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ROTFUCHS/095: Tribüne für Kommunisten und Sozialisten Nr. 141 - Oktober 2009


ROTFUCHS

Tribüne für Kommunisten und Sozialisten in Deutschland

12. Jahrgang, Nr. 141, Oktober 2009



Inhalt
Herbert Mies für politische Hygiene
Zehn Gebote der sozialistischen Moral
Wünsche eines träumenden Ossis ...
Gespensterdiskussion über den "Unrechtsstaat"
Käthe Seelig: Ich sah die Leute stehen ...
Jürgen Riedel: Der 3. Oktober
China: Wie der Osten erglühte
Eine Geste des Humanismus
Interesse an "RotFuchs" in Rußland
Als Adenauer nach Atomwaffen gierte
Ist die FDP-Stiftung eine BND-Filiale?
Vorsicht bei heißen Kartoffeln!
Denk ich an Deutschland ...
Ermordet in Ravensbrück: Käthe Niederkirchner
Drei große Frauengestalten: Olga, Maria und Ruth
Jugendgeweiht und konfirmiert
Herrnhuter Brandstifter
Erzieher oder Aufpasser?
In Tutow ist die DDR präsent
Ein Christdemokrat, vor dem man den Hut zieht: Luitpold Steidle
RF-Extra Die Toten der Konterrevolution
RF-Extra Nachdenken über Rosa
Auf der richtigen Seite der Barrikade
Uribes Killer unter Spaniens Flagge
Auf der Wacht für den Krieg
Afghanistan: Reiche Beute im Visier
Das Scheitern der Operation CONDOR
Wolfsrudel auf Labours Spur
Tod eines Massenmörders
Carolus Wimmer: Venezuelas Revolution hat noch nicht gesiegt
Polen: Der schwarze Mythos
Kopfjäger der Konzerne
Eine "deutsche Astrid Lindgren"?
Plädoyer gegen das Duckmäusertum
Archie mit und ohne Grundstück
Leserbriefe
Grafik des Monats

Raute

Oktober-Gedanken

Den 11. Oktober 1949 werde ich mein Leben lang nicht vergessen. Als Wilhelm Pieck von den 400 Mitgliedern der Provisorischen Volkskammer, die aus dem Deutschen Volksrat hervorgegangen war, zum ersten Präsidenten der Deutschen Demokratischen Republik gewählt wurde, saß ich - noch keine 17 - als junger Kommunist unter den Zuschauern im Saal des künftigen Hauses der Ministerien. Daß ich eingelassen wurde, geschah nicht nur deshalb, weil es das strenge Protokoll späterer Jahre noch nicht gab. Es hatte auch eine andere Bewandtnis: Zu den Gründern des bisher einzigen Friedensstaates in der deutschen Geschichte zählte mein Vater Peter Alfons Steiniger. Wie Victor Klemperer, dessen Tagebücher aus finsterer Zeit vor einigen Jahren einer eindrucksvollen Filmchronik zugrunde lagen, gehörte er der Kulturbund-Fraktion der Provisorischen Volkskammer an.

Doch ich will weiter über Selbsterlebtes berichten. Am Abend des 11. Oktober feierten wir - Hunderttausende mehrheitlich junge Leute - auf der noch in Trümmern liegenden, nur durch sowjetische Armeescheinwerfer und blakende Fackeln schwach erhellten einstigen Prachtstraße Unter den Linden mit unbeschreiblichem Enthusiasmus das erst am 7. Oktober eingetretene Ereignis. Dessen historische Dimension war uns zu dieser Stunde noch nicht voll bewußt. Nur ein Dutzend Meter hinter der dem Zug vorangetragenen riesigen Losung "Es lebe die Deutsche Demokratische Republik!" hatte man unseren Marschblock eingereiht. Stürmisch begrüßten wir die Vorsitzenden der SED Wilhelm Pieck und Otto Grotewohl. Auch Walter Ulbricht, der bald zum wohl herausragendsten Staatsmann der DDR werden sollte, und Politikern wie dem liberal-demokratischen Volkskammerpräsidenten Johannes Dieckmann und Otto Nuschke, einem fortschrittlichen Christen von großer Lauterkeit, winkten wir zu. Auf der flachen Tribüne vor der zerbombten Humboldt-Universität stand der Bergmann Adolf Hennecke, der bei der Durchbrechung des Teufelskreises aus Hunger und Mangel ein Beispiel gegeben hatte, unmittelbar neben dem Präsidenten des jungen Staates. Ein Ausdruck der Harmonie von Klasse und Macht.

Schon am nächsten Morgen erwartete mich eine komplizierte Aufgabe. Auf dem Hof des zwar traditionsreichen, aber auch für seinen ungebrochen konservativen Geist bekannten Berlinischen Gymnasiums zum Grauen Kloster hielt ich vor einem überwiegend feindseligen Publikum aus Lehrern und Schülern als mit dem Aufbau einer FDJ-Gruppe Beauftragter die "Festrede" zur DDR-Gründung. Kaum eine Hand regte sich, obwohl ich mir alle Mühe gab, die ganze Klaviatur seinerzeitiger Agitation zu bedienen.

Das ist jetzt 60 Jahre her. Der Wind hat sich inzwischen gedreht, und die Zeiten sind rauher geworden. Antikommunisten wie jene, welche mir einst auf dem Schulhof ihren Haß entgegenschleuderten, regieren heute die durch den Anschluß der DDR noch stärker gewordene Republik des deutschen Imperialismus. Unser Staat hat es nicht geschafft. Aufgrund äußerer und innerer Umstände, nicht zuletzt aber unter dem enormen ökonomischen Druck eines überlegenen Gegners, dessen wirksam zur Schau gestellter Wohlstand auf der gnadenlosen Ausplünderung von vier Fünfteln der Erdbevölkerung beruht, blieb er nach 40 Jahren erfolgreichen Wirkens auf der Strecke.

Dort, wo am 11. Oktober 1949 der Mitkämpfer Liebknechts und Luxemburgs - der gänzlich uneitle Arbeiterführer Wilhelm Pieck - das Vertrauen des Parlaments der DDR erhielt, befindet sich nun das Finanzministerium der BRD. Hier residierte bisher Peer Steinbrück, der als SPD-Rechtsaußen oberster Defizit- und Bankrottverwalter eines in Schulden erstickenden Landes war. Und im einstigen Staatsratsgebäude mit dem restaurierten Balkon des Kaiserschlosses, von dem Karl Liebknecht im November 1918 etwas früh die sozialistische Republik ausgerufen hatte, räkelt sich unterdessen die satte Brut einer elitären Managerakademie.

Doch nicht alles vermochte die Konterrevolution zu "entsorgen". Überdauert hat zum Beispiel die denkmalgeschützte Glasmalerei des großen sozialistischen Künstlers Prof. Walter Womacka. Den handverlesenen Zöglingen des deutschen und internationalen Kapitals springt sie sofort ins Auge, sobald sie die Treppe des Hauptaufgangs emporsteigen. Dort sehen sie sich wider Willen mit der tragisch-verlustreichen, aber auch sieghaft-optimistischen Geschichte der arbeitenden Klassen unseres Volkes konfrontiert. Teil des Werkes ist die auf der Titelseite gezeigte junge Familie. Hammer, Zirkel und Ährenkranz symbolisieren im Hintergrund das gute Deutschland. Es ist - trotz Gift und Galle speiender temporärer Sieger - in der Erinnerung von Millionen Menschen weder verblaßt noch erloschen. Und der Tag wird kommen, an dem sein Banner wieder den Kolonnen selbstbewußter Kämpfer gegen das schuld- und fluchbeladene schlechte Deutschland voranwehen wird.

Klaus Steiniger

Raute

Herbert Mies für politische Hygiene

Von Genossen Herbert Mies, Mannheim, ist uns die folgende Information zugegangen:

Vor geraumer Zeit sprach mich der Norddeutsche Rundfunk mit der Bitte an, ich möchte mich doch in einer längeren Fernsehsendung über Erich Honecker als Zeitzeuge und Freund für ein Interview zur Verfügung stellen. Meine Antwort darauf lautete:

Angesichts der eskalierenden Verunglimpfung und Verketzerung der DDR und ihrer führenden Persönlichkeiten ist anzunehmen, daß ein "Porträt Erich Honecker" Wasser auf diese Mühlen leitet. Daran beteilige ich mich weder direkt noch indirekt, weder als Zeitzeuge noch als Alibilieferant. Mein gutes, persönliches Verhältnis zu Erich Honecker, auch meine Kritik an ihm habe ich in meinem Buch "Mit einem Ziel vor Augen" - Erinnerungen (Verlag am Park, 2002) beschrieben. Zur Zeit häufen sich Fernsehbeiträge zur DDR, die Gift und Galle speien, Geschichte fälschen, auf den Kopf stellen und die alte Bundesrepublik in das Licht einer "mustergültigen Demokratie", des geglückten "Sozialstaates" rücken.

Das widert mich an. Das zunehmend Neue daran ist: Man gibt sich den Schein der objektiven, wahrhaftigen Geschichtsbeurteilung. Die hauptsächliche Methode dabei ist die Vorführung von "Zeitzeugen", die ehemals zur kommunistisch-sozialistischen Bewegung gehörten. Ich denke an die Sendung "Die Freie Deutsche Jugend". Das Ganze wird gelegentlich mit dem "Einstreuen" einiger der Sache treu gebliebener Kommunisten garniert. Das ist mehr als irreführend. Es ist Geschichtsmanipulation. So soll die neudeutsche Geschichtsschreibung des Jahres 2009 durch den Mißbrauch von Zeitzeugen zum "glaubwürdigen" Richtmaß der künftigen Geschichtslehre gemacht werden.

Da spiele ich nicht mit, auch dann nicht, wenn ich damit den einen oder anderen Journalisten vor den Kopf stoße. Die derzeitige Tendenzgeschichtsschreibung gegen uns Kommunisten sollte man nicht ungewollt unterstützen. Auf die tendenzielle und verteufelnde Geschichtsausrichtung in den bürgerlichen Medien haben wir keinen ändernden Einfluß. Das ist meine Meinung. Es wäre schön, wenn ich mich in meiner Meinung und Entscheidung irren würde.

Raute

Zehn Gebote der sozialistischen Moral

Auf dem V. Parteitag der SED im Juli 1958 verkündete Walter Ulbricht die Zehn Gebote der sozialistischen Moral, die die Grundsätze der sozialistischen Ethik und Moral verkörpern und die Richtschnur für das Handeln jedes DDR-Bürgen darstellen sollten. Später fanden sie Aufnahme in das Parteiprogramm der SED.

Die Gebote lauteten:

• Du sollst dich stets für die internationale Solidarität der Arbeiterklasse und aller Werktätigen sowie für die unverbrüchliche Verbundenheit
 aller sozialistischen Länder einsetzen.

• Du sollst dein Vaterland lieben und stets bereit sein, deine ganze Kraft und Fähigkeit für die Verteidigung der Arbeiter-und-Bauern-Macht
 einzusetzen.

• Du sollst helfen, die Ausbeutung des Menschen durch den Menschen zu beseitigen

• Du sollst gute Taten für den Sozialismus vollbringen, denn der Sozialismus führt zu einem besseren Leben für alle Werktätigen.

• Du sollst beim Aufbau des Sozialismus im Geiste der gegenseitigen Hilfe und der kameradschaftlichen Zusammenarbeit handeln,
 das Kollektiv achten und seine Kritik beherzigen.

• Du sollst das Volkseigentum schützen und mehren.

• Du sollst stets nach Verbesserung deiner Leistungen streben, sparsam sein und die sozialistische Arbeitsdisziplin festigen.

• Du sollst deine Kinder im Geiste des Friedens und des Sozialismus zu allseitig gebildeten, charakterfesten und körperlich gestählten
 Menschen erziehen.

• Du sollst sauber und anständig leben und deine Familie achten.

• Du sollst Solidarität mit den um ihre nationale Befreiung kämpfenden und den ihre nationale Unabhängigkeit verteidigenden Völkern üben.

Raute

Wünsche eines träumenden Ossis ...

Ich wünsche mir ein Leben ...

wo Gerechtigkeit nicht zur "Gleichmacherei" zerredet wird,
wo Perspektive nicht zur Worthülse verkommt,
wo Mobbing ein Fremdwort ist und Ellenbogen nicht gebraucht werden, nur Fähigkeiten,
wo Mindestlöhne nicht notwendig sind, weil Arbeit wieder richtig bezahlt wird,
wo die Mehrheit über ihren eigenen "Tellerrand" hinausschaut,
wo Menschen aller Generationen und Qualifikationen aufeinander zugehen und miteinander reden,
wo Gesundheit, Recht und Bildung - die "Lebenserwartung" - nicht vom Geldbeutel abhängen,
wo älteren Menschen wieder ein Platz angeboten wird, wenn keiner mehr frei ist,
wo Jugend wieder für Zukunft steht und vorangehen darf,
wo Wissen und Können mehr sind als reine Rhetorik,
wo Freiheit die Gerechtigkeit mit einschließt,
wo Deutsche endlich an keinem Krieg mehr teilhaben,
wo nicht nur der "Sieger" die Geschichte schreibt,
wo Egons "Gefängnis-Notizen" und unser "RotFuchs" zur Massenlektüre werden und BILD verschwindet!

Was bliebe dann noch zu wünschen?

Torsten Noack, Bautzen

Raute

Was ein DDR-Historiker der Hamburger "Zeit" zu sagen hat

Gespensterdiskussion über den "Unrechtsstaat"

Die "Zeit" hat in den Streit um den Begriff "Unrechtsstaat" eingegriffen, den die Knabes aller Schattierungen der DDR als Kainsmal aufdrücken wollen. Mehrere Autoren kamen in den Spalten des Blattes zu Wort. Am 25. Juni war es Gesine Schwan, die schon zweimal Präsidentschaftskandidatin für die SPD gewesen ist. Unter dem Titel "In der Falle des Totalitarismus" grüßte sie zunächst die "Geßlerhüte" (Günter Gaus), wie bei diesem Thema fällig. Zugleich aber erhob sie berechtigte Einwände gegen den Begriff "Unrechtsstaat". Einer davon: Er verprelle die Ostdeutschen. Wie wahr!

Eine Woche später kam Marianne Birthler zu Wort. Der patentierungswürdige Titel "Liebe Ossiversteher!" scheint ihre Wortschöpfung zu sein. "Ossis" werden in der Regel nichts dagegen haben, wenn sie jemand verstehen will. Für einen "Ossi" ist es allerdings erstaunlich, mit welcher Vehemenz und Naivität Frau Birthler die Deutungshoheit über Begriffe beansprucht. Hat sie ein Überirdischer dazu auserkoren? Ist ihre Behörde eine Art Vatikan mit Unfehlbarkeitsanspruch? Kann sie überhaupt noch logisch und sachlich urteilen? "Warum identifizieren sich viele Ostdeutsche mit dem System, das sie einst bevormundete, unterdrückte und einsperrte?", will die Dame wissen. Da nach eigenem Zeugnis Marianne Birthler solches Ungemach nicht begegnet ist, könnte es ja auch andere DDR-Bürger geben, die sich nicht "bevormundet, unterdrückt und eingesperrt" fühlten.

Die "Zeit"-Artikel greifen spät in die "Erinnerungsschlacht" um das DDR-Bild ein. Bereits am 26. April 2009 hatte Anne Will in ihrer Talkshow besondere Gäste: Innenminister Wolfgang Schäuble, den selbsternannten Papst der deutschen Historiker Hubertus Knabe und den mit seiner Rolle hadernden Ostdeutschen Wolfgang Thierse. Alle gemeinsam übten sich als Leichenfledderer in bezug auf die DDR und forderten, sie künftig nur noch als "Unrechtsstaat" zu bezeichnen. Der Gesprächsteilnehmer aus der Linkspartei, Maurer, sollte das noch an Ort und Stelle tun, was ihm dann doch zuviel war.

Die stellvertretende CSU-Generalsekretärin Dorothee Bär verlangte am nächsten Tag, daß diejenigen nicht mehr ungeschoren davonkommen sollten, welche "Unrecht" von SED und "Stasi" weiterhin leugneten. Wie die Strafe aussehen solle, sagte sie noch nicht. Am 27. April legte auch der MDR nach und machte in "Fakt" den "Unrechtsstaat" zum Thema. Es gab kaum eine Zeitung, die nicht ihren Sermon beitrug. Die "Super-Illu" prüfte, wie der Begriff von den Bürgern aufgenommen werde. Das Ergebnis: "Bei den Ostdeutschen ist er umstritten. Nur 28 % würden danach die DDR so bezeichnen. Und auch bei CDU-Wählern im Osten macht sich ihn nur eine Minderheit von 43 % zu eigen." Auf "Volkes Wille" können sich die Birthlers und Knabes also nicht berufen.

Der Artikel von Daniela Dahn im ND vom 25./26. April "Das Urteil von den zwei deutschen Diktaturen" distanzierte sich von den Ächtern und setzte so ein Achtungs- und Stoppzeichen.

Stellen wir zunächst einmal fest: An Leuten, die sich kompetent fühlen, die DDR postum in eine Hölle zu verwandeln, fehlt es nicht. Die Frage ist nur: Warum gilt dieser Aufwand jemandem, der 20 Jahre tot ist? Oder handelt es sich um ein neues Wunder der Auferstehung?

Sollten nicht erst einmal bestimmte Fragen geprüft werden, bevor man über den Begriff "Unrechtsstaat" philosophiert?

Wie kommt es, daß er nicht einmal im Duden vermerkt ist? Wer hat ihn denn wann und wo eingeführt?

Wenn die DDR nicht erst nachträglich dazu gemacht wurde, sondern schon zur Zeit ihrer Existenz ein "Unrechtsstaat" gewesen sein sollte, ergäben sich weitere Fragen:

Sind 1973 (im gleichen Verfahren mit je einer Gegenstimme) etwa ein Rechtsstaat BRD und ein "Unrechtsstaat" DDR als gleichberechtigte Mitglieder in die UNO aufgenommen worden? Wurden die Verträge zwischen beiden deutschen Staaten stets zwischen einem Rechts- und einem Unrechtsstaat abgeschlossen? Hat Schäuble 1990 eigentlich mit Beauftragten von Folterern und Mordbuben verhandelt? Wie konnte Richard von Weizsäcker Erich Honecker in seinem Garten spazierenführen, Helmut Schmidt ihn gar seinen "deutschen Bruder" nennen?

Hat es in der UNO jemals einen Beschluß gegeben, in dem die Politik der DDR gerügt wurde - ein Vorgang, den Israel permanent erlebte? BRD-Außenminister Hans-Dietrich Genscher hatte von 1974 bis 1990 jährlich im September vor der UNO-Vollversammlung Gelegenheit, sein Urteil über den "Unrechtsstaat" kundzutun.

Warum hat er das damals nicht getan? War er zu feige? Mit wem hätte er Ärger bekommen?

Die Zahl der Fragen ließe sich beliebig fortsetzen.

Es bleibt dabei: Diskriminierende Vokabeln wie "Unrechtsstaat" oder "Schurkenstaat" sind bloße Kampfbegriffe zur Diskriminierung des politischen Gegners und entstammen nicht der Terminologie des Völkerrechts.

Wenn Pfarrer Schorlemmer sich zum "Unrechtsstaat" DDR äußert, fällt mir noch anderes ein. Am 4. November 1989 war er einer der 26 Redner auf dem Alexanderplatz. Er sagte damals, daß ohne die SED die Probleme nicht lösbar seien. Zwei Jahre später war er Anhänger der Idee, ein Tribunal zur Aburteilung von DDR-Politikern einzurichten. In der ND-Ausgabe vom 28./29. März 2009 prägte er den Satz: "Freilich wird nie zu verschweigen sein, was Bautzen und Waldheim bedeuten."

Wer verschweigt denn das? Was bedeuten beide Namen?

Vergleichen wir: Es wird doch wohl ebenso wenig zu verschweigen sein, welche Vorstellungen sich mit Fuhlsbüttel und Moabit verbinden. Bestimmen Haftanstalten den Charakter eines Staates? Dann müßte der "Diktaturenvergleich" auf die Gefängnisse konzentriert werden.

Herrn Knabe genügte die Existenz der UHA Hohenschönhausen als "Beweis für den Unrechtscharakter der DDR". Wollen wir sie mit Plötzensee und Stammheim vergleichen? Was bringt das?

Schorlemmer hat in einem recht: "Die 'Unrechtsstaats'-Formel trägt nicht."

Noch eine Bemerkung zu Knabes Sermon: Das einzige, was er an der DDR positiv findet, ist Wolf Biermann. Ob dem Barden nun die Brust schwillt?

Zuletzt: Die DDR besteht seit 20 Jahren nicht mehr. Matthias Platzeck diktierte dem "Spiegel" (21/2009): "Die DDR ist seit 1990 mausetot. Wir müssen sie nicht noch mal beerdigen." Ist es üblich (und anständig) einen Toten 20 Jahre nach seiner Beisetzung von Amts wegen zu verunglimpfen, wenn der Verleumdete sich nicht mehr wehren kann? Ist denn 1989 aller Anstand verschwunden? Könnte es sein, daß aus der Debatte außer Haß und Frust auch etwas Nützliches hervorginge? Ich habe einen Satz entdeckt, der weiterführte, aber er stammt nicht von Marianne Birthler oder Anne Wills Talkgästen, sondern aus den "Gefängnis-Notizen" von Egon Krenz: "Es gibt nicht nur eine, die Sicht auf die DDR, sondern vermutlich so viele, wie dieses Land Köpfe zählte. Jeder hat seine eigenen Erfahrungen mit ihr. Wer ehrlich zu sich und seiner Umgebung ist, sollte seine individuellen Wahrnehmungen nicht zur allgemeingültigen, einzig zulässigen Beurteilung der DDR erheben."

Prof. Dr. Horst Schneider

Raute

Käthe Seelig: Ich sah die Leute stehen ...

[Hinweis der Schattenblick-Redaktion:
Der Beitrag wurde nicht in den Schattenblick übernommen.]

Raute

Wichtige Schrift zum 60. Jahrestag der VR China

Wie der Osten erglühte

Wer wissen will, was die Zukunft bringt, muß sich mit China befassen. Dies nicht nur, weil jeder sechste Mensch auf dem Erdball ein Chinese ist, sondern auch, weil China als einzige der frühen Hochkulturen, anders als etwa Assyrien, alle Stürme der Zeiten überstand und auch heute, in der kapitalistischen Weltwirtschaftskrise, offenbar recht gut dasteht. Nur im 19. und in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts war es ernsthaft in Gefahr, kolonial versklavt zu werden. Dieses Schicksal blieb ihm erspart - dank des heroischen Kampfes des chinesischen Volkes unter Führung der KP Chinas. Der 60. Jahrestag der Volksrepublik ist ein Tag der Würde.

Die Reaktionen sind widerspruchsvoll. Topmanager internationaler Konzerne stehen Schlange, bereit zu jedem Kotau, um sich angesichts der Zuwachsraten Chinas ein Stück des Kuchens zu sichern. Andererseits sehen wir, wie ihre Politiker Gift und Galle speien. Tibetische Anbeter mittelalterlicher Feudalverhältnisse oder uigurische, sich ebenfalls mit religiösen Gewändern tarnende reaktionäre Separatisten, werden zu "Demokraten" und "Freiheitskämpfern" stilisiert. Und dann wiederum weigert sich die BRD vorerst, ein halbes Dutzend Guantánamo-Häftlinge gleichen Schlages einreisen zu lassen. Das ist blanke Verlogenheit.

Chinesen haben also wenig Veranlassung, bei der Gestaltung ihrer Verhältnisse "westlichen Empfehlungen" zu folgen. Sie wissen, daß sie schon Große waren, als die meisten Europäer noch in dunklen Wäldern hausten, von den in ihren Augen fast geschichtslosen Amerikanern der USA ganz zu schweigen.

Zum Herausgeber der Dokumente in deutscher Sprache ist Rolf Berthold berufen wie kein Zweiter. Er hat in Peking studiert, beherrscht Chinesisch in Wort und Schrift, arbeitete lange als Diplomat dort, zuletzt von 1982 bis 1990 als Botschafter der Deutschen Demokratischen Republik. Die Texte hat er mit größtem Gespür für Feinheiten übersetzt.

Vorangestellt hat Genosse Berthold ein knappes Vorwort, in dem er betont: "Der Herausgeber dieses Bandes verschweigt nicht seine eigenen politischen Positionen, aber er hält es für erforderlich, die Positionen der KP Chinas, der führenden Kraft der Entwicklungsprozesse in der VR China, deutlich zu machen."

Aus seiner Feder stammt das einleitende Kapitel: "Die VR China im ersten Jahrzehnt des XXI. Jahrhunderts". Hier geht es insbesondere um den XVI. Parteitag der KP Chinas vom November 2002 und den XVII. Parteitag, der im Oktober 2007 stattfand.

Eine Fülle von Fakten belegt eine erfolgreiche ökonomische Bilanz. Von nicht geringerem Interesse sind die Ausführungen zur Ausgestaltung des politischen Systems, zur Entwicklung der Partei sowie zu den Grundsätzen der Außenpolitik des Landes.

Hauptteil der Dokumentation ist die fast 200 Druckseiten umfassende und offiziell bestätigte "Kurze Geschichte der KP Chinas", ein höchst interessanter Abriß, der bis ins Jahr 2001 führt. Ihr Inhalt kann auf begrenztem Raum nicht adäquat dargelegt werden. Man muß das in Gänze lesen, es lohnt sich. Hier wird nichts geschönt, nicht behauptet, der zurückgelegte Weg sei eine ununterbrochene Aneinandereihung von Siegen gewesen. Man kann einiges darüber lernen, wie Kommunisten, bei klarer Analyse eigener Fehler und Irrtümer, mit ihrer Geschichte umgehen sollten. Das betrifft insbesondere auch die Würdigung von Leistungen führender Genossen. Da wird nicht durchgehend negativ gezeichnet, wenn jemand etwa am Ende falsch lag.

Über Mao Zedong ist resümierend zu lesen: "In der 'Kulturrevolution' wurde die Partei nicht zerschlagen, sie konnte ihre Einheit bewahren. Staatsrat und Volksbefreiungsarmee waren in der Lage, viele wichtige Arbeiten zu leisten. Das Fundament der sozialistischen Ordnung blieb erhalten, der Staat bewahrte seine Einheit. All das ist von der Rolle Mao Zedongs nicht zu trennen.

Wenn man das gesamte Leben Mao Zedongs betrachtet, hat er sich des Namens eines großen Marxisten würdig erwiesen, er war ein großer proletarischer Revolutionär, Stratege und Theoretiker. Er leistete einen wichtigen Beitrag für die Gründung und Entwicklung der KP Chinas und der Volksbefreiungsarmee Chinas, für die Befreiung aller Nationalitäten Chinas, für die Errichtung der Volksrepublik China. In der zweiten Hälfte seines Lebens führte er die Partei und das Volk im Widerstand gegen Bedrohung und Druck von außen, bei der Verteidigung der Unabhängigkeit des Landes, bei der Schaffung der Grundlagen des Sozialismus in China und der Erkundung des Weges des sozialistischen Aufbaus in China. Diese bedeutenden historischen Verdienste und der schöpferische Geist sind voll und ganz anzuerkennen. Seine Fehler bei der Suche des Weges, insbesondere der ernste Fehler der 'Kulturrevolution', hatten zur Folge, daß China beim Aufbau des Sozialismus große Umwege ging und bittere Lehren ziehen mußte. Die Gesamteinschätzung des Lebens Mao Zedongs: Seine Verdienste stehen an erster Stelle, sie sind unauslöschlich." (S. 166 f.)

Solche Ausgewogenheit bei der Einschätzung von Genossen, die ja nur im Kontext ihrer Zeit, jedes einzelnen Zeitabschnitts ihres Wirkens, gerecht zu beurteilen sind, haben nicht alle Parteien immer aufzubringen vermocht, auch die SED nicht. Manchem heutigen Text täte Weisheit in dieser Hinsicht ebenfalls gut.

Das Buch enthält Artikel über das "Manifest der Kommunistischen Partei" in China sowie Darstellungen der Solidarität der KPD mit der chinesischen Revolution aus der Feder Rolf Bertholds und chinesischer Autoren. Das Programm der KP Chinas bildet den Abschluß. Im Anhang finden wir den chinesischen Statistischen Jahresbericht 2008, eine Zeittafel und das Personenregister.

Es empfiehlt sich, parallel zu dieser Lektüre jene Arbeiten Lenins zur Hand zu nehmen, die er über die Unausweichlichkeit und über die Gefahren der Neuen Ökonomischen Politik (NÖP) geschrieben hat: "Sozialismus ist undenkbar ohne großkapitalistische Technik, die nach dem letzten Wort modernster Wissenschaft aufgebaut ist. Die ganze Frage besteht - sowohl theoretisch als auch praktisch - darin, richtige Methoden zu finden, wie man die (bis zu einem gewissen Grade und für eine gewisse Zeit) unvermeidliche Entwicklung des Kapitalismus in das Fahrwasser des Staatskapitalismus lenken soll, welche Bedingungen man hierfür schaffen muß, wie man für die nahe Zukunft die Umwandlung des Staatskapitalismus in den Sozialismus zu sichern hat."(LW,32/346;358) Man müsse, so Lenin, "die Dinge nüchtern betrachten: Wer - wen?" (LW, 33/46)

Prof. Dr. Götz Dieckmann


Rolf Berthold: Chinas Weg. 60 Jahre Volksrepublik, Verlag Wiljo Heinen, Berlin 2009, 302 S., 12 €, ISBN 978-3-939828-46-4

Bildunterschrift der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildung der Originalpublikation:

Ernst Thälmann mit einem sowjetischen Seemann und einem chinesischen Arbeiter auf dem Hamburger RFB-Gautreffen 1925

Raute

Als die Rote Armee 5000 Milchkühe nach Berlin treiben ließ

Eine Geste des Humanismus

Der SPD-Genosse Josef Orlopp wurde im Mai 1945 als Stadtrat für Handel und Handwerk in Berlin eingesetzt. In einem Aufsatz unter dem Titel "Im Kampf gegen den Hunger" stellte er später fest: "Die Versorgungslage war vor der Beendigung der Kampfhandlungen schon unzureichend. Soweit die Reste der Warenvorräte nicht durch die Kriegsereignisse vernichtet waren, wurden sie von der eigenen Bevölkerung geplündert. Rund drei Millionen hätten verhungern müssen, wenn nicht die russische Besatzungsmacht volle Hilfe geleistet hätte."

Im Dorf Zibelle in der Lausitz, östlich von Bad Muskau gelegen, rief der Kommandant die wenigen im Ort verbliebenen männlichen Erwachsenen zu sich und erteilte die Order: "Morgen früh, sieben Uhr, erscheinen Sie mit festen Schuhen, einer Decke zum Schlafen und Waschzeug im Rucksack vor dem Hof Kulkas in der Sorauer Straße!" Mit 15 Jahren zählte ich zu den "Erwachsenen". Es war der 30. Mai, die Sonne ließ einen wunderschönen Tag erahnen. Wir fünf Wartenden wußten, Kulkas, das waren Großbauern mit riesigen Stallungen. Sie hatten sich für die "Flucht" vor den Russen entschieden und ihr Vieh zurückgelassen. Die Rotarmisten nutzten die großen Ställe im Ort, alle brüllenden, wild umherlaufenden und hungernden Tiere zusammenzuhalten, zu füttern, zu melken und eben auch, was dazu gehört, auszumisten.

Micha, eine dürre, hochgewachsene, jedoch in Uniform immer elegante Erscheinung, Student aus Leningrad und fließend deutsch sprechend, gehörte zur Ordonanz des Kommandanten. Er erklärte uns Rätselnden ohne Kommentar die Aufgabe. "Sie werden Kühe treiben, Milchkühe, jeden Tag 15 Kilometer!" Einer fragte nach dem "Wohin"? Seine Frage blieb unbeantwortet und schon drängten die ersten schwarz-weißen Rinder, sich gegenseitig schubsend, auf die leere Straße. "Richtung Ritter!", schrie Micha in das Gebrüll hinein. Jeder von uns wußte: Ritter im Niederdorf, das war einst der größte Bauer des Ortes. Hier lieh man sich in der Erntezeit Pferde und Gerät aus. Schon bald hatte jeder von uns Treibern einen Knüppel in der Hand, denn mit den Neuzugängen in der Herde bei Ritters waren es nun 150 Stück Milchvieh.

Zu dem uns begleitenden Konvoi - Micha fehlte - gehörten etliche Kutschen, Reitpferde und natürlich Angehörige der Roten Armee. Aber auch Swetlana. Ich kannte das hübsche Mädchen. Während des Krieges kam sie sonntags - und sie hatten nur an diesem Tag die Gelegenheit dazu - in Begleitung zweier anderer Russinnen, die auch in Hitlers Großdeutsches Reich deportiert worden waren, auf Großmutters Grundstück. Die drei erbaten Essen und Kleidung. Nun gehörte sie zum begleitenden Troß und - sie erkannte mich wieder. Swetlana betreute die Feldküche, da fiel für mich schon mal was Zusätzliches ab.

Selten trollten wir uns im Treck auf asphaltierten Straßen. Das war zum Vorteil der Rinder, die immerhin 15 Kilometer am Tag laufen mußten, wenngleich wir zwischendurch auf satten Wiesen befehlsmäßig pausierten. Und wir bekamen mit, daß uns zwei Tierärzte in Uniform begleiteten, die allabendlich eine gründliche Begutachtung des Bestandes vornahmen. Zuerst erfolgte die Vorstellung der Schlußlichter. Mal mußten die Klauen gereinigt, beschnitten und mit Pech eingeschmiert werden, mal mühten sich die Veterinäre mit Massagen und Einreibungen.

Unvergeßlich jene Szene kurz vor Luckau, wo ich erstmals dem Begriff "Sollerfüllung" begegnete.

Schon den zweiten Tag bezog eine Kuh schlimme Dresche mit dem Knüppel. Sie schlich als Letzte vor sich hin und wollte und wollte nicht aufschließen. Ein Major ritt mit seinem Pferd zu uns heran und bedeutete mit seiner Gerte, das Tier den leichten Abhang hinunterzutreiben. Dort eggte ein Bauer mit seiner Milchkuh einen kleinen Acker. Der Major zückte die Pistole und hielt den Bauern an, seine Kuh auszuspannen, indes wir die Lahme in seine Nähe dirigierten. Der lautstarke Protest des Bauern nutzte nichts. Ich half ihm beim Ausspannen seiner "Lisa" - und es blieb beim Soll von 150 Milchkühen.

In Schönefeld vor Berlin endete unsere Mission, die Tiere wurden von einem anderen Kommando der sowjetischen Besatzungsmacht übernommen.

Auf diesen tagelangen, eher trottigen Fußmärschen begegneten uns mehrfach kleinere und größere Trupps ehemaliger Zwangsarbeiter, deren Heimat im Osten lag. "Insgesamt kehrten 650.000 Menschen zu Fuß in die Sowjetunion zurück", schreibt Generalleutnant N.A. Antipenko, einer der führenden Offiziere, in seinen Memoiren. Angesichts der permanenten politischen Niederträchtigkeiten, die die meisten Medien auch heutzutage gegen Rußland versprühen, soll daran erinnert werden, was dieses Land durch den deutschen Faschismus, der heute wieder in der Gestalt neonazistischer Parteien Parlamentssitze einnehmen kann, erlitten hat. Ich lasse Hauptmann Tregubow zu Wort kommen, der am 22. Juni 1941 zur Verteidigung seiner Heimat gegen Hitler in den Krieg zog. Am 7. Januar 1949 sagte er im Haus der Kultur der Sowjetunion Am Kastanienwäldchen in Berlin-Mitte: "Vier Jahre lang floß das Blut von Millionen sowjetischer Menschen. Vier Jahre lang und noch heute weinten und beklagten Millionen russischer Frauen ihre Männer, Brüder und Kinder. Kein Land, welches von den Hitlerhorden überfallen wurde, hat so große Verluste gehabt wie meine Heimat und mein Volk."

Als die ersten Einheiten der Sowjetarmee Ende April 1945 Berlin erreicht hatten, stellten sie sofort die katastrophale Versorgung fest. In einem "Prawda"-Interview äußerte sich damals der Stellvertreter des Vorsitzenden des Rates der Volkskommissare der UdSSR, A.I. Mikojan: "Dem sowjetischen Kommando ist eine Reihe von Meldungen über die äußerst ernste Lebensmittellage der Bevölkerung Berlins zugegangen. In ihren Briefen und Meldungen berichten Soldaten und Offiziere, daß die Menschen in zerstörten Häusern, Kellern und Luftschutzbunkern ohne Licht und Wasser hausen, daß sie Hunger leiden. Diese Zustände veranlassen unser Kommando, Maßnahmen zur Besserung der Lebensmittelbelieferung zu ergreifen."

Und diese "Russen" faßten 1945 im Kriegsrat den Beschluß, "für die Versorgung von Kindern und Kranken der Stadt Berlin 5000 Milchkühe zuzuführen."

Ich selbst war an der Umsetzung dieser humanen Geste der Roten Armee beteiligt und weiß, daß auch den Dresdnern auf ähnliche Weise geholfen wurde.

Hans Horn

Raute

"Sowjetskaja Rossija" brachte "RotFuchs"-Artikel über Gorbatschow

Lebhaftes Interesse in Rußland

Die sich als unabhängige Volkszeitung bezeichnende "Sowjetskaja Rossija" (Sowjet-Rußland) erscheint mit jeweils vier Großseiten dreimal pro Woche in einer Auflage von 300.000 Exemplaren. Das in Moskau herauskommende Blatt steht der KPRF nahe. Am 7. Juli veröffentlichte die SR in hervorragender Übersetzung und ohne Kürzungen den RF-Artikel von Dr. Rudi Dix "Das Platzen der Gorbimanie" (Nr. 136). Bereits zwei Tage später brachte die Zeitung 9 von etwa 50 Wortmeldungen im SR-Blog, wie eine Internet-Diskussionstribüne genannt wird. Sie waren - wie üblich - durch Kürzel gekennzeichnet. Wir machen die Originaltexte, geringfügig redigiert, der RF-Leserschaft zugänglich.

Sowohl bei uns als auch im Ausland dürfte klar sein, daß es sinnlos ist, die 22 Bände Stutenmärchen von Gorbatschow zu lesen. Man kann ja verrückt werden. Der eigentliche Sinn der Riesenauflage besteht doch nur darin, diesem Subjekt eine Möglichkeit zu verschaffen, seine Verräterkasse legal zu füllen und dem alten Dummkopf eventuell noch einen Honigtropfen der Eigenliebe zu spenden.   Alexejewitsch

Die Hauptthese von G., und darüber hat er auch unlängst im Fernsehen schwadroniert, ist doch, daß seine Politik der Herbeiführung von Freiheit, an der die Menschen dann erstickt sind, gewidmet war. Der Absolvent der Moskauer Universität und Zögling des ZK der KPdSU sollte begreifen, daß das Elend, welches er Millionen Menschen beschert hat, eine der schlimmsten Formen von Unterdrückung ist. Das Allerschlimmste aber dürfte sein, daß G. auch heute mit zur Kreml-Riege gehört, vom Präsidenten und den Führern der Partei "Einheitliches Rußland" sehr geschätzt wird.   Antip

Man kann nicht leugnen, daß G. in jungen Jahren ehrlich und nicht dumm war. Später, auf hohem Posten, wurde er zunächst zum Schwächling, dann ein Dussel und schließlich ein Verräter.   EvGor

Geehrter EvGor! Wissen Sie nicht mehr, daß G. nach einem Jura-Abschluß in seinem Beruf nicht arbeiten wollte, weil die Löhne recht karg und die Karriereaussichten nur nebulös waren? Deshalb ging er auch nicht zur Staatsanwaltschaft, sondern zum Gebietskomitee des Komsomol. Die Rechnung ging auf. Hier konnte der Demagoge schnell nach oben gelangen. Und da in seinem Naturell die Liebedienerei stark ausgeprägt war, kam er auch bei den Parteiorganen gut an. Das Ergebnis ist bekannt.   Guru

G. hat natürlich viele Fehler begangen. - Aber warum wird das ganze Übel nur mit ihm verbunden? Was haben denn die Genossen vor Ort getan? Warum wurde nicht protestiert? Parteimitglieder auf leitenden Posten nutzten diese oft für die eigene Bereicherung aus. Schauen Sie doch mal auf unsere Gouverneure, Bürgermeister, Leiter großer Betriebe - sie sind in der Regel ehemalige Mitglieder der KPdSU und des Komsomol. Heute stecken sie in der Partei "Einheitliches Rußland" und singen ein Hohelied auf Medwedjew und Putin. Das Schlimme ist - sie waren ja nie Kommunisten, sondern blieben stets Karrieristen. Jetzt gibt es in Rußland keine wirkliche Demokratie, da wieder die gleichen Anpasser am Ruder sind.   Muder

Die Behauptung, G. sei ein Dummkopf oder habe viele Fehler begangen, ist anzuzweifeln, da sie die "großen Aufgaben", die er sich gemeinsam mit seiner Frau gestellt hatte, verniedlicht; auch die "kolossalen Erfolge" beim Zerschlagen des "tausendjährigen russischen Reiches" in geheimer Abstimmung mit dessen ewigen Feinden. Die Zeitung "Delowoy Mir" (Geschäftswelt) brachte 1994 Erinnerungen von Menschen, die G. (erfolglos) für seine Untergrundorganisation angeworben und in höchsten Etagen der Macht aufgebaut hat, um "das Regime" zu vernichten. Diese Arbeit hat G. trotz der Kompliziertheit der Aufgabe und mit nur wenigen Mitstreitern exakt und praktisch fehlerfrei erfüllt. - Man sieht es am Ergebnis.

Auch heute, angesichts der Ergebnisse seines Verrats und der Not des Volkes behauptet G. nach wie vor, er habe richtig gehandelt. Er denkt gar nicht daran, sich bei den 300 Millionen Menschen, die er ins Unglück gestürzt hat, zu entschuldigen. Es ist absolut richtig, G. samt Ehefrau als die schlimmsten und listigsten Feinde Rußlands wie seiner Völker einzustufen. Genauso werden sie sich vor dem Gericht der Geschichte zu verantworten haben, nicht aber wie Personen, die Verbrechen lediglich aus Unkenntnis oder mangelnder Vorsicht begingen.   Slavan 39

Es scheint egal zu sein, welches politische System herrscht. - Es reicht, daß ein Verräter an die Macht kommt, und alles geht kaputt. Für Rußland ist also nicht die politische Ordnung, die besteht, das Wichtigste, sondern der Mensch, der diese anführt.   "Lenin"

An "Lenin": Die Rolle der Persönlichkeit in der Geschichte wurde noch durch niemanden abgeschafft. Ein Verrat übender General bringt dem Land viel mehr Schaden als ein Regiment verräterischer Soldaten. Was braucht man dann noch über einen Verräter an der Spitze des Landes zu reden! Früher schien mir G. nur ein willensschwacher Dummkopf zu sein, der die Macht an den eindeutigen Verräter Jelzin abgetreten hat. Das allerdings nur solange, bis dieser von Gott Gezeichnete in einem Interview erklärte, er habe ein Leben lang davon geträumt, die Sowjetmacht zu beseitigen und sei dabei durch die weise Raissa Maximowna unterstützt worden. Das absolute Fehlen von Gehirn wird ja noch durch sein Bemühen bestätigt, nun auch mit seinen "Lehren" an die Öffentlichkeit zu treten. Wahrscheinlich gibt es im Westen jemanden, der sich verpflichtet hat, ihn bis ans Lebensende durchzufüttern.   Ami

Ich bin der Meinung, die Ereignisse der 80er und 90er Jahre müssen genau untersucht werden. Und zwar beginnend mit dem Tod der Generalsekretäre, der einseitigen Reduzierung des Atomarsenals und der Zerschlagung der Sowjetunion bis zu den Tschetschenienkriegen und den Terrorakten besonders im Moskauer Theater Dubrowka.   Nataschetschka

Raute

Adenauer gierte nach Atomwaffen

Unter der Überschrift "Mythos Adenauer" versuchte kürzlich eine in Ostdeutschland weit verbreitete Illustrierte den Lesern ein Bild vom ersten BRD-Kanzler zu zeichnen. In etlichen Zuschriften wurde daraufhin heftiger Widerspruch erhoben. Vor allem ging es um den angeblichen Einsatz des CDU-Politikers und Altseparatisten für die deutsche Einheit.

Ich möchte hier einen anderen Aspekt der Politik Adenauers beleuchten, zu dem zwei Fernsehsender (HR und 3sat) eine mehrteilige Dokumentation ausstrahlten. Deren bemerkenswerter Titel lautete: "Planspiel Atomkrieg: Adenauers Kampf um die Bombe". Um es vorwegzunehmen: Der Altkanzler machte dabei keine gute Figur. Oder anders ausgedrückt: Adenauer war erwiesenermaßen bereits seit 1952/53 ein atomarer Scharfmacher.

Zuerst bedrängte der Kanzler die Washingtoner Administration, so schnell wie möglich US-Atomwaffen in der BRD zu stationieren. Dann wollte er in der zweiten Hälfte der 50er Jahre unbedingt taktische Kernwaffen für die Bundeswehr, obwohl die überwiegende Mehrheit der westdeutschen Bevölkerung einen solchen Schritt unter der populären Losung "Kampf dem Atomtod!" strikt ablehnte. Ausgeblendet wurde in der TV-Dokumentation leider, daß im Frühjahr 1958 die sogenannte Atomdebatte im Bundestag stattgefunden hat. In ihrem Verlauf forderte der damalige BRD-Verteidigungsminister F.J. Strauß unverblümt Nuklearwaffen. Wörtlich erklärte er: "Es gibt nurmehr einen einzigen Fall auf der ganzen Welt. Und das ist der Fall 'Rot'." Seinerzeit antwortete ihm einer der FDP-Spitzenpolitiker: "Ihnen würde ich kein Feldgeschütz anvertrauen, geschweige denn eine Atomkanone. Denn wer so spricht, wie Sie, Herr Strauß, der schießt auch!" Helmut Schmidt berichtete, wie er während des NATO-Kommandostabsspiels "Blauer Löwe" deutsche Offiziere habe weinen sehen, weil sie mit "MEGA-Toten" operieren mußten.

Doch weiter im Text der von den beiden TV-Sendern verbreiteten Adenauer-Dokumentation. Noch 1958 erhielt die Bundeswehr Trägersysteme, die auch für den Verschuß von Atomraketen geeignet waren. O-Ton der Sendung: "Adenauer will mitreden im atomaren Kräftespiel." Und: 1962 wird während der "Kubakrise" erstmals in den USA ein Atomalarm der höchsten Stufe ausgelöst. Die Doku-Leute verwiesen darauf, Adenauer habe den damaligen US-Präsidenten J.F. Kennedy zum Krieg gegen die Sowjetunion gedrängt. Nicht auszudenken, was aus unserer Welt geworden wäre, wenn sich "Ratgeber" dieses Schlages durchgesetzt hätten.

1963 wurde Adenauer als Bundeskanzler verabschiedet. Aber die von ihm verfolgte verhängnisvolle Atompolitik fand unter seinen CDU-Nachfolgern ihre unverminderte Fortsetzung. 1966 wurde das damals streng geheime NATO-Kommandostabsspiel "Fallex" veranstaltet. Es ging darum, die Regierbarkeit der BRD nach einem Atomschlag durch ein Notparlament im Regierungsbunker Ahrweiler aufrechtzuerhalten. Der Einsatz von Atomwaffen wurde schließlich auch im Rahmen der nachfolgenden NATO-Kommandostabsspiele "Wintex/Cimex" bis 1989 (!) theoretisch weiter geübt. Bezeichnenderweise entschied man sich für eine Einsatzsimulation gegen die Stadt Dresden.

In der Zeit des NATO-Doppelbeschlusses, als der Sozialdemokrat Helmut Schmidt Verteidigungsminister bzw. Bundeskanzler der BRD war, nannte Erich Honecker Atomwaffen ohne Umschweife "Teufelszeug", wodurch er sich auch mit seiner Schutzmacht UdSSR anlegte, indem er dessen Entfernung von deutschem Boden forderte. Kein Bundeskanzler hat ein solches Verlangen je zum Ausdruck gebracht. Mitte 2008 wurde öffentlich darüber diskutiert, warum 20 Jahre nach dem Ende der Blockkonfrontation noch immer Atomraketen in Deutschland lagern. US-Präsident Barack Obama hat also noch viel zu tun, um die "Restbestände" des Kalten Krieges in Europa zu beseitigen. Von Bundeskanzlerin Angela Merkel ist nicht bekannt, daß sie dieses Thema beim jüngsten Besuch Obamas zur Sprache gebracht hätte.

Oberst a. D. Dr. Dieter Lange,
Königs Wusterhausen

Raute

Ist die FDP-Stiftung eine BND-Filiale?

Gummersbach:
Mit einer eigens eingerichteten "Akademie" steuert die FDP-nahe Friedrich-Naumann-Stiftung den weltweiten Aufbau ihrer Einflußnetzwerke. Neben Politikern der honduranischen Putschistenpartei PLH gehören hochrangige Amtsträger und Multiplikatoren aus Mexiko, Pakistan, Malaysia und zahlreichen weiteren Staaten zu den "Alumni" der "Internationalen Akademie für Führungskräfte", welche die Stiftung in Gummersbach (Nordrhein-Westfalen) betreibt. Die Alumni sind an der Akademie unter anderem in Entwicklung und Umsetzung strategischer Konzepte geschult worden und werden ermutigt, auch im Anschluß an die Fortbildung Kontakt zu der deutschen Stiftung zu unterhalten - unter anderem via Internet. Dabei steht die Akademie in stetigem Austausch mit den Stiftungsfilialen im Ausland, die die Einflußarbeit der deutschen Liberalen vor Ort bündeln. Die Naumann-Netzwerke reichen inzwischen über sämtliche Kontinente und umfassen mehrere tausend Führungskräfte in aller Welt, darunter Regierungsmitglieder.

Newsletter german-foreign-policy (13. 7.)


Tegucigalpa/Berlin:
FDP-nahe Kreise haben bis unmittelbar vor dem Staatsstreich gegen den honduranischen Präsidenten Manuel Zelaya dessen liberale Gegner unterstützt. Zu diesen gehört der Zelaya-Rivale und derzeitige Präsidentschaftskandidat Elvin Santos.

Kontakte gab es außerdem zu Roberto Micheletti, der nach Zelayas gewaltsamer Entführung das Präsidentenamt an sich gerissen hat. Zelaya, der noch vor wenigen Jahren selbst von der FDP-nahen Friedrich-Naumann-Stiftung unterstützt worden war, hatte sich im Laufe seiner Präsidentschaft von deren Politik abgesetzt und sich stattdessen dem Staatenbund ALBA (Alternativa Bolivariana para las Américas) um Venezuela, Bolivien und Kuba angenähert. Heftige Machtkämpfe mit innerparteilichen Gegnern, die der Naumann-Stiftung eng verbunden sind und unlängst von einem FDP-nahen Strategen beraten wurden, waren die Folge. Mit dem Staatsstreich wurde der Konflikt zugunsten der Naumann-Partner gelöst. Wie der Repräsentant der Stiftung in Tegucigalpa schreibt, trage Zelaya Mitschuld am Militärputsch und sei "mehr Täter als Opfer".

Newsletter german-foreign-policy (30. 6.)

Raute

"Sudetenland" war ursprünglich ein nationalistischer Kampfbegriff

Vorsicht bei heißen Kartoffeln!

Dem Titel des Beitrags "Konrad Henleins Nachfolger bleiben gefährlich ­..." von Dr. Rudolf Dix ist zuzustimmen, auch den meisten Einschätzungen und Schlußfolgerungen des Autors. Einige wenige mir unscharf erscheinende Formulierungen können indes nicht unwidersprochen bleiben. Es beginnt eigentlich schon mit den Begriffen "Sudetenland", "sudetendeutsch" usw. In Jahrhunderten friedlichen Nebeneinanders und Miteinanders von Tschechen, Slowaken und Deutschen gab es die Iglauer, Zwittauer, Böhmerwälder, Egerländer, Prager, Brünner, Reichenberger oder Karlsbader Deutschen, die sich über ihren Wohn- oder Heimatort definierten. Vertretern des nach der Reichsgründung aufkommenden deutschen Nationalismus reichte das allerdings nicht. Sie suchten nach einer "völkischen" Klammer. Einer ihrer Wortführer, der spätere Aktivist der Deutschen Nationalsozialistischen Arbeiterpartei (DNSAP), Franz Jesser - er gehörte bis in die 50er Jahre zu den Honoratioren der Sudetendeutschen Landsmannschaft in der BRD - verwandte als erster den Begriff "Sudetenland". Das war 1902 im Prager Wochenblatt "Deutscher Volksbote". Und er meinte damit auch die Iglauer, Zwittauer, Böhmerwälder, Brünner, Reichenberger und Prager Deutschen. Es machte ihm gar nichts aus, daß die Sudeten (tschechisch und polnisch Sudety) ein Gebirgszug sind, der die nordöstliche Umrandung des Böhmischen Beckens zwischen dem Zittauer Becken und der Mährischen Pforte bildet, der Brünn und Prag nicht einmal von weitem tangiert. Jesser hob damit einen Kampfbegriff aus der Taufe, der von den Realitäten weit entfernt war. Es ging um ein bis dato nicht vorhandenes Volksgruppenkonstrukt mit separatistischem Hintergrund.

Dr. Dix hätte sich daran erinnern können, daß die deutsche Bevölkerung in Böhmen, Mähren und Schlesien Teil des Staatsvolkes des zur österreichisch-ungarischen Monarchie gehörenden Königreiches Böhmen war und nach dem Zerfall der Donaumonarchie folgerichtig zu Staatsbürgern des Rechtsnachfolgers, also der Tschechoslowakischen Republik, wurde. Dann wäre er vermutlich mit seinem Verweis auf die 14 Thesen des USA-Präsidenten Woodrow Wilson vom 8. Januar 1918 anders umgegangen. Der zehnte Punkt des 14-Punkte-Programms bezieht sich eindeutig auf Völker, nicht auf nationale Minderheiten. Der "selbständige Staat ..., der mit der genannten Bevölkerungszahl denkbar gewesen wäre", beruhte auf Wunschdenken und konnte nur ein politisches Ziel nationalistischer Separatisten sein.

Mehr historische Genauigkeit verdienen auch die (zu knappen) Anmerkungen zu den Benes-Dekreten, mit denen bis in unsere Tage von regierenden Politikern und der extremen Rechten der BRD wahrheitswidrig Schindluder getrieben wird. Diese 143 Dekrete des Präsidenten der Republik, die auf jeweiliges Ersuchen der von den Alliierten anerkannten tschechoslowakischen Exilregierung mit Sitz in London erlassen worden waren, sind von der Tschechoslowakischen Nationalversammlung mit Verfassungsgesetz 57/1946 Sb. am 28. März 1946 bestätigt und zum Gesetz erhoben worden. Sie regelten in der Zeit nach Beendigung der faschistischen Okkupation, also in jener Periode, in welcher es noch keine gewählte gesetzgebende Körperschaft geben konnte, die Rechtsordnung der ersten Nachkriegszeit. Ähnlich mußten das auch die Exilregierungen anderer von der faschistischen Wehrmacht okkupiert gewesener europäischer Länder wie Frankreich, Niederlande, Polen, Dänemark und Norwegen tun. Acht dieser Dekrete beziehen sich auf staatsbürgerliche, eigentumsrechtliche und strafrechtliche Regelungen, die ehemalige tschechoslowakische Staatsbürger deutscher und ungarischer Nationalität sowie tschechische und slowakische Nazikollaborateure betreffen.

"Die Benes-Dekrete bleiben, obwohl sie heute erloschen, unwirksam und nicht anwendbar sind, Bestandteil der tschechischen Rechtsordnung." Diese Erklärung des tschechischen Außenministers Kavan vom März 2003 gibt nicht etwa eine Neuigkeit wieder, sondern bekräftigt nur einen seit mindestens 50 Jahren bekannten Sachverhalt. All jene Politiker und Journalisten, vor allem in südlichen Gefilden dieses Landes, verletzen ihre Sorgfaltspflicht, wenn sie sich über den tatsächlichen Inhalt der Dekrete nicht sachkundig gemacht haben, oder betreiben bewußte Täuschung der Öffentlichkeit, wenn sie diese als Grundlage für die Aussiedlung der "Sudetendeutschen" bezeichnen und damit wahlfängerisch im trüben zu fischen versuchen.

Es existiert kein einziges Dekret zur Frage der Aussiedlung oder Vertreibung nach 1945. Und es gab und gibt auch keine andere tschechoslowakische Rechtsnorm zu dieser Frage. Der Bezug auf diese Dekrete ist sachlich eine Verfälschung der historischen Wahrheit. Die Aussiedlung erfolgte auf der Grundlage von Beschlüssen der Alliierten, vor allem des Potsdamer Abkommens.

In der Tschechischen Republik herrscht bei allen politischen Kräften in der Frage der Benes-Dekrete seltene Einmütigkeit. Auch in der Slowakischen Republik wurde diese Rechtsposition offiziell bekräftigt.

Und dieses Thema, da bin ich mit Rudolf Dix völlig einer Meinung, bleibt aktuell! Wenn es dazu noch eines Beweises aus jüngster Zeit bedurft hätte, dann haben ihn die "böhmisch/mährischen (tschechischen) und deutschen Kameradengruppen" geliefert, die kürzlich eine "grundlegende Vereinbarung" unterzeichnet haben, in der die Benes-Dekrete als völkerrechtswidrig und als Willkür der alliierten Siegermächte attackiert werden.

Klaus Kukuk

Unser Autor war DDR-Diplomat in der SSR.

Raute

Was mir bei einer Sendereihe aus Köln in den Sinn kommt

Denk ich an Deutschland ...

Jeden Sonntag, morgens kurz vor 8.30 Uhr, läuft im Deutschlandfunk aus Köln die Sendereihe "Denk ich an Deutschland ...". Mehr oder weniger prominente Leute erzählen und erklären dort, was ihnen an Land und Leuten, an Natur und Landschaft, Kunst und Kultur, Vergangenheit und Gegenwart der BRD gefällt. Meist kann man die vorgetragenen Ansichten und Betrachtungen mit der Volksliedzeile "Kein schöner Land in dieser Zeit" zusammenfassen, auch wenn es hin und wieder diese oder jene kritische Bemerkung gibt.

Denk ich an Deutschland, so fällt mir als erstes ein, daß ich seit fast 20 Jahren wieder im kapitalistischen Deutschland lebe. Einiges hier und heute erinnert mich stark an die Zeit vor 1945, in der ich aufgewachsen bin. Wirtschaft, Staat und Gesellschaft werden wie damals von der gleichen "Elite", also der Bourgeoisie, dem Adel und deren Dienstpersonal beherrscht. Sie bestimmen, was in dieser Republik geschieht, und dazu benutzen sie rücksichtslos ihre Privilegien, ihre ökonomische Macht, das Privateigentum nicht nur an den Produktionsmitteln. Nach wie vor existiert die soziale Spaltung der Gesellschaft, die Kluft zwischen Arm und Reich mit der Tendenz, immer größer zu werden. Auch Nazis finden wir häufig, nicht nur in den bekannten Parteien, sondern auch als Schlägerhorden durch Städte und Dörfer ziehend. Und nicht zuletzt führt diese Bundesrepublik seit 1999 wieder aktiv Kriege, nicht zur Verteidigung, sondern um politische und wirtschaftliche Interessen durchzusetzen.

Wenn ich an Deutschland denke, vergesse ich nicht die furchtbaren Verbrechen, die das imperialistische Deutschland im 20. Jahrhundert begangen hat. Das schlimmste, brutalste und grausamste war die Errichtung einer faschistischen Diktatur mit der Nazipartei als deren Kern. Mit ihr wollten Großindustrie und Banken die Weltherrschaft erringen. Deshalb brach Hitler den zweiten Weltkrieg vom Zaun, dem 70 Millionen Menschen zum Opfer fielen und durch den unermeßliche materielle Werte der Zivilisation und der Kultur unwiederbringlich vernichtet wurden. Einmalig in der Geschichte der Menschheit war das Genozidverbrechen der Ausrottung von sechs Millionen Juden sowie von vielen Millionen Kindern, Frauen und Männern in der Sowjetunion, Polen und anderen Ländern Europas.

Doch das Schuldkonto des deutschen Kapitals ist damit bei weitem nicht erschöpft. Von ihm ging schon der erste Weltkrieg aus, der 20 Millionen Menschen das Leben kostete. Deutsche Soldateska beging den ersten Völkermord des Jahrhunderts, als eine "Schutztruppe" in der Kolonie Südwestafrika unter General von Trotha 1904 mehr als 50 000 Kinder, Frauen und Greise des Herero-Volkes in die Kalahari-Wüste trieb, um sie dort erbarmungslos verdursten und verhungern zu lassen. Weiter können die damaligen deutschen Machthaber jener Zeit die "Urheberrechte" für den Beginn des Bombenkrieges auf Städte und damit gegen die Zivilbevölkerung (19. Januar 1915 auf Städte in England), für den U-Boot-Krieg zur Versenkung unbewaffneter Handelsschiffe (4. Februar 1915), für den Ersteinsatz von Massenvernichtungswaffen (22. April 1915 Giftgas bei Ypern), für die Versenkung von friedlichen Passagierschiffen (7. Mai 1915 "Lusitania") in Anspruch nehmen. Später folgte die hitlerfaschistische "Erfindung" des uneingeschränkten und massenhaften Luftterrors gegen reine Wohngebiete: 1937 Guernica in Spanien, 1939 bis 1942 Warschau, Rotterdam, Coventry, Liverpool, Birmingham, Leningrad, Stalingrad ... Auch darf nicht verschwiegen werden, daß die herrschenden Klassen des kapitalistischen Deutschlands ihr Militär mit Schieß- und Mordbefehl gegen das eigene Volk einsetzten. Das begann im Oktober 1909 im mitteldeutschen Mansfeld und setzte sich vom Dezember 1918 bis März 1919 in Berlin, im April 1919 in Bayern, im März 1920 im Ruhrgebiet, im März 1921 in Mitteldeutschland, im Oktober 1923 im Hamburg, Sachsen und Thüringen fort. Deutsche im Solde der Reaktion schossen auf Deutsche und ermordeten Tausende.

Denk ich an Deutschland, so ist mir stets gegenwärtig, was der deutsche Imperialismus meiner Familie und mir angetan hat. Im ersten Weltkrieg mußte Großvater Schulze, im zweiten mein Vater für viele Jahre an die Fronten, um für die Profite der Konzerne und Großbanken zu kämpfen; zum Glück überlebten beide. Zwischen 1939 und 1945 starben zwei Männer, eine Frau und ein Säugling unserer Familie einen sinnlosen Tod für den Großmachtwahn des Kapitals. Das Haus, in dem eine meiner Großmütter wohnte, wurde noch in den letzten Kriegstagen restlos zerstört.

Meine Großeltern Schulze hatten besonders unter dem deutschen Kapitalismus zu leiden. Großvater wurde 1921 von einem Unternehmer, der der politischen Polizei als Spitzel diente, wegen der Teilnahme am mitteldeutschen Arbeiteraufstand denunziert. In der Haft folterte man ihn bestialisch; man zerschlug ihm vorsätzlich die rechte Hand, so daß er nie wieder in seinem Beruf als Zigarrenmacher arbeiten konnte. An den Folgen von Haft und Mißhandlungen verstarb er bereits mit 49 Jahren. Trotz ständiger Beobachtung und Berufsverbots leisteten beide während der Nazijahre aktiven Widerstand. Meine Großmutter gehörte nach 1945 der VVN an.

Ich selbst, Jahrgang 1932, habe eigene Erfahrungen mit dem System der Ausbeuter gemacht. Wegen des Krieges und der jahrelangen Abwesenheit des Vaters war mir eine frohe und sorgenfreie Kindheit nicht vergönnt. Hinzu kam, daß das Bildungsprivileg der herrschenden Klassen mir nur eine einklassige Dorfschule zubilligte, wobei noch viele Unterrichtsstunden wegen Luftalarms und Arbeitseinsätzen auf den Feldern des Rittergutes ausfallen mußten. Als noch nicht einmal Zwölfjährigen schickte man mich im Sommer 1944 mit vielen gleichaltrigen Jungen in ein sogenanntes Wehrertüchtigungslager. Angehörige der faschistischen Wehrmacht und der Waffen-SS brachten uns dort erste militärische Kenntnisse - Schießen, Tarnen, Stellungsbau usw. - bei. Den Machtverhältnissen entsprach es, daß der gleichaltrige Sohn des in unserem Dorf wohnenden Direktors eines IG-Farben-Betriebes sowie die Sprößlinge der umliegenden Rittergüter von dieser vormilitärischen Ausbildung verschont blieben; sie waren wohl als künftiges Kanonenfutter zu wertvoll.

Denk ich an Deutschland, so bin ich sehr froh und dankbar, daß es im Laufe meines Lebens auch ein anderes als ein kapitalistisches Land gab. Dieser Staat, die Deutsche Demokratische Republik, garantierte uns Frieden und soziale Sicherheit. Alle Mitglieder unserer Familie ergriffen Berufe, die ihnen nicht nur eine auskömmliche materielle Existenz gewährleisteten, sondern es ihnen auch ermöglichten, am kulturellen Leben teilzunehmen. Keiner brauchte je Angst vor Arbeitslosigkeit, Armut oder Obdachlosigkeit zu haben. In diesem Staat fand ich endlich die Voraussetzungen, mich allseitig zu bilden, die Oberschule zu besuchen und an der Universität zu studieren. Ich konnte meinen Wunschberuf ausüben und mir den Reichtum von Kunst und Literatur erschließen.

Denk ich heute an Deutschland, so bin ich mir absolut sicher, daß ich das große Glück hatte, das andere, bessere Deutschland zu erleben. Jenes aber, welches der Deutschlandfunk im Auge hat, ist ganz sicher nicht das meine.

Günter Freyer

Raute

Ermordet in Ravensbrück: Käthe Niederkirchner

[Hinweis der Schattenblick-Redaktion:
Der Beitrag wurde nicht in den Schattenblick übernommen.]

Raute

Literarisches Denkmal für drei große Frauengestalten

Olga, Maria und Ruth

Robert Cohen, 1941 in Zürich geboren und seit 1980 an der New York University deutsche Literatur lehrend, hat mit "Exil der frechen Frauen" sein Romandebüt vorgelegt.

Weiten Kreisen wurde er durch die Leben und Werk umfassende Monographie "Peter Weiss in seiner Zeit" (Stuttgart 1992) bekannt.

In "Exil der frechen Frauen" konzentriert Cohen den Blick auf Olga Benario, Maria Osten und Ruth Rewald.

So unterschiedlich auch deren Herkunft war und ihr Lebensweg verlaufen ist - sie waren Kämpferinnen gegen den Faschismus, wurden von ihm nach 1933 in das Exil getrieben.

Wer waren diese drei Frauen?

Olga Benario, 1908 in München geboren, wurde im April 1942 in Bernburg vergast.

Sie emigrierte 1933 in die Sowjetunion. In Moskau lernte sie den im brasilianischen Volk als "Ritter der Hoffnung" bekannten Luis Carlos Prestes kennen, den späteren Generalsekretär der Brasilianischen Kommunistischen Partei. Im Auftrag der Komintern begleitete Olga ihn als Leibwächterin nach Brasilien. Nach einem mißglückten Volksaufstand wurde die deutsche Jüdin und Kommunistin von der brasilianischen Regierung an die Gestapo ausgeliefert, die sie zunächst ins KZ Ravensbrück verschleppte, wo sie sich bis zu ihrer Ermordung weiter politisch betätigte und hohes Ansehen erwarb.

Maria Osten verließ bereits als junges Mädchen das verspießerte Elterhaus. Sie arbeitete später im legendären Malik-Verlag. Ihr literarisches Talent hatte sie - ihren bürgerlichen Namen ablegend und sich aus Zuneigung zum Aufbau einer sozialistischen Gesellschaftsordnung in der Sowjetunion fortan "Osten" nennend - bereits durch mehrere Veröffentlichungen bewiesen.

Sie ging schon vor 1933 in die UdSSR. Dort lernte sie den "Prawda"-Mitarbeiter" Michail Kolzow kennen. Beide zogen 1935 gegen die Nazis in den Kampf um die Saar. Von dort nahmen sie den 10jährigen Bergarbeitersohn Hubert Lohtse mit in die Sowjetunion.

Es folgt ein wahrer Triumphzug dieses Kindes. Maria Osten schreibt das riesige Verbreitung findende Buch "Hubert im Wunderland". Leider kam es nur in russisch heraus. Den Titel wählt sie in Anlehnung an das Buch "Alice im Wunderland". Dimitroff verfaßt das Vorwort.

Maria Osten und Kolzow gehen danach als Berichterstatter in das republikanische Spanien. Maria ist dort für die Deutsche Zentral-Zeitung tätig.

Ernest Hemingway setzt ihr in seinem Roman "Wem die Stunde schlägt" ein literarisches Denkmal. Entgegen dem Rat von Freunden kehrt Maria in die Sowjetunion zurück. Hubert verstößt sie. Kolzow ist bereits verhaftet. Sie betreut noch den Troß Bertolt Brechts auf dessen Durchreise von Finnland über Wladiwostok in die USA. Margarete Steffin kann die Fahrt nicht mehr mitmachen. Sie stirbt entkräftet in den Armen von Maria Osten in einem Moskauer Krankenhaus. Wenig später wird Maria verhaftet. Sie fällt den willkürlichen Erschießungen unter Stalin zum Opfer.

Ruth Rewald, 1906 in Berlin geboren, wird nach einem erfolglosen Ausflug in das Jura-Studium zu einer erfolgreichen Kinder- und Jugendbuchautorin.

Am 10. Mai 1933, dem Tag nach den Bücherverbrennungen, flieht sie über Stuttgart nach Paris ins Exil. Ihr Mann, ein jüdischer Rechtsanwalt, folgt ihr kurze Zeit darauf. Um den Lebensunterhalt zu sichern, nimmt Ruth die unterschiedlichsten Tätigkeiten an. In der Nacht schreibt sie für Kinder und Jugendliche. Es entstehen die Bücher "Janko - Der Junge aus Mexiko" und "Tsao und Jing Ling". Auf Drängen ihres Mannes, der von Beginn an als Angehöriger der Internationalen Brigaden in Spanien kämpft, und des Schriftstellers Regler geht sie nach der Geburt ihrer Tochter selbst für drei Monate nach Spanien und schreibt dann das Buch "Vier spanische Jungen". Sie wird im Juli 1942 in Frankreich verhaftet, ins KZ Auschwitz verschleppt und dort ermordet. Ihre Tochter erleidet zwei Jahre später das gleiche Schicksal. Cohen bezeichnet sein Werk als Roman, dessen Handlung 1928 einsetzt.

In diese formenreichste und variabelste Gattung der Epik fanden - besonders nach den beiden Weltkriegen - auch dokumentarische Mittel und Techniken Eingang, derer sich der Autor reichhaltig und gekonnt bedient. Seine Schilderung übersteigt aber eine rein historisch-biographische Darstellung. Sie zeigt vielmehr den exemplarischen Charakter der Wege dieser drei Frauen und deren individuelle wie gesellschaftliche Lebensumstände. Benario, Osten und Rewald stehen für einen ganzen Zeitabschnitt deutscher und europäischer Geschichte. Das macht den Wert dieses Buches aus.

Cohen folgt dabei ganz offensichtlich seinem unschwer auszumachenden Vorbild Peter Weiss. Der hat den Typus des Dokumentarstücks 1960 für das Theater theoretisch begründet und dabei betont, daß sich ein Autor in erster Linie auf die Authentizität des Dokuments und die von ihr ausgehende Wirkung verlassen und sich jeder Erfindung enthalten müsse.

Wichtige Stücke dieser Zeit waren "In der Sache J. Robert Oppenheimer" von Kipphardt und "Die Ermittlung" von Weiss.

In den Umkreis gehören auch Dorsts "Toller" und "Eiszeit", Enzenbergers "Das Verhör von Habana" sowie (im weiteren Sinne) auch "Der Stellvertreter" von Hochhuth.

Die ästhetische Struktur erklärt sich vor allem aus dem Versuch, die politische Vergangenheit Deutschlands aufzuarbeiten.

In diesem Zusammenhang muß auch das Buch "Exil der frechen Frauen", das einen fiktiven Anteil besitzt, gesehen werden. Es ist eine geballte Geschichtslektion, wunderbar sachlich und verständlich geschrieben.

Dabei gilt es, auf eine Besonderheit hinzuweisen. Einige Kapitel enden mit einer Art Vorschau auf nachfolgende Entwicklungen, die bis in unsere Tage reichen. Damit wird die grundsätzliche Frage nach der Vermittlung historischer Fakten an die heutige Generation aufgeworfen. Das Buch könnte ein wichtiger Baustein zu deren Beantwortung sein.

Fazit: Es ist schön, daß es dieses Buch gibt. Robert Cohen ist zu beglückwünschen. Es ist ihm zu danken, daß er nach langen Jahren der Forschung nun drei Frauen vorstellt, die es verdient haben, ihr Schicksal künftigen Generationen nahezubringen. Sie sind unvergessen. Angesichts zunehmender neofaschistischer Umtriebe können wir aus ihren Biographien Lehren für unser heutiges Denken und Handeln ziehen.

Dr. Dirk Krüger, Wuppertal

Robert Cohen: Exil der frechen Frauen.
Rotbuch, Berlin 2009, 624 S., 24,90 €

Raute

Ein Christ, der sich als "parteiloser Kommunist" versteht

Jugendgeweiht und konfirmiert

Rund 20 Monate vor der Gründung der DDR wurde ich im erzgebirgischen Aue geboren. Bei der Einschulung sah ich mich sofort mit der jüngsten deutschen Geschichte konfrontiert: Mein Klassenlehrer hatte im faschistischen Krieg ein Bein verloren. Später besuchte ich mehrmals das zerstörte Dresden. Solche Eindrücke bestärkten mich schon früh in der Erkenntnis, daß sich Derartiges nie wiederholen dürfe. So war ich stolz, als ich in die Pionierorganisation "Ernst Thälmann" aufgenommen wurde. Meine Haltung als gläubiger Christ und die damit verbundene Teilnahme am Religionsunterricht stellten für mich keinen Widerspruch zu einer sozialistischen Weltanschauung dar. Schon als Kind beschäftigte ich mich mit Geschichte und Gegenwart der deutschen und internationalen Arbeiterbewegung. Die beiden Thälmannfilme, "Das russische Wunder", "Gewissen in Aufruhr" und "Schaut auf diese Stadt!" (gemeint war Westberlin) habe ich mir engagiert angesehen. Als meine größten Vorbilder betrachte ich bis heute Lenin, Liebknecht, Luxemburg, Thälmann, Pieck, Grotewohl und Castro. Ein herber Schlag war es für mich, als unser Klassenlehrer, der Geschichte und Deutsch unterrichtete und den ich für einen zuverlässigen Genossen gehalten hatte, kurz vor den Grenzsicherungsmaßnahmen im August 1961 die DDR verließ.

Schon mit dreizehn wurde ich in die FDJ aufgenommen. Ich war dann weitere 13 Jahre mit Leib und Seele deren Mitglied. Sowohl in meiner Klasse der Erweiterten Oberschule als auch in meiner Studienseminargruppe übertrug man mir die Verantwortung für Agitation und Propaganda. Ich empfand die Zugehörigkeit zur Jungen Gemeinde nicht als Widerspruch zu meinen Aktivitäten in der FDJ. Ich hatte mich sowohl für die Jugendweihe als auch für die Konfirmation entschieden. Aufgrund meines Bekenntnisses zum christlichen Glauben bekam ich keinerlei Schwierigkeiten. Ich muß allerdings betonen, daß ich meine religiöse Einstellung niemals dazu mißbraucht habe, auf Distanz zum sozialistischen Staat zu gehen und wie manch anderer prokapitalistische Positionen zu vertreten.

An meiner Haltung konnte jeder erkennen, daß es für mich keine vernünftige Alternative zum Sozialismus gab. Besonders empörte mich die Arroganz jener, die den Teilstaat BRD als Deutschland ausgaben und verächtliche Begriffe für die DDR verwandten.

Ein herausragendes Ereignis in meinem Leben war das Deutschlandtreffen der Jugend 1964 in Berlin. Als 16jähriger diskutierte ich Unter den Linden mit Besuchern aus dem Westen und festigte so mein Argumentationsvermögen. Nach dem Abitur, das ich in Dresden ablegte, war ich zwei Jahre lang hauptamtlicher Pionierleiter. Ich war stolz darauf, daß es mir gelang, anhand meiner eigenen Biographie aus religiöser Motivation zögernde Eltern dazu zu bewegen, ihren Kindern die Mitgliedschaft bei den Pionieren zu gestatten. Das überzeugte auch jene, welche mir als gottgläubigem parteilosem Pionierleiter ursprünglich mit Skepsis gegenübergestanden hatten.

Aufgrund gesundheitlicher Probleme eignete ich mich nicht für den Lehrerberuf. Schweren Herzens wechselte ich ins Finanz- und Bankwesen. Bald delegierte man mich zum Direktstudium an die Fachschule für Finanzwirtschaft in Gotha. Aufgrund meiner guten Russischkenntnisse fungierte ich bei Auftritten unseres Singeklubs in der sowjetischen Kaserne als Ansager.

Alles in allem: Ich fühlte mich in der DDR sehr wohl und war froh, ihr Bürger zu sein. Auf mich traf wohl der Begriff vom "parteilosen Kommunisten" zu. Wiederholt hatten mir verantwortliche Genossen erklärt, christlicher Glaube und SED-Mitgliedschaft seien nicht miteinander vereinbar. Ich verstand das nicht, weil ich religiöse Bindungen stets als reine Privatangelegenheit betrachtet habe.

Ich konnte nicht nachvollziehen, daß sich bei einer beträchtlichen Anzahl von Bürgern, besonders auch Jugendlichen, eine ablehnende Haltung gegenüber der DDR, die so viel für sie tat, herausbildete. Als besonders abstoßend empfand ich es, wenn SED-Mitglieder mir gegenüber zum Ausdruck brachten, sie hielten nichts von ihrer Partei, müßten ihr aber angehören, um eine bestimmte Position einnehmen zu können. Es war für mich höchst seltsam, als Parteiloser solche "Genossen" agitieren zu müssen.

Im Laufe meiner Tätigkeit als Revisor bei der Staatlichen Finanzrevision und als Ökonom der Staatsbank wurde ich hautnah mit ernsten Problemen unserer Volkswirtschaft konfrontiert. Ich mußte feststellen, daß bei der Nutzung der Arbeitszeit und der Achtung von Volkseigentum durch viele Werktätige arg gesündigt wurde und daß Leitungskräfte oftmals nicht mit der nötigen Konsequenz darauf reagierten. Außerdem verdroß es mich, daß Betriebsergebnisse an verantwortliche Stellen geschönt weitergegeben wurden. Gespräche mit vertrauenswürdigen Genossen beruhigten mich zwar etwas, aber wirkliche Veränderungen traten selten ein.

1982 wurde ich Mitglied der CDU der DDR. Meine Erfahrungen über Inhalt und Charakter dieser mit der SED befreundeten Blockpartei decken sich im wesentlichen mit den Darlegungen Wolfgang Mäders in der Beilage zum Februarheft des RF. Auf zentraler Führungsebene sowie in den Bezirken, Kreisen und Städten wurde die Verbundenheit mit dem Staat DDR und den anderen Blockparteien deutlich zum Ausdruck gebracht, an der Basis aber gab es oftmals sehr kontroverse Ansichten.

Im November 1989 stieß ich auch in der CDU der DDR auf eine beträchtliche Zahl von Wendehälsen. Man lud mich zu einer Mitgliederversammlung ein, um mir meine politische Überzeugung, die ich in einem von der "Sächsischen Zeitung" veröffentlichten Leserbrief zum Ausdruck gebracht hatte, in scharfer Form zum Vorwurf zu machen. Als ich mich auch dort zu meiner Lebensanschauung bekannte, wurde mein Ausschluß gefordert, dem ich durch den Austritt aus der gewandelten Partei zuvorkam.

Heute engagiere ich mich bei der Partei Die Linke, wobei ich der Meinung bin, daß nur die Einheit und Geschlossenheit aller auf einen gesellschaftlichen Wandel orientierten Kräfte zum Erfolg führen kann. Ernst Thälmann hatte mit seiner Feststellung recht: Einigkeit macht stark! Das gilt sowohl im nationalen als auch im internationalen Maßstab. Ich bin fest davon überzeugt, daß sich der Sozialismus früher oder später durchsetzen wird. 500 Jahre dürfte es wohl mit Sicherheit nicht mehr dauern. Im übrigen halte ich mich an Karl Liebknecht, der kurz vor seiner Ermordung sagte: Die Verlierer von heute werden die Sieger von morgen sein.

Jürgen Förster, Dresden

Raute

Aus Hellges Anekdotenkiste

Schweigen im Walde

1955. Kreisdelegiertenkonferenz der SED in Ilmenau. Hunderte füllen den größten Saal der Hochschulstadt. Thematisch im Vordergrund: Planerfüllung in den Glasbläsereien, den Porzellanmanufakturen und anderen gebietstypischen Produktionsstätten, natürlich auch Fragen der Landwirtschaft. Grundsatzreferat des 1. Sekretärs. Entsprechende Diskussionsbeiträge. Allseitige Beleuchtung der internationalen Lage.

Am Ende raucht den Delegierten der Kopf. Der 1. Sekretär, Genosse Funkler, zieht das Resümee. Den Abschluß soll ein Kampflied bilden. Doch der Gesang fällt ins Wasser. Der erschöpfte Tagungsleiter erhebt sich von seinem Platz und ruft mit lauter Stimme in den Saal: "Zum Abschluß singen wir gemeinsam die internationale Lage."

Dröhnendes Gelächter. Niemand gibt einen Pieps von sich. Schweigen im Walde.

Helmuth Hellge, Berlin

Raute

Wie der "Nordkurier" Öl in die Flammen des Chauvinismus gießt

Herrnhuter Brandstifter

Mit Interesse habe ich Klaus Steinigers Beitrag "Mit Gott zum Teufel" im RF 136 gelesen. Ja, so ist das. Die reaktionäre Indoktrination marschiert allenthalben, nicht nur bei der Bundeswehr und den päpstlich-römischen Katholiken in deren Reihen. Es ist inzwischen durchaus üblich, daß sich christliche Kirchen als Vorbeter imperialistischer Politik betätigen. Ich will im Folgenden auf ein ideologisches Menü hinweisen, das uns Neubrandenburgern seit einiger Zeit vorgesetzt worden ist. Es belegt gleichfalls, wie raffiniert religiöse Gefühle und Überzeugungen mißbraucht werden. Auf Druck Israels begegneten die USA und einige wenige imperialistische Musterschüler, darunter natürlich die BRD, der Genfer Antirassismuskonferenz der UNO mit Boykott. Wie die gleichgeschalteten deutschen Massenmedien berichteten, lag die Ursache für solche Verweigerung vor allem darin, daß sich die dort Regierenden scheuten, mit einer respektablen Mehrheit der Völkergemeinschaft konfrontiert zu werden, die Israels zionistische Aggressionspolitik gegenüber den Palästinensern und die dabei verübten Kriegs- und Menschenrechtsverbrechen ganz entschieden verurteilt.

Es ist an der Zeit, sich noch deutlicher gegen das ständige Gezeter imperialistischer Politiker zu verwahren, jede ernsthafte Kritik an der Politik Israels sei antisemitisch. Das Gegenteil ist der Fall: Gerade hinter der pauschalen Gleichsetzung des Aggressorstaates mit "dem Judentum" verbirgt sich eine besonders raffinierte und verurteilenswerte Form des Antisemitismus. Millionen friedliebende Juden in Israel und aller Welt werden für Dinge haftbar gemacht, mit denen sie nicht das Geringste zu tun haben.

Im "Nordkurier", einer in Neubrandenburg erscheinenden "unabhängigen Tageszeitung", hat man vor Jahren damit begonnen, den Lesern täglich eine kurze Bibelstelle zu servieren. Man entnimmt sie den Tageslosungen der Herrnhuter Brüdergemeine, einer weltweit aktiven evangelischen Freikirche. Deren Leitung residiert zwar in Deutschland, aber überall, wo es sie gibt, werden solche Losungen zur ständigen "Zurüstung" ihrer Anhängerschaft verbreitet.

Am 15. April d. J. druckte besagtes Blatt einen Text aus dem Alten Testament, das ja bekanntlich auch die Heilige Schrift der Juden ist. Er lautet: "Du bist ein heiliges Volk dem Herrn, deinem Gott. Dich hat der Herr, dein Gott, erwählt zum Volk des Eigentums aus allen Völkern, die auf Erden sind" (5. Mose 7,6). Das ist zweifellos ein schlimmer Spruch. Er predigt Bevorzugung und Auserwähltsein. Adressat ist das alttestamentliche Volk Israel zur Zeit seines frühgeschichtlichen, von der Bibel erzählten Zuges aus Ägypten in das "Gelobte Land", nach Palästina. Der Name Israel wurde bekanntlich 1948 durch die UNO als "Heimstatt" des den Juden eingerichteten Staates übernommen, nachdem sie in dieser Region zuvor über Jahrhunderte eine ethnisch nur wenig bedeutsame Minderheit gewesen waren.

Eine solche Stelle darf natürlich auch nicht von dem sie umgebenden Text getrennt werden. Unmittelbar davor steht nämlich folgendes: "Wenn dich ... dein Gott in das Land bringt, ..., es einzunehmen, und ... viele Völker ... vor dir dahingibt, daß du sie schlägst, so sollst du sie verbannen, daß du keinen Bund mit ihnen machest, noch ihnen Gunst bezeigest. Und du sollst dich mit ihnen nicht befreunden. ... Sondern also sollt ihr mit ihnen tun: ihre Altäre sollt ihr zerreißen, ihre Säulen zerbrechen, ihre Haine abhauen und ihre Götzen mit Feuer verbrennen."

Beim Lesen dieser Verse, die jetzt mittels des Herrnhuter Losungsbüchleins weltweit aufgefrischt werden, sehen wir das vor uns, was jüngst im Gaza geschah. Vor Augen steht uns der ganze erbitterte und langanhaltende Nahostkonflikt, vor allem aber die finstere Rolle, die Israel dabei bis auf den heutigen Tag spielt.

Andere werden diese Stelle als Ermutigung Tel Avivs zur Fortsetzung seines Terrors interpretieren. Der von ihm verfochtene Zionismus ist eine besonders aggressive Form des jüdischen Chauvinismus, den die 30. UNO-Vollversammlung schon 1975 als Spielart des Rassismus und der Rassendiskriminierung verurteilt hat. Wenn uns der "Nordkurier" jetzt den erwähnten Text als Aufforderung zur Solidarität mit Israel und seinem terroristischen Vorgehen gegen die Palästinenser anbietet, sollten Juristen prüfen, inwieweit das als kriegsfördernde Propaganda mit dem Grundgesetz vereinbar ist oder gar der Strafandrohung unterliegt.

Natürlich muß man die Verantwortung zuerst bei der Herrnhuter Brüdergemeine suchen. Sie hat es wohl sehr bewußt versäumt, hinterfragungswürdige Bibelstellen von den Lostöpfen fernzuhalten, aus denen sie ihre jeweiligen Tagestexte zieht. Übrigens bin ich selbst einst in dieser Kirche aufgewachsen und weiß daher, daß sie in Großbritannien und den USA besonders mitgliederstark ist. So ahnt man unschwer, woher der die Zionisten begünstigende Wind weht.

Wolfgang Mäder

Raute

30 Jahre als Vorschulpädagogin in einer DDR-Kindereinrichtung

Erzieher oder Aufpasser?

Im Juli-RF bemerkte Dr. Wolfgang Eichler ("Herrschte in der DDR eine Erziehungsdiktatur?") zu Recht, daß in dem durch ihn besprochenen Sammelband ausgerechnet ein Beitrag zum Kindergarten in der DDR fehlte.

Ich habe von 1960 bis zu meiner Entlassung 1995 in mehreren Kindergärten gearbeitet, davon drei Jahrzehnte in einer Kombination, in der etwa 80 Krippenkinder und rund 180 Kindergartenkinder betreut wurden.

Ich bin darüber entsetzt, daß nach dem Anschluß der DDR an die BRD dieser auf modernsten wissenschaftlichen Erkenntnissen beruhende Gesamtkomplex der Betreuung, Bildung und Erziehung von Vorschulkindern in der DDR verteufelt und als familienfeindlich bezeichnet wurde.

Wie hat man doch Anfang der 90er Jahre unser Kinderkrippensystem als weltfremd und abartig belächelt und sogar gescholten. Man wollte uns damals klarmachen, daß wir unerlaubterweise in die alleinigen Erziehungsrechte der Eltern eingegriffen hätten. Man warf uns vor, unser Aufgabenfeld als Kindergärtnerinnen weit überzogen zu haben, weil wir uns nicht nur auf die Beaufsichtigung und das Spiel mit den Kindern beschränkten. Man beschuldigte uns auch allen Ernstes, uns unberechtigt mit Erziehung und Bildung in Vorschuleinrichtungen beschäftigt zu haben. Plötzlich wurde die Notwendigkeit verneint, Kindern im Alter bis zu 6 Jahren bereits eine gewisse Bildung zu vermitteln und soziale Werte anzuerziehen. Dazu hätten allein die Eltern ein Recht.

Die "neue Orientierung" ab 1990 widersprach indes allen pädagogischen Erkenntnissen über die Arbeit mit Vorschulkindern. Die Vorschulpädagogik der DDR war wissenschaftlich fundiert und langfristig erprobt. Sie leitete uns an, alters- und kindgerecht die Freude am Lernen, am Ausprobieren und am Tätigsein der Kinder anzuregen. Wir nutzten sehr viele Spielarten, die wir je nach Altersstufe auswählten, um Kenntnisse zu vermitteln und die Merkfähigkeit der Kinder zu schulen, um sie sprachlich zu befähigen und ihnen zu helfen, Ereignisse genau beobachten, verallgemeinern und differenzieren zu können. All das sollte plötzlich politisch verbrämte DDR-Schulpolitik gewesen sein, die man sofort abschaffen und durch die Praxis der Arbeit an Kindergärten in den alten Bundesländern ersetzen müsse. Natürlich war diese Linie Bestandteil des erklärten politischen Ziels, restlos alles abzuwerten, was mit dem Begriff DDR auch nur im geringsten zu tun hatte.

Didaktische Prinzipien wie die Einheit von Erziehung und Bildung, altersgerechtes Lernen und Freude über Erreichtes wurden nicht erst von DDR-Pädagogen entwickelt, durch uns aber täglich angewendet, und zwar ganz im Gegensatz zu so manchen Kindergärten in den westlichen Bundesländern, von denen ich einige nach dem Anschluß der DDR kennenlernen konnte. Das Ziel, Kinder auf die Schule vorzubereiten, zog sich wie ein roter Faden durch die einzelnen Altersgruppen. Eine allseitige und altersgerechte Entwicklung wurde dabei immer in den Mittelpunkt gestellt. Wir organisierten unkompliziert notwendige individuelle Hilfe, z. B. den Einsatz eines Logopäden bei auftretenden Sprachstörungen.

Kinder im Vorschulalter leben nicht in einem luftleeren Raum. Sie bekommen von dem, was um sie herum passiert, oftmals mehr mit, als wir uns denken oder vorstellen können. Ihr Umfeld prägt sie stärker als im späteren Lebensalter. Man sagt nicht umsonst: "Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr!" Mit anderen Worten: Was man nicht im Vorschulalter anerzogen bekommt - z. B. Achtung vor anderen Kindern, vor Umwelt und Natur, Ablehnung von Gewalt -, wird man im Jugendalter nur schwer erwerben können. Weltanschauliche Erziehungsziele waren in unserer fachlichen Arbeit in der Regel unmittelbar auf Dinge des Alltags bezogen, wobei wir bei einer Rückschau feststellen müssen, daß manches übertrieben wurde. Warum aber soll es falsch gewesen sein, Vorschulkinder damit vertraut zu machen, daß in vielen Ländern der Erde Kinder hungern oder verhungern müssen, während andere in Kriegen wie der amerikanischen Vietnamaggression sterben müssen? Das hält sie doch zur Solidarität und zur Achtung aller Menschen auf der Welt an.

Von den Kindern, die wir in unserer Einrichtung in Dranske auf Rügen betreut haben, erlagen bestimmt nur ganz wenige später dem Rassenwahn und der Ausländerfeindlichkeit, wie wir es heute besonders oft unter jungen Menschen erleben müssen. Ich bin der Meinung, daß es nicht falsch war, Kinder zur Liebe und Achtung gegenüber ihren Eltern anzuhalten. Warum nicht auch zur Verbundenheit mit den Angehörigen der Nationalen Volksarmee, sahen sie doch täglich ihre Väter in der Uniform der Seestreitkräfte früh das Haus verlassen? Hatten wir nicht recht, wenn wir unseren Kindern sagten, ihr Vati sei Soldat bei der Volksmarine, damit es nie wieder Krieg bei uns gibt? Wie reden heute Kindergärtnerinnen mit Vorschulkindern, die ihnen berichten, ihre Väter befänden sich gerade in Afghanistan? Fallen ihnen wohl die richtigen Worte für dieses von der Mehrheit des deutschen Volkes abgelehnte verbrecherische Vorgehen in fremden Ländern ein?

Mit Kindern kann man über alles sprechen, man muß nur bei der Wahrheit bleiben und die jeweils kindgerechten Worte finden. Die konkrete Wahrheit, die von der einzelnen Kindergärtnerin vermittelt wird, hängt natürlich ganz wesentlich von deren Einstellung und Wissen ab.

Die Erzieherinnen der DDR absolvierten ein sehr solides Studium. Fachliche Weiterbildungen, Hospitationen bei anderen Kolleginnen und der Erfahrungsaustausch gehörten zum Alltag. So waren im letzten Kindergartenjahr, in den sogenannten älteren Gruppen, auch die künftigen Grundschullehrer oft zu Besuch, um die Kinder bereits kennenzulernen und deren Übergang zur Schule für alle überschaubar und möglichst freudig gestalten zu können. Gab es Probleme bei der Erreichung der Schulfähigkeit, dann wurde gemeinsam mit den Eltern und dem Lehrer beraten, was für die weitere Entwicklung des Kindes am günstigsten sei.

Man will anscheinend nicht anerkennen, daß in der DDR eine gute Vorschulbildung und -erziehung gewährleistet war, die maßgeblich dazu beigetragen hat, jungen Menschen Orientierung und Halt fürs Leben zu geben. Offensichtlich ist man noch immer nicht dazu bereit, wissenschaftlich fundierte Arbeit und Erkenntnisse von DDR-Vorschulpädagogen, die sich in der Praxis bewährt haben, in die Ausbildung von Erzieherinnen der BRD und deren Tätigkeit einzubeziehen. So ist es schon ein gewisser Lichtschimmer am Horizont, daß einzelne Politiker mit Verantwortung inzwischen die Notwendigkeit von Kinderkrippen anerkennen und den Kindergärten wieder Aufgaben einer bestimmten Vorschulerziehung und Vorschulbildung zuweisen wollen. Zwar streitet man sich in Bundes- und Landesparlamenten noch darüber, vor allem aber über die Finanzierbarkeit, doch die Praxis anderer europäischer Länder sowie dabei erreichte Erfolge trugen zu Anfängen eines gewissen Umdenkens bei.

Wir haben als DDR-Vorschulpädagogen eine gute Arbeit in unseren Einrichtungen geleistet. Ich bin stolz darauf, über 30 Jahre aktiv daran mitgewirkt zu haben.

Hildegard Sachse, Ostseebad Karlshagen

Raute

Jauchs Aprilscherz galt keinem Potemkinschen Dorf

In Tutow ist die DDR präsent

Als Günter Jauch am 31.3. in Spiegel-TV das sozialistische Dorf Rostow in Mecklenburg-Vorpommern vorstellte, erkannten viele Zuschauer, daß Drehort und Akteure in Tutow angesiedelt sind. Und zwei Familien aus Sachsen und Thüringen fragten nach der Sendung an, ob schon Wohnungen bereitstünden oder ob man sich wenigstens anmelden könne. Ein Anrufer wollte gar der neu zu gründenden SED beitreten.

Sie alle hatten vor dem Bildschirm nicht lange genug ausgeharrt, denn zwei Minuten vor 24 Uhr erklärte Jauch, bei Rostow habe es sich lediglich um einen Aprilscherz gehandelt.

Dennoch: Die Sendung machte vielen Zuschauern bewußt, daß es in M-V ein DDR-Museum gibt. Das weckte Neugier. Fortan bezogen sich viele der Gäste der DDR-Museums-Gaststätte auf die Sendung, äußerten ihre Sympathie und boten oftmals auch Unterstützung an. Die ist in Tutow (Kreis Demmin) jederzeit willkommen ebenso wie Gegenstände "des täglichen Bedarfs" bis hin zu Trabbi, Wartburg oder Moped.

Die Idee, ein DDR-Museum zu schaffen, reicht weit in die 90er Jahre zurück und wurde der breiteren Öffentlichkeit erstmals im Jahr 2000 vorgestellt, als Mitglieder und Freunde der PDS aus Berlin und Oranienburg mit einem vollbesetzten Bus in Tutow vorfuhren und dort einen ganzen Tag mit Informationen, Besichtigungen, Spiel und Tanz verbrachten.

Inzwischen ist fast ein Jahrzehnt vergangen. Die Sammlungen konnten ungemein erweitert werden, es fehlt kaum etwas aus Haushalt und Büro, aus der Öffentlichkeitsarbeit und dem Wirken der SED sowie der anderen gesellschaftlichen Kräfte in der DDR. Umfaßt der Fundus bereits 1 Million Exponate? Ich vermag es nicht zu sagen. Fest steht nur, daß Film und Fernsehen immer häufiger auf Ausstellungsstücke zurückgreifen. Bisweilen wird das Museum eingeladen, selbst Ausstellungen zu gestalten, so 2008 und 2009 in zwei großen Berliner Einkaufszentren.

Als ein besonderes Sammelgebiet erweisen sich Militaria. So verwundert es eigentlich auch nicht, daß die Mitarbeiter des Museums Dienstkleidung tragen, die an NVA-Uniformen erinnert.

Welcher Geist herrscht nun in dem Haus? Es besteht kein Zweifel daran, daß Fred Spiegel, der Begründer und Geschäftsführer, eindeutig links positioniert ist.

Von - zumeist westdeutschen - Gästen befragt, warum keine Hinweise auf das böse Treiben der "Stasi" zu bemerken seien, erklärt er charmant und entwaffnend, in dieser Beziehung bestehe eine undokumentierte Arbeitsteilung mit dem Namen nach ähnlichen Häusern.

Dem unvoreingenommenen und durch lebenslange DDR-Verbundenheit geschulten Besucher fällt es leicht, den "Geist des Hauses" zu erkennen: Beim Betreten der Gaststätte wird er mit Pionierliedern, dem Lied "Wenn Mutti früh zur Arbeit geht" oder ähnlichen Weisen empfangen und willkommen geheißen. Die gesamte Gaststätte ist auch schon Ausstellungsraum. Es fehlen weder die Bilder der DDR-Repräsentanten noch Pittiplatsch und Schnatterinchen. Uniformteile und Urkunden werden präsentiert und unzählige Gegenstände "aus unserer Küche". Ausweise aller Art, Abzeichen und Orden - alles ist zu finden.

Nichtsdestotrotz: Noch ist das Museum aufnahmefähig und dankbar für weitere Spenden oder Mitbringsel, denn Fred Spiegel denkt über den Tag hinaus. Auch in Zukunft wird es notwendig sein, das DDR-Geschichtsbild so zu präsentieren, wie es der Wahrheit entspricht. Und dazu bedarf es natürlich vieler gegenständlicher Beweise.

Besucher sind in dem ganztags geöffneten Museum jederzeit herzlich willkommen. In unregelmäßigen Abständen werden von Berlin aus auch Tagesfahrten dorthin angeboten, und Anmeldungen für den jeweils nächsten Termin nimmt man gerne entgegen.

Die "Demminer Zeitung" schrieb schon Anfang April: "Während Deutschland in diesem Jahr den 20. Jahrestag der Wende feiert, wird in Tutow das Zuvor konserviert - im DDR-Museum." Ja, so ist es. Selbstverständlich wird auch der 60. Jahrestag der Gründung der Deutschen Demokratischen Republik gebührend begangen. Geht hin und nehmt teil!

Hanna Spiegel, Oranienburg

Raute

Ein Christdemokrat, vor dem man den Hut zieht

Als USA-Präsident Barack Obama am 5. Juni 2009 in der Gedenkstätte Buchenwald eine stark beachtete Rede hielt, hörten ihm Millionen in aller Welt zu. Ihm ging es um Lehren, die nach seiner Auffassung aus dem Völkermord der Nazis zu ziehen seien. Einigen Passagen konnte man durchaus zustimmen, doch an einer Stelle stockte mir der Atem. Das war, als der Staatsmann aus Übersee von der Rolle der US-Streitkräfte im 2. Weltkrieg und der Landung der Alliierten am 6. Juni 1944 in der Normandie sprach. Diese Operation der westlichen Verbündeten habe die "entscheidende Wende" bei der militärischen Niederschlagung des deutschen Faschismus gebracht.

Das dürfte ein Irrtum sein, Mister President! Die entscheidende Wende war der Sieg der sowjetischen Streitkräfte, der Anfang Februar 1943 bei Stalingrad errungen wurde. Die Eröffnung der zweiten Landfront durch die westlichen Alliierten zögerte man solange wie möglich hinaus. Einer, der damals auf seiten der faschistischen Aggressoren kämpfte, war der Oberst und Regimentskommandeur Luitpold Steidle. Er starb vor 25 Jahren in Weimar. In seinem Buch "Entscheidung an der Wolga" (Berlin 1969) sowie in zahlreichen Artikeln und Reden hat er jene Monate der Weltgeschichte geschildert und damit den Beginn seiner Wandlung zu einem aufrechten Antifaschisten christlicher Weltanschauung erklärt. Steidle brach endgültig mit der unseligen Tradition des deutschen Militarismus und schloß sich in sowjetischer Gefangenschaft dem Nationalkomitee Freies Deutschland an. Nach seiner Rückkehr setzte er seine ganze Kraft dafür ein, in der schon 1945 gegründeten Christlich-Demokratischen Union sowie an der Seite der anderen Parteien und Organisationen des Demokratischen Blocks im Osten die Beschlüsse des Potsdamer Abkommens zu verwirklichen. Er war der erste Minister für Gesundheitswesen der DDR (1950-1958) und später Oberbürgermeister der Stadt Weimar (1960-1969). Steidle schrieb im "Thüringer Tageblatt" vom 2. Februar 1961, dessen vergilbtes Exemplar mir unlängst eine alte Dame übergab, zur Entscheidungsschlacht an der Wolga: "Stalingrad - Mahnung für immer, Wende des 2. Weltkrieges: Mütter, das war das Schicksal eurer Söhne, das ihnen der deutsche Militarismus bereitet hat." Ich empfehle der Bundeskanzlerin und ihrem "Verteidigungsminister" dringend, Luitpold Steidles Buch zu lesen. Es beweist nämlich: Viele Christen gingen im Osten in den entscheidenden Fragen des Lebens mit den Kommunisten, mit der SED.

Werner Voigt, Weimar

Raute

RF-Extra

Über jene, welchen das Ende der DDR den Lebensfaden abschnitt

Die Toten der Konterrevolution

In der Ausgabe vom 30./31. Oktober 2004 - vor fünf Jahren - veröffentlichte die Zeitung "Neues Deutschland" einen bewegenden Beitrag von Prof. Dr. Harry Nick: Die Toten der Wende und Nachwende. Ehre ihrem Andenken.

Wir drucken den Artikel unverändert nach. Lediglich die Titelung haben wir der Diktion des RF angepaßt.

Nichtachtung ist eine heimtückische Art der Verleumdung. Es ist eine anonyme, eine Art axiomatischer Verdammung, die keine Gegenwehr zuläßt, weil sie gar nicht erst sichtbar angreift. Es habe, so Herr Eppelmann, fünf Bevölkerungsgruppen in der DDR gegeben, darunter Opfer, Täter, Verführte, Mitläufer, Menschen in "innerer Emigration", nur eine Gruppe wird nicht genannt: überzeugte Sozialisten, die sich für dieses Gemeinwesen DDR abrackerten, meist, indem sie sich für ihre Mitmenschen einsetzten, in Elternbeiräten, Schiedskommissionen, betrieblichen Konfliktkommissionen, in Ehrenämtern, von denen es manche leider nicht mehr gibt.

Es wird auch einer bestimmten Art von Opfern der "Wende" öffentlich nicht gedacht, Menschen, deren seelische Kräfte für die Schmerzen nicht ausreichten, welche die "Wende", die Wende- und Nachwendepolitik ihnen zufügten. Manche von ihnen sind späte Opfer des Kalten Krieges. In ferner Zeit, wenn der Kalte Krieg gegen die DDR verklungen sein wird, wird man auch ihnen, ist zu hoffen, Gedenktafeln setzen. Was sie uns zu sagen haben, ist aber gerade heute wichtig. Ihrer zu gedenken, sie nicht dem Vergessen auszuliefern, ein elementares menschliches, demokratisches Gebot.


Dr. Detlef Dalk
Dr. Dalk nahm sich 1992 das Leben, weil er, wie Zehntausende in Ostdeutschland, von seinem Grundstück durch westliche Alteigentümer vertrieben wurde. Er wähle einen "öffentlichen Tod", um gegen das den Ostdeutschen zugefügte Unrecht zu protestieren und zur Umkehr zu mahnen. In einem offenen Brief an Bundeskanzler Helmut Kohl schrieb er: "Ich bin so weit. Ich werde mein Leben opfern, damit meine Familie und andere Familien in den sogenannten Beitrittsgebieten ihr Leben friedlich dort verbringen können, wo sie heute leben. Die Entscheidung fiel mir nicht leicht. Ich hänge am Leben, einem Leben in Wahrheit, in Selbstachtung und eigenen Gestaltungsmöglichkeiten ... Ich bin Fraktionsvorsitzender des Neuen Forums/Bündnis 90 der Gemeinde Zepernick und Mitglied des Kreistags Bernau. Was ich in diesen Parlamenten erlebe, ist das Aufgeben jeder eigenständigen Politik. Ich erlebte nur Anpassungsvorgänge an die Strukturen der alten Bundesrepublik. Eine einfache Umschichtung ist im Gange... Das ist nach meiner Auffassung auch der Kern in den sogenannten "offenen Vermögensfragen". Ein Vermögensabfluß von Ost nach West größten Ausmaßes wurde von Ihrer Partei, den hinter dieser Partei stehenden Kräften und Ihnen persönlich eingeleitet ... Wir werden gar nicht mehr gefragt. Aus diesem Grunde, Herr Bundeskanzler, opfere ich mein Leben. Alle anderen Wege des Wachrüttelns bin ich gegangen. Als Familienvater habe ich die Pflicht, meine Familie vor Unheil zu schützen.


Prof. Armin Ermisch
In ihrem Jahresbericht 2003 teilte die Universität Regensburg kürzlich mit, daß Dr. Oliver Bosch, Institut für Zoologie, im Rahmen des World Congress on Neurohypophysical Hormones im September 2003 in Kyoto, Japan, als bester Nachwuchswissenschaftler mit dem "Armin Ermisch Award 2003" ausgezeichnet wurde. Prof. Armin Ermisch, an dessen Schaffen dieser renommierte Preis erinnert, war ein hervorragender Neurowissenschaftler der Karl-Marx-Universität Leipzig, der sein ganzes Interesse den Neuropeptiden und der Blut-Hirn-Schranke widmete. Wegen seiner Mitgliedschaft in der SED wurde er nach der Wende "abgewickelt". Es halfen keine Solidaritätsbekundungen seiner Kollegen in vielen Ländern, nicht Ehrenerklärungen seiner Leipziger Kollegen, nicht die in Unterschriftensammlungen seiner Studenten eingebrachten Einsprüche, auch nicht das Urteil des Amtsgerichts Dresden, welches seinem Widerspruch gegen seine Entlassung recht gab. Da, wie seine Ehefrau sagte, seine Arbeit ihm wichtigster Lebensinhalt war, schied er 1995 aus dem Leben. Professor Felix Meier, williger ostdeutscher Vollstrecker der westdeutschen Abwickler ostdeutscher Wissenschaftler, verantwortlicher sächsischer Minister für den Rausschmiß Professor Ermischs, meinte auf Anfrage der "Umschau" des MDR noch im August 2004, daß es "damals" keine andere Möglichkeit gab. Wie Professor Peter Porsch jüngst erfahren hat, muß man im Sachsenlande immer noch mit denselben "Möglichkeiten" rechnen.


Wolfgang Junker
Der Minister für Bauwesen der DDR nahm sich im April 1990 das Leben.


Wolf Kaiser
Er war einer der großen Mimen des 20. Jahrhunderts, "The definitive Mac the Knife in the world" (Londoner Times) aus Brechts Dreigroschenoper. "Brecht hatte in seinen ganzen Arbeiten immer eine sozialkritische Komponente, in jedem Gedicht. 'Da preist man uns das Leben großer Geister. Das lebt mit einem Buch und nichts im Magen in einer Hütte, daran Ratten nagen - Mir bleibe man vom Leib mit solchem Kleister. Das simple Leben lebe, wer da mag.' Das ist das, was schon mal war, das waren die zwanziger, dreißiger Jahre. Da ist das geschrieben worden, da ist die Dreigroschenoper rausgekommen. Das war dieselbe Situation wie jetzt, genau dieselbe Situation wie jetzt. Und er soll froh sein, daß er tot ist, so traurig ich bin. Aber es hat jeder seine Zeit.

Würde er heute noch leben, würde er sich das Leben nehmen. Das würde er nicht durchhalten, diese Überschwemmung des Kapitals, Brachialgewalt, Nötigungen, Kriminalität, Hurerei. Und ich auch nicht." Wolf Kaiser stürzte sich am 22. Oktober 1992, vier Tage vor seinem 76. Geburtstag, aus dem Fenster seiner in der Nähe des Berliner Ensembles gelegenen Wohnung.


Prof. Gerhard Riege
"Mir fehlt die Kraft zum Kämpfen und zum Leben. Ich habe Angst vor der Öffentlichkeit, wie sie von den Medien geschaffen wird und gegen die ich mich nicht wehren kann. Ich habe Angst vor dem Haß, der mir im Bundestag entgegenschlägt", schrieb Prof. Gerhard Riege, der 1990 frei gewählte Rektor der Universität Jena und PDS-Abgeordnete im Deutschen Bundestag, in seinem Abschiedsbrief, bevor er sich im Februar 1992 erhängte. Zu Tode gehetzt; "hetzen" hier sowohl im Sinne von Jagen, Verfolgen, aber auch, wie das Duden-Herkunfts-Wörterbuch Auskunft gibt, im Sinne von "aufwiegeln, Zwietracht säen, üble Propaganda treiben"; "sprachlicher Ursprung: Haß".


Hanna Töpfer
Im Januar 1990 nahm sich Hanna Töpfer, stellvertretende FDGB-Vorsitzende, die ich gut kannte und sehr schätzte, das Leben. Sie war Absolventin der Akademie für Gesellschaftswissenschaften, an der auch ich beschäftigt war. Von den Gesprächen, die wir führten, ist mir das letzte in besonders lebhafter Erinnerung, anläßlich meiner und Atti Griebels Ehrung mit der Hermann-Duncker-Medaille des FDGB. Es drehte sich um die Zensur, um die Demokratie-Defizite im öffentlichen Diskurs. Wenn ich nach einem Menschen gefragt werden sollte, für den "Beauftragter der Arbeiterklasse" in der DDR keine Worthülse, sondern ideelle wie praktische Maxime war, fiele mir auch unbedingt Hanna Töpfer ein. Es waren viele, die den Freitod wählten. Käthe Reichel berichtet: "Ein Pfarrer, der jetzt, Ende November 1991, äußerte, daß er vom Friedhof gar nicht mehr runterkomme, antwortete auf die Frage nach den letzten Briefen: 'Sie schreiben keine.' Wenn das so ist, haben sie sich in das Schweigen der Dritten Welt rasch eingefügt. Von einer Frau immerhin blieb als Zettel die Botschaft liegen: 'Wir hatten nicht alles, aber sehr viel.'"

Prof. Dr. Harry Nick

[Der Schattenblick übernimmt den Artikel mit freundlicher Genehmigung des Autors und der Redaktion Neues Deutschland.]

Raute

Diskussionsangebot unseres Nestors, des Kommunisten Walter Ruge (94)

Nachdenken über Rosa

Es bleibt immer ein Wagnis, ausgesparte Themen zu berühren. Wir Linken haben es gut verstanden, über gewisse Fragen Stillschweigen walten zu lassen. Ein solches Tabu ist die berühmt gewordene Randbemerkung Rosa Luxemburgs: "Freiheit ist immer die Freiheit der Andersdenkenden."

Dürfen wir heute sagen, Rosa sei damit schlecht beraten gewesen? Zunächst einmal verblüfft die Universalität der These. Sie erwies sich als "tauglich" für eine breite Palette von Streitern im politischen Geschehen. Das ging von Vera Wollenberger-Lengsfeld über Helmut Kohl bis zu Bärbel Bohley und Gerhard Schröder. Allein das müßte zu denken geben. Besonderes Gewicht erhält der Satz jedoch, wenn man in Betracht zieht, daß Rosa Luxemburg von eben solchen "Andersdenkenden" viehisch ermordet wurde. Überlegenswert muß auch erscheinen, daß bundesdeutsche Gerichte, wo sich nur eine Gelegenheit dazu bot, andersdenkende Kommunisten verurteilten und "andersdenkenden" neuen Faschisten den Weg juristisch freimachten.

Die 1919 von Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg gegründete Kommunistische Partei Deutschlands bejahte die Marxsche Lehre von der Diktatur des Proletariats. Wie aber wäre diese umsetzbar gewesen, wenn sich die zur Macht gelangten Arbeiter und Bauern vor allem für die Pressefreiheit, die Versammlungsfreiheit, die Demonstrationsfreiheit und die Koalitionsfreiheit der gerade erst entmachteten Fabrikanten, Medienzaren, Generäle und Großgrundbesitzer eingesetzt hätten? (Was nicht zwangsläufig besagt, daß man sie alle sofort an die Wand hätte stellen müssen.) Es bliebe, wie Lenin das einmal unter Bezugnahme auf den damaligen Generalsekretär der KPR(B) formulierte: "Ich bin mir nicht sicher, ob der Genosse Stalin von der ungeheuren Macht, die in seinen Händen konzentriert ist, immer vorsichtig genug Gebrauch machen wird." Damit ermahnte er zugleich auch spätere Generationen der Kommunisten, "von der Macht vorsichtig Gebrauch zu machen", was wiederum nicht direkt zur "Freiheit der Andersdenkenden" führt.

Es darf hier daran erinnert werden, daß die Bandbreite des "Andersdenkens" übrigens im russischen ZK denkbar groß war. So ist bekannt, daß in einer so bedeutenden Frage wie der des Zeitpunkts der Erhebung im Oktober 1917 die Meinungen von "JETZT!" bis "NEIN!" weit auseinandergingen. Lenin setzte sich mit Mühe und Not durch, plädierte aber zugleich dagegen, Kamenew, der sich für ein "NEIN!" entschieden und dann das Datum des Aufstands preisgegeben hatte, aus dem Zentralkomitee auszuschließen. "Wir werden den Genossen Kamenew noch sehr brauchen", sagte er damals, was später in Vergessenheit geriet.

Abgesehen von den hier erwähnten geringfügigen Einschränkungen bleibt Rosa Luxemburg ohne Zweifel ein "Adler", wie Lenin sie nannte. Daß Stalin sie dann als "Menschewistin" betrachtete, hat viel Schaden angerichtet. Selbst im Deutschland der 20er Jahre wurde die von der konterrevolutionären Soldateska ermordete glühende Revolutionärin aus dem politischen Bildungsspektrum mehr und mehr verdrängt. Es etablierte sich, wenn auch nur zögerlich, der Begriff "Luxemburgismus". Ich erinnere mich, daß bei all den Schulungen, an denen ich zu DDR- und SED-Zeiten teilnahm, Rosa Luxemburg nur sporadisch Erwähnung fand. Natürlich wurde sie in Friedrichsfelde Jahr für Jahr geehrt, man las ihre "Briefe aus dem Gefängnis". Aber an ein intensives Rosa-Luxemburg-Seminar kann ich mich nicht erinnern. Das hatte ich allerdings schon während meiner Verbannung in einer guten Bibliothek im sowjetischen Hohen Norden "vorweggenommen".

Rosas Bemerkungen zur "russischen Revolution" von 1918 waren indes aus verständlichen Gründen auch so weit nördlich nicht greifbar. Heute werden diese von den einen kanonisiert, von anderen - vor allem jene Passagen zu Konterrevolution, Bürgerkrieg und Partei der ständigen Illegalität - relativiert. Ich selbst will hier nicht den weisen Dritten spielen und nur so viel sagen: Als Rosa Luxemburg kurz nach ihrer Haftentlassung mitten in den revolutionären Ereignissen stand, minimierten sich ihre Differenzen zu den Bolschewiki ganz erheblich.

Der Wert ihrer hellseherischen Gedanken ist nach der Niederlage des "Realexistierenden" eher gewachsen. Dennoch sollte deren mechanische Übernahme nicht angestrebt werden, da die von Rosa erwähnten "Gefahren" erst richtig zum Tragen kamen, als sich die Zwangslage der Sowjetmacht nach Bürgerkrieg und Konterrevolution bereits zu entspannen begann. 1922 war der deutsch-sowjetische Vertrag von Rapallo unterzeichnet worden, 1934 trat die UdSSR sogar dem ungeliebten Völkerbund bei. Die KPdSU erklärte den im selben Jahr stattfindenden XVII. Parteitag zum "Parteitag der Sieger", erkannte damit also, daß der Widerstand der bürgerlichen Klassen gebrochen war. Die Ausarbeitung einer neuen, der Stalinschen Verfassung begann. Sie ging explizit davon aus, daß eine völlig veränderte Situation entstanden war, in der sich die Klassen in der Sowjetunion nicht mehr feindselig gegenüberstanden. Es erübrigt sich hier die Anführung weiterer Details, Tatsache aber bleibt, daß gerade in dieser Periode des offensichtlichen Abklingens der Klassenauseinandersetzungen im Lande selbst der "Kampf" - immer dargestellt als theoretische Auseinandersetzung um den "Weg" - innerhalb und außerhalb der Partei verschärft wurde.

Die nach dem Krieg entstandenen volksdemokratischen Staaten folgten logischerweise diesem Kurs des Überziehens der revolutionären Wachsamkeit in mehr oder weniger konsequenter Form. Konnten die von Rosa Luxemburg erwähnten negativen "Randerscheinungen" den Sieg der Oktoberrevolution nicht verhindern, so war der darauf folgende "Kriegskommunismus" dann kein brauchbares Werkzeug mehr für den friedlichen Aufbau des Sozialismus. Wahrscheinlich wurde die Beibehaltung unter ganz anderen Bedingungen bewährter Methoden, mehr oder weniger abgewandelt, der gedeihlichen Entwicklung des "Realexistierenden" in einigen Ländern - wiederum nach einem grandiosen Sieg, diesmal über den Hitlerfaschismus - zum Verhängnis.

Ich will am konkreten Beispiel erläutern, was mir dabei wichtig erscheint: Für eine geschichtliche Dimension wie den Aufbau des Sozialismus ist natürlich - darüber wurde viel geschrieben - eine steigende Arbeitsproduktivität unerläßlich. Ebenso unverzichtbar aber ist Vertrauen. Aus lauter Bedenken, berechtigter und überzogener Wachsamkeit, ja auch aus Ängstlichkeit und mangelnder Entschlußkraft ist oftmals entschieden worden: Dann machen wir das lieber gar nicht.

Ich selbst habe lange beim Film gearbeitet. Im künstlerischen Bereich wirkten in der Regel gestandene Kommunisten. Ihre Wortmeldungen waren vor allem die Filme, deren Drehbücher in langjähriger Vorarbeit sorgfältig geprüft worden waren. Frank Beyer meldete sich mit "Spur der Steine", Kurt Maetzig mit "Das Kaninchen bin ich" und Konrad Wolf mit "Sonnensucher" zu Wort. Mit einer Handbewegung verschwanden dann diese Filme in irgendeinem Bunker, ohne den Zuschauer zu erreichen. All das geschah unter Verzicht auf jegliche Erklärungen, weder vor der sozialistischen Öffentlichkeit noch vor den Produktionsarbeitern oder dem künstlerischen Personal. So durfte zwar das Geld der Allgemeinheit ausgegeben werden (ein Film dieser Art kostete zwischen zwei und drei Millionen DDR-Mark), aber rechenschaftspflichtig für die vermeintliche Fehlinvestition war plötzlich niemand.

Es wurde zwar unentwegt von der "führenden Rolle der Arbeiterklasse und ihrer Partei" gesprochen, in der täglichen Praxis aber wirkte die Masse oft eher passiv. Da erinnerte man sich unwillkürlich an die mahnenden Worte Rosa Luxemburgs zur russischen Revolution (sofern man sie gelesen hatte). Es kam noch schlimmer: Als gegen Ende der DDR - mit einer "demokratischen Geste" - die verschwundenen Streifen dann doch noch für die Öffentlichkeit freigegeben wurden, fragte man sich unwillkürlich: Warum wurden sie denn eigentlich verbunkert? Nicht einmal im Ansatz schien die Suspendierung (um nicht zu sagen: das Verbot) der Filme gerechtfertigt. Genau das ist es, was Rosa Luxemburg schon 1918 angemahnt hatte. In der Periode des friedlichen Aufbaus wurde ein solches Vorgehen als unerträglich empfunden.

Die Kette der Beispiele ließe sich verlängern. Ich habe ein Buch - "Treibeis am Jenissej", ein unzweideutiges Bekenntnis zum "realexistierenden Sozialismus" - geschrieben. Ein Verleger fand sich allerdings erst, als der Sozialismus aufgehört hatte, "real zu existieren". Meine Reaktion ist keine Verbitterung, aber der Vorgang zeigte mir, wohin überzogene "Wachsamkeit" und, wie Lenin es nannte, bolschewistische Ängstlichkeit führen können. Weniger bekannt ist, daß Konrad Wolf schon lange vor ähnlichen Forderungen in der Sowjetunion ein größeres Maß an Öffentlichkeit verlangt hat: freimütige Diskussionen der Produktionskollektive über die von ihnen hergestellten Filme und über andere Probleme. Kuba ist diesen Weg mit aller Konsequenz und erfolgreich gegangen.

Die ganze Angelegenheit besitzt noch eine dritte Dimension. Das ständige Gängeln und Bevormunden "unserer Menschen", auch der "befreundeten Parteien", hat letzten Endes dazu geführt, daß formal zwar immer alles "richtig lief", es sich aber nicht vermeiden ließ, daß sich die Werktätigen und Bürger anderer Schichten mehr und mehr entmündigt fühlten. Sie wurden oftmals von den eigentlichen Entscheidungen ferngehalten und waren schließlich unfähig, solche überhaupt noch selbst zu treffen. Allein mit Schulungen aller Art konnte der Mangel nicht behoben werden. Fähigkeiten im Sinne der Forderung Lenins, daß jede Köchin dazu in der Lage sein muß, den Staat zu regieren, entwickeln sich nur durch die unmittelbare Einbeziehung in Entscheidungsprozesse.

"Die sowjetischen Völker haben ihre Wahl getroffen - und diese heißt Sozialismus", erklärte Gorbatschow 1985 bei seinem Machtantritt. Doch eine einzelne Person namens Boris Jelzin hat dem Sowjetvolk dann am hellichten Tag im Oktober 1993 diesen seit 1917 gehüteten Sozialismus, die Sowjetmacht, schlicht weggenommen. Vor aller Augen ließ der gefeierte "Demokrat" den Obersten Sowjet der Russischen Föderation von Panzern in Brand schießen. Tausende passive Zuschauer säumten wie in einem Fußballstadion die Ufer der Moskwa und sahen zu, wie ihre Volksvertretung in Flammen aufging. Sie verzichteten auf jedes Eingreifen und gaben ihren Feinden den Weg frei.

Den russischen Menschen gegenüber wollen wir indes gerecht bleiben: In entscheidungsschweren Tagen zuvor waren viele von ihnen - ganz ohne die Partei - von überall her, selbst aus den fernsten Vororten, zum Moskauer "Weißen Haus" gezogen, um den Sitz des demokratisch gewählten Obersten Sowjets zu verteidigen. Doch die neuen Machthaber erwarteten sie bereits mit blauen Bohnen, Schlagstöcken und Panzern. Bis heute wird geheimgehalten, wie viele damals ihr Leben verloren haben. Etliche, die da gekommen waren, erinnerten sich ihrer heroischen Vergangenheit, bespien die Jelzinschen Mordkommandos und schrien "Faschisten!". Aber es war bereits zu spät. Die Folgen sukzessiven Entzugs der Mündigkeit verdammten sie, nun ohne eine revolutionäre Organisation, zu völliger Ohnmacht.

Das ganze Ausmaß der Tragödie wird erst klar, wenn man weiß, daß die gewählten Abgeordneten im "Weißen Haus" nicht nur tagelang ohne Trinkwasser, Kanalisation, Elektrizität und Lebensmittel ausharren mußten, sondern auch keinerlei politisches Konzept besaßen. Mehr noch: Längst daran gewöhnt, über die Köpfe der Menschen des Riesenlandes hinwegzuhandeln, hatten sie schon keine grundsätzlichen Meinungsverschiedenheiten mit der Jelzin-Kamarilla mehr, sondern faselten bereits in entstellter Wortwahl emsig von den "Kräften des freien Marktes" und dem "Ende der Planwirtschaft". Sie betonten, diese Entwicklung lediglich "nicht zu amerikanisch" übers Knie brechen zu wollen. So formulierte es der Vorsitzende des Föderalen Sowjets, der Tschetschene Ruslan Chasbulatow. Man verhängte gegen ihn zwar ein Verbot politischer Tätigkeit, ließ ihm aber seinen akademischen Lehrstuhl. Niemand von diesen "Volksvertretern" wurde durch die Jelzin-Administration belangt oder abgeurteilt.

Das hier geschilderte Trauerspiel ist Ergebnis systematischer Entmündigung eines Volkes, das einst grandios zu neuen Ufern aufgebrochen war. Denkt man da nicht bisweilen an die mahnenden Worte Rosa Luxemburgs aus dem Jahre 1918?

Walter Ruge

Ende RF-Extra

Raute

Wie das MfS den Befreiungsbewegungen und jungen Nationalstaaten zu Hilfe kam

Auf der richtigen Seite der Barrikade

Das Buch von Oberst a. D. Bernd Fischer, durch diplomatischen Status abgesicherter Resident der DDR-Aufklärung im Nahen Osten, in vielen Sätteln gerittener und auf so manchen Schauplätzen aktiv gewesener Spitzenmann der HVA, der 1990 als letzter Leiter mit der Auflösung des eigenen Apparats beauftragt war, erscheint zur rechten Zeit. Es ist ein wichtiger Beitrag zum 60. Jahrestag der Gründung der DDR, deren vielgeschmähter und so überaus erfolgreicher Geheimdienst in den Jahren seiner Existenz unter Beweis zu stellen vermochte, daß er immer auf der richtigen Seite der Barrikade gestanden hat. Mit anderen Worten: auf der Gegenseite derer, die für den deutschen Imperialismus die Karten gemischt und die Fäden gezogen hatten. Der Autor, der etliche Jahre in Ländern der Dritten Welt tätig gewesen ist und vielen Führern von Befreiungsbewegungen und jungen Nationalstaaten - vor allem aber den Verantwortlichen ihrer im Entstehen begriffenen oder bereits formierten Schutz- und Sicherheitsorgane - persönlich begegnete, ermöglicht dem Leser tiefe Einblicke in die facettenreiche Unterstützung, die diesen durch die DDR erwiesen wurde. Sie spielte überall bei der Erringung, Befestigung und Verteidigung der nationalen Unabhängigkeit eine wichtige Rolle. Verschiedene Diensteinheiten des MfS, vor allem aber die hier federführende HVA, haben nicht weniger als 14 Staaten und acht Bewegungen Hilfe zur Selbsthilfe zuteil werden lassen, darunter Sansibar, Ägypten, der Volksdemokratischen Republik Jemen, dem Chile der Unidad Popular, Angola, Moçambique, Äthiopien, Ghana, Nicaragua und Grenada sowie der PLO und anderen palästinensischen Befreiungsbewegungen, dem ANC Südafrikas, der FRELIMO, der MPLA, der SWAPO Namibias, ZANU und ZAPU Simbabwes, der FSLN und Grenadas New-Jewel-Bewegung.

In uneigennütziger Weise haben die DDR und besonders das von ihr damit beauftragte MfS alles Notwendige getan, ohne sich dabei irgendwie in die Arbeit befreundeter oder sie um Unterstützung ersuchender Organe einzumischen. Jegliche Mitwirkung an laufenden Untersuchungsvorgängen wurde ebenso strikt vermieden wie die Beteiligung an Operationen terroristischen Charakters. Vertreter der DDR führten weder Verhöre noch waren sie an Anschlägen oder Attentaten beteiligt, wie ihr das von den imperialistischen Medien stets unterstellt wurde.

In Fischers Buch heißt es über Lehrgänge in der DDR und Schulungen vor Ort: "Abhängig von der Intensität und dem Umfang der Zusammenarbeit mit den verschiedenen Partnern in den Sicherheitsorganen ergaben sich dabei auch Einschränkungen bei Themen, aber die Diskussionen waren ausnahmslos zielgerichtet und offen. Die Achtung der Souveränität der Partner und die Akzeptanz ihrer Haltungen selbst bei Differenzen, Widersprüchen oder auch nur bei Abweichungen in Einzelfragen und bei Schlußfolgerungen legten die Standpunkte klar, aber sie kennzeichneten auch das gegenseitige Verstehen und Verhältnis. Werbungen wurden nicht durchgeführt und auch nicht angestrebt, weder von Kontakten, von Personen innerhalb der Sicherheitsorgane noch außerhalb."

Natürlich waren die ökonomischen Potenzen der DDR auch in bezug auf Hilfe dieser Art begrenzt. Deshalb konnten manche Wünsche nicht erfüllt werden. Dabei wurde der erwiesene Beistand durch einen tiefen gesellschaftlichen Inhalt und eine klare politische Option geprägt, ging es doch in der Regel um Länder und Bewegungen, die sich gerade erst von den imperialistischen und kolonialistischen Fesseln befreit hatten oder diese Befreiung anstrebten.

Noch einmal sei dem Autor das Wort erteilt: "Auch wenn über den Sozialismus unterschiedliche und verschwommene Auffassungen bestanden, zu den Verhältnissen in den sozialistischen Staaten teilweise kritische Bewertungen vorhanden waren, dominierte in den Absichtsbekundungen das Streben nach einer sozialistischen Ordnung. Angesichts der Bedingungen besaßen solche Postulate keine realistische Grundlage. Es ging im Wesen in allen betreffenden Ländern zunächst um die Existenzsicherung der Menschen, um die Überwindung der Folgen des Kolonialismus und die Schaffung eines funktionierenden Gemeinwesens. Dazu brauchten diese Staaten materielle und ideelle Hilfe und Unterstützung."

Bernd Fischer, der die Karten des eigenen Spiels im Interesse der historischen Wahrheit weitgehend aufdeckt, läßt keinen Zweifel daran entstehen, daß es sich bei der geschilderten Materie um ein Kapitel härtesten und heißesten Kampfes gehandelt hat, bei dem einem materiell erheblich überlegenen Klassenfeind, der alle Hebel in Bewegung zu setzen vermochte, Paroli geboten werden mußte. Gerade auf diesem sensiblen Gebiet der Hilfe für die Kampfgefährten in der Dritten Welt haben sich Angehörige der HVA und anderer Diensteinheiten des MfS, des Ministeriums des Innern und der Nationalen Volksarmee als wahre Internationalisten erwiesen. Das manifestierte sich übrigens auch schon sehr früh in der Hilfe für das revolutionäre Kuba, mit dessen Sicherheitsorganen später erfolgreich kooperiert wurde.

Fischers Buch hat die Aufgabe einer sachlichen, detailgetreuen und nüchternen Darstellung des konfliktreichen und oft widerspruchsvollen Geschehens hervorragend gelöst. Man hätte sich lediglich an einigen Stellen im Interesse der Sache eine gewisse Straffung und die Vermeidung unnötiger Wiederholungen gewünscht. In seltenen Fällen sind Begriffe unexakt angewendet worden. So wird z. B. Portugals faschistisches Caetano-Regime als "präfaschistisch" bezeichnet. - Eine gewissenhaftere Lektorierung und die sorgfältige Korrektur des leider fehlerreichen Druckmanuskripts hätte dem Anliegen sicher gutgetan.

Alles in allem ist Bernd Fischers kenntnisreich und engagiert geschriebenes Buch ein echter Gewinn.

Klaus Steiniger

Bernd Fischer: Als Diplomat mit zwei Berufen.
Die DDR-Aufklärung in der Dritten Welt.
edition ost, Berlin 2009, 224 S., 14,90 €,
ISBN 978-3-360-01802-1

Raute

Uribes Killer unter Spaniens Flagge am Hindukusch

Die von Menschenrechten reden ...

Die spanische Verteidigungsministerin Chacón bestätigte unlängst, daß ungefähr 150 Soldaten der kolumbianischen Armee von den USA nach Afghanistan verlegt werden, um sich in das dort operierende spanische Kontingent einzureihen. Die Tatsache, daß kolumbianische Militärs unter spanischem Kommando in Afghanistan eingesetzt werden, gelangte nach dem Treffen Chacóns mit US-Verteidigungsminister Gates an die Öffentlichkeit. Einige Tage zuvor hatten Kolumbiens Präsident Alvaro Uribe und USPräsident Barack Obama bei einem Treffen die militärische Zusammenarbeit beider Staaten erörtert. In einem Kommuniqué des kolumbianischen Präsidialamtes hieß es, die Soldaten würden "durch Unterstützung der NATO und Vermittlung der spanischen Streitkräfte" nach Afghanistan in Marsch gesetzt.

Auf diese Weise ist Spanien die Militärallianz mit einer Armee eingegangen, die schwerster Menschenrechtsverletzungen angeklagt ist. Philip Alston, UNO-Sonderberichterstatter über willkürliche Hinrichtungen, erklärte nach seiner Mission in Kolumbien die Version dortiger Regierungsmitglieder, die außergerichtliche Hinrichtungen einigen "faulen Äpfeln" innerhalb der Armee zugeschrieben hätten, sei unhaltbar. Schon die Häufigkeit der Fälle, ihre geographische Verteilung über das Land und die Vielzahl darin verwickelter Militäreinheiten ließen darauf schließen, "daß diese Operationen auf eine mehr oder weniger systematische Weise von etlichen Elementen innerhalb der kolumbianischen Armee durchgeführt wurden".

Der UNO-Berichterstatter beschreibt detailliert, wie Angehörige der Armee eine Person ermorden. Danach wird der Tatort manipuliert, damit es so aussieht, als ob der Betreffende gewissermaßen im Verlauf eines Gefechts gefallen wäre. Oft macht man ein Foto, auf dem die Person in der Uniform der Guerilla und mit einem Gewehr oder einer Granate in der Hand zu sehen ist. Die Opfer werden gewöhnlich anonym in Massengräbern verscharrt und die Mörder für die erzielten Ergebnisse "im Kampf gegen die Guerilla" ausgezeichnet. Für Philip Alston stellen die gefälschten Aufnahmen in Wirklichkeit "brutale und vorsätzliche Morde an unschuldigen Zivilisten dar, die mit dem Ziel persönlicher Bereicherung begangen wurden". Der UNO-Berichterstatter weist darauf hin, daß die Militärs die Überlebenden systematisch quälen ("dies ist ein durchgängiges Muster"), daß es trotz der durch die Regierung in Angriff genommenen Maßnahmen, um solche Tötungsdelikte zu stoppen, eine beunruhigende Kluft zwischen Politik und Praxis gibt. Die Zahl von Verfahren wegen außergerichtlicher Hinrichtungen ist weiterhin sehr gering, und in einigen Gebieten "beachten die Militärrichter entsprechende Urteile des Verfassungsgerichtshofes überhaupt nicht". Die "Plattform für Gerechtigkeit in Kolumbien" bedauert, daß die Aufnahme von Soldaten Uribes in das spanische Afghanistankontingent die Antwort der Madrider Regierung auf die Art und Anzahl der Beweise für Verbrechen gegen die Menschlichkeit ist, die durch die regulären kolumbianischen Streitkräften begangen worden sind.

Angesichts des UNO-Berichts und der Beweisführung unzähliger internationaler und nationaler Beobachter, die solche Untaten bestätigt haben, kann die Reaktion der Regierung Spaniens nur die sofortige Aussetzung jeglicher militärischer Absprachen mit Kolumbien sein. Andernfalls wäre die Botschaft, welche von Ministerpräsident Zapatero der Welt übermittelt wird, daß die Folterungen, die Verschleppungen, das Massentöten, der Paramilitarismus, die außergerichtlichen Hinrichtungen und die Straflosigkeit legitime Voraussetzungen zur Aufnahme in die internationale Gemeinschaft sind. Kein Menschenrechtsdiskurs wäre mehr glaubwürdig, wenn die Abkommen über die Kooperation mit militärischen Strukturen, welche für Tausende von Verbrechen verantwortlich sind, weiterhin das ethische Bewußtsein der Menschheit dadurch beleidigen, daß die Zusammenarbeit sogar noch erweitert wird.

Aus "Rebelión", übersetzt von Isolda Bohler

Raute

Die Schnelle Eingreiftruppe der NATO

Auf der Wacht für den Krieg

[Hinweis der Schattenblick-Redaktion:
Der Beitrag wurde nicht in den Schattenblick übernommen.]

Raute

Schon seit 1900 war Afghanistan ein Objekt deutscher Begierde

Reiche Beute im Visier

Seit der Besetzung Afghanistans im Jahr 2001 ist das Land zu einem Militärprotektorat und einem unsinkbaren Flugzeugträger der NATO geworden. Dort testet man die neuesten Waffen in der Praxis, darunter solche, die völkerrechtlich geächtet sind. Da die NATO in Afghanistan flächendeckend bombardiert, sind die zivilen Verluste sehr hoch. Die Drogenproduktion eskaliert. Mohnanbau wurde früher nur in den afghanisch-pakistanischen Grenzregionen betrieben. Erst seit der NATO-Präsenz erfolgt er in allen 32 Provinzen. Mit Duldung der Besatzer wird Heroin hergestellt. Nach UN-Angaben produzierte Afghanistan 2008 insgesamt 8200 t Drogen.

Unser Land ist im wahrsten Sinne zu einem Drogen-Mafia-Staat geworden. Ahmad Wali Karsai, ein Bruder des Kabuler Präsidenten, kassiert jährlich 20 Millionen US-Dollar Schutzgeld von den Drogenhändlern. Da die Infrastruktur des Landes zerstört worden ist, liegt die Arbeitslosigkeit zwischen 50 und 70 %.

Afghanistan war schon zu Beginn des 20. Jahrhunderts ein Bereich des geostrategischen Denkens der deutschen Führung. Wenn wir Großmacht werden wollen, müssen wir Großbritannien zerschlagen, hieß es. Dessen Herzstück aber ist Britisch-Indien, und dieses können wir auf dem Landweg nur über Afghanistan erreichen. Es ist das Tor zu Indien. So formulierten die kaiserlichen Strategen die Interessen des Deutschen Reiches am Vorabend des Ersten Weltkrieges. 1941 hat dann Hitler das Oberkommando der Wehrmacht beauftragt, einen Afghanistanplan auszuarbeiten. Nach dem von Berlin angestrebten Sieg über die Sowjetunion sollte Afghanistan besetzt werden, um von dort aus Indien anzugreifen. Da Deutschland in Gestalt der erweiterten BRD großmachtpolitische Ambitionen verfolgt, rückte Afghanistan nun abermals in das strategische Blickfeld Berlins.

Die Schröder-Fischer-Regierung aus SPD und Grünen drängte ihre Partner, nach den Ereignissen des 11. September 2001 unbedingt gemäß Artikel 5 des NATO-Vertrages den Bündnisfall zu erklären. Dadurch wurde der Weg für die uneingeschränkte militärische Teilnahme der Bundeswehr am Krieg gegen Afghanistan freigemacht. Hier schließt sich der Kreis, und man versteht, warum die BRD nicht an ihren vom Grundgesetz fixierten Grenzen, sondern plötzlich am Hindukusch verteidigt wird.

Da die überwiegende Mehrheit der deutschen Bevölkerung den Bundeswehreinsatz in Afghanistan ablehnt, versucht die Merkel-Regierung, den Krieg schönzureden. Dabei war sie von Beginn an mit ihrer Elitetruppe "Kommando Spezialkräfte" (KSK) unmittelbar an Kampfhandlungen beteiligt. Seit kurzem hat sich die Bundeswehr in Nordafghanistan auf einen offen eingestandenen Vernichtungskrieg orientiert, in dem selbst schwere Waffen eingesetzt werden. Wer da nicht die Dinge beim wahren Namen nennen will, wie es die politische und militärische Führung der Bundesrepublik tut, begeht Betrug.

Die BRD-Regierungen haben bei ihren Militäreinsätzen im Ausland stets eine Salamitaktik verfolgt. Sie begannen mit dem Einsatz von Sanitätern in Kampuchea und endeten vorerst mit Tornados und Awacs in Afghanistan. Dort war angeblich nur vorgesehen, das Kabuler Karsai-Regime zu schützen. Bald wurde daraus ein regulärer Krieg. Geänderten "Taschenkarten" der Bundeswehrsoldaten ist der Wandel zu entnehmen. Sie erteilen ihnen Vollmacht zu gnadenlosem Vorgehen, wie wir das jetzt im Norden Afghanistans erleben.

Großmacht kann man ja nicht im stillen Kämmerlein werden. Wenn Deutschland seine Pläne umsetzen will, muß es Flagge zeigen. Afghanistan bietet sich dafür an. Unser Land ist vogelfrei, und jeder kann dort tun, was er will. Durch den Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr wurde die Militarisierung der deutschen Außenpolitik ein ganzes Stück vorangetrieben. Das ist günstig für künftige Operationen der BRD-Armee in anderen Teilen der Welt.

Die Besatzer haben seit den Tagen des Kolonialismus stets Rechtfertigungsgründe für ihre Okkupationspolitik gefunden. Im Falle Afghanistans sind es zur Zeit die Taliban, die man zuvor selbst erfunden und von 1994 bis 1996 an die Macht gebracht hatte.

Die Menschenrechte werden in keinem Land der Welt so mit Füßen getreten wie in meiner Heimat. Das Land am Hindukusch ist zum größten Bordell Mittelasiens verkommen. Um die 55.000 Witwen, die allein in Kabul mit Betteln ihr Leben fristen, kümmert sich niemand. Ein von beiden Häusern des Parlaments bereits beschlossenes und durch Präsident Karsai ratifiziertes Gesetz wurde unter internationalem Druck vorübergehend ausgesetzt. Danach sollen Ehefrauen gezwungen werden, auch gegen ihren Widerstand mit ihren Männern zu schlafen, wenn diese das verlangen. Junge Frauen, zum Teil noch Kinder, verstümmeln sich, um nicht für ein paar Dollar an alte Männer verkauft zu werden. Niemand kann offen seine Meinung kundtun. Kritische Journalisten werden in ihren Häusern tot aufgefunden. Laufende Fernsehprogramme unterbricht der afghanische Staatssicherheitsdienst, wenn sie etwas Kritisches über einen hohen Beamten ausstrahlen. Man könnte die Liste der Drangsalierungen beliebig fortsetzen.

Wiederaufbau ist nicht die Sache von Militärs, sondern von Entwicklungshelfern. Das, was die fremden Soldaten auf diesem Gebiet angeblich leisten, soll lediglich deren Akzeptanz erhöhen. Solche "Hilfe" wird auch dort erwiesen, wo die mit den Besatzern kooperierenden Warlords das Sagen haben. Ansonsten findet kaum ein Wiederaufbau statt. Es wird behauptet, daß dieser ohne Sicherheit nicht möglich sei. In der mittelafghanischen Provinz Bamyan herrscht völlige Ruhe. Kampfhandlungen finden in dieser Region nicht statt. Aber auch hier leisten die Besatzer für keinen müden Euro Aufbauhilfe.

Der NATO-Krieg am Hindukusch dauert jetzt schon länger als der 2. Weltkrieg, ohne daß ein Ende absehbar wäre. Die NATO bombardiert unterschiedslos, wobei vor allem Frauen und Kinder getötet werden und die Infrastruktur ganzer Dörfer einschließlich der Moscheen zerstört wird. Das wiederum stärkt den Widerstand. Nach westlichen Angaben sollen seit 2001 etwa 6000 Menschen ums Leben gekommen sein. Die Afghanen vor Ort gehen indes von über 50.000 Toten aus. Die Eskalation des Krieges seit der Amtsübernahme Obamas wird die Opferzahl steigern und zu weiterer Vernichtung führen. Mit Durchhalte- und Kurshalte-Parolen sowie noch mehr Militär, wie es der frühere UN-Sonderbeauftragte für Afghanistan, Tom Koenigs, verlangte, wird es dort jedenfalls weder Frieden noch Wiederaufbau, geschweige denn ein angeblich angestrebtes "Nation-Building" geben. Die Geschichte Afghanistans bestätigt das eindrucksvoll. Seine Menschen müssen ihre volle Souveränität und ihr Selbstbestimmungsrecht bekommen. Sie müssen ohne fremde Bevormundung über ihre künftigen politischen Strukturen entscheiden können.

"Wer a sagt, der muß nicht b sagen. Er kann auch erkennen, daß a falsch war." Diese Worte Bertolt Brechts sollten die Verantwortlichen der NATO-Länder beherzigen, um endlich ihre Afghanistanpolitik zu korrigieren.

Dr. Matin Baraki

Raute

USA lenkten Terrornetzwerk lateinamerikanischer Militärdiktaturen

Das Scheitern der Operation CONDOR

Seit dem 11. September 2001 - so die vorherrschende allgemeine Auffassung - befindet sich die Welt in einem Krieg gegen den Terrorismus. Doch es bedurfte nicht erst der vermeintlichen 19 Attentäter und ihrer 3000 Opfer in den USA. Denn der "Kampf der Antiterroristen gegen die Terroristen", der "Kampf des Guten gegen das Böse", reicht weit in die Geschichte zurück. Das wird am Beispiel Lateinamerikas, welches Washington als seinen "Hinterhof" bezeichnete, in einem jüngst erschienenen Buch nachgewiesen. Sein Titel: "Operation CONDOR. Eine Internationale des Terrors". Der Autor, Oberst a. D. Klaus Eichner, Jahrgang 1939, war Analytiker in der Abteilung Gegenspionage der HVA, spezialisiert auf amerikanische Geheimdienste. Er ist bereits manchem "RotFuchs"-Leser als Autor und Herausgeber gut bekannt.

Seine neue Publikation versteht Klaus Eichner "in erster Linie als ein Buch über den Staatsterrorismus der USA und über deren Heuchelei im angeblichen Kampf gegen den internationalen Terrorismus". CONDOR war zwar das staatliche Terrornetzwerk der Militärdiktaturen in Argentinien, Chile, Uruguay, Paraguay und Brasilien, dem sich später auch Ecuador und Peru anschlossen, doch es konnte nur durch die Billigung und Unterstützung der USA einen mörderischen Feldzug gegen alle Oppositionellen führen und grundlegende Menschenrechte verletzen. CONDOR beherrschte zwei Drittel der Bevölkerung Südamerikas und bestand offiziell von 1975 bis 1983. Sein erklärtes Ziel war die brutale Unterdrückung jeglicher Form von politischer Opposition, die gewaltsame Zurückdrängung linker Einflüsse und Ideen in dieser Region. Zur Operation CONDOR gehörten vielfältige geheimdienstliche Aufklärungs- und Unterwanderungsoperationen, intensiver Informationsaustausch zwischen den Geheimdiensten sowie militärische und paramilitärische "Sondermaßnahmen" zur Ermordung politischer Gegner. Die Aktionen beschränkten sich nicht auf Südamerika.

Das Buch führt Beispiele von Operationen u. a. in Washington, Paris, Madrid und Lissabon an. Mit Dokumenten belegt wird die Rolle Henry Kissingers (1969 bis 1973 Sicherheitsberater von Präsident Nixon, 1973 bis 1977 US-Außenminister, 1973 Friedensnobelpreisträger). Dargestellt werden Aktivitäten der BRD und der EU. Klaus Eichner weist nach, daß die Operation CONDOR eine der blutigsten und opferreichsten Aktionen des Staatsterrorismus der USA im vergangenen Jahrhundert war. Das durch Zufall 1992 aufgefundene "Terrorarchiv" zeigt das erschreckende Ausmaß. Es enthält Angaben zu über 50.000 Ermordeten, 30.000 spurlos Verschwundenen und 400.000 Verhafteten. Auf der Grundlage des Archivs und später entdeckter Dokumente konnte gegen vielfältige Widerstände die juristische Aufarbeitung und Verfolgung der Verbrechen begonnen werden.

CONDOR selbst ist zwar Geschichte, aber manches Element des Terrornetzwerkes existiert noch, wirkt z. T. weiter oder kann reaktiviert werden. Unterdessen wird die bi- und multilaterale Zusammenarbeit unter der Flagge der Bekämpfung des Drogenhandels intensiviert. Die USA verstärken ihre Bemühungen, mit einer Kombination alter und neuer Mittel und Methoden der revolutionären Veränderungen in Lateinamerika Herr zu werden. Noch unter George W. Bush wurde 2008 nach 60 Jahren Stilllegung die 4. Flotte, die schwimmende Invasionsbasis der Navy, "revitalisiert". (Sie war im Zweiten Weltkrieg geschaffen worden, um Lateinamerika und die Karibik u. a. vor deutschen U-Booten zu schützen, und wurde 1950 wegen Mangels an Zielen aufgelöst). Jetzt wird sie als Drohkulisse gegen Lateinamerikas Linkskräfte wieder in Stellung gebracht.

Im Buch konnte nur angedeutet werden, daß auch unter Obama die Grundrichtung der US-Außenpolitik in bezug auf den Subkontinent beibehalten wird. Nach seiner Auffassung repräsentiere Venezuelas Präsident Hugo Chávez "die Kraft, die dem Fortschritt in der Region entgegensteht". Obama fügte hinzu: "Das entspricht nicht dem guten internationalen Verhalten, das wir von jedem in der Region erwarten sollten." Eine solche Äußerung ist eindeutig. Ein großer Vorzug der Publikation Klaus Eichners besteht in der Einordnung der Operation CONDOR in die historischen und aktuellen Bedingungen des Kampfes in Lateinamerika. Beschrieben wird, welche Bedeutung es für die USA besitzt, wie sie sich dort einmischten und Militärputsche organisierten.

Honduras ist das jüngste Beispiel. Der Leser erfährt auch von der Tradition der Guerilla (spanisch: der "kleine Krieg"), dem Kampf der Unterdrückten und Rechtlosen. In diesem Zusammenhang wäre ein Exkurs in die marxistische Terrorauffassung wünschenswert. Denn einerseits verweist Klaus Eichner selbst darauf, daß CONDOR mit dem Kampf gegen den Terror begründet wurde. Andererseits sind die Mut machenden Erfahrungen von Opposition und Widerstand in Lateinamerika auch mit der Guerilla-Bewegung verflochten. Reiches Material finden wir in Marxens historischen Analysen, in denen er zwischen revolutionärem und konterrevolutionärem Terror unterscheidet und beide charakterisiert. Erinnert sei auch an die Entwicklung der Terror-Auffassung bei Lenin, der noch 1902 in "Was tun?" den Terror als ein Mittel des revolutionären Kampfes ablehnte, aber 1918 den "roten Terror" als Antwort auf den "weißen Terror" begründete.

Ungeachtet dessen ist das Buch eine willkommene Handreichung für die ideologische Auseinandersetzung mit dem Staatsterrorismus in der Gegenwart. Das um so mehr, als die sogenannte Terrorismusbekämpfung zu einem zentralen Element auch deutscher Innen- und Außenpolitik geworden ist. Es ist ebensogut geeignet, die Emanzipationsbewegungen in Lateinamerika, die mit viel Hoffnung begleitet werden, und die Kompliziertheit ihres Kampfes besser zu verstehen. Die Schrift besitzt einen hohen Informationswert. Ihre klare Gliederung, ein Glossar und Personenverzeichnis sind beim Nachschlagen nützlich.

Dr. Dieter Hillebrenner

Klaus Eichner: Operation CONDOR.
Eine Internationale des Terrors,
2009, Verlag Wiljo Heinen, Berlin, 320 Seiten,
12 €, ISBN 978-3-939828-42-6

Raute

Britanniens herrschende Klasse will die Tories zurückhaben

Wolfsrudel auf Labours Spur

Seit Tony Blairs 2007 erzwungenem Rücktritt als Führer der sozialdemokratischen Labour Party und Premierminister rührt Britanniens herrschende Klasse die Trommel für eine Rückkehr der Konservativen - ihre Mitglieder nennt man Tories - an die Regierung.

Blair, Sohn eines konservativen Amtsträgers aus Englands Nordosten, galt als der verläßlichste Erfüllungsgehilfe, der dem Kapital bisher aus dem sehr diffusen Labour-Lager zur Hand ging. In den Augen der Tories ist die Labour Party seit Blairs Weggang und dem Amtsantritt Gordon Browns weniger berechenbar als zuvor. Ohne Zweifel hat erst Blairs und jetzt Browns "New Labour" die Voraussetzungen für einen neuerlichen Erfolg der Tories bei den jüngsten Wahlen geschaffen. Labour und die weitgehend durch diese Partei kontrollierten Gewerkschaften sind so noch handzahmer geworden und mit der auch damals schon zur Klassenkollaboration bereiten Bewegung vor zwei Jahrzehnten nicht mehr vergleichbar.

Die Partei Nr. 1 der herrschenden Klasse Britanniens hält den Zeitpunkt für günstig, ihre Konkurrentin und Mitspielerin beim Zwei-Parteien-Wechselbad sobald wie möglich in die Oppositionsrolle zu drängen. Die mit den Europawahlen gekoppelte Abstimmung in den britischen Kommunen, die am 4. Juni stattfand, bestätigte Labours dramatischen Abwärtstrend und brachte vor allem den Tories auch in Labour-Hochburgen erheblichen Zuwachs. Die Konservativen verstanden es, den durch sie groß aufgeblasenen parlamentarischen Spesenskandal, in dessen Verlauf etliche Labour-Minister ihren eigenen Premier durch spektakuläre Rücktritte in arge Bedrängnis brachten, zur weiteren Schwächung der angeschlagenen Rivalin zu nutzen. Inzwischen erhebt die Tory-Opposition, die seit zwölf Jahren nicht mehr am Ruder ist, massiv die Forderung nach baldigen Neuwahlen, die ihr den ersehnten Einzug in Downing Street Nr. 10 - den Sitz des Premierministers - ermöglichen sollen.

Eine zentrale Rolle bei diesem Gerangel spielt übrigens der "Torygraph", wie das auflagenstarke Leibblatt der Konservativen "Daily Telegraph" von den Briten genannt wird. Seit Browns Amtsantritt vor zwei Jahren - die Zeitung hatte zuvor kein Mittel ausgelassen, seinen Vorgänger Blair in Schwierigkeiten zu bringen - unternimmt der "Torygraph" alles Erdenkliche, um eine zum Sturz des Labour-Kabinetts ausreichende Regierungskrise herbeizuführen, was vorgezogene Unterhauswahlen zur Folge hätte. Bisher haben Manöver dieser Art nicht gefruchtet, zumal Brown inmitten echter und herbeigeredeter Skandale ein erstaunliches Stehvermögen bewies.

Die Bestrebungen, ihn aus dem Amt zu katapultieren, wurden nicht zuletzt durch Blairs in der Regierung verbliebene Gewährsleute wie Arbeitsminister James Purnell und die Ministerin für Örtliche Verwaltung Hazel Blears, die beide unter scharfer Distanzierung vom Premier zurücktraten, aktiv gefördert. Brown selbst, der längere Zeit mit Blair zu harmonieren schien, hat diesem offensichtlich so manches nicht vergessen. Vor allem die Tatsache, daß Blair 1997, als die Tories nach 18jähriger Regierungszeit abgewählt worden waren, an seinem bereits als Ministerpräsident gehandelten Freund knallhart vorbeizog und Downing Street 10 für sich in Anspruch nahm. Die Blair-Anhänger wiederum erinnern sich voller Groll an Browns "illoyale Kampagne" gegen ihren Favoriten, den sie für den "besten und erfolgreichsten Führer" ausgeben, "den Labour je besessen hat".

Als bei der Spesen-Krise im Juni von den Tories die Forderung erhoben wurde, "Brown muß gehen!", witterte der Blair-Clan seine Chance, den ungeliebten Premier loszuwerden. Diesmal erwiesen sie sich allerdings, wie der Londoner Publizist James Thomson schrieb, als "ein Rudel zahnloser Wölfe". Brown überlebte, wenn auch schwer angeschlagen.

Am 5. Juni bildete er sein Kabinett um und brachte Lord Mandelson - einen leidenschaftlichen Verfechter von "New Labour" - in einer Schlüsselposition unter. Der steht eisern für die Devise von Blair und Brown, den Kapitalismus besser zu verwalten als die Kapitalisten selbst.

Auch der mit Brown befreundete populäre Fernsehstar Sir Alan Sugar wurde - der Farbigkeit halber - ins Kabinett aufgenommen. Der Premier gab sich kampfentschlossen: "Ich werde nicht einknicken und davonlaufen, sondern mit dem Job zurechtkommen und meine Arbeit zu Ende führen", verkündete Brown. Die in der Mehrheit befindlichen Labour-Parlamentsmitglieder folgen der Devise, daß "Truthähne nicht für Weihnachten stimmen", und lehnen vorzeitige Neuwahlen deshalb grundsätzlich ab.

Brown hofft darauf, bis 2010, wenn das Unterhaus neu bestimmt werden muß, noch einige Karnickel aus dem Hut zaubern zu können, sollte sich die besonders schwer angeschlagene britische Wirtschaft bis dahin wider Erwarten "etwas erholen".

Doch nüchtern betrachtet, sieht derzeitig alles danach aus, daß die nächste Regierung den Tories zufallen wird. Ihr Führer David Cameron fraß schon einmal vorsorglich Kreide und erklärte, die Macht müsse "von der politischen Elite an den Mann und die Frau auf der Straße übergehen".

In den für Britannien so typischen Pubs und Clubs ist die Atmosphäre politisch aufgeheizt, auch wenn die Anti-Brown-Stimmung inzwischen etwas nachgelassen hat. Der Spesenskandal - im Kapitalismus eigentlich die Norm - hat die Leute besonders aufgebracht. Das Mißtrauen gegenüber Politikern dominiert. Labour ist davon am stärksten betroffen. Bei den Kommunalwahlen verlor die Partei 291 Sitze, während die Tories 244 hinzugewannen. Alles überschattet aber natürlich die Finanz- und Wirtschaftskrise, die den Inselstaat nach wie vor fest im Griff hat. So ist die Politikverdrossenheit der Briten enorm. An den EU-Wahlen nahmen nur noch 34,8 % der Stimmberechtigten teil. Auf Labour entfielen dabei gerade einmal 16 %. Millionen seiner Anhänger gingen nicht zur Wahl. Die Konservativen erhielten 28 %. Besonders übel ist die Tatsache zu vermerken, daß die rechtsextreme British National Party erstmals auf zwei Mandate im EU-Parlament kam.

"Wenn auch Kriege - und das gilt gleichermaßen für politische und ökonomische Krisen - in ihrem Ausgang unvorhersagbar sind", schrieb "The Socialist Correspondent", "steht dennoch eines fest: Britanniens herrschende Klasse will die Tories zurück. Kommen sie aber zum Zuge, könnten wir uns auf 18 weitere Jahre konservativer Herrschaft gefaßt machen."

RF, gestützt auf "The Socialist Correspondent", London

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Keine Wandlung vom Saulus zum Paulus: Robert McNamara

Tod eines Massenmörders

[Hinweis der Schattenblick-Redaktion:
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Carolus Wimmer vom KPV-Politbüro: Venezuelas Revolution hat noch nicht gesiegt

Mit dem Ausgang des Präsident Chávez begünstigenden Referendums vom 15. Februar über die Möglichkeit mehrfach wiederholter Kandidaturen für Wahlfunktionen ist Venezuela dazu in der Lage, den politischen und sozialen Weg des Fortschritts weiter zu verfolgen. Wir Kommunisten haben uns die Aufgabe gestellt, Hugo Chávez zu unterstützen. Wir arbeiten dafür, die linken Kräfte in einem revolutionären Prozeß zusammenzuführen, der es gestattet, die materiellen und kulturellen Bedingungen dafür zu schaffen, den Übergang vom Kapitalismus zum Sozialismus vollziehen zu können. Wir befinden uns in einem historisch entscheidenden Moment der Entfaltung des Klassenkampfes. Dabei sind verschiedene Szenarien möglich.

Mit dem Ja zur Verfassungsänderung wurden die politischen Rahmenbedingungen dafür geschaffen, in Richtung Sozialismus voranschreiten zu können, wobei man im Auge behalten muß, daß sich das auch auf einem schmerzhafteren Weg als dem bis jetzt verfolgten vollziehen könnte.

Mit dem Ja kann unser Land seine dem Imperialismus entgegengestellte Außenpolitik beibehalten. Zugleich muß man die verschiedenen innenpolitischen "Missionen" fortsetzen, die auf das Wohl der verwundbarsten Teile unserer Bevölkerung gerichtet sind. Wir müssen darauf hinwirken, daß die Werktätigen jene Rolle übernehmen, die ihnen bei politischen Entscheidungen, in der Planung, Produktion und Verteilung der Güter zukommt. Dabei sind die Proletarier und deren natürliche Verbündete gegenüber der Bourgeoisie zu privilegieren. All das sollte bei gleichzeitiger Vertiefung der ideologischen Arbeit und im Rahmen einer breiten Allianz der am antiimperialistischen Kampf beteiligten Klassen erfolgen.

Die pro-imperialistische Opposition verschärft ihre reaktionäre Offensive. Deshalb ist es notwendiger denn je, die Werktätigen zu organisieren und auf einen anderen Weg als jenen relativ friedlichen, auf dem wir heute marschieren, vorzubereiten, um die Rückkehr jener Kräfte in die Regierung zu verhindern, die unser Volk ins Elend und in die Abhängigkeit vom Joch des Imperialismus geführt haben.

Die Ergebnisse der jüngsten Wahlen haben uns eine Tendenz offenbart, die wir nicht mißverstehen sollten. Deren Analyse ergibt, daß die pro-imperialistische Rechte ihre allgemeine Aktionslinie verfeinert hat, indem sie wieder am Wahlprozeß teilnimmt, ohne dabei ihre konterrevolutionären Ziele aufzugeben. Die Rechten haben mit Erfolg getäuscht, neutralisiert und sogar einen Teil jener Volkssektoren auf ihre Seite gezogen, welche bei vorangegangenen Ereignissen den Prozeß verteidigten. Es ist wichtig, diese Phänomene weiterhin zu untersuchen und mit größerer wissenschaftlicher Schärfe die Ergebnisse gesellschaftlicher Konflikte vorauszusehen. Man muß die Dinge im Zusammenhang betrachten. Es geht darum, alle derzeitigen politischen Akteure, deren Wechselbeziehungen und konkreten Klasseninteressen sowie ihren Platz im Lager der "Chávisten" oder gegen sie zu analysieren.

In diesem Zusammenhang bereiten wir uns auf eine weitere Verschärfung des Klassenkampfes vor, besonders auf ideologischem Gebiet, denn noch findet man in Venezuela gefährliche Konzepte, die den Interessen der Bourgeoisie dienen, bei breiten Sektoren der Bevölkerung aber ankommen. Sie sind auch im Regierungslager tief verwurzelt. Das drückt sich nicht zuletzt in gewissen Taktiken gegen die KP Venezuelas aus, wie man das in der jüngsten Wahlkampagne beobachten konnte.

Es ist dringend erforderlich, den Einfluß der Partei und ihres Jugendverbandes schneller zu erweitern, die Formierung von Kadern sowie die Anhebung ihres im Marxismus-Leninismus verankerten sozialistischen Bewußtseins voranzubringen. Es geht um eine wesentliche Erhöhung der Handlungsfähigkeit jener Kräfte, welche für einen sozialistischen Weg, den revolutionären Prozeß eintreten. Man muß erreichen, daß die Arbeiterklasse ihre Rolle als Vorhut der Revolution übernimmt und die Unterordnung unter das Kleinbürgertum oder den passiven Beobachterstatus beendet, um die Konsolidierung einer kollektiven Leitung des revolutionären venezolanischen Prozesses zu unterstützen.

Die aufsteigende Bourgeoisie ist dabei, sich zu stärken und zwar in direkter Verbindung mit der nationalen Regierung. Die Tatsache, daß das kleine und mittlere Bürgertum im Rahmen dessen nach vorne gestellt wird, was die große nationale und antiimperialistische Allianz sein müßte, betrifft unmittelbar die Strategie der Errichtung des Sozialismus. Es gibt noch keine ausreichende Einheit, weder in der Konsolidierung der revolutionär-demokratischen und fortschrittlichen Kräfte noch beim Ziel des Übergangs zum Sozialismus. Die Methoden der P.S.U.V., der politischen Partei des Präsidenten Hugo Chávez, sind die einer Vielklassen-Partei, bei der sich die marxistisch-leninistischen Strömungen in der Minderheit befinden. Der offensichtliche Widerspruch zwischen dem wissenschaftlichen Sozialismus und jenem, von dem man spricht, charakterisiert den derzeitigen Prozeß. Wir sind überzeugt, daß die gegenwärtige Regierung aufgrund ihrer Klassenzusammensetzung und deren Einfluß auf ihre Entscheidungen nicht die Bedingungen für den Übergang vom Kapitalismus zum Sozialismus schaffen kann.

Zumindest müßte ein politisches und soziales Kräfteverhältnis erreicht werden, welches sie dazu zwingt, Schritte in diesem Sinne zu unternehmen. Das Unverständnis gegenüber der KPV und die Attacken auf sie sowie die Absicht, sie politisch auszuschalten, haben ihren Ursprung im Vorhandensein antikommunistischer Elemente in der P.S.U.V. und dem Einfluß historischer Feinde der Kommunisten wie der Trotzkisten.

Es existieren starke Faktoren gegen progressive Veränderungen in wirtschaftlichen, politischen, sozialen und kulturellen Kreisen: Korruption, Bereicherung, Mangel an Kontrolle bei der Verwendung öffentlicher Mittel, Kluft zwischen Wort und Tat bei zahlreichen Kadern des Prozesses, Nichtbeherrschung der Kommunikationsmedien, die maximal genutzt werden, um den Imperialismus und die Oligarchie zu verteidigen. Zugleich nimmt überall das paramilitärische Phänomen gefährlich zu.

All das führt dazu, die Person von Präsident Chávez als Führer des Umwandlungsprozesses mit seinen Reden über den Sozialismus zu disqualifizieren und der Rechten sowie den Plänen des Imperialismus die Bahn freizumachen. Sie haben sich das Ziel gestellt, die revolutionären Fortschritte zu liquidieren. Wir sind verpflichtet, Ereignisse der unmittelbaren Zukunft vorauszusehen, um nicht durch die in Bewegung befindliche Dynamik überrascht zu werden.

Die KP Venezuelas ist in den 78 Jahren ihres Bestehens immer eine revolutionäre Partei gewesen. Sie wird dem Marxismus-Leninismus, der sozialistischen Revolution, dem proletarischen Internationalismus und dem Kampf gegen den nordamerikanischen Imperialismus stets die Treue halten. Sie bezeichnet sich als die Partei, von der die bolivarische Revolution gefordert wird.

Zusammenfassung eines Interviews des Genossen Carolus Wimmer mit der französischen Zeitschrift "Initiative Communiste"

Raute

Ein aufsehenerregendes Buch über Polens katholische Kirche

Der schwarze Mythos

Den Mythen und Legenden wird inzwischen nachgesagt, sie würden sich vor nichts mehr fürchten als davor, daß sich Dr. Holger Michael ihrer annimmt. Dann nämlich müßten sie ihren Geist aufgeben und sich in historische Fakten auflösen, die schließlich eine ganz andere Geschichte erzählen als die vorsätzlich kolportierte. Tatsächlich ist dem Historiker Michael auch in seinem jüngsten Buch wieder eine solche Entmythologisierung gelungen. "Der schwarze Mythos. Die katholische Kirche im XX. Jahrhundert", 2009 im Berliner Kai-Homilius-Verlag erschienen, ist ein Werk, das sich den besten Traditionen europäischer Aufklärung verpflichtet weiß und in seinen stringenten Analysen jene marxistische Geschichtswissenschaft zum Tragen bringt, ohne die Geschichte ohnehin nicht wirklich verstanden werden kann. In 10 Kapiteln zeichnet Michael die Geschichte der katholischen Kirche in Polen von der Christianisierung im 10. Jahrhundert bis in die Gegenwart nach - mit einer so umfassenden und detaillierten Faktenkenntnis, daß dem Buch schon jetzt der Rang eines Standardwerkes nachgesagt werden darf. Und es ist der akribische Blick in die politischen und geschichtlichen Hintergründe, der es dem Leser ermöglicht, entscheidende Kontexte zu erkennen und wesentliche Zusammenhänge zu erfassen. Das im Vorwort gegebene Versprechen, das Buch werde "dem Leser ihm bisher unbekannte Tatsachen und Zusammenhänge vermitteln", löst der Autor auf den 312 Seiten tatsächlich ein. Und glänzend eingelöst wird gleichermaßen sein Vorsatz, "weitverbreiteten Legenden entgegenzuwirken und ein realistisches Bild über Rolle und Platz dieser Kirche zu vermitteln".

Zu einer der vielen Legenden gehört die Heroisierung der katholischen Kirche in den Zeiten der drei Teilungen Polens. Weil politisch außerordentlich opportun, wird dieser Mythos vom Klerus bis heute bestens gepflegt und natürlich ausgeblendet, daß es gerade die rigorose Machtpolitik des Episkopats war, die eine gesellschaftliche Reformbewegung mit allen Mitteln zu verhindern suchte und Polen damit in einen politisch so desolaten Zustand brachte, daß Rußland, Preußen und Österreich 1772 völlig freie Hand hatten, sich das Land einzuverleiben. Und es kam noch katastrophaler. Nachdem am 3. Mai 1791 in Restpolen eine von der Französischen Revolution inspirierte Verfassung verabschiedet wurde, die bestimmte (aber durchaus nicht alle) Privilegien der katholischen Kirche beschränkte, verbündete sich diese mit allen nur denkbaren reaktionären Kräften und rief ausgerechnet Rußland zu Hilfe, um die Maiverfassung zu Fall zu bringen. "Das Volk von Warschau antwortete auf diesen nationalen Verrat mit einem Volksaufstand, bei dem die Bischöfe Kossakowski und Massaski öffentlich als Staatsverräter hingerichtet wurden. Über diesen Verrat schweigt sich die kirchliche Geschichtsschreibung hingegen aus. Doch die progressiven bürgerlich-liberalen Kräfte konnten sich letztlich nicht durchsetzen und die Unabhängigkeit Polens retten. Polen verlor 1795 seine Eigenstaatlichkeit ... und verschwand für 123 Jahre von der politischen Landkarte Europas." (S. 19) Selbst das 1807 von Frankreich geschaffene Großherzogtum Warschau, "der erste erfolgreiche Versuch der Restituierung Polens" (S. 20) wurde weder vom Papst noch von der polnischen Hierarchie akzeptiert.

Von Kapitel zu Kapitel werden Michaels Entmythologisierungen immer spannender. Und dabei bleibt der Autor stets unpolemisch und präsentiert lediglich die Fakten. Die aber haben es in sich. Und es sind eben diese, die auch die Mythe zerstören, im Widerstand gegen die faschistische Okkupation habe die katholische Kirche eine entscheidende Rolle gespielt. Weil Michael sich auch in Geheimarchiven bestens auskennt, kann er eine 1942 für die Londoner Exilregierung erstellte Einschätzung der polnischen "Heimatarmee" zitieren, in der es im Blick auf eben diese Rolle heißt: "Die Haltung der Geistlichkeit ist unterschiedlich, und diese Unterschiedlichkeit ist das Hauptübel der polnischen Kirche. Die Wurzel dieses Übels ist das niedrige Niveau des Episkopats. Das hingegen ist in hohem Maße die Frucht der falschen Politik unserer Regierung, die systematisch keine Leute mit Willen und Charakter Bischof werden ließ. Im Ergebnis dessen waren schon 1938 viele Diözesen nicht besetzt, und die Mehrzahl der Bischöfe stand nicht auf der Höhe ihrer Aufgaben. Unter den Bischöfen herrscht ein Gefühl der Passivität, und die Priester sind ohne politische Direktiven geblieben." (S. 62 f.) Michael ist kein Eiferer. Er spricht durchaus auch von den Verdiensten dieser Kirche. Aber die Wahrheit ist, daß der polnische Widerstand gegen die deutschen Okkupanten nicht unter der geistig-politischen oder gar moralischen Ägide der katholischen Kirche stand.

Verbissenen Widerstand leistete diese Kirche erst, als in Polen sozialistische Verhältnisse einzuziehen begannen. Und dabei scheute sie selbst vor der Unterstützung bewaffneter Banden nicht zurück, zu denen auch zahlreiche Priester zählten, einige sogar als Kommandeure. Die offene Konfrontation mit der Volksmacht gehörte geradezu zu den Glaubensinsignien einer klerikalen Politik, die erklärtermaßen und mit allen Mitteln an der Vorstellung eines polnischen Gottesstaates festzuhalten versuchte. Natürlich wird für diese Konfrontation bis heute der Staat und nicht die Kirche verantwortlich gemacht. Aber auch diese Legende wird von Michael gründlich zerstört. Dabei zeigt er zugleich die gravierenden Defizite und Fehlentwicklungen auf, die nach 1951 auch in der staatlichen Kirchenpolitik zum Tragen kamen. "In dem Maße, wie sich die Volksmacht darauf konzentrierte, die Kirche als einzigen Hort der Reaktion zu geißeln, wuchs deren politische Bedeutung. Nun wurde die Kirche zunehmend von allen Volksmachtfeinden als politisches Zentrum verstanden und genutzt." (S. 149) Mit administrativen Maßnahmen allein ließ sich diese Entwicklung langfristig nicht eindämmen, auch wenn sie kurzfristig durchaus griffen.

Als der Episkopat 1953 dazu aufrief, "die Freiheit des Klerus mit dem eigenen Blut zu verteidigen", wurde der Kardinal und Primas Wyszynski verhaftet und seines Amtes enthoben. Doch nun geschah das Erstaunlichste: "Nicht nur der Episkopat setzte sich der Verhaftung ihres gewählten Führers nicht entgegen und spielte somit eine schmähliche Rolle, die in der Geschichte ihresgleichen sucht, sondern in ganz Polen rührte sich auch keine Hand zur Verteidigung des Primas. Das war möglicherweise die größte politische Niederlage des polnischen Katholizismus in seiner 1000-jährigen Geschichte. Sie war ihm nicht von einer über Jahrhunderte geübten Staatsmacht beigebracht worden, sondern von Arbeiter- und Bauernsöhnen, auf die man seit jeher von oben herabblickte und denen man sich in jeder Lage haushoch überlegen fühlte." (S. 165 f.)

Vergessen wurde diese Niederlage niemals. Zwar hüllte sich die Kirche zunächst in Schweigen, aber schon 1956 startete sie eine klerikalpolitische Offensive, die aber nicht verhindern konnte, daß Polen Ende der 70er Jahre eigentlich kein "katholisches Land" mehr war. Doch dann kam die Wende. Als Karol Wojtyla am 16. Oktober 1978 zum Papst gewählt wurde, war eine ganz neue Lage entstanden. "Die Kirche war nun für die polnische Gesellschaft zu einer politischen Kraft mit Weltreputation geworden, an der seither kein Weg vorbeiführte." (S. 256) Der Rest dürfte vielen Lesern noch in lebhafter Erinnerung sein - "Solidarnosc", Walesa, Kriegsrecht. Doch selbst diese Krise wäre überwunden worden, wenn die Konterrevolution nicht ausgerechnet in der Sowjetunion gesiegt hätte. Auch in diesen Kapiteln trägt Michael eine Fülle von Material zusammen, und überaus trefflich sind seine eigenen Einschätzungen. Das gilt auch für die Überschrift zum letzten Kapitel: "Der verlorene Sieg". Denn für die katholische Kirche in Polen fällt heute das Fazit der von ihr maßgeblich beförderten Konterrevolution nicht sonderlich triumphal aus: Ihre "direkte politische Einflußnahme ist mit etwa 10 % auf ein historisches Minimum gesunken". (S. 310)

"Ein politischer Überblick", so nennt bescheiden der Autor sein Buch. Doch der Leser merkt sehr schnell, daß er zudem einen wirklichen Durchblick gewinnt. Für dieses Werk kann man Holger Michael nur danken.

Dr. Dieter Kraft

Raute

Wie Terroristen Jagd auf Menschenrechtler machten

Kopfjäger der Konzerne

Ken Saro-Wiwa und Alberto Pizango lernten sich niemals kennen, aber sie verbinden die Leidenschaft zur Bewahrung ihrer Völker und der Eifer, mit dem sie von ihren jeweiligen Regierungen verfolgt wurden. Saro-Wiwa wurde am 10. November 1995 von der Regierung Nigerias hingerichtet, Pizango im Frühjahr 2009 von der peruanischen Regierung des Aufstands und der Rebellion angeklagt. Er entging nur knapp der Festnahme, indem er in die Botschaft Nikaraguas flüchtete. Dieses Land räumte ihm politisches Asyl ein.

Zwei indigene Führer - der eine lebt, der andere ist tot - zeigen, daß effektiver Widerstand gegen die Macht der Konzerne Opfer an Leib und Leben kosten kann. Die Familie von Saro-Wiwa und die Angehörigen der mit ihm in Nigeria Ermordeten erreichten unlängst einen noch nie dagewesenen Entscheid eines Bundesgerichts der Vereinigten Staaten. Er setzte einer 13 Jahre währenden Schlacht gegen Shell Oil ein Ende. Die Odyssee von Pizango beginnt erst.

Peru und Nigeria liegen auf der Landkarte weit voneinander entfernt, aber beide Länder sind reich an Bodenschätzen, nach denen die USA und andere Industriestaaten lechzen. Im Nigerdelta befindet sich eines der ergiebigsten Erdölvorkommen der Welt. Shell Oil begann dort 1958 mit der Förderung. Bald darauf erlitten die eingesessenen Völker der Region die Verschmutzung ihrer Umwelt, die Zerstörung der Mangrovenwälder und die Erschöpfung der Fischbestände, die ihr Lebensunterhalt waren. Das von der Gasverbrennung erzeugte Flackern erhellte die ganze Zeit den Himmel. Die Luft wurde verpestet. Generationen konnten nicht mehr den Nachthimmel sehen. Die Plünderung, der die Erde der Ogoni im Nigerdelta unterworfen wurde, brachte Saro-Wiwa dazu, eine internationale gewaltlose Kampagne gegen Shell anzuführen. Er wurde wegen seines Einsatzes von der nigerianischen Diktatur festgenommen, einem Scheinprozeß unterworfen und mit acht anderen Ogoni-Aktivisten gehängt. Ich selbst war 1998 im Nigerdelta und im Ogoniland, wo ich Kens Familie kennenlernte. Sein Vater Jim Wiwa sagte mir damals: "Shell war die erste Körperschaft, die Nigerias Regierung benutzte, um unser Eigentum zu rauben, unsere Häuser niederzubrennen. ... Shell hat blutige Hände von der Ermordung meines Sohnes."

Die Familien klagten gegen Shell Oil, beschuldigten das riesige Unternehmen der Beihilfe zu den Hinrichtungen. Es wurde ihnen eine Anhörung durch ein US-Gericht zugestanden, und zwar aufgrund des Gesetzes über die zivilrechtliche Verantwortlichkeit, wegen derer von Ausländern geklagt werden kann (Alien Torts Claim Act). Es gestattet ihnen, vor US-Gerichten Schadensersatzansprüche gegen Personen geltend zu machen, die Kriegsverbrechen, des Völkermordes, der Folter oder - wie im Fall der neun Ogoni - auch Hinrichtungen aufgrund außergerichtlicher Schnellverfahren beschuldigt werden. Trotz der Anstrengungen des Konzerns, den Fall Wiwa gegen Shell abzuweisen, wurde vor einem US-Bundesgericht in New York der Prozeß angesetzt. Um ihn abzuwenden, erklärte sich Shell in einer außergerichtlichen Einigung zur Zahlung von 15,5 Millionen Dollar bereit.

Perus indianische Bevölkerung protestiert seit April auf friedliche Weise mit Straßenblockaden - einer populären Taktik. Das sogenannte Abkommen über die Förderung des Handels (Trade Promotion Agreement) zwischen den USA und Peru ist der Streitpunkt. Seine Umsetzung würde den Schutz des Landes indigener Völker aufheben und fremden Unternehmen Zugang zur Förderung der hier lagernden Bodenschätze gewähren.

Nach Zeugenberichten verübten Spezialkräfte der peruanischen Polizei ein Massaker an Teilnehmern einer der Blockaden. Alberto Pizango, Anführer der nationalen Indigenen-Organisation, die sich als Interethnische Assoziation für die Entwicklung des peruanischen Urwalds bezeichnet, klagte die Regierung des Präsidenten Alan García an, die blutige Attacke befohlen zu haben. Er erklärte: "Unsere Brüder dort sind umzingelt. Ich möchte die Regierung für die Anordnung eines Völkermords verantwortlich machen ... Zu uns, den Indigenen, haben sie gesagt, wir seien gegen das System. Aber wir wollen lediglich, daß die Übereinkunft 169 erfüllt wird, in der es heißt, daß man uns befragen muß, bevor etwas geschieht. Doch solche Konsultationen finden in Peru nicht statt. Ich fühle mich jetzt nicht nur verfolgt, sondern mein Leben ist in Gefahr, weil ich das Recht der eingesessenen Völker verteidige." Ken Saro-Wiwa sagte mir 1994 vor seiner Rückkehr nach Nigeria: "Ich bin ein gezeichneter Mann." Alberto Pizango bot der peruanischen Regierung und den Unternehmensinteressen, die sie vertritt, ebenfalls die Stirn. Pizango ist jetzt gleichfalls ein gezeichneter Mann. Doch er ist weiterhin am Leben. Wird die internationale Gemeinschaft gestatten, daß er und das Volk, dessen Repräsentant er ist, dasselbe Schicksal erleiden wie Ken Saro-Wiwa und die Ogonis?

Amy Goodman, übersetzt von Isolda Bohler

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Benno Pludra, die "deutsche Astrid Lindgren"?

Benno Pludra wurde am 1. Oktober 1925 in Mückenberg (heute Lauchhammer) geboren. Er war Schiffsjunge und Vollmatrose der Handelsmarine, bevor er 1946 an einem Neulehrer-Kursus teilnahm. Nach kurzer Tätigkeit als Pädagoge studierte er Germanistik, Geschichte und Kunstgeschichte. Er arbeitete danach als Journalist und Redakteur, 1952 wurde er freischaffender Schriftsteller. "Die Zeitungsarbeit war mir eine gute Lehre", meinte Pludra später, "eine bessere als die Universitäten."

Bereits 1948 schrieb er Kurzgeschichten und Reportagen. 1951 erschien sein erstes Kinderbuch "Ein Mädchen, fünf Jungen und sechs Traktoren". Pludra äußerte über sein Anliegen: "Das Wichtigste ist, daß es dem Autor gelingt, den Leser zu öffnen, damit er bereit ist, das Geschriebene aufzunehmen." Er verstand es, in seine Bücher eine stille Heiterkeit und hintergründigen Humor einzubringen.

Benno Pludra, der seit Jahrzehnten in Potsdam lebt, sagte zum Sinn seines literarischen Schaffens: "Schreiben bedeutet für mich, im Leben der Kinder etwas grundieren zu helfen, eine Fähigkeit in ihnen zu wecken oder entwickeln zu helfen, die für das ganze Leben wirksam werden könnte, nämlich die Kraft zum Sehen und zum Erleben." Sein Weg als Kinder- und Jugendbuchautor widerspiegelt rund 50 Jahre Kinderliteratur der DDR und Ostdeutschlands. Seine rund vierzig Bücher erschienen in fast fünf Millionen Exemplaren in nahezu allen Ländern Europas, aber auch in China, Japan, Kuba und Irak. Etwa ein Dutzend Titel kamen in der alten BRD heraus.

Oftmals beschäftigte sich Pludra mit dem vielschichtigen Beziehungsgeflecht der Kinder zu den Erwachsenen und umgekehrt. Moralische Haltungen zu Mitmenschen und zur Natur werden unaufdringlich und ohne sichtbar erhobenen pädagogischen Zeigefinger wie nebenbei geprüft. Der Schriftsteller leuchtete in die Empfindungswelt und Phantasie der Kinder hinein. Er warf ethisch-moralische Fragen feinsinnig und unaufdringlich provokativ auf. Pludras Bücher sprechen aber auch die Emotionen des Lesers an, sein Bedürfnis nach Romantik und Vergnügen.

In dem Dokumentarfilm "Auskunft über Pludra" gewährte der Literat 1974 selbst Einblicke in seine Arbeit an einem neuen Buch und seine Schaffensweise. Sein Ringen um künstlerische Vollendung und nachhaltige Resonanz zeigt sich besonders darin, daß er manchen Stoff zweimal behandelte. Zum Beispiel gibt es zu "Sheriff Teddy" (1955) als Gegenstück die Erzählung "Popp muß sich entscheiden" (1959). Andererseits gehören die Liebesgeschichte "Haik und Paul" (1956) und die Erzählung "Jakob sucht Liebe" (1958) zusammen oder "Die Reise nach Sundevit" (1964) und die Bilderbuchgeschichte "Heiner und seine Hähnchen" (1967). "Ein Mädchen fand einen Stein" (1981) bildete die Grundlage für die Erzählung "Das Herz des Piraten" (1985). Mit hoher Sensibilität und psychologischem Feingefühl führte er die Erlebniswelt seiner Heldin nicht schlechthin vor, sondern ließ sie auch nachvollziehen, ohne dabei ins Sentimentale abzugleiten. Pludra verdeutlichte, wie Kinder um Erwachsene ringen und oft auf betrübliche Weise zu Menschenkenntnis gelangen.

1989 legte der Autor seinen ersten Roman "Aloa-he" vor. Darin geht es um Vergangenheitsbewältigung. Etliche der Kinderbücher Pludras nahm man in die Literaturlehrpläne der Polytechnischen Oberschulen der DDR auf, vornehmlich der Klassen 1 bis 4. Verschiedene veranlaßten Regisseure, sie filmkünstlerisch umzusetzen. So entstanden die Spielfilme: "Sheriff Teddy" (1957, Heiner Carow), "Bootsmann auf der Scholle" (1963, Puppentrickfilm von Werner Krauße), "Die Reise nach Sundevit" (1966, Regie: Heiner Carow), "Lütt Matten und die weiße Muschel" (1964, Regie: Herrmann Zschoche), "Tambari" (1976, Regie: Ulrich Weiß), "Insel der Schwäne" (1983, Regie: Herrmann Zschoche), "Das Herz des Piraten" (1988, Regie: Jürgen Brauer). Auf diese Weise konnte ein zusätzliches großes Publikum erreicht werden.

Benno Pludras Bücher, die zum Teil Glücksfälle in der Kinder- und Jugendliteratur waren, trugen dazu bei, Herz und Verstand mehrerer Lesergenerationen zu beeinflussen. Sie regten nachhaltig und bewegend "zum Sehen und Erleben" an, boten Abenteuer, Romantik, aber auch Lebenshilfe und wurden zu "Leuchttürmen" für junge Leser.

1991 erschien seine zart und poetisch erzählte Geschichte "Siebenstorch". Darin beobachtet und erlebt die siebenjährige Maika, wie ein Storchenpaar seine drei Jungen aufzieht. Einer der Jungvögel will sich scheinbar nicht einfügen, fliegt nicht mit nach Afrika und wird von dem Mädchen umsorgt.

Bedeutende Künstler illustrierten stimmungsvoll Pludras Bücher, unter ihnen Max Lingner, Ernst Jazdzewski und Werner Klemke. Der Kinderbuchverlag Berlin brachte ab Mitte der 90er Jahre die "Benno-Pludra-Bibliothek" heraus. Im Oktober 2004 erhielt der Schriftsteller auf der Frankfurter Buchmesse vom Arbeitskreis für Jugendliteratur den Sonderpreis für sein Gesamtwerk.

Dieter Fechner

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Nicht alle Körner unserer Saat werden verdorren

Plädoyer gegen das Duckmäusertum

Hinter ihm liegen die längst vergangenen Kinderjahre, ein verlorenes Elternhaus, Krieg und Gefangenschaft, vor ihm der Beginn einer neuen Zeit. Doch diese ist alles andere als unbelastet vom faschistischen Ungeist im Denken vieler Menschen. Überall noch liegen die Trümmer, ist Leben ein täglicher Kampf mit den Folgen von Mangel und Entbehrung. Und so begegnet er dem Neuen im Zwiespalt von Hoffnung und Zweifel, Zuversicht und Skepsis. Doch er ist neugierig, wißbegierig und hat den Willen, dabeizusein. Es sind die Begegnungen mit Kommunisten, die ihn formen und entscheidenden Einfluß auf sein neues Weltbild nehmen. Die Gründung der DDR erlebt er bereits mit großer innerer Anteilnahme. Diesem Staat, dessen heiligste Pflicht in der Bewahrung des Friedens besteht, schwört er Treue, die er auch mit dessen Untergang nicht bricht. "Auf diese Festigkeit", schreibt er, "halte ich mir - nun wieder umgeben von einer Welt des Trugs und der Lüge, des feigen Opportunismus und schändlichen Renegatentums, von Ausbeutern, deren Handlangern und braven Untertanen - viel zugute."

Wolfgang Clausner (82) - den Lesern des RF als dessen Autor aus vielen Veröffentlichungen bekannt - hat seinen Lebensweg in einer mehr als 630 Seiten umfassenden Autobiographie festgehalten. Sein Buch "Spuren lesen" widmet er allen, die ihm nahe waren, und vertraut es jenen an, die nachfolgen werden. Er schreibt: "Nicht alle Saatkörner, die wir in den Boden brachten, werden verdorren oder sich als taub erweisen. Die nach uns die Felder menschlichen Zusammenlebens bestellen, werden - anders als wir - schließlich ernten können. Wenn sie nicht wiederholen, wo wir falsche Wege gingen." In seinem Buch wird die Größe des von Millionen Menschen in der DDR Geleisteten deutlich, nicht minder eindringlich auch das, was nicht gelang - durch eigene Schuld oder das Zutun anderer. Daraus zu lernen gehört vielleicht zur größten Herausforderung, der sich nicht nur neue Generationen, sondern auch wir, die damals dabei waren, zu stellen haben. Eine helfende Quelle, die in ihrer Klarheit, Tiefe und Dichte nahezu unerschöpflich scheint, ist der Lebensbericht des Autors.

Wolfgang Clausner, 1927 in einer Chemnitzer Arbeiterfamilie geboren, lernt den täglichen Überlebenskampf kennen, erfährt, was Willkür und Ausbeutung bedeuten, und kann sich - wie seine Eltern - doch nicht vorstellen, daß dieser Teufelskreis auch zu durchbrechen wäre. Erst als nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges die große gesellschaftliche Umwälzung in der Sowjetischen Besatzungszone beginnt, eröffnen sich auch für ihn Wege in ein menschenwürdiges Dasein.

In der Freien Deutschen Jugend findet er seinen Platz. Hier entwickelt er sich zu einem "Spezialisten" für die Organisation großer Treffen. Auch später noch, als er selbst schon ein gediegenes Erwachsenenalter erreicht hat, ist er unverzichtbar bei deren Vorbereitung.

Und stets begleitet ihn der unbezwingbare Drang, sich anderen mitzuteilen, die eigene Meinung über Erlebtes festzuhalten, zu schreiben. Für Wolfgang Clausner ist das die ihm gemäße Form, zur Debatte herauszufordern, auf Unzulänglichkeiten, Unrecht und Mißstände aufmerksam zu machen, immer aber auch über das "stille Heldentum" der arbeitenden Menschen zu berichten.

Seine Lehrjahre als Journalist bestreitet er in der "jungen Welt". Das, was er hier erlebt, beschreibt er als Zeit des Aufbruchs, des Sich-Erprobens und Gefordert-Seins, natürlich stets in Konfrontation zum überaus facettenreichen Wirken gegnerischer Kräfte im In- und Ausland. Die Vorgänge am 17. Juni 1953 zeigen ihm, daß vom persönlichen Mut des einzelnen viel abhängen kann. Zivilcourage sagt man heute dazu. Sie gehört, davon ist der Autor fest überzeugt, zu den wichtigsten Eigenschaften, die einen Kommunisten auszeichnen sollten. Zu gewaltig ist der Schaden, der aus Duckmäusertum, Selbstsucht und Anpasserei erwachsen ist.

Wolfgang Clausner hat nicht klein beigegeben, wenn andere ihm seinen Standpunkt ausreden wollten. Er konnte kämpfen, doch nicht immer hatte er Erfolg. In seiner beruflichen Laufbahn als Journalist, Redakteur und Leiter der "Wochenpost" und später der außenpolitischen Zeitschrift "horizont", deren Geburtshelfer er war, sind ihm so manche Praktiken begegnet, die zu den unrühmlichen Seiten der DDR-Pressegeschichte gehören.

Vor allem aber schreibt Wolfgang Clausner über Menschen, die selbstlos und uneigennützig der Sache des Sozialismus dienten. Vielen von ihnen gibt er mit seinem Buch Gesicht und Stimme. Eine über das eigene Leben hinausgehende Gesellschafts-Chronik, atmet es Stolz auf 40 Jahre DDR und schmerzliche Trauer über deren Verlust. Es schließt mit Nachdenklichkeit und Besorgnis über den Zustand der heutigen Gesellschaft in Deutschland. Doch es vermittelt zugleich einen tiefen Einblick in eine große Periode der Geschichte und ein nicht minder großes Leben.

Bruni Steiniger

Die Autobiographie ist im Eigenverlag erschienen.

Raute

Archie mit und ohne Grundstück

Früher hatte sich Archie in anstrengende Unternehmungen gestürzt, gerackert bis zur totalen Erschöpfung. So hatte er vor 35 Jahren in einem Straßendorf vor den Toren Berlins einen langen Streifen Grund und Boden von ca. 2000 Quadratmetern zu preisgünstiger Pacht mit der Bemerkung angeboten bekommen: "Mach etwas draus, einen Zaun drum, ein Tor davor, Bäume und Hecken, kurz gehaltenes Gras, elektrifizieren und viel wässern. Märkische Heide, märkischer Sand brauchen Energie und Freude, wachsen nicht aus dem Stand. Und das Hüttchen dahinten braucht bloß Fenster, Tür und neues Dach, dann ist das Wochenende gesichert." Der das sagte, war Genosse, Landwirt, Fleischer und Fußballfan, der rotblonde, dickliche Bürgermeister, ein Typ von echtem Schrot und Korn, der gern mal eine Molle zischte und sich den Schnauzer danach wischte. "Sein idealer Lebenszweck ist Fußballspiel und Ferkelspeck", sagte seine zierliche Frau. Die wußte es ganz genau, aber noch davor kam für Kalle Korf sein Dorf. Und so ärgerte es ihn, daß die Leute immer eine Abkürzung zum Bahnhof über das verlassene Grundstück nahmen. Er raufte sich die rötlichen Haare und rief: "Entweder zerlatschen sie die Pilze im Wald oder dieses Grundstück!" Archie machte sich ans Werk und holte die großen Steine aus dem Boden, die andere für einen Trampelpfad in den aufgeweichten Grund geworfen hatten. Bürgermeister Korf kam vorbei und sagte: "Brav, Archie, brav, es wird schon. Dafür brauchst du auch nur 92 Mark Pacht im Jahr zu zahlen. Das ist Pionierarbeit!"

Aber die Sache besaß einen Haken. Andere Leute hatten es auch schon mal versucht und wieder aufgegeben. Und alles, was sie zu pflanzen und zu bauen begonnen hatten, mußte Archie nun bezahlen, und zwar mit 5000 Mark. Später kamen weitere 5000 für Zaun, Tor, Hüttenausbau und Elektrifizierung hinzu, nicht eingerechnet der Arbeitslohn.

Archie hatte neben linker Gesinnung auch noch zwei linke Hände und keine handwerkliche Ausbildung. Später gab es in der DDR den Unterrichtstag in der Produktion, Abitur mit Berufsausbildung und andere nützliche Verbindungen zwischen Theorie und Praxis. Als die Schüler einer 11. Klasse zum Wochenende auf dem Grundstück zelteten, im Einverständnis mit ihrer Lehrerin, Archies Frau, war dieser überrascht, was die Jungen alles wußten und konnten. Sie waren eine richtig gute Hilfe, später kamen noch die Nachbarn hinzu, und das Grundstück nahm langsam Form und Gestalt an.

"Leider wissen wir nicht, wem es gehört", sagte Kalle Korf nachdenklich. Archie schenkte dem Satz zu wenig Bedeutung. Die Bäume wuchsen und ergaben einen kleinen Wald, so daß die Hütte dahinter verschwand, die Hecke wucherte so schön, daß man kaum in das wie verwunschen aussehende grüne Reich hineinsehen konnte. Der Bürgermeister war sehr zufrieden. So verging eine schöne Zeit von den 70er bis zu den 80er Jahren. Besucher lobten die ehemalige Brache, die fast zur Parklandschaft gediehen war.

Aber mit der restaurativen Wende brach alles ab. Die Nachbarn kehrten ihm schroff den Rücken zu, wandten sich brüsk ab, weil er als bekennender DDR-Anhänger galt. Sinnvolle Gespräche fanden kaum noch statt, offene Feindschaften brachen aus. Neue Autos waren jetzt das Hauptthema. Auf der Dorfstraße knatterten und ratterten die Biker mit schwarz gestrichenen Stahlhelmen, Ältere und Jüngere, ohrenbetäubend. Rennwagen mit frisierten, dröhnenden Motoren wirbelten Staub auf, quietschten gefährlich um die Ecken, machten die Dorfstraße zur Rennpiste. Bei den Nachbarn gab es jähe Todesfälle durch sinnlose Raserei unter Chausseebäumen.

Die LPG-Strukturen wurden zerschlagen, Wald verkauft, nicht mehr gehegt. Förster Grünrock hustete nachts durchs Gelände, beklagte den Verfall. Kalle Korf wurde als Bürgermeister durch einen ins Bild passenden CDU-Kandidaten ersetzt, der den Allzweck-Tourismus mit großen Reiterhöfen ankurbeln wollte. Man schloß und verkaufte Bahnhof wie Post. Diese erhielt einen schäbigen Container als Geschäftsraum. Das Stationsgebäude erwarb ein reicher Wessi. Halt alles, was man so kennt, seitdem der Westen den Osten überrannt hat. Gemeindeamt und dringend benötigte Polizei verschwanden. Früher hieß es oft: Keine Leute, keine Leute! Jetzt hörte man nur noch: Kein Geld, kein Geld!

Die Pacht mußte Archie fortan einem Amt in der Kleinstadt überweisen. Sie stieg langsam und unaufhörlich von 92 Mark der DDR auf sage und schreibe über 2000 DM und betrug zuletzt 1700 Euro. Das war für Archies kleine Ost-Rente zu viel. So verlor er den Spaß am Grundstück, wo noch viele obligatorische Anschaffungen bevorstanden wie z. B. die teure Wasser- und Abwasseranbindung. Das neue Dach, das dem Wellasbest weichen mußte, hatte schon genug gekostet. Auch ein neues Tor, und zwar aus Eisen, mußte her, weil das alte von den Schülern der nahen Schule verbogen und beschädigt worden war.

Die Nachbarn reagierten schadenfroh, wie er erfuhr. Die netten kleinen Dorfkneipen hatten meist Pleite gemacht. Vor einer Imbißbude in der Nähe grölten Jugendliche und Arbeitslose am Wochenende bis tief in die Nacht. Die NPD rottete sich in der "Deutschen Eiche" zusammen und plärrte Lieder wie "In einem Polenstädtchen" und schlimmere. Dann machte Archie, als er in Panik geriet, einen kapitalen Fehler. Er nahm nette junge Leute, wie er meinte, ein Pärchen, als Unterpächter auf die vordere Hälfte seines Grundstücks, die ihn von Stund an vergraulten, weil sie alles ohne Genehmigung absägten, was er gepflanzt hatte.

Inzwischen war die Verwaltung durch eine Berliner Rechtsanwaltskanzlei übernommen worden. Das Grundstück wurde plötzlich zum Verkauf freigegeben. Kein Eigentümer sei auffindbar, hieß es. Die jungen Leute kauften es mit einem Bankkredit und jagten den alten Pionier Archie mit vielen juristischen Tricks von der Scholle. So wurde z. B. behauptet, er habe einst ohne die erforderliche Genehmigung gebaut. Unterlagen seien nicht mehr vorhanden.

Dabei stand die Hütte schon, als Archie das erste Mal das Land betrat. Er fotografierte sie damals sogar. All das zählte nicht, also weg mit der Hütte oder sie "besenrein" übergeben - eine interessante Alternative für den neuen Eigentümer. Natürlich alles entschädigungslos. Archie stand mit leeren Händen da. Um ein Haar hätte er den von ihm gepflanzten Wald auch noch abholzen müssen. Da aber muckte er auf und drohte mit dem Fernsehen, an das er schreiben wollte.

Der Hauptgewinn bestand für Archie in einem Lehrstück zur Übermacht des privaten Eigentums in der bürgerlichen Wählerdemokratie. Dort zählen nur Besitz und Geld. Alles andere ist pures Beiwerk, wie es scheint, sogar die Bildung. Nur die "Landesverteidigung" nicht, denn sie könnte eventuell nicht nur am Hindukusch, sondern auch zum Schutze der kapitalistischen Interessen daheim gebraucht werden.

Manfred Hocke

Raute

Leserbriefe an ROTFUCHS

Mit großer Freude habe ich den Beitrag des 21jährigen Dominik Gläsner aus Zittau (RF Extra, August 2009) gelesen. Mit seiner Meinung stimme ich weitgehend überein, mit mir sicherlich auch viele Mitglieder und Sympathisanten der Partei Die Linke. Besonders optimistisch stimmt mich, daß sich hier ein junger Genosse offen und kritisch zu Wort meldet.

Ja, es ist richtig: Die PDL muß sich entscheiden, ob sie "den Kapitalismus reparieren oder ihn überwinden" will. Ein Buhlen um Regierungsbeteiligung auf Landesebene bedeutet immer Verzicht auf grundsätzliche sozialistische Ausrichtung, damit Verlust an Glaubwürdigkeit sowie Vertrauenseinbuße bei gutgläubigen Wählern. Es ist nicht nur peinlich, miterleben zu müssen, wie PDL-Mitglieder hier und dort, vor allem in Berlin, bürgerliche Politik mitzugestalten bereit sind, sondern das hat auch etwas mit Würde oder deren Verlust zu tun.

Wie sich die PDL als einzige Bundestagspartei gegen jegliche Form von Kriegseinsätzen im In- und Ausland ausspricht, muß sie sich auch programmatisch auf einen antikapitalistischen Kurs festlegen. Das bedeutet zwar eine längerfristige Ausrichtung auf die Rolle einer Oppositionspartei, bringt aber einen Zuwachs an Glaubwürdigkeit, Achtung und Einfluß auf das gesellschaftliche Geschehen.

Hans-Dietrich Grundmann, Eberswalde


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Dominik Gläsner hat in seinem RF-Beitrag die Behauptung der ursprünglichen PDS-Funktionäre wiederholt, der "Gründungskonsens" der Partei sei die Kampfansage an einen frisch aus der Taufe gehobenen Stalinismus gewesen, was in der Folgezeit zu einem Kampfprogramm gegen den Marxismus-Leninismus entwickelt worden ist. Von den Delegierten des Parteitages in der Berliner Dynamohalle wurde jedoch eine Entschließung verabschiedet, die sich auf die revolutionären Traditionen der deutschen und internationalen Arbeiterbewegung beruft, welche es fortzusetzen gelte. In der damals einstimmig angenommenen Entschließung erscheint nicht einmal das den meisten Delegierten noch unbekannte Wort Stalinismus, lediglich in Redebeiträgen.

Erst nach längerer Zeit erfolgte eine erste Rückbesinnung auf den "Stalinismus". In allen Basisorganisationen wurde von zentral vorbereiteten Referenten erklärt, was zunächst darunter zu verstehen sei, weil auch noch nicht die ganze antikommunistische Programmatik offengelegt worden ist.

Genosse Gläsner beruft sich ja im Gegensatz dazu auf die revolutionären Traditionen der Arbeiterbewegung, wobei er die Hoffnung ausdrückt, sie sollten in der PDL wirksam werden. Ein kleiner Schritt dazu könnte auch die Wahrheit über den Gründungskonsens der PDS sein.

Prof. Dr. Hans Kölsch, Berlin


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Ganz toll fand ich den Beitrag "Ein 21jähriger Zittauer hat das Wort" von Dominik Gläsner. Es ist gut zu wissen, daß unsere Sache bei jungen Leuten in sicheren Händen ist. Leider sind es noch zu wenige, die wissen, worauf es ankommt.

Albrecht Schmutzler, Zwickau


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Dominik Gläsners Artikel hat mir sehr gefallen. Ich stimme ihm voll und ganz zu. Diese Einschätzung kann ich mir wohl erlauben, denn ich bin seit 64 Jahren Mitglied der Partei. Nach Faschismus und Krieg trat ich im Herbst 1945 der SPD bei.

Zusammen mit anderen aktiven Genossen unserer Basisorganisation verteile ich jeden Monat einige Hundert Exemplare der Zeitschrift "Blättchen" sowie von "Klar" und "Clara" in unserem Wohngebiet. Außerdem veranstalten wir regelmäßig stark beachtete Info-Stände vor einer Kaufhalle. Unsere Aktivitäten haben Erfolg. Seit Jahren erreicht unsere Partei bei Wahlen in diesem Wahlkreis bis zu 44 % der Stimmen.

Dr. Willi Paubel, Berlin


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Die grundsätzlichen Ansichten Dominik Gläsners teile ich voll und ganz. Von der PDL sollte er allerdings außer einem verbalen "antikapitalistischen Bekenntnis" in erster Linie verlangen, daß sie im Gegensatz zu allen bürgerlichen Parteien konsequent die Interessen der breiten Masse der Bevölkerung vertritt. Programm und politische Arbeit müssen sich klarer von all jenen abgrenzen, welche ihre Ziele und ihren Erfolg in Wirklichkeit nur am wachsenden Profit der Besitzenden messen und nicht an der tatsächlichen Bewältigung gesamtgesellschaftlicher Aufgaben.

Wenn die PDL die Menschen nicht überzeugt, daß nur unter veränderten sozialen Bedingungen und nach Beseitigung der gegenwärtigen Klassenherrschaft Vollbeschäftigung, materielle Sicherheit, allseitige Entfaltung kreativer Fähigkeiten sowie eine reale Chance für die Erhaltung des Erdballs möglich sind, wird sie in den Augen vieler Bürger kaum Anerkennung finden. Sie muß sich als sozialistische Partei und nicht nur als "Linke" zu erkennen geben.

Dr. Manfred Böttcher, Berlin


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Lieber Herr Lonscher, mit Freude habe ich Ihren Artikel im RotFuchs Nr. 138 gelesen. Sicher wäre es auch für meinen Vater eine Genugtuung zu wissen, daß seine und Seinesgleichen Mühen nicht ganz umsonst gewesen sind. Ich wünsche Ihnen Kraft und Mut - nicht unwichtig für Menschen Ihrer Haltung - und natürlich mitunter auch das notwenige Erfolgserlebnis. Mit herzlichen Grüßen

Dr. Christiane Mückenberger geb. Bolz, Potsdam-Babelsberg


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In der RF-Ausgabe Nr. 139 finde ich einen Bericht Günter Freyers mit der Überschrift "Todesschüsse aus dem Westen". Ich möchte dazu folgendes ergänzend berichten: Der ermordete Grenzer Gerhard Hofert war mir persönlich bekannt. Bevor er sich zur Polizei meldete, gehörte er zu meinen Arbeitskollegen. Gerhard war Schlosser, ich Dreher im gleichen Betrieb. In der Arbeit war er gewissenhaft, sein Auftreten von Klassenbewußtsein geprägt. Gerhard lebte bei seinen Großeltern in einem alten baufälligen Haus in Fürstenbergs Berliner Straße. Es wurde später abgerissen.

Ich erinnere mich noch sehr deutlich an die Beisetzung des Ermordeten auf dem dortigen Friedhof, an der ich teilnahm. Die Genossen seiner Polizeieinheit verabschiedeten sich an Gerhards offenem Grab mit einem Ehrensalut von ihm.

Kurt Reschke, Neubrandenburg


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Ich spare mir das Lob für den Leitartikel der August-Ausgabe, weil ich nicht in Verdacht geraten möchte, den Chefredakteur zu hofieren, was sowieso ohne Wirkung bliebe. Die Zahl der Beiträge mit Spitzenqualität ist - aus meiner Sicht - diesmal noch größer als sonst. Zu ihnen zähle ich besonders den Grenztruppen-Artikel auf Seite 2, die Arbeit von Georg Grasnick, den Beitrag von Rudi Dix, dem ich viele mir bislang unbekannte Fakten entnahm. Glänzend argumentiert auch Horst Franzkowiak und theoretisch anspruchsvoll wie in der polemischen Form akzeptabel finde ich Herbert Meißners Replik auf den Dieckmann-Beitrag. Von hohem Informationswert sind die Materialien zu internationalen Fragen. Alles in allem ein Grund, dem Redaktionskollektiv ein aufrichtiges Dankeschön zu sagen.

Wolfgang Clausner, Schwerin


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Mit der Rezension des Buches von Herbert Mies bin ich völlig einverstanden. Allerdings hat der Parteitag, an dessen Rand Gregor Gysi der DKP die Auflösung und den Eintritt ihrer Mitglieder in die PDS empfahl, nicht in Bonn, sondern in Dortmund stattgefunden.

Telefonisch durchgegeben von
Karl Stiffel, Essen


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Als Anmerkung zu Klaus Steinigers August-Leitartikel (Die Ausnahme und die Regel) scheint mir eine Eintragung aus meinem ständig geführten Tagebuch vom 20. August 1989 geeignet: "Als ich Manfred Stolpe besuchte, wurde ich auf der Treppe des Konsistoriums von den z. Zt. höchsten Berliner Kirchenleuten begrüßt - dem amtierenden Bischof von Berlin-Brandenburg Günter Krusche und dem amtierenden Vorsitzenden der Konferenz der Kirchenleitung Manfred Stolpe.

Stolpe und ich hatten anschließend ein sehr interessantes Gespräch über "beiderseits interessierende Fragen". Wir waren uns darin einig, daß SED und Kirche es bitter nötig hätten, gemeinsam gegen verbreitete politische Unvernunft und einseitige Konsumorientierung zu kämpfen. Leider sei das kaum zu erwarten. Die SED werde durch die Arroganz der Macht und die Kirche durch tiefverwurzelten Antikommunismus sowie ihre bürgerliche Grundhaltung daran gehindert.

Dr. sc. Fritz Welsch, Berlin


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Am 2. August wurde im Weimarer Neuen Museum eine Ausstellung unter dem Titel "Franz Ehrlich. Ein Bauhäusler in Widerstand und Konzentrationslager" eröffnet. Das ist aus mehreren Gründen ungewöhnlich. Hier berichtet man von der Entstehungsgeschichte der zynischen Inschrift auf dem Eingangstor des Konzentrationslagers Buchenwald ("Jedem das Seine"). Der Ausstellungsbesucher erfährt, daß sich dahinter völlig unerwarteterweise ein stiller Protest des kommunistischen Häftlings Franz Ehrlich verbirgt. Er konnte den Auftrag des Lagerkommandanten Koch nicht verweigern. Für die Gestaltung der Metall-Lettern wählte er aber statt der gebrochenen Schriften, die von den Nazis als "besonders deutsch" favorisiert wurden, eine Schrift, die sich auf die Typographen des Bauhauses bezog. Wie man erfährt, ist das Lagertor insgesamt von kommunistischen Häftlingen errichtet worden, denen es damals gelungen war, bestimmte Positionen in der Lagerhierarchie und in einigen "Kommandos" einzunehmen, wodurch sie sich der SS-Willkür besser widersetzen und Mitgefangene vor Einsätzen mit hohem Todesrisiko bewahren konnten. Unerwartet für den Besucher ist das, was Ehrlich in und für Buchenwald entwerfen mußte. Nicht minder ungewöhnlich aber ist eine Ausstellung, in der das Schicksal eines KPD-Mitglieds während der Nazidiktatur anhand seiner Werke vorgestellt wird, zumal der Künstler auch in der DDR am Aufbau aktiv beteiligt war, so mit dem Rundfunkhaus in der Berliner Nalepastraße.

Ganz im Gegensatz zu diesem korrekten Umgang mit Ehrlichs Biographie soll in Leipzig Ende des Jahres der Ehrenhain für die antifaschistischen Widerstandskämpfer auf dem Südfriedhof geschleift werden. Grundlage dafür soll ein Stadtratsbeschluß sein, der die nach 1952 Beigesetzten als "zu systemnah" einschätzt. Hier ist auch Franz Ehrlich bestattet.

Rolf Junghanns, Karlsruhe


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Vor einigen Monaten ist von Daniela Dahn ein neues Buch mit dem Titel "Wehe dem Sieger - ohne Osten kein Westen" bei Rowohlt erschienen (ISBN 978-3-498-01329-5). Auch von mir kommt in Kürze ein Buch heraus. Es trägt den Titel "Tucholskys Großkusine erinnert sich". Sein Hauptanliegen ist die Darstellung der Judenverfolgung in Dresden, die ich als Kind bis zum bitteren Ende an der Seite meiner Mutter - Tucholskys Cousine Anne-Marie - durchgestanden habe. Breiten Raum nimmt auch die Schilderung meines Lebens in der DDR ein, die mir die Möglichkeit bot, alles vorher Versäumte, darunter auch das Studium, nachzuholen (edition winterwork, Grimma - ISBN 978-940 167-88-0).

Brigitte Rothert, Berlin


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Die eindrucksvolle Schilderung "Eine Rose für Varvarin" (RF 139) von Wolfgang Zierold veranlaßt uns zu einer Information. Wir erlebten einhundert bedrückende und nachdenklich stimmende Minuten in der Neuen Bühne von Senftenberg. Alle Beteiligten waren zwischen 1999 und 2007 aktive Gestalter der Initiative "Hilfe für Serbien" in der Oberlausitz, so daß sie sich mit den Verletzten, auf Lebenszeit körperlich und seelisch Geschädigten und Hinterbliebenen der Toten des barbarischen NATO-Angriffs auf diese Brücke in Gedanken solidarisch verbunden fühlten.

In einer szenischen Dokumentation wird das Schicksal der ermordeten 15jährigen Sanja, ihrer beiden schwerverletzten Freundinnen und der weiteren neun getöteten sowie der 28 verletzten Zivilisten in ergreifender Weise den Zuschauern nahegebracht.

Als der Vorhang fiel, setzte nach einer Minute der Schweigens zögerlicher Beifall ein, weil das Gesehene und Gehörte Applaus eigentlich hätte verbieten müssen. Die großartige Leistung des Ensembles und seines Intendanten Sewan Latchinian fand hohe Anerkennung. Wir wünschten uns, die Darsteller würden und könnten mit dieser Inszenierung nach einer Idee und Textvorlage von Hans Wallow, worin wohl auch von uns wiedererkannte Textausschnitte aus einem seit März 2001 publizierten Buch von Gabriele Senft einflossen, in vielen deutschen Städten gastieren.

Manfred und Helmut Holfert, Löbau/Berlin


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Hier meldet sich ein "RotFuchs"-Neuleser zu Wort. Ich bekomme die Zeitschrift erst seit Mai. Durch den gezielten Hinweis eines Spremberger Genossen gibt es nun monatlich Lesestoff, welcher sich wohltuend von der "gleichgeschalteten" Presse abhebt. Der RF bestätigt oft die eigene Meinung und vertritt einen klaren Standpunkt. Es wird deutlich, daß nicht jeder nach der sogenannten Wende dem opportunistischen Prinzip das Wort redete: "Bist Du biegsam wie ein Wurm, überstehst Du jeden Sturm."

"RotFuchs"-Leser wissen mehr.

Siegfried Duske, Biedenkopf


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Mein Enkel heißt Marcus. Er ist 23, hat seinen Wehrdienst abgeleistet und studiert Betriebswirtschaftslehre. Wir trafen uns. Ich frotzelte: "Na, nun hast Du den Wehrdienst schon als Friedensdienst bewältigt, das vergoldete Eiserne Kreuz ist für Dich in weite Ferne gerückt. Oder willst Du Dich für den 'Aufbaudienst' am Hindukusch verpflichten? Es gibt hohen Sold, außerdem läßt es sich mit dem Gewehr auf dem Rücken vortrefflich neue Straßen bauen." Der Hieb saß: "Nein, mein Bedarf an Heldentaten ist gedeckt. Dieses Kreuz will ich nicht. In der aktuellen Form gibt es das schon seit fast 200 Jahren. Selten wurde es für einen ehrenvollen Kampf verliehen, aber immer mit der Verpflichtung, sein Leben zu opfern. Friedrich Wilhelm III. hat es 1813 gestiftet. Damals ging es um die Befreiung vom napoleonischen Joch. 24.000 Preußen gaben ihr Leben. Niemand weiß, wie viele mit und wie viele ohne Eisernes Kreuz gestorben sind." Ich wandte ein: "Warum so negativ? Auch die Schlachtrösser des Deutschen Ritterordens zierte ein ähnliches Kreuz auf dem Reitertuch."

Marcus holte tief Luft und erwiderte: "Unter diesem Zeichen mit Kaiserkrone oder Hakenkreuz wurden der I. und der II. Weltkrieg geführt. Im ersten zählte man sechs, im zweiten über fünfzig Millionen Tote. Wenn dieser Tradition mit dem goldenen Ehrenzeichen der Bundeswehr nun gedacht werden soll, hat Herr Jung nichts aus der deutschen Geschichte gelernt."

"In einem III. Weltkrieg dürften die Goldvorräte der Bundesbank nicht reichen, um genügend Kreuze anzufertigen", warf ich ein. "Dann werden wieder Eiserne Kreuze herhalten müssen."

Dr. Klaus Flemming, Berlin


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Wie unsere Bundeskanzlerin war auch ich aktiver FDJler. 1948 demonstrierten wir in Ost und West gegen die bevorstehende Einführung der separaten Währungsreform und die damit drohende Spaltung Deutschlands. Dennoch wurde das Potsdamer Abkommen mit der Gründung der BRD gleich mehrfach gebrochen. In diesem Dokument war u. a. die wirtschaftliche Entwicklung innerhalb Gesamtdeutschlands vorgesehen.

Ein anderes Thema: Die Bundesregierung hat es wirklich nicht leicht. Einerseits werden das Ministerium für Staatssicherheit und dessen Mitarbeiter unablässig verteufelt. Andererseits hört man, daß Tausende gut ausgebildete Fachkräfte dieser Herkunft heute zur Wahrung des Grundgesetzes in Behörden der BRD tätig sind. Das dürfte schon seine Gründe haben.

Bibliotheksrat Egon Szamiteit, Dessau


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General Jörg Schönbohm brachte viel Einfühlungsvermögen auf, um die NVA im Auftrag der BRD-Regierung außer Gefecht zu setzen. Dann stieg er in die Politik ein. Der Berliner Senat war ganz hin, so einen umsichtigen und erfahrenen "Politiker" in seinen Reihen zu haben. Nachdem er auch dort für "Ordnung" gesorgt hatte, durfte er seinen Dienst beenden. Nun riß sich die Brandenburger Landesregierung um ihn. Er wurde Innenminister. Nachdem er in mühevoller Arbeit die Kriminalitätsrate im Land so weit gesenkt hatte, daß sich alle Bürger in Sicherheit wiegen können und sämtliche Verkehrsteilnehmer nur noch den Regeln der Disziplin folgen, konnte man die Personalstärke der Polizei rigoros reduzieren. Da Schönbohm seine Arbeit als Innenminister absolviert hat, wendet er sich nun neuen Betätigungsfeldern zu. In der "Märkischen Allgemeinen" (18.8.) tat er kund: "Nichtsdestoweniger müssen wir intensiv besprechen, was 40 Jahre Indoktrination in der DDR bedeuten, wie wir Verwahrlosung und Entbürgerlichung verhindern, was wir gegen Entkirchlichung und für die Wiederbelebung des Christentums in Ostdeutschland tun können." Klagend fügte er hinzu: "Wir haben hier beispielsweise etwa dreimal so viel Jugendweihen wie Konfirmationen."

Auf zu neuen Ufern, Herr Schönbohm!

Volker Kretzschmar, Potsdam


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1954 wurde ich Zeuge des großen Metallarbeiterstreiks in Bayern. Über dessen Verlauf informierte ich meine Abteilung im ZK, die mich zu diesem Zweck für sieben Wochen als Beobachter an den Ort des Geschehens delegiert hatte. In dieser Mission nahm ich auch an Sitzungen der für Streikfragen zuständigen Kommission der Münchner KPD-Landesleitung teil. Einen starken Eindruck machte Richard Scheringer auf mich, der dem Sekretariat angehörte. Als 26jähriger erlebte ich hautnah ein Urgestein der bayerischen Kommunisten. Ich war von der politischen Weitsicht, Klugheit und Konkretheit seiner Analyse der Streiklage sehr beeindruckt.

Richard Scheringer bleibt mir stets in Erinnerung. Am 18. August versammelten sich Sozialisten, Kommunisten und andere Linke am Gedenkstein für Ernst Thälmann in Reutershagen. Die Rede zum 65. Jahrestag der Ermordung des KPD-Vorsitzenden hielt Hansi Scheringer, ehemaliger Landtagsabgeordneter der PDS in Mecklenburg-Vorpommern und Mitglied der Landesleitung der VVN-BdA. Der heute 70jährige ist einer der Söhne Richard Scheringers. Hansi hatte als damals 15jähriger Jungkommunist die bayerische Streikbewegung der Metaller durch das tägliche Verteilen von Flugblättern der Partei aktiv unterstützt.

So schließt sich für mich der Kreis: Ich habe zwei gestandene deutsche Kommunisten kennengelernt, die dem Vermächtnis Ernst Thälmanns treu geblieben sind.

Harry Machals, Rostock


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Als ich im RF 139 Manfred Hockes Archie über das Provinztheater las, erinnerte ich mich sofort an Selbsterlebtes. Ja, es stimmt: Die "marode" DDR tat viel, um auch in den kleinsten Dörfern die innere Beziehung der Bürger zum Theatererlebnis zu fördern. Etwa 25 Jahre besuchten meine Frau und ich über Anrechte die Vorstellungen der Landesbühnen Sachsen und des deutsch-sorbischen Volkstheaters Bautzen im Kreiskulturhaus "Karl Liebknecht" in Neustadt. Als durch Lohsdorf noch nicht der Theaterbus fuhr, gingen wir zu Fuß in den Nachbarort und schlossen uns der dortigen Besuchergemeinde an. Doch dank der fleißigen Werbung zweier Lohsdorfer Frauen lastete bald auch unser kleiner Ort einen ganzen Bus aus. Nachdem die Semperoper in Dresden in den 80er Jahren den Spielbetrieb aufnahm, konnten wir Vergleiche anstellen. Archie hat recht: Auch in einer Großstadt wurde nur mit Wasser gekocht.

Der Arbeitstag auf dem Lande war seit jeher lang, zumal im Sommerhalbjahr. Dennoch besuchten monatlich zwischen 30 und 40 Dorfbewohner die Vorstellungen in Neustadt.

Eine Episode am Rande: Lina Näther und Gustav Müller waren in ihrem langen Leben noch nie in einem Theater gewesen. Die Landesbühnen spielten den "Fliegenden Holländer". In der großen Pause vertrat man sich die Beine vor dem Eingang. Doch unsere beiden Rentner fehlten im zweiten Teil der Aufführung. Sie hatten sich schon zur Bushaltestelle begeben. "Wo bleibt Ihr denn solange?", meinten sie. Sie hatten angenommen, die Vorstellung sei mit der Pause zu Ende gewesen.

Werner Döring, Lohsdorf


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Es ist jedesmal eine große Freude, wenn wir den RF erhalten und darin einen neuen Beitrag von Manfred Hocke finden. In der Augustausgabe lasen wir "Archie und das Provinztheater". Dort wird großartig über die Errungenschaften der DDR-Theaterlandschaft geschrieben.

Die Zeitschrift "RotFuchs" ist für uns nicht zuletzt ein Blatt des Erinnerns an die DDR. Zugleich wird der Nachweis über die Zerstörung des ersten Arbeiter-und-Bauern-Staates auf deutschem Boden geführt.

Dieter und Norbert Meineck, Stendal


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Unlängst besuchte ich ein Forum Linksgesinnter, auf dem es um den Weg der VR China ging. Es war erschreckend, welche Gedankengespenster noch in vielen Köpfen herumspuken, wenn es um China geht. Es ist, als fragte uns ein Ausländer, wieweit wir auf dem Bitterfelder Weg seien und ob noch die Parole "Überholen ohne einzuholen" gelte. Grund genug also, etwas Reklame für Rolf Bertholds Buch "Chinas Weg" zu machen, in dem er nicht analysiert (was er durchaus könnte) oder räsoniert. Er bringt uns statt dessen Dokumente der KP Chinas zur Geschichte, zu Parteitagen und zum Programm nahe. Die berühmten Schuppen fallen von den Augen! Nicht nur, was den Weg der chinesischen Kommunisten betrifft. Am 1. Oktober wird die Volksrepublik 60 Jahre alt. Die bürgerliche Presse wird also ihre Geschütze in Stellung bringen.

Bernd Gutte, Görlitz


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Daß Geschichte, da von Menschen gemacht, erlebt oder erlitten, je nach Herkunft, Erfahrung und Wertmaßstäben sehr unterschiedlich und häufig kontrovers beurteilt wird, sollte nach 20 Jahren Diskussion über die DDR-Vergangenheit - nicht zuletzt im ND - seriösen Redakteuren geläufig sein. Herr Schütt allerdings erhebt das Bekenntnis einer einstigen DDR-Sportlerin des Jahres, sie habe sich in ihrem Sport "versteckt", sogleich zur allgemeingültigen Wahrheit über die DDR. Er instrumentalisiert diese Aussage auch noch, um auf Herrn Bries einschlägiges Vokabular ("Diktatur", "Grauen", "Unmündigkeit") aus dem "Kalten Krieg gegen das Gedächtnis" (ND 11./12. Juni) zurückgreifen zu können. Der Übergang eines großen Teils des "linken Milieus" zur rechtsgerichteten Interpretation der Geschichte ist auch hierzulande ein Phänomen.

Ich selbst gestehe, daß mir einstige Diplomaten im Trainingsanzug sehr viel sympathischer waren und noch heute sind - Heike Drechsler eingeschlossen! - als deutsche Tornado-Piloten über Belgrad vor einem Jahrzehnt oder Kampfpanzerfahrer am Hindukusch - heute und für wie viele Jahre noch?

P.S.: Als die "junge Welt" 1986 die böse "ideologische Interpretation" des Auftretens der DDR-Sportler als Künder für den Friedenswillen unserer damaligen Republik verbreitete, hieß deren Chefredakteur übrigens Hans-Dieter Schütt.

Prof. Dr. Karl-Heinz Bernhardt, Berlin


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Die Einschätzung Prof. Meißners, daß mit einer revolutionären Situation in absehbarer Zeit nicht bzw. kaum zu rechnen ist, kann ich aus meiner Kenntnis der Lage in Südwestdeutschland (Baden) nur bekräftigen. Die Menschen hier sind trotz der krisenhaften Gesamtlage und ihrer Unzufriedenheit darüber in ihrer Mehrheit nicht auf eine revolutionäre Veränderung eingestellt. Viele von ihnen, auch einfache Leute mit geringen bis mittleren Einkommen, verstehen solche Überlegungen nicht einmal, wie ich bei mehrfachen Befragungen auf einem typischen Wochenendmarkt in Karlsruhe feststellen mußte, weil sie von der marxistischen Revolutionstheorie noch nichts gehört, geschweige eine entsprechende gesellschaftspolitische Ausbildung wie viele ehemalige DDR-Bürger genossen haben.

Ich finde es aber bedenklich, solche Menschen als untauglich und "ohne Klassenbewußtsein" einzustufen, als "Arbeiteraristokraten", die noch in einem relativen Luxus leben und deshalb vom Imperialismus korrumpiert sind, selbst wenn das theoretisch und objektiv richtig sein sollte. Es besteht aus meiner Sicht die Gefahr, daß die marxistisch geschulten Fachleute und Verfasser der RF-Artikel von einer gewissen "hohen Warte besseren Wissens" über die heutigen "Massen" urteilen, wenn sie - bei aller wissenschaftlichen Analyse - zu solchen, eigentlich etwas abschätzigen Beurteilungen gelangen.

Die "Massen" sind heute keine homogene Gruppe von Proletariern mehr, die von einer revolutionären Partei wie der KPD der 20er Jahre angeleitet werden, sondern eine Vielzahl von Gruppierungen mit unterschiedlichsten Interessen. Es bedarf offenkundig neuer, der gegenwärtigen Situation angepaßter Formen des Kampfes für eine bessere Gesellschaft. Und auch eine Ausrichtung der marxistisch-leninistischen Revolutionstheorie auf die aktuelle gesellschaftliche Praxis, wenn dieser Kampf Chancen haben soll. Ich hoffe nicht, daß mir strenge Marxisten diese Ansicht gleich als "Revisionismus" auslegen.

Dr. Rainer Kluge, Karlsruhe


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Der in Vorpommern erscheinende "Nordkurier" hat es in einem Landstrich schwer, wo mindestens acht Prozent der Bevölkerung Analphabeten sein sollen und sich nicht einmal mehr 20 % der Haushalte eine halbwegs anspruchsvolle Tageszeitung leisten können. Betrachten wir aber die uns angebotenen Informationen: Die meisten Ostdeutschen seien ausländerfeindlich, arbeitsunwillig, an ihrer Armut selbst schuld, demokratieverdrossen, staatsüberdrüssig und trauerten nostalgisch verklärten Vergangenheitsbildern nach, weil ihre Lebensleistung mißachtet und teilweise kriminalisiert werde. So liest man es u. a. im NK. In einer nahegelegenen Gaststätte habe ich unlängst in der NK-Vorgängerin "Freie Erde" der 60er und 70er Jahre geblättert. Die lokalpolitische Teil war fast eine Erholung für mich.

Dr. med. sc. G. Machalett, Siedenbollentin


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Legende oder Wirklichkeit? Erinnerungen an die dramatischen Tage um den 17. Juni 1953 wurden wach, als ich Max Zimmerings Rückblick im RF 137 las. Als engagierter Zeitzeuge kann ich durchaus nachvollziehen, was ihm damals im Zentrum der Hauptstadt widerfuhr. Die nicht weniger brutale Entführung des stellvertretenden DDR-Ministerpräsidenten und CDU-Vorsitzenden Otto Nuschke, der sich charakterfest verhielt, nach Westberlin, erlebte ich aus geringer Entfernung mit.

Größere Schwierigkeiten hatte ich mit dem ganz anders gearteten Erlebnisbericht von Gisela Tews im RF 139. Ihre Polemik gegen Teile der Zimmeringschen Darstellung kann ich so nicht nachvollziehen. Das Rot aus nicht wenigen Fenstern der bereits bezogenen Wohnungen möchte ich - auch 56 Jahre nach den Ereignissen - nicht wegretuschiert wissen. Noch weniger meine Erinnerung an eine dieser Wohnungen, die es tatsächlich schon gab. Ich hatte im Wirrwarr jener Tage mit einem weiteren Mitstreiter des Berliner Verlags ein Notquartier bei einer Journalistin gefunden, die übrigens zu den Glücklichen zählte, welchen im Rahmen des Nationalen Aufbauwerks Berlin - so nannte man damals diese Masseninitiative - bereits eine Wohnung in der seinerzeitigen Stalinallee als Auszeichnung für zahlreiche unentgeltlich geleistete Arbeitsstunden zuerkannt worden war.

Heinz Knapp, Schwetzingen


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Der Beitrag "Kriminelle Kriminalisierer" von Wolfgang Kutz trifft den Nagel auf den Kopf. Kriminell waren nämlich nicht die DDR-Grenzsoldaten, sondern jene in der BRD und anderen westlichen Staaten, welche in Kenntnis der den Betreffenden drohenden Gefahr Tausende manipulierten und dazu bewogen, die stark bewachte Grenze zwischen den zwei einander feindlich gegenüberstehenden Weltsystemen leichtfertig zu überschreiten. Wäre es den Rattenfängern tatsächlich um das Wohl und Wehe ihrer Brüder und Schwestern in der "Ostzone" gegangen, dann hätten sie zu einer illegalen Ausreise Entschlossenen von der Republikflucht abgeraten. So aber feierten sie jene, welchen die Flucht auf die gefährlichste und abenteuerlichste Weise gelang. Vor Fernsehkameras wurden sie zu Helden ernannt. Wäre es nicht besser gewesen, die Souveränität des Staates DDR anzuerkennen? Aber dem Westen waren Maueropfer angenehmer als eine offizielle Einreise per Visum.

Übrigens wird nicht nur an Grenzübergängen vor dem Schußwaffengebrauch gewarnt, auch an jeder beliebigen Kaserne der Bundeswehr kann man Ähnliches lesen.

Margareta Trescher, Ilmenau


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Der Umgang der CDU-Saar mit der NS-Vergangenheit ihrer Gründer ist Inhalt einer Broschüre des kürzlich verstorbenen Historikers und RF-Lesers Dr. Luitwin Bies. Er hat die Tätigkeit ihrer Politiker während des Dritten Reiches untersucht und dabei festgestellt, daß viele in das faschistische System verstrickt waren. Als prominentester Fall galt der des ehemaligen CDU-Fraktionsvorsitzenden im Saarländischen Landtag Ernst Albrecht, der als "Blutrichter von Prag" viele Todesurteile fällte und später wegen seiner Verbrechen gesucht wurde. Die von der Peter-Imandt-Gesellschaft, Saarbrücken, herausgegebene Broschüre kann unter der Telefonnummer 0681/5953892 bezogen werden.

Patric Bies, Völklingen


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Den Beginn des neuen Schuljahres nehme ich - inzwischen fast 70jährig - zum Anlaß, mich an meinen ersten Schultag am 1. September 1946 zu erinnern. Damals bekam ich zwar zwei Schultüten, aber sie enthielten Gurken, Tomaten und Kümmelkekse. Vater war im Kraftwerk als Maschinist tätig. Dafür bekam er im Jahr 100 Zentner Deputat-Briketts. Ein Teil wurde bei Bauern gegen Getreide und andere Lebensmittel eingetauscht. Wenn ich heute an meine Kindheit zurückdenke, muß ich trotz alles Schweren sagen, daß sie schön war. In den Ferien wurde uns viel geboten: Ferienspiele im Ort, Betriebsferienlager und Fahrten für wenig Geld. Junge Leute von heute können nicht nachvollziehen, wie genügsam wir waren. Wir wollten vor allem Frieden, genug zu essen, Kleidung und einen guten Beruf. Holzschuhe kennt jetzt niemand mehr. Heute will man möglichst alles sofort haben - auch auf Pump -, aber nichts dafür tun.

Am 1. September 1939 brach Hitlerdeutschland den II. Weltkrieg vom Zaun. Die Mitglieder der BRD-Regierung sind zu jung, um einen Krieg erlebt zu haben. Aber sie befürworten ununterbrochen militärische Einsätze und verheizen dabei junge Menschen. Wie kann man nur so gewissenlos sein?!

Rosemarie Wilde, Kamenz


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Es spricht für sich, wenn ausgerechnet Gauck im Vorwort zu Günter Schabowskis Machwerk "Der Zerfall einer Leihmacht" höchstes Lob über die erbärmliche Wandlung eines ehemaligen ND-Chefredakteurs ergießt.

Wie konnte sich ein langjähriges SED-Mitglied, ehemaliger Bezirkssekretär in Berlin und Mitglied des Politbüros so vom Paulus zum Saulus entwickeln? Meine Meinung: Als der Untergang der DDR nicht mehr aufzuhalten war, trennte sich Schabowski von seiner Vergangenheit und stieg in das Boot der Gegner des Sozialismus um. Mit der Verurteilung all dessen, was er vorher verteidigt hatte, versuchte er nun auch beim Gegner Karriere zu machen. Doch sein Wunsch, mit offenen Armen empfangen und gefördert zu werden, ging so nicht in Erfüllung. Er wurde als einer der schlimmsten Wendehälse aus der Ex-DDR betrachtet. Schabowski kann heute reden und schreiben, was er will: Es wird ihm nicht gelingen, bei politisch orientierten Menschen Verständnis für seinen Wandel zu erreichen. So bleibt er auf Gauck und Birthler angewiesen.

Artur Amthor, Bentwisch


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Herzlichen Dank für den August-RF. Er ist wie immer interessant und aufschlußreich. Wir überlegen, den Steinmeier-Bericht in unsere kleine Ortszeitung "Pegnitz-Echo" aufzunehmen.

Ich bin seit 62 Jahren Mitglied der KPD und der DKP. Dafür ging ich unter Adenauer 33 Monate ins Gefängnis. An meinem Geburtstag - dem 17. August - wurde 1956 die KPD verboten. Manche Genossen glaubten damals, in die SPD eintreten zu müssen, um dort für Fortschritt und Sozialismus zu wirken. Jeder weiß, was daraus geworden ist. Nur eine Partei, die sich offen zu Marx, Engels, Lenin, Liebknecht, Luxemburg, Thälmann, Pieck und Ulbricht bekennt, kann im Kampf für eine bessere Gesellschaftsordnung letzten Endes erfolgreich sein.

Erich Schreier, Röthenbach/Pegnitz


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Mit Freude lese ich seit drei Ausgaben den "RotFuchs" aus der annektierten DDR. Besonders gut finde ich, daß Ihr die Bundeswehr und deren Nebenorganisationen (z. B. ihren Reservistenverband) publizistisch unter Beobachtung gestellt habt. Das dokumentiert die Spitze des reaktionären Staatsumbaus, den der BRD-Imperialismus seit der Annexion der DDR in den 90er Jahren betreibt. Die Herrschenden werden keine Minute zögern und die Bundeswehr in Marsch setzen, falls die "friedlichen Mittel" des Neokolonialismus, der Diplomatie und der Außenpolitik nicht mehr ausreichen.

Karsten Schönsee, Nürnberg


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Frau Merkel sucht den "Makel" bestimmter FDJFunktionen und eines Elitestudiums in Woronesh (UdSSR) durch die Kolportage besonderer Heldentaten gegen die DDR loszuwerden. Wir erfahren dazu Näheres in der "Berliner Morgenpost" vom 17.8. Unter der Überschrift "Merkel trieb die DDR mit Blaubeeren in den Ruin" konnte man dort lesen: "Sie hat Blaubeeren im Wald gesammelt, dann das Kilo für 4 Mark an die Handelsgenossenschaft Obst und Gemüse verkauft. Dank der DDR-Subventionen wurde dieses Kilo an die Kunden für nur 2 Mark abgegeben. 'Einer von uns hat also verkauft, der andere ist nach einer Stunde in den Laden gegangen und hat gefragt, ob es Blaubeeren gibt, und diese dann für 2 Mark gekauft.'" Das Blatt schreibt dazu: "Eine beerenstarke Geschäftsidee. Kein Wunder, daß die DDR bankrott ging."

Nun kann Frau Merkel endlich aufatmen, ist sie doch als Widerstandskämpferin gegen die DDR mit dem höchsten Blaubeer-Orden ausgezeichnet worden.

Themenwechsel: Mein zeitweilig vergriffenes Buch "Resident der HVA in New York", erschienen bei edition ost (ISBN 978-3-89793-228-9), ist jetzt wieder im Handel erhältlich.

Horst Joachimi, Berlin


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Hermann, der Cherusker, auch Arminius genannt, ist der Held der Schlacht im Teutoburger Wald. Hier schlug er bekanntlich drei römische Legionen des Varus. 1875 setzte man ihm ein Denkmal, das bald zu einem wilhelminischen Wallfahrtsort wurde.

Nun möge sich der Leser einmal vorstellen, daß die "Spieltruppe" der Birthler-Behörde bei ihrer täglichen Schnitzeljagd zu dem Ergebnis kommt, auch besagter Hermann sei ein IM des MfS gewesen. Er würde quasi über Nacht vom Helden zur Persona non grata.

Wilfried Steinfath, Berlin

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Quelle:
RotFuchs Nr. 141, 12. Jahrgang, Oktober 2009
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veröffentlicht im Schattenblick zum 5. November 2009