlich aufgewölbte Nasenflügel - breiter Nasenflügel." Wird einem da nicht speiübel?

Norbert Müller, Höxter


Vor einigen Wochen hatte ich der einstigen Studentin "meines" Instituts für Lehrerbildung und heutigen RF-Leserin Karin Fischer aus Schwarzholz die Lektüre eines im GNN-Verlag erschienenen Sammelbandes "Lebendige DDR" empfohlen. Bald darauf ließ sie mich wissen, daß sie das Buch inzwischen erworben habe. Am Telefon sprachen wir über dessen Inhalte.

Nur Wochen später erfuhr ich, daß Karin mit einem Oberschenkelhalsbruch in das Krankenhaus Stendal eingeliefert werden mußte. So wünsche ich ihr - sicher im Einvernehmen mit allen anderen "RotFüchsen" - die volle Wiederherstellung ihrer Gesundheit!

Helmuth Hellge, Berlin


Die Generalität läßt im afghanischen Bundeswehr-Feldlager Kundus zur Belustigung der Soldaten das Musical "Hair" mit Darstellern aus allen beteiligten NATO-Armeen aufführen. Diese Rahmenhandlung macht aus dem harmlosen Flower-Power-Stück eine knackige antimilitaristische Story. Man konnte sich schon gar nicht mehr vorstellen, daß es so etwas noch auf deutschen Bühnen zu sehen gibt. Dem Staatstheater Schwerin, wo ich das Stück erlebte, sollen drastische Kürzungen bevorstehen. Müßten da nicht alle, die sich das leisten können, eine Karte erwerben?

Übrigens hat mir der dem März-RF beigelegte Aufsatz von Dr. Klaus Blessing besonders gut gefallen.

Dr. Walter Lambrecht, Zingst

Unser Autor hat sich einer Operation unterziehen müssen. Wir wünschen ihm baldige Genesung.


Da war er, der erwartete Moment. Erst hatte ich die Beilage zur Seite gelegt, weil mir der Titel "Wege aus der Krise" zu langweilig erschien. Dann habe ich doch hineingeschaut. Ich las die ersten Sätze mit Freude, der Rest war Erbauung. Ich danke Dr. Klaus Blessing: Sie haben das Schwere so einfach dargestellt, als wäre es auch so einfach zu machen. Ich wäre - nein ich bin - dabei!

Unterdessen habe ich einen Antrag um Aufnahme in den "RotFuchs"-Förderverein gestellt. Ich möchte beim Aufarbeiten eines Teils der DDR-Geschichte, mit dem ich - zuletzt als Ratsmitglied für Kultur - zu tun hatte, gerne mithelfen. Aber vor allen Dingen will ich über Visionen reden, über das Heute und Morgen. Dazu gehört natürlich auch die Wiederherstellung des Volkseigentums.

Christel Müller, Zimmernsupra


Die März-Ausgabe des RF war ein Volltreffer. Nach meiner Ansicht zeigen insbesondere der Beitrag von Prof. Dr. Wendelborn, die Rezension zu Erich Knorrs Buch und die "Solidarische Kritik ..." von Rainer Stankiewitz, daß der RF nicht stehenbleibt, sondern sich nach vorn bewegt. Mit Wendelborn ist ein sehr bedeutender Theologe der DDR, der noch heute ein gewichtiges Wort zu sagen hat, in den Kreis der RF-Autoren eingetreten. Ich erinnere mich an seine Luther-Biographie aus dem Jahre 1983, in der er sich der These von Engels anschloß, daß Reformation und Bauernkrieg in ihrer Einheit die frühbürgerliche Revolution darstellten.

Was den inzwischen 99jährigen Erich Knorr betrifft, so bin ich für den Verfasser froh, weil ihm die große Freude und Genugtuung bereitet wurde, daß seine Erinnerungen noch auf den Tisch kamen.

Den Beitrag "Solidarische Kritik ..." finde ich sehr beachtenswert. In vielen Dingen zwingt der Autor wohl so manchen zum Nachdenken.

Dr. Peter Fisch, Dresden


Selten habe ich über einen Beitrag so intensiv nachgedacht wie über den von Rainer Stankiewitz. Mir, der ich nicht zu den Generationen gehöre, die gegen den Faschismus kämpften oder in frühen und schweren Jahren mit Mut und Entbehrungen die DDR aufbauten, ist es ein Bedürfnis zu sagen, daß an diese Menschen unbedingt erinnert werden muß. Sie sollten nicht in Vergessenheit geraten. Es gibt heutzutage ja nicht mehr viele Möglichkeiten, darauf hinzuweisen, was der sozialistische deutsche Staat als Alternative zur kapitalistischen BRD historisch zu leisten vermochte. Das hat nichts damit zu tun, sich in der Vergangenheit einzugraben oder wehleidig zurückzublicken. Hier geht es um Tatsachen, die der Klassenfeind unserem Gedächtnis entreißen will. Ohne Zweifel ist es wichtig, zugleich die Zukunft fest im Auge zu haben, was der "RotFuchs" auch immer wieder getan hat. Rainer Stankiewitz schreibt, man solle nicht nur Leute zu Wort kommen lassen, die schwärmerisch über ihren Werdegang in der DDR berichten. Diese Kritik ist in ihrer Pauschalität so wohl nicht berechtigt. Wie viele der 170 RF-Ausgaben hat Rainer in den 14 Jahren des Erscheinens unserer Zeitschrift eigentlich gelesen? Es sind durchaus etliche jüngere Autoren und Leserbriefschreiber zu Wort gekommen. Rainer sollte mich nicht falsch verstehen: Auch ich bin vorbehaltlos für Kritik, mit der die Redaktion wie die Leser übrigens recht gut umgehen können.

Jens Wunderlich, Stecklenberg/Harz


Den Beitrag von Rainer Stankiewitz fand ich hochinteressant. Er entspricht voll und ganz meiner Auffassung. Jetzt, da wir von einem Pastor und einer Pastorentochter regiert werden, müssen wir Mittel und Wege finden, um der sich abzeichnenden negativen Entwicklung entgegenwirken zu können.

Wenn wir nur der DDR mit all ihren unbestreitbaren Vorzügen und sozialen Errungenschaften nachtrauern, helfen wir uns und vor allem jenen nicht, welche nach uns kommen.

Peter Roetsch, Altenberg


Mit der Methode des "Wunden-Leckens" wie sie Rainer Stankiewitz treffend beschrieben hat, läßt sich keine neue, bessere Gesellschaft konzipieren und gestalten. Dazu bedarf es vor allem der Gewinnung und Mitwirkung junger Leute. Herzlichen Dank und Glückwunsch zu diesem wunderbaren Beitrag, den ich ohne Einschränkungen unterschreibe.

Heinz Tischner, Quedlinburg


Lieber Rainer Stankiewitz, in Deinem nächsten Beitrag bitte ich Dich, uns über Deine Erfahrungen bei Gesprächen mit unserem Nachwuchs zu berichten. Du schlägst ja vor: "Befragt auch junge Menschen." Wie hast du selbst Deine Fragen und Probleme an sie herangetragen? Was haben sie darauf geantwortet? Warst Du mit dem, was sie erwiderten, zufrieden? Hast Du ihnen auch manches aus Deinem Leben erzählt? Wollten sie es denn wissen? Nach meiner Ansicht sind Berichte über Erfolge und Fehlentscheidungen damals Handelnder im "RotFuchs" nicht nur für Historiker, sondern auch für neugierige Nachkommen wichtig.

Tief im Ruhrgebiet, in Bochum, gibt es ein DDR-Kabinett. Es bietet - auch für junge Menschen und solche, die Nachforschungen anstellen wollen - wertvolles Material und viele Anregungen.

Lebensgeschichten aus der DDR, wie sie im "RotFuchs" stehen, sind aus meiner Sicht ein guter Grund, an das deutsche Sprichwort zu erinnern: "Wenn ein alter Hund auf dem Hof bellt, sollte man mal aus der Tür schauen!"

Wolfgang Gleibe, Velbert-Langenberg


Dr. Ernst Heinz stellt im Februar-RF zu Recht fest, daß der Donat-Verlag gegen den Strom der Glorifizierung preußischer Mythen schwimmt. In etwa auf dieser Linie liegt auch das Buch des Jenenser Historikers Gerd Fesser zu diesem Thema. Was man indes am Donat-Verlag begrüßen kann, sollte bei seinem Autor etwas differenzierter betrachtet werden. Wenn Dr. Heinz meint, es sei unverständlich, warum Fesser auf Marx und Engels als Quellen verzichtet, dann trifft das so nicht zu. Es ist ja gerade die Methode dieses Autors, der sich einst zu den kommunistischen Wissenschaftlern der DDR zählte, an der Friedrich-Schiller-Universität Jena als gefördertes Nachwuchstalent galt, zur Autorengemeinschaft des von der Akademie der Wissenschaften herausgegebenen zweibändigen Handbuches "Die bürgerlichen Parteien in Deutschland" (Leipzig 1968) zählte, sich dann während der Konterrevolution 1989/90 als Autor beim Hamburger Blatt "Die Zeit" andiente, generell die Klassiker des Marxismus-Leninismus zu negieren. Während sich angesehene Wissenschaftler der FSU zu ihrer Herkunft bekannten, mutig den Abwicklern aus dem Westen entgegentraten und ihre Solidarität mit dem in den Freitod getriebenen Prof. Gerd Riege bekundeten, verkroch sich Herr Fesser in sein Studierstübchen und schrieb seine angepaßten Artikel für das Flaggschiff der liberalen Bourgeoisie.

Übrigens ist auch das jüngste Buch Fessers nicht frei von Einseitigkeiten, wie sie sich besonders in dem 2001 ebenfalls bei Donat erschienenen Werk "Von der Napoleon-Zeit zum Bismarck-Reich" zeigen.

Genossen der DKP Thüringen


Warum müssen Leserbriefe eigentlich mit militärischen Dienstgraden (ich habe auch einen) unterzeichnet sein? Möglicherweise bleibt uns ein einfacher Soldat a. D. fern, weil er sich zu winzig vorkommt oder befürchtet, wieder strammstehen zu müssen. Ich bin davon überzeugt, daß viele Leserbriefschreiber und Autoren, die einen zivilen akademischen Titel führen, diesen bewußt nicht erwähnen. Militärische Dienstgrade steigern in meinen Augen weder die Überzeugungskraft noch schrecken sie den Klassenfeind ab. Die Praxis zeigt überdies, daß ein Dienstgrad nicht immer Überzeugungstreue ausweisen muß. Ich denke dabei an gewisse "verlorengegangene" Politoffiziere und Parteifunktionäre. Übrigens: Gibt es eigentlich einen höheren Rang als Kommunist, Sozialist oder Proletarier?

Hans Schneider, Erfurt


Ein großes Dankeschön möchte ich Gerda Huberty aus Neundorf für ihren Artikel über "Arbeitgeber" und "Arbeitnehmer" sagen. Es ist ihr gelungen, mit wenigen Sätzen die infame Sprachverdrehung auf den Punkt zu bringen. Dieser Beitrag kam zur rechten Zeit, da sich leider auch Presseorgane und Personen, die sich als linksorientiert verstehen, aber auch die PDL und die Gewerkschaften gerne solcher "falschen Zungenschläge" bedienen.

Wolfgang Nicolas, Stralsund


Mit Begeisterung las ich unlängst Konstantin Brandts "Kleines Schwarzbuch der deutschen Sozialdemokratie". Daß der Fisch am Kopf zu stinken beginnt, habe ich selbst als Vertrauensmann der IG Metall bei Volkswagen immer wieder feststellen können. Das Buch sollte allen "RotFüchsen" dringend als Lektüre empfohlen werden. Besonders hat mich gefreut, daß der Autor auch etliche Liedtexte der Arbeiterbewegung eingeflochten hat.

Walter Drexler, Berlin


Im 15. Jahr seines Bestehens möchte ich allen am "RotFuchs" Beteiligten für ihre verdienstvolle ehrenamtliche Arbeit herzlichen Dank sagen. Ich bin stets bestrebt, durch gezielte Verbreitung jeder Ausgabe des RF den Kreis der Interessenten und Leser zu erweitern, wodurch es mir gelang, eine Reihe neuer Direktbezieher zu gewinnen. Darin erblicke ich eine Möglichkeit, die wertvollen Leitartikel und Autorenbeiträge meinem Umfeld nahezubringen, was auch unserer Arbeit in der Basisgruppe der Partei Die Linke und der TIG von ISOR zugute kommt.

Hans Seliger, Schwarzenberg


Im Februar-RF hat es Dr. Robert Rosentreter in seinem Artikel zur wechselvollen Geschichte des Großseglers "Towarischtsch" verstanden, bei mir Erinnerungen aus dem Dunkel der Vergangenheit hervorzuholen. Das betrifft besonders die Schilderung des Details, wie die sowjetische Besatzungsmacht den Segler heben und auf Werften in Rostock und Wismar instandsetzen ließ. Ich war damals Schmiedelehrling in der ehemaligen Waggonfabrik Wismar. Ende des Jahres 1949 erhielten wir den Auftrag, Schiffsdavits und Teile für die Takelung eines Seglers zu fertigen. Das war Schwerstarbeit, weil vom Ofen und dem Eisen starke Hitze ausströmte, der Rücken aber der Kälte in der riesigen Halle ausgesetzt war. Als wir die Davits fertiggestellt hatten, ging es an die Teile für die Takelage - die Rigg. Auch diese Arbeit war eine Plackerei, da die Maße exakt mit der technischen Zeichnung übereinstimmen mußten. Doch nach kurzer Zeit waren wir eingefuchst.

Erst später erfuhr ich, daß es sich bei dem Großsegler um die ehemalige "Gorch Fock" handelte, die als Reparationsleistung an die Sowjetunion ging und dort den Namen "Towarischtsch" erhielt.

Werner Jahr, Potsdam


"Archie und das 'Ganymed'". Dieser Beitrag schmeckt mir! Köstlich! Salon-Sozis wie Gysi zahlen für ein Menü so viel wie ein Hartz-IV-ler an drei Tagen zur Verfügung hat. Aber eigentlich kann er es doch tun, wenn gewisse "Genossen" in Strasbourg Hummer für mehrere hundert Euro schlemmten. Da lob ich mir doch Ho Chi Minh, der weitgehend auf persönlichen Besitz zum Wohle seines Volkes verzichtete.

Ich weiß sehr gut, warum ich 1999 aus der PDS ausgetreten bin, auf meinen Vorstandsposten verzichtete und mich dem "RotFuchs"-Förderverein anschloß.

Heinz Denne, Berlin


Dem "RotFuchs" sei dafür gedankt, daß er für Manfred Hockes Geschichten um Archibald Einfalt, kurz Archie genannt, eine unerläßliche Heimstatt geworden ist und wir dieser pfiffigen literarischen Figur mit schöner Regelmäßigkeit begegnen können. Dank auch ihrem Schöpfer, der uns mit seiner im März-Heft erschienenen Geschichte "Archie und das 'Ganymed'" erneut zu nachdenklichem Vergnügen verholfen hat. Dieser Text um eine originelle gastronomische Einrichtung in der Nachbarschaft des Berliner Ensembles erweist sich als ein politisches Sittenbild en miniature. Man möchte es nicht glauben, was Archie u. a. von einer aus Not Flaschen sammelnden alten Berlinerin und deren zufälliger Talk-Show-Begegnung mit Gregor Gysi alles zu erzählen weiß.

Sollte Archie einmal im "RotFuchs" fehlen, wäre dieser um eine unterhaltsame und zugleich bemerkenswert kritische Nuance ärmer.

Dr. Bernhard Igel, Eisenach


Vor einigen Monaten faßten sich Hallenser Wirtschaftsforscher ein Herz und taten der Öffentlichkeit kund, daß der angeblich "selbsttragende Aufschwung Ost" nicht erreichbar sei. Einige regionale Medienvertreter liefen zu den Ministerpräsidenten ihrer Länder und baten sie um einen Kommentar. MP Haseloff, Sachsen-Anhalt, bezeichnete das Problem kurzerhand als "bekannt". MP Tillich, Sachsen, meinte nur, auch im Westen gäbe es "zurückgebliebene Regionen". Damit war die Sache für ihn abgehakt.

Die Misere dieser Regionen hat in dem durch Kohl, Schäuble und Waigel organisierten Zusammenbruch der DDR-Wirtschaft, besonders der Export-Flanke, ihre Ursachen. Ein falscher Geldumtauschkurs zuungunsten der Mark der DDR habe - so meinen Experten - überdies zum Ruin unzähliger Firmen beigetragen. Hinzu komme die drastische Reduzierung der landwirtschaftlichen Produktion. Vor den BRD-Bossen katzbuckelnde Laiendarsteller der bürgerlichen "DDR"-Politik wie de Maizière und Krause vermochten nicht, die Folgen ihres Tuns abzuschätzen. Der flächendeckende Arbeitsplatzverlust löste eine tsunamihafte Fluchtwelle von Millionen in den Westen aus. Überdies konnte die bundesdeutsche Variante eines Pseudo-Marshallplans die erforderlichen Ersatzinvestitionen nicht bereitstellen, um dem "befreiten" Osten im notwendigen Maße finanziell unter die Arme zu greifen.

Diese vermeintliche "Wunderwaffe" versagte kläglich! Selbst die Gläubigsten unter den Gläubigen befinden sich in der Rolle von "Rudi Ratlos". Und die sonst so eloquente Pfarrerstochter an der Regierungsspitze schweigt, wie man es von ihr in solchen Situationen gewohnt ist. Für das ostdeutsche Volk aber gilt: Maul- und Maßhalten!

Übrigens sollten die Griechen an einen solchen "Marshallplan", der auch ihnen jetzt verpaßt worden ist, auf keinen Fall übertriebene Hoffnungen knüpfen.

Joachim Spitzner, Leipzig

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Quelle:
RotFuchs Nr. 172, 15. Jahrgang, Mai 2012
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veröffentlicht im Schattenblick zum 22. Mai 2012