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POLITISCHE BERICHTE/135: Zeitschrift für linke Politik 4/10


Politische Berichte - Zeitschrift für linke Politik

Nr. 4 am 9. April 2010


INHALT

Aktuell aus Politik und Wirtschaft
Politische Berichte im Internet
Bürokratie und Selbstverwaltung
FC St. Pauli : Hansa Rostock: ein Spiel im polizeilichen Notstand
Deutschland auf dem Weg vom Krieg in zum Krieg gegen Afghanistan
Auslandsnachrichten

Regionales und Gewerkschaftliches
Aktionen ... Initiativen
Kommunalpolitische Konferenz der Bundestagsfraktion Die Linke
Kommunale Politik
IG Metall fordert neue Regeln für Leiharbeit
Innungsbetriebe müssen Tarif zahlen
Bankentarifrunde im Schatten der Finanzkrise
Die Mythisierung der kirchlichen Arbeitswelt als Dienstgemeinschaft
Wirtschaftspresse

Diskussion und Dokumentation
Was sucht die Bundeswehr an Schulen?
Banken aus Sicht der Systemtheorie
In & bei der Linken
Aussichten einer Staatsbank

Termine

Raute

AKTUELL AUS POLITIK UND WIRTSCHAFT

Politische Berichte im Internet: www.gnn-verlage.com


Rekord-Defi zit der öffentlichen Hand

Statistisches Bundesamt, 31.3. rül. Das Statistische Bundesamt hat Ende März ein Rekord-Defizit der öffentlichen Hand für 2009 gemeldet. Danach stieg das Finanzierungsdefizit der öffentlichen Haushalte einschließlich der Extrahaushalte im Jahr 2009 auf 105,5 Milliarden Euro. "Dies ist das bislang höchste Finanzierungsdefizit der öffentlichen Haushalte. Zum Vergleich: Im Jahr 2008 verzeichneten die öffentlichen Haushalte ein Finanzierungsdefizit von 5,2 Milliarden Euro und im Jahr zuvor einen Finanzierungsüberschuss von 11,1 Milliarden Euro", heißt es in der Erklärung. Das Finanzierungsdefizit des Bundes stieg 2009 dabei um 38,2 Milliarden Euro auf 55,9 Milliarden Euro. Davon entfi elen 22,9 Milliarden Euro auf die Extrahaushalte Finanzmarktstabilisierungs-, Investitions- und Tilgungsfonds. Auch das Finanzierungsdefizit der Länder erhöhte sich beträchtlich auf 27,8 Milliarden Euro. 2008 hatten die Länder noch einen Finanzierungsüberschuss von 1,0 Milliarde Euro erzielt. Für die Gemeinden und Gemeindeverbände, die 2008 ebenfalls einen Finanzierungsüberschuss ausgewiesen hatten, ergab sich 2009 ein Finanzierungsdefizit in Höhe von 7,1 Milliarden Euro. Ursache war neben den Ausgaben zur Eindämmung der Banken- und Wirtschaftskrise ein starker Rückgang der Steuern, insbesondere geringere Einnahmen aus der Einkommen- und Körperschaftsteuer. Bei den kommunalen Steuern fiel der Rückgang mit einem Minus von 11,4% auf 62,4 Milliarden Euro - unter anderem wegen stark rückläufiger Gewerbesteuereinnahmen - noch stärker aus. Die Nettokreditaufnahme von Bund, Ländern und Kommunen stieg deshalb 2009 auf 83,7 Milliarden Euro (2008: 10,7 Milliarden Euro). Alle Kreditmarktschulden der öffentlichen Haushalte erreichten am 31. Dezember 2009 den Stand von 1630,5 Milliarden Euro. Für 2010 wird eine noch stärkere Neuverschuldung der öffentlichen Haushalte erwartet.


Atomare (Ab)rüstung

FAZ, 7.4. maf. Die Regierung Obama/Clinton hat mit Russland ein Abkommen aushandeln können, das zu einer Reduktion der atomaren Bewaffnung führen kann. Die USA haben bei dieser Gelegenheit ihre Militärdoktrin geändert. Die USA hatten sich bisher keinerlei Fesseln für die Drohung mit Atomschlägen anlegen lassen wollen. Der Vertrag zwischen den USA und Russland wird auch eine Ausstiegsklausel enthalten für den Fall, dass eine der beiden Seiten versucht, die strategischen Gewichte zu ihren Gunsten zu verschieben. Dieser Punkt wird von Russlands Außenminister Lawrow im Zusammenhang mit den Raketenstationierungsprogrammen der USA im östlichen Europa genannt.


EU-Bürgerinitiativen

der standart, 31.3. hav. Die EU-Kommission hat Kriterien für die erstmals im Lissabon-Vertrag geschaffene Möglichkeit von EU-Bürgerinitiativen vorgeschlagen. EU-Bürger sollen ab einer Million Unterschriften die EU-Behörde zu Vorschlägen auffordern können. Unterstützer müssen aus mindestens neun EU-Staaten - das heißt einem Drittel der derzeit 27 Mitgliedsländer - kommen. Das von der EU-Kommission vorgestellte konkrete Verfahren sieht nun vor, dass zunächst mindestens 300.000 Unterstützungsbekundungen von Unterzeichnern aus mindestens drei EU-Staaten gesammelt werden. Zwei Monate soll die EU-Kommission Zeit haben, um zu überprüfen, ob der Gegenstand des Begehrens überhaupt EU-Kompetenz ist. Nach weiteren vier Monaten will sie in einer formellen Mitteilung ihre weitere Vorgangsweise zum Thema bekannt geben - also ob sie einen Gesetzesvorschlag ausarbeiten will oder nicht. Auch im Falle einer positiven Beurteilung, gibt es aber keinen Zeitrahmen, innerhalb dessen sie agieren müsste. "Das geht natürlich nicht", sagte die Grüne-Europaparlamentarierin Ulrike Lunacek. "Ein Zeitplan für die Vorlage ist unbedingt notwendig. Sonst könne es auch fünf Jahre dauern, bis etwas passiere. Auch die "viel zu hohe Schwelle" von neun Ländern, kritisierte Lunacek. "Wenn man will, dass die Bevölkerung mitmacht, muss man sie heruntersetzen - wir wollen ein Fünftel."


Kritik an EU Agenda 2020

www.elisabeth-schroedter.eu. 25.3. hav. Auf ihrem Frühjahrsgipfel diskutierten die 27 EU-Regierungschefs über die Strategie der europäischen Wirtschafts- und Sozialpolitik bis 2020. Die EU-Kommission hatte ein paar vage Vorschläge vorgelegt, die im Juni verabschiedet werden sollen. Vor allem der Bundesregierung gingen diese Vorschläge schon zu weit. Gegen das Papier der EU-Kommission und das Verhalten der Bundesregierung gab es berechtigte Kritik. So kritisierte die grüne Europaabgeordnete Elisabeth Schroedter, Vizepräsidentin des Ausschusses für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten: "Noch deutlicher wird Merkels Blockadehaltung gegen ein soziales Europa, wenn sie heute versucht, das gemeinsame Ziel zu blockieren, die Armut in Europa in den nächsten zehn Jahren auf die Hälfte zu reduzieren. Ihre Argumentation, Armut sei relativ und deshalb könne man diese nicht definieren, steht für ein "Scheuklappendenken". Schließlich sind in Deutschland zwölf Millionen Menschen armutsgefährdet. Diese Zahl zeigt, dass Armut auch in Deutschland strukturelle Ursachen hat und selten selbstverschuldet ist. Und der Vorsitzende der Fraktion der Linken im EU-Parlament Bisky ergänzt: "Der Strategie liegt leider erneut die gescheiterte Wettbewerbsideologie zugrunde, die zur Krise geführt hat. Wir wollen eine Strategie für Europa, die die sozialen und ökologischen Notwendigkeiten über die Wettbewerbsinteressen stellt. Davon ist EU2020 kilometerweit entfernt." Die europäische Linksfraktion fordert verbindliche Vereinbarungen zu sozialen und ökologischen Zielstellungen sowie zur Bekämpfung von Armut.


EU-Subventionen trugen laut Studie zu Überfischung bei

AFP, 2.4. hav. EU-Fördergelder haben einer neuen Studie zufolge die exzessive Ausbeutung von Fischbeständen zumindest teilweise befördert. Die Verbindung zwischen Subventionen und Überfischung "ist klar", urteilte Tim Huntington von der Beratungsgesellschaft Poseidon, die die Studie gemeinsam mit der Organisation Pew Environment Group in Brüssel veröffentlichte. Die Studie nahm unter die Lupe, wie knapp fünf Milliarden Euro aus dem EU-Fördertopf "Finanzinstrument für die Ausrichtung der Fischerei" zwischen 2000 und 2006 ausgegeben wurden und welche Folgen die Ausgaben hatten. Sie bezieht sich auf zehn Länder und rund 93 Prozent der Fördersumme. Demnach wurden in dem fraglichen Zeitraum Bau und Modernisierung von Schiffen mehr als 24 Metern Länge stärker bezuschusst als ihre Verschrottung, während das Verhältnis sich bei kleinen Küstenfahrzeugen umkehrte. Je größer die Schiffe, desto weiter können sie aufs Meer hinaus fahren und desto größere Mengen Fisch an Bord nehmen. Insgesamt hätten rund 29 Prozent der Fördergelder zu einer Erhöhung der Fischfangkapazitäten beigetragen, 17 Prozent hätten, vor allem durch Abwrackprämien, die Kapazitäten verringert.


Insolvenz von systemrelevanten Banken macht Schwierigkeiten

Presse, Bundesfinanzministerium, gst. Laut Bundeskanzlerin Merkel darf "kein Institut so groß werden, dass es im Konkursfall die Regierung erpressen kann". Die Umsetzung kommt nur stockend voran. Nachdem sich zu Guttenberg, Zypries und Steinbrück vergeblich an der Entwicklung eines wie auch immer gearteten Insolvenzverfahrens für systemrelevante Banken versucht hatten, bringt das am 31. März vorgelegte Eckpunktepapier der Bundesregierung zur Finanzmarktregulierung noch wenig Klarheit. "Systemrelevante" Teile einer Bank sollen im Rahmen eines nicht näher beschriebenen neuen Sanierungsverfahren auf einen privaten Dritten oder eine "staatliche Brückenbank" übertragen werden und die verbleibenden nicht systemrelevanten Betriebsteile liquidiert werden können. Diese und weitere Eckpunkte zu Bankenabgabe, Finanzaufsicht und Vorstandshaftung "sollen schon bald in einen Gesetzentwurf einfließen". Nach einem "White Paper" aus dem Center for Financial Studies Frankfurt/Main (Krahnen, Siekmann, Rettungsstrategie ohne Moral Hazard - Versuch eines Gesamtkonzepts zur Bankkrisenvermeidung, 12.2.2010) hat sich aufgrund der bisherigen Bankenrettungsverfahren in Deutschland wie in den meisten anderen Ländern "die stabile Erwartung herausgebildet, dass Banken und wohl auch Versicherungen im Ernstfall bedingungslos mit Steuergeldern gestützt werden würden. Damit konnte sich die Erwartung bilden, dass auf diese Weise auch sämtliche Gläubiger bedingungslos vor finanziellen Einbußen bewahrt werden würden." Am gleichen Institut forderte auch der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Bank, Josef Ackermann, in einem Vorschlag für einen Ordnungsrahmen für die Finanzmärkte ein "effizientes Insolvenzregime". Da der griechische Staat bei deutschen Banken - mit Ausnahme seines Instituts - erheblich verschuldet ist, und jener diese bei einem Staatsbankrott mit in den Strudel reißen würden, plädiert er in der gleichen Rede aber zunächst mal für eine Rettung Griechenlands. Offenbar "systemrelevant".


Fälligkeit griechischer Staatsanleihen 2010



Monatlich,
in Milliarden Euro
Januar
Februar
März
April
Mai
Juni
Juli
August
September
Oktober
November
Dezember
4,9
1,3
2,7
11,0
11,6
0,9
4,7
2,4
1,6
2,4
0,1
0,2

Quellen: Bloomberg; Griechisches Finanzministerium

FAZ, 30.3. maf. Griechenlands Zahlungskrise spitzt sich zu. In den kommenden beiden Monaten wird die Schuldenkrise Griechenlands einen Höhepunkt erreichen. Die Grafik aus der FAZ vom 30. März zeigt, dass im April und Mai eine große Menge griechischer Staatsanleihen ausläuft und durch neue Anleihen ersetzt werden muss. Anders als vor einem Monat konnte das Ende März auf den Markt gebrachte Anleihenpaket noch nicht vollständig untergebracht werden. Die griechische Regierung erwägt nun, eine Anleihe in Dollar aufzulegen. Eine solche Anleihe würde von der Kursentwicklung Dollar/Euro beeinflusst, sie könnte leichter abgelöst werden, falls der Dollar gegenüber dem Euro fällt, ein spekulatives Geschäft, das ein Interesse des griechischen Staats an einem "stabilen Euro" setzen würde. - Ein interessantes Licht auf die Klemme der griechischen Staatsfi nanzen wirft der Sipri-Bericht von Mitte März. Danach hat die BRD einen Spitzenplatz (3 der Weltrangliste) beim Rüstungsexport erreicht. Hauptabnehmerländer deutscher Rüstungsprodukte seien in den vergangenen Jahren Griechenland, die Türkei und Südafrika gewesen. - Rüstungsausgaben stehen in der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung als Luxuskonsum, sie belasten die Bonität. Rüstungsexporte hingegen verbessern die Zahlungsbilanz des Exportlandes. Eine Delegation des IWF, die in diesen Tagen nach Griechenland reist, um Auflagen für die Gewährung eines Kredits zu entwickeln, wird dagegen vor allem auf Sozialausgaben zielen. Teile der griechischen Staatsregierung halten solche Auflagen für nicht durchsetzbar. Viele inländische Anleger griechischer Banken fürchten um deren Stabilität und verlagern ihre Bestände ins Euro-Ausland.

Bildunterschrift der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildung der Originalpublikation:
Bild: dpa, 15.3.: U-Boot-Taufe in Kiel vor der Auslieferung an die griechische Marine.


Zusammenstellung: alk

Raute

JobCenter und Optionskommunen

Bürokratie und Selbstverwaltung

Die Bundesministerin für Arbeit hat sich mit den Regierungskoalitionen und der größten Oppositionspartei, der SPD, geeinigt, dass eine Grundgesetzänderung verabschiedet werden soll. Das Verfassungsgericht hatte die seit fünf Jahren entwickelte Verwaltungspraxis bei Hartz IV beanstandet. Eine "gemischte Verwaltung" zwischen Behörden des Bundes und der Kommunen sei unzulässig, weil das Grundgesetz eine eindeutige Zuständigkeit verlange. Oberflächlich betrachtet geht es um ein Problem der Bürokratie, des Verwaltungshandelns. Nicht unwichtig, denn im Streit mit der Behörde muss im Ernstfall das Gericht wissen, welchem Träger rechtmäßiges oder unrechtmäßiges Handeln zu bescheinigen ist.

Jetzt soll ins Grundgesetz, dass in der Regel die Kommunen und die Bundesagentur für Agentur gemeinsam für die Verwaltung der Zahlungen und der öffentlichen Dienstleistungen für Langzeitarbeitslose zuständig sind. Ausnahmsweise, d.h. bis zu einem Viertel aller Verwaltungseinheiten, dürfen die Kommunen diese Leistungen auch alleine ohne Beteiligung der Bundesagentur erbringen (Einzelheiten siehe Infokasten).

Dass die betroffenen Behörden sich über diese Einigung zufrieden zeigen, ist nicht verwunderlich. Jetzt sind einigermaßen die Anfangsschwierigkeiten der Behördenneugründungen Arbeitsgemeinschaften (Argen) oder JobCenter gerade mal überwunden - insbesondere die Kommunen hatten befürchtet, dass alles wieder von vorne angeht: Personalwechsel, Anpassungen von EDV-Systemen, Kompetenzabklärungen usw. Daher kam von dort ein enormer politischer Druck; Repräsentanten des Städtetags aus allen Parteien gaben Erklärungen ab; auch die Gemeinderäte zahlreicher Städte hatten einstimmige Resolutionen verabschiedet, die auf die Beibehaltung der jetzigen Regelung drängten oder eine vollständige Übertragung der Aufgaben auf die Kommunen forderten. Eine Demonstration von Städten war in Vorbereitung.

Von den Betroffenenverbänden gibt es kaum Reaktionen, anders etwa als zu dem Urteil des Verfassungsgerichts über die Höhe der Leistungen beim Hartz IV. Verständlich - die Bürokratie ist für die Betroffenen nur insofern von Interesse, ob sie die Leistungen gewährt oder versagt, ob sie bei Ermessensspielräumen eher schikanös oder eher großzügig verfährt. Die Erfahrungen und auch die Statistik zeigen, dass es dabei nicht in erster Linie darauf ankommt, ob die Behörde jetzt von Bund und Kommune gemeinsam, getrennt oder von einem alleine geführt wird. Weder gibt es bei den Optionskommunen mehr Sanktionen noch sind die Leistungen dort besser oder schlechter - das sagen jedenfalls die statistischen Auswertungen der Bundesagentur, auch wenn deren Zuverlässigkeit wegen Softwarefehlern und ständigen Umstellungen nicht sehr hoch sind.

Warum also der Streit? Warum haben sich die Unionsparteien und die SPD nicht schon während der großen Koalition geeinigt? Im Hintergrund geht der Streit über die Staatsverfassung: Zentralismus gegen Föderalismus. Dieser Streit ist nicht einfach bestimmten Parteien zuzuordnen, in allen Parteien gibt es Anhänger des Zentralismus und Anhänger der Subsidiarität. In der Partei Die Linke haben sich in der Bundestagsfraktion die Anhänger des Zentralismus durchgesetzt - wie man hört mit einer Stimme Mehrheit. Zahlreiche Mandatsträger der Linken in den Gemeinden und Ländern haben aber durchaus gegenteilige Auffassungen.

Die Anhänger des Zentralismus argumentieren natürlich nicht mit der Weisheit, die einer Zentralbehörde von Natur aus zukomme. Das ist mit den Erfahrungen, die viele Menschen tagtäglich in der Arbeitskooperation machen, einfach nicht mehr verträglich. Das Argument, das von den Anhängern zentralistischer Lösungen vorgebracht wird: nur durch die strenge Führung mittels einer Bundesbehörde ließe sich die Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse, die das Grundgesetz schließlich vorschreibe, herstellen.

Dieses Argument, das auch gerne in anderen Zusammenhängen gebraucht wird (Zentralisierung der Zuständigkeit für Bildung beim Bund zum Beispiel), geht von der Behörde aus. Die Behörde als System wünscht sich vor allem, eine einheitliche Regel soll zum immer gleichen Ergebnis führen, egal wer sie anwendet. Das hat seine positive Seite (statt Willkür gilt das Gesetz), wirkt aber im Extrem "gnadenlos" - die Umstände des Einzelfalls werden nicht mehr wahrgenommen, die Entscheidung erfolgt nach "Aktenlage". Es mag auch sein, dass die Vorstellung mitschwingt, dass eine Zentralverwaltung besser gewährleistet, dass die Richtigen von der richtigen Partei dann durchregieren können und so das Gute für alle bewirken - nicht nur die Erfahrungen mit dem Realsozialismus zeigen, dass das nicht funktioniert.

Das Gegenmittel gegen bürokratischen Zentralismus ist die Behördensteuerung durch Demokratie. Wobei der Demokratische Zentralismus bekanntlich mit zahlreichen Nachteilen verbunden ist: je ferner die Behörde und je vermittelter die Demokratie durch Repräsentanten wirken muss, umso weniger wirksam ist Kontrolle und Einflussnahme. Umgekehrt: je unmittelbarer eine Verwaltung von öffentlichen Dienstleistungen erfolgt, im Grenzfall als Selbstverwaltung, desto größer die Chance der öffentliche Kontrolle und Einflussnahme.

Die Selbstverwaltung muss man sich nicht als Idylle vorstellen, auch in der Kommunen zerren verschiedene Kräfte: Das Handwerk z.B. fürchtet Konkurrenz durch einen öffentlichen Arbeitsmarkt; die Kirchen freuen sich über Geschäfte neben ihrer Kernkompetenz. Aber die Erfahrungen zeigen, dass es örtlich eher möglich ist, solche Konflikte so zu lösen, dass die Betroffenen nicht unter die Räder kommen. Netzwerke etwa zwischen der Kommune und Firmen, Vereinen, Wohlfahrtsverbänden können nicht bundesweit geknüpft werden. Und je nach den örtlichen Gegebenheit des Arbeitsmarktes sieht ein öffentlicher Beschäftigungssektor verschieden aus. Dass der dann nicht den überregionalen Richtlinien entspricht, sorgt für Konflikte (siehe Infokasten öffentlicher Beschäftigungssektor Berlin).

Alfred Küstler

Raute

CDU/CSU, FDP und SPD einigen sich auf Jobcenter-Reform

Hier die wesentlichen Eckpunkte:

Die vom Bundesverfassungsgericht kritisierte "Mischverwaltung" für Langzeitarbeitslose, d.h. gemeinsame Zuständigkeit von Bundesbehörde und Kommune in den sogenannten Job-Centern, wird durch eine Grundgesetzänderung ermöglicht. Bei dieser Gelegenheit wird die völlig getrennte Aufgabenwahrnehmung abgeschafft. Dies war bisher in 21 Landkreise der Fall: Der Kreis ist dort für Kosten der Unterkunft und soziale Betreuung zuständig und erlässt die entsprechenden Bescheide, während die Bundesagentur für Arbeit die Unterhaltskosten und die Arbeitsvermittlung verantwortete.

Als Regelfall soll künftig die gemeinsame Behörde Jobcenter oder Arge gelten, bei der Beschäftigte von der Bundesagentur und der Gemeinde (bzw. des Landkreises) sich gemeinsam um die Langzeitarbeitslosen kümmern sollen.

Als Ausnahme können Kommunen die Aufgaben auch komplett in eigener Regie wahrnehmen. Das war bisher beschränkt auf 69 Kommunen (zudem zeitlich befristet), künftig sollen es bis zu 110 unbefristet sein können. Die Antragsfristen dafür laufen in einer ersten Welle bis Ende 2011; eine zweite Staffel soll im Jahr 2015 folgen.

Für die Zulassung gibt es Antragsvoraussetzungen (z.B. einheitliches Datenregime, Übernahme von BA-Personal, IT-Schnittstelle zur BA, etc.) und Eignungskriterien (z.B. qualifiziertes und ausreichendes Personal, Erfahrung in der Arbeitsvermittlung und geeignete Konzepte für die Aufgabenwahrnehmung, Aufbau eines internen Controllingsystems etc.).

Neu soll auch eingeführt werden ein System der offenen Steuerung nach Zielen, das auf einer einheitlichen Datenerhebung basiert. Die Aufsicht über die Kommunen liegt bei den Ländern. Der Bund übt die Rechtsaufsicht über die Länder aus. Es wird ein integriertes und kooperatives Steuerungssystem aufgebaut. Dazu werden Zielvereinbarungen (z.B. Reduktion der Zahl der Langzeitarbeitslosen, Integrationsquote, Alleinerziehende ohne Arbeit etc.) zwischen Bund und Ländern und dann heruntergebrochen zwischen Ländern und Optionskommunen getroffen. Die Optionskommunen müssen sich genauso wie die Jobcenter einem einheitlichen Datenregime unterwerfen, das vollständige zeitnahe Transparenz und damit auch jederzeitige politische und öffentliche Kontrolle gewährleistet. Die Finanzkontrolle bleibt beim Bund.

(nach PM Arbeitsministerium vom 24. März 2010, www.bmas.de)

Raute

Öffentlicher Beschäftigungssektor in Berlin gefährdet

Der Haushaltsausschuss des Bundestages hat im Budget des Bundesarbeitsministeriums bei den Mitteln zur "Eingliederung" von Langzeitarbeitslosen von 6,6 Milliarden Euro 600 Millionen Euro gesperrt. Bei den Verwaltungskosten mit einen Volumen von 3,3 Milliarden Euro wurden 300 Millionen Euro gesperrt.

Für die Job Center in Berlin bedeutet diese Sperre, dass der Bund ihnen bisher alle Arbeitsmarkt-Mittel nur vorläufig zugewiesen hat und dass Beschäftigungsmaßnahmen verschoben werden müssen.

Anfang des Jahres waren für Berlin noch 659 Millionen Euro vorgesehen. Schon im Februar erfolgte die erste Korrektur. Es wurden nur noch 629 659 Millionen Euro vorgesehen. Schon im Februar erfolgte die erste Korrektur. Es wurden nur noch 629 Millionen Euro in Aussicht gestellt. Allerdings fiel dann die erste Mittelzuteilung an die Berliner Job-Center Anfang März noch einmal geringer aus. Es gab lediglich 494 Millionen Euro.

In den Berliner Job-Centern sind durch die laufenden Maßnahmen schon jetzt 463 Millionen Euro gebunden, das sind über 90% der jetzt zugesagten Mittel für 2010. Damit beträgt der gegenwärtige Spielraum in Berlin für Neubewilligungen von Maßnahmen noch 31 Millionen für das Jahr 2010.

Eine Umverteilung unter den Job-Centern, wie wir es aus den vergangenen Jahren kennen, hat die Bundesregierung verhindert. Die Mittel werden seit diesem Jahr titelscharf den einzelnen Job-Centern zugewiesen.

All das ist sowohl der Bundesregierung als auch den Koalitionsfraktionen im Deutschen Bundestag bekannt. Sie wissen, welche Auswirkungen ihre Sperre für die Planung und die Handlungsfähigkeit der Job-Center haben. Und sie wissen auch, welche Konsequenzen dies für Erwerbslosen hat. Ihnen stehen weniger Maßnahmen für ihre berufliche Eingliederung und Qualifizierung zu Verfügung.

Dieser Zustand ist nicht hinnehmbar. Das Land Berlin wird deshalb eine Bundesratsinitiative ergreifen und fordern, die Mittel für Arbeitsmarktpolitik unverzüglich und in vollem Umfang zur Verfügung zustellen.

Für viele Beschäftigten im Berliner Öffentlichen Beschäftigungssektor (ÖBS) hat dies eine traurige Konsequenz. Die ersten Stellen laufen nach und nach aus. Und obwohl von Seiten der Senatsverwaltung eine Verlängerungsoption mit der Regionaldirektion Berlin-Brandenburg ausgehandelt wurde, fehlen nun oftmals die Gelder des Bundes, um diese Option umzusetzen. Wir setzen alles daran, dass wir zumindest den gegenwärtigen Stand von 7.500 Beschäftigten im ÖBS erhalten.

(Elke Breitenbach, Linksfraktion Berlin)


Anmerkung: Der ÖBS Berlin gibt rund 7.500 Beschäftigten normale Arbeitsverträge mit Tariflöhnen von mindesten 1.300 Euro monatlich. Zur Zielsetzung heißt es: "Der ÖBS in Berlin ist nur für einen Teil seiner Beschäftigten eine Brücke in den ersten Arbeitsmarkt. Für viele bleibt er auf absehbare Zeit unerreichbar. Zu hoch ist die strukturelle Arbeitslosigkeit, zu hart sind für viele Menschen auch die Arbeitsbedingungen in einer hoch arbeitsteiligen und auf Konkurrenz und hohe Geschwindigkeiten abgestellten Betriebsrealität. Und für etliche wichtige gesellschaftliche Aufgaben gibt es gar keine Strukturen im ersten Arbeitsmarkt - ein Beispiel sind die Nachbarschaftslotsinnen und -lotsen. Dafür müssen wir mittelfristig Lösungen über Arbeitsmarktmaßnahmen hinaus finden. Der gesellschaftliche Bedarf an dieser Arbeit ist unübersehbar."

Bildunterschrift der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildung der Originalpublikation:

Nur die Hälfte verstehen ist nicht genug
Sprach- und Kulturbarrieren im medizinischen und sozialen Bereich überwinden
Ein Beispiel für den ÖBS in Berlin: der Gemeindedolmetschdienst.

Raute

Bundestagsfraktion Die Linke

Die Übertragung der Arbeitsvermittlung auf die Kommunen ist ein historischer Rückschritt

"Der Jobcenter-Kompromiss ist das Ergebnis eines politischen Machtspiels zwischen Union und SPD", sagt Sabine Zimmermann. "Er verbessert die Situation der Erwerbslosen nicht, schwächt aber die bundesweite Arbeitsvermittlung. Künftig sollen noch mehr Kommunen anstelle der Bundesagentur für Arbeit die Arbeitsvermittlung übernehmen, so dass eine Zersplitterung der Arbeitsmarktpolitik droht. Arbeitslosigkeit aber ist ein gesamtgesellschaftliches Problem und darf nicht auf die Kommunen abgewälzt werden." Die arbeitsmarktpolitische Sprecherin der Fraktion Die Linke erklärt weiter:

"In etwa einem Viertel der Landkreise gibt der Bund seine Zuständigkeit für die Arbeitsmarktpolitik ab. Das ist ein historischer Rückschritt. Die zu Beginn des 20. Jahrhunderts eingeführte landesweit einheitliche Arbeitsmarktvermittlung war die Antwort auf die begrenzten Möglichkeiten einer lokalen Vermittlung. Es ist traurig, dass die SPD hier den Forderungen des hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch (CDU) nachgegeben hat. Die Ausweitung der Optionskommunen widerspricht auch den Prüfergebnissen des Bundestags und des Bundesrechnungshofs. Beide bescheinigen den Optionskommunen eine schlechtere Vermittlungsbilanz und finanzielle Belastungen aufgrund fehlender Einnahmen in den Sozialversicherungen.

Die Linke sagt klar: Eine bundesweit einheitliche Vermittlung, Betreuung und Förderung aller Erwerbslosen setzt eine einheitliche Organisation voraus. Eine reformierte und demokratisierte Bundesagentur für Arbeit, die ihren sozialpolitischen Auftrag wieder wahrnimmt, muss dabei die Kommunen systematisch einbeziehen. Durch eine derartige Organisationsreform würde zudem der Bund die Kosten der Unterkunft komplett übernehmen und so die Kommunen finanziell massiv entlasten."

Pressemitteilung, 24.3.2010 - Sabine Zimmermann

Raute

Innen- und Rechtspolitik

FC St. Pauli : Hansa Rostock - ein Spiel im polizeilichen Notstand

Die Spiele zwischen dem FC St. Pauli und Hansa Rostock sind traditionell konfliktbeladen. Wesentliche Ursache ist die sehr unterschiedliche Fan-Kultur, die sich zu gegenseitiger Feindschaft verfestigt hat. Das nutzen zahlreiche rechte Hooligans und Neonazis, die sich in der Rostocker Fanszene tummeln, regelmäßig zu gewalttätigen Übergriffen auf die "etwas anderen" St. Pauli-Fans. Sie werden leider durch den Verein eher ermuntert, der diese Übergriffe meist kleinredet und das offene Auftreten von Neonazis duldet. Vor ziemlich genau einem Jahr kam es in Hamburg nicht nur im Stadion, sondern rundherum und auf den An- und Abfahrtwegen zu heftigen Ausschreitungen, ebenso beim Rückspiel in Rostock.


In diesem Jahr hatte der Präsident des FC St. Pauli im Vorfeld des Spiels am 28. März in Hamburg zunächst einen Antrag an die DFL gestellt, keine bzw. hilfsweise nur 500 Gästefans aus Rostock zuzulassen, was die DFL ablehnte. Auch die Fangruppen protestierten umgehend. Deshalb trafen sich die Vereinsführungen sowie Fanprojekte und Fangruppen beider Vereine zu einem Gespräch. Es gelang, zu einem von allen Beteiligten getragenen Kompromiss zu kommen, der neben konkreten Regelungen zur An- und Abreise u.a. ein Gästekontingent von 1.400 Karten vorsah.

Doch statt diesen einvernehmlichen Versuch der Selbstregulierung zu unterstützen, erließ die Hamburger Polizei eine Verfügung, mit der sie die Karten für Rostocker Fans auf 500 reduzierte. Diese 500 Karten sollten in Rostock nur bei Vorlage eines gültigen Ausweispapieres ausgegeben werden. Auch der FC St. Pauli wurde verpflichtet, die Identität jedes einzelnen Karteninhabers vor dem Spiel zu überprüfen. Bei Zuwiderhandlung wurden dem Vereinsvorstand Zwangsmittel angedroht. Schließlich verzichtete Hansa Rostock, weil man sich nicht in der Lage sah, das kleine Kontingent "gerecht" zu verteilen, auf die Karten und entsandte lediglich sieben Fans zu einer symbolischen Protestaktion zum Spiel.

Der "Spiegel" überschrieb seinen Vorabbericht über die polizeilichen Maßnahmen mit "Gefährliche Gefahrenabwehr". Dass die Lage dann ruhig blieb, ist nur auf den ersten Blick eine Erfolgsmeldung. Tatsächlich statuierte die Hamburger Polizei bundesweit ein Exempel. Zwar hatte Ähnliches im Jahr 2008 der Berliner Polizeipräsident beim Spiel Union Berlin gegen Dynamo Dresden versucht - die 3000 Dresdner Fans sollten aufgrund erwarteter Ausschreitungen Stadionverbot erhalten -, war damals jedoch damit noch gescheitert.

Die Hamburger Polizei jedoch setzt sich durch. Da sie aufgrund eines Rauschens im Internet von Rostocker Randale ausging, errichtete sie rund um das Stadion ein "Gefahrengebiet", eine Maßnahme, die ihr die anlasslose Kontrolle von Jedermann ermöglicht, und kündigte an, gegen jeden Rostocker, den sie dort antreffe, ein Aufenthaltsverbot zu verhängen. Tatsächlich wurden in der gesamten Stadt, wie die Polizei am 28.3. in einer Pressemitteilung erklärte, von insgesamt 160 Rostocker Anhängern gegen 91 "potenzielle Störer Aufenthaltsverbote verhängt".

De facto fand Spiel in einer Situation des polizeilichen Notstandes statt, in der Grund- und Bürgerrechte - in diesem Fall der Rostocker Fans - erheblich eingeschränkt waren. Schon die Auflage, die Identität von Kartenkäufern mehrfach zu prüfen, ist mit dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung kaum zu vereinbaren. Die Aufenthaltsverbote wurden aufgrund der Zugehörigkeit zu einer Fangruppe ausgesprochen, nicht aufgrund konkreter Gefahren. Das ist nichts anderes als Sippenhaft und widerspricht dem Differenzierungsgebot des Bundesverfassungsgerichts. Zudem umging die Polizeiführung die aktuelle Rechtsprechung des Hamburgischen Oberverwaltungsgerichts, das etwa den Erlass von Aufenthaltsverboten gegen sämtliche der Polizei bekannten "Gewalttäter Sport" für unzulässig erklärt.

Aus Protest gegen die Einschränkung der Fan-Rechte führte eine Gruppe von St. Pauli-Fans eine - heftig diskutierte und umstrittene - fünfminütige Blockadeaktion durch. Einig sind sich die Fangruppen in der Befürchtung, dass das Beispiel Schule macht und grundrechtsverletzende Formen kollektiver Sonderbehandlungen von Fans weiter Platz greifen.


Generalverdacht und Eskalationslogik

Ohnehin sind diese grundrechtsverletzenden Formen von Sonderbehandlungen recht fortgeschritten. Die Praxis der auf Verdacht ausgesprochenen Stadionverbote, mit der die Vereine ihr Hausrecht wahrnehmen, um sich gegen gewalttätige Fans zu wehren versuchen, ist umstritten. Hier gilt nämlich die Unschuldsvermutung nicht, und die betroffenen Personen erhalten keine Möglichkeit der Rechtfertigung, Verteidigung oder Richtigstellung.

Deshalb entschloss sich der Fanrechtefonds (www.fanrechtefonds.de) kürzlich, die Klage eines mit Stadionverbot belegten Bayern-Fans gegen ein BGH-Urteil zu unterstützen. "Der BGH verlangt, dass der Betroffene selbst beweisen muss, dass er nichts gemacht hat. Das kann er allein deshalb schon nicht, weil die 'Standardeinstellung' eines Verfahrens nach § 153 StPO ihm keine weiteren Rechtsmittel erlaubt, der erwähnte Paragraf aber keine zwingende Aufhebung eines Stadionverbotes vorsieht. Der Fan ist in einer Zwickmühle, aus der er nicht mehr hinauskommt. Wenn allein die Einleitung eines Ermittlungsverfahren durch die Polizei für ein vom Verein verhängtes und bundesweit gültiges Stadionverbot genügen soll, dann gibt man praktisch der Polizei alleine die Macht über ein eigentlich zivilrechtliches Stadionverbot. Der Polizist hat also die alleinige Entscheidungsgewalt über ein zivilrechtliches Verhältnis zwischen Verein und Stadionbesucher. Wenn die polizeiliche Entscheidung nicht überprüft wird, sondern einfach nur hingenommen wird, ist somit der Willkür Tür und Tor geöffnet."

Weitere grundrechtsverletzenden Sonderbehandlungen beschreibt der Fanrechtefonds so:

"Stell dir vor, du fährst zu einem Auswärtsspiel und wirst gleich am Bahnhof in einen Polizeikessel genommen und mit den anderen Fans zum Stadion geführt. Du willst Gepäck abgeben - keine Chance. Du musst auf die Toilette - Pech gehabt. Du willst dir etwas zu Essen oder Trinken kaufen - sie lassen dich nicht raus. Du wolltest dir eigentlich vor dem Spiel die Stadt anschauen oder dich mit Freunden treffen - da musst du wohl noch einmal kommen. Jetzt wirst du wie Vieh zum Stadion getrieben. Läufst du zu langsam oder gerätst im Gedränge zu dicht an die dich bewachenden Polizisten, wirst du von ihnen geschubst oder getreten. Wenn du Pech hast, kann es auch passieren, dass du Pfefferspray in die Augen bekommst oder einen Knüppel auf den Kopf."

Auch aus polizeilicher Sicht ist diese Logik eigentlich kontraproduktiv, weil sie nicht deeskaliert, sondern eskaliert. Eine Evaluationsstudie zur Europameisterschaft 2000 in den Niederlanden und Belgien kommt nämlich zu dem bemerkenswerten Ergebnis, dass der Versuch, dem Problem von Ausschreitungen und Hooliganismus mit starken polizeilichen Einsatzkräften zu begegnen, sich als ineffektiv, ja im schlimmsten Fall sogar als kontraproduktiv erwiesen hat. Demgegenüber wurde festgestellt, dass gezieltes und differenziertes Vorgehen auf der Basis eine sog. "low profile"-Stils, also weniger Beamte, weniger Beamte in Schutzausrüstung etc. einen deutlichen Einfluss auf die Vermeidung von weitergehenden Konflikten hatte. Ein solches Verhalten begünstigte Selbstregulierungsprozesse in den Fangruppen. Das wurde auch in Befragungen nach verschiedenen Aspekten des Polizeiverhaltens deutlich. Wie leicht z.B. die Fans den Kontakt zu Polizeibeamten herstellen konnten, ob und inwieweit sich die Polizei kooperativ verhielt, in welchem Maße die Fans sich respektiert und die auswärtigen Fans als Gäste behandelt fühlten oder aber als "Störer" und "Gefahr" bekämpft, das alles hatte Einfluss auf das Fanverhalten.

Das Bündnis Aktiver Fußballfans BAFF vermutet jedoch, dass die polizeilichen Repressionsstrategien "prima" in eine Gesellschaft passen, "in der insgesamt repressive Tendenzen zunehmen. Ob Videoüberwachung öffentlicher Plätze, das Anlegen europaweiter Dateien zur Überwachung von unangepassten Gruppen oder der vermehre Einsatz privater Sicherheitsdienste im öffentliche Raum: Oftmals dienten die im Fußball 'getesteten' Sicherheitstechniken als Grundlage." (Die 100 "schönsten" Schikanen gegen Fußballfans: Repression und Willkür rund ums Stadion, BAFF, Taschenbuch) Der HSV-Torwart Frank Rost kritisiert in dem Zusammenhang Sicherheitswahn und Beschränkung der Freiheit des Einzelnen: "Das sind die Zeichen der Zeit, ist aber der völlig falsche Ansatz."

Christiane Schneider


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"Wir geben keine Ruhe" - Antifaschistische Aktion zum Fußballspiel

LEIPZIG. Der Angriff von 50 Neonazis auf Fans und Spieler des Roten Sterns Leipzig im sächsischen Brandis im vergangenen Jahr hat viele Schlagzeilen gemacht. Am 7. April soll das Spiel wiederholt werden. Der "Rote Stern" und seine Unterstützerinnen und Unterstützer rufen zu einer antifaschistischen Demonstration zum Spiel in Brandis auf. In einem Aufruf schreibt der RSSC - Red Star Supporters Club u.a.: "Die Neonazis sind im Leipziger Umland so aktiv wie lange nicht mehr. Tagtäglich kommt es hier zu Übergriffen oder Aktionen rechter Gewalttäter. Colditz, Mügeln, Wurzen, Delitzsch - die Liste lässt sich leicht verlängern. Neonazis schaffen sich mit Gewalt ihre Aktionsräume und werden nicht selten als "die netten Jungs von nebenan" beschrieben, sie sind Teil der örtlichen Gemeinschaft. Die NPD sitzt mit 73 Abgeordneten in zahlreichen Kommunalparlamenten und baut derzeit gezielt Nachwuchsstrukturen auf dem Land aus. Unlängst wurden vier neue JN-"Stützpunkte" (Junge Nationaldemokraten, Jugendorganisation der NPD) in Delitzsch-Eilenburg, Torgau, Oschatz und Wurzen gegründet. Ein weiterer ist in Borna geplant. Die Wenigen, die sich dort noch offen antifaschistisch positionieren, leben in ständiger Bedrohung.

http://roter-stern-leipzig.de

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Außen- und Militärpolitik

Deutschland auf dem Weg vom Krieg in zum Krieg gegen Afghanistan

Der amtierende afghanische Ministerpräsident Karzai sagte Ende März auf einer nichtöffentlichen Sitzung mit ausgesuchten Parlamentariern, wenn er unter ausländischen Druck käme, könnte er sich den Taliban anschließen. "Er sagte, aus dem Aufstand würde dann Widerstand." So zitierte der Abgeordnete Faruk Marenai aus Nangarhar den Präsidenten. (Basler Zeitung, 5.4.).

Die engagierte westliche Staatenwelt regt Karzais Mitteilung auf, da sie die Frage der Legitimität der Intervention aufwirft. Der Krieg, der als Krieg gegen eine Talibanregierung in Afghanistan begann, wandelt sich zum Krieg in und dann gegen Afghanistan.

Die amtlichen Äußerungen der Bundesregierung stehen unter dem Eindruck der Verwicklung der Bundeswehr in Gefechte, deren Entstehung und Verlauf ebenfalls einen solchen Wandel anzeigt. Sie signalisieren angesichts erlittener Verluste trotzigen Willen zum Sieg, was als Vorbote einer Niederlage gelten kann.


Ein Rückblick

Das von einer Taliban-Regierung beherrschte Afghanistan hatte als Rückzugs- und Vorbereitungsraum für den Angriff auf das World Trade Center in New York am 11.9.2001 gedient, bei dem 2.602 Menschen, die sich im WTC aufhielten, starben sowie weitere, die in den beiden Flugzeugen saßen (AA 11 und UA 175), die die Attentäter in die Zwillingstürme steuerten. Ebenfalls starben 343 Feuerwehrleute und zahlreiche Polizisten bei den folgenden Rettungseinsätzen. Die Vereinigten Staaten antworteten mit einem Angriff, der zur Besetzung des Landes und zum Sturz des Taliban-Regimes führte, einzelne Gruppierungen zogen sich jedoch erfolgreich in die sogenannten Stammesgebiete zurück, zu denen auch große Teile des benachbarten Pakistan zählen.

Gestützt auf die Interventionstruppen bildete sich eine afghanische Regierung, deren Legitimierung durch Wahlen nicht glückte. Die Präsidentschaftswahlen 2009 standen unter dem Druck terroristischer Anschläge und Drohungen, das Ergebnis blieb in Folge weit verbreiteten Wahlbetrugs unklar. Territoriale Ausdehnung, Zahl und Koordinationsgrad aufständischer Kampfhandlungen nehmen seither weiter zu. Im Sommer dieses Jahres sollen Parlamentswahlen stattfinden. In diesem Zusammenhang stehen die von der Regierung Obama/Clinton geplante Großoffensive und die von den Aufständischen bereits eingeleitete Serie von Anschlägen und militärischen Angriffen, die sich auch gezielt gegen Einheiten der Bundeswehr richten.


Asymmetrische Kriegsführung - zweierlei Maß

Asymmetrische Kriegsführung bedeutet nicht nur, dass die kriegführenden Parteien über unterschiedliche technische Mittel verfügen, sie lassen sich auch von verschiedenen Rechtsvorstellungen leiten. Aus westlicher Sicht wird den Aufständischen die Bereitschaft zur terroristischen, d.h. gezielt gegen Unbeteiligte gerichtete Kriegsführung sowie der Einsatz von Selbstmordattentaten vorgeworfen. Eine Rolle spielt auch, dass die Taliban eine religiös-fundamentalistisch geordnete Gesellschaft anstreben, die nicht auf den Grund- und Menschenrechten beruht, wie sie etwa von der UNO definiert sind.

Es kann keinen Zweifel geben, dass viele Bürgerinnen und Bürger Afghanistans eine menschenrechtlich legitimierte politische Ordnung wünschen. Es bleibt aber die Frage, ob eine solche Entwicklung auf dem Wege des von den USA angeführten Interventionskriegs eintreten kann.

Dagegen sprechen Tatsachen, die ins Auge stechen, sobald man bereit ist, die asymmetrische Beziehung von der anderen Seite aus zu betrachten.

Militärisch-technisch:

Die Kriegführung mit überlegenen technischen Mitteln besteht zwar darauf, dass die enormen Opfer an Unbeteiligten, die sie fordert, "kollateral", d.h. eine unbeabsichtigte Begleiterscheinung seien.

Da es den Interventionskräften aber darum geht, unangreifbare Überlegenheit zu demonstrieren, zeigt die Inkaufnahme von "Kollateralschäden" die Bereitschaft, Unschuldige zu opfern, um absolute Überlegenheit zu demonstrieren. Dieser Tatsache folgt eine doppelte Moral. Die Verluste der Interventionskräfte sind Opfer von "Verbrechen". Umgekehrt hält man es für legitim, "Taliban-Führer" zu "vernichten", (Gefechtskladde des Kundus-Massakers), die Tötung Unbeteiligter wird unter "bedauerlich" oder "versehentlich" verbucht. Am Karfreitag wurden Fallschirmjäger der Bundeswehr, die den Auftrag hatten, Minen zu räumen, in ein Gefecht mit Taliban verwickelt, aus dem sie sich erst nach Stunden und erheblichen eigenen Verlusten - drei Soldaten wurden tödlich getroffen - lösen konnten. Im Verlauf des Gefechts beschoss die Bundeswehr auch verbündete afghanische Truppen, man spricht von sechs Toten.

Dass es an Verfahren fehlt, die den verbündeten Truppen wechselseitige Identifi zierung ermöglichen, ist kaum vorstellbar. Nach vorliegenden Presseberichten identifizierte man die zur Unterstützung Herbeifahrenden als afghanisch: das reichte.


Kampfhubschrauber?

Anstatt sich mit der Frage auseinanderzusetzen, wieso die Bundeswehr in diesem Konflikt "Freund und Feind" nicht unterscheiden kann, hört man Rufe nach effektiverer Bewaffnung. Hauptsächlich ruft man nach Kampfhubschraubern. Mit dieser Waffe lässt sich aus der Nähe und in sicherem Abstand, eben von oben herab, töten. So ist die vom Streben nach technischer Überlegenheit verblendete offizielle Politik dazu verurteilt, immer größere Teile der Bevölkerung Afghanistans gegen sich aufzubringen.


Rückzug aus Afghanistan: Mit der Bundeswehr anfangen

Die Vereinigten Staaten von Nordamerika werden in Afghanistan / Pakistan engagiert bleiben, bis sie Gewähr haben, dass von diesem Territorium aus nicht neuerlich Großangriffe auf die USA organisiert werden können. Ein solches Ziel kann Gegenstand von Verhandlungen mit einer Regierung sein, an der Taliban-Gruppierungen beteiligt sind. Wenn der derzeitige Ministerpräsident Karzai davon spricht, sich gegebenfalls mit den Taliban zu verbünden, kann man dies als Indiz dafür werden, dass zwischen den USA und den Taliban politische Sondierungen stattfinden und die Regierung Karzai von Angst wegen eines Deal über ihren Kopf hinweg getrieben ist.

In diesem schwierigen Feld erweist sich die Bundeswehr als spezifischer Risikofaktor. Die große Zahl einschlägiger Fehler - Stichwort: Tötung Unschuldiger und Verbündeter vorsichtshalber - weist auf einen Defekt im Urteilsvermögen hin. Solche Taten belasten mögliche Verhandlungen zwischen den USA und allen afghanischen Konfliktbeteiligungen. In den Augen der Taliban machen sie zuerst aus der Bundeswehr und dann aus der BRD ein legitimes Ziel.

Die gerichtliche Ahndung des Verhaltens der Bundeswehr, die Entschädigung der Opfer und vor allem der Abzug der Truppe würden hingegen eher zu einem Ende der Kampfhandlungen beitragen.

Martin Fochler

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AUSLANDSNACHRICHTEN

21 Todesopfer durch Brand bei einem Zulieferer von H&M in Bangladesch

Am 25. Februar 2010 wurden durch einen Brand bei Garib&Garib in Dhaka 21 Beschäftigte getötet und 50 teils schwer verletzt. Der Brand breitete sich vom ersten Stock des siebenstöckigen Gebäudes schnell aus. Vermutlich sind nur aufgrund der nächtlichen Stunde nicht noch mehr Todesopfer zu beklagen. Die von der Regierung eingesetzten Gutachter halten in ihrem Untersuchungsbericht fest, dass die Sicherheitslage in der Fabrik miserabel war. Konkrete Aufforderungen der Behörden zu Brandschutz-Maßnahmen nach zwei Vorfällen in 2009 - bei einem davon war bereits ein Feuerwehrmann zu Tode gekommen - hatte das Unternehmen ignoriert. Die Firma Garib & Garib ist ein H&M-Zulieferer. H&M muss daher Verantwortung übernehmen. Unfälle wie dieser können erst dann effektiv verhindert werden, wenn die Beschäftigten selbst an der Überwachung der Arbeitsbedingungen beteiligt sind. Aufgabe von H&M ist es deshalb, seine Zulieferer dazu aufzufordern, Gewerkschaften einen freien Zugang zur Organisierung in ihren Betrieben zu ermöglichen. Des weiteren sind Betriebe in Bangladesch gesetzlich dazu verpflichtet, ein Gesundheits- und Arbeitsschutzkomitee mit Vertretern der Beschäftigten einzurichten. - Fordert von H&M in allen Filialen: die rückhaltlose Aufklärung des Brandes, die Gewerkschaft NGWF zählt auf Solidarität!

Anmerkung: Das Projekt ExCHAINS zielt darauf, Verbindungen zwischen Arbeiterinnen des Einzelhandels sowie der Textil- und Bekleidungsindustrie aus Europa und Asien herzustellen, die entlang der globalen Zulieferkette arbeiten. Diese Verbindungen sind für den weltweiten Kampf gegen Ausbeutung und Armut in dieser Industrie überlebenswichtig. Im Projekt ExCHAINS arbeitet TIE (Transnationals Information Exchange) bislang mit drei regionalen Gewerkschaften zusammen: Free Trade Zones and General Services Employees Union (FTZ&GSEU, Sri Lanka), National Garment Workers Federation (NGWF, Bangladesch), Verdi (Deutschland)

Nachrichten aus Bangladesch TIE Bildungswerk e.V. Frankfurt / www.verdi.de/handel.bawue


Sechstem iranischen Zuckergewerkschaftsführer drohen neue Anklagen

Reza Rakhshan, der Kommunikationsbeauftragte der unabhängigen Zuckerarbeitergewerkschaft Haft Tapeh im südlichen Iran, wurde am 4. Januar von Sicherheitsbeamten an seinem Arbeitsplatz verhaftet und erst am 20. Januar aus dem Gefängnis Schusch entlassen, nachdem man ihn wegen seiner Gewerkschaftstätigkeit der "Gefährdung der nationalen Sicherheit" angeklagt hatte. Zum Zeitpunkt seiner Verhaftung wartete Rakhshan immer noch auf das endgültige Strafmaß für die Verurteilung im vorigen Jahr aufgrund ähnlicher Anklagen, wegen der fünf andere Gewerkschaftsführer ins Gefängnis kamen. Wie im Fall des Gewerkschaftsvorsitzenden Ali Nejati bedeuten die neuen Anklagen, dass er aufgrund von Mehrfachverurteilungen für lange Jahre ins Gefängnis kommen könnte. Der 39 Jahre alte Gewerkschaftsbeauftragte ist verheiratet, hat ein Kind und arbeitet seit fünf Jahren bei Haft Tapeh. Rakhshans Verhaftung lässt erkennen, dass das Regime entschlossen ist, die Haft Tapeh Gewerkschaft, deren bloße Existenz die Grundlagen autokratischer Herrschaft im Iran bedroht, zu zerschlagen. Das Schicksal der inhaftierten Transportarbeiter- und Lehrergewerkschaftsaktivisten zeigt, dass die Gefangenen von Haft Tapeh mit anhaltenden physischen und psychischen Schikanen rechnen müssen. Deshalb fordert die IUL alle, die für demokratische und gewerkschaftliche Rechte eintreten, auf, zu ihrer Verteidigung mobil zu machen.
www.iuf.org


IUL-Weltkonferenz der Molkereiarbeiter

Auf der IUL-Weltkonferenz der Molkereiarbeiter, die vom 9. bis 12. März in Buenos Aires und Sunchales in Argentinien tagte, versammelten sich 120 Gewerkschaftsvertreter/innen aus 22 Ländern, um für die Lösung der Probleme, von denen die Molkereiarbeiter auf der ganzen Welt gleichermaßen betroffen sind, einen gemeinsamen gewerkschaftlichen Ansatz zu finden und vereint dagegen vorzugehen. Die Molkereiarbeiter sind überall von den vielfachen Auswirkungen einer beschleunigten horizontalen und vertikalen Konsolidierung und der Konzentration im Einzelhandel betroffen. Das hat zur Folge, dass der Druck entlang der gesamten Produktionskette immer größer wird und sich auf die Arbeitnehmer ebenso auswirkt wie auf die Klein- und Familienbauern; dass die Arbeitsbedingungen und die gewerkschaftliche Organisierung durch Auslagerung, Gelegenheitsarbeit und andere prekäre Arbeitsverhältnisse unterhöhlt werden; und dass die Nachhaltigkeit des Sektors durch Umweltschädigung und Klimawandel gefährdet ist. Die von der argentinischen Molkereiarbeitergewerkschaft ATILRA veranstaltete Konferenz war nicht nur die größte, jemals abgehaltene internationale Versammlung der Molkereiarbeitergewerkschaften, sondern auch insofern einzigartig, als Vertreter der Regierung, Industrie und Kleinbauern anwesend waren.
iuf.org 22.3.2010


Nestlé Russland: "Nespressionen"

In den Nestlé-Unternehmensgrundsätzen heißt es, es sei Ziel der Geschäftsprinzipien des Unternehmens, "einen konstruktiven Dialog mit Arbeitnehmervertretungen" zu führen. Tatsächlich hat das Unternehmen kaum eine andere Wahl - wenn es internationale Übereinkommen und Verträge einhalten will, die diese Verpflichtung im Rahmen des internationalen Menschenrechts verankern.

Nach einjährigem Kampf willigte die Nestlé-Unternehmensleitung 2008 schließlich ein, dass die Gewerkschaft der Kit-Kat-Arbeitnehmer in der russischen Stadt Perm über Löhne verhandeln könne, die die Unternehmensleitung zuvor als "Betriebsgeheimnis" bezeichnet hatte. Weniger als zwei Jahre später aber kommt es bei Nestlé Russland erneut zu "Nespressionen".

Im November 2009 schlossen sich Arbeitnehmer bei Nestlé Waters Direct in Domodedovo, 30 km vor Moskau, zusammen, um gegen das Problem sinkender Löhne und immer schlechterer Arbeitsbedingungen vorzugehen. Die Nestlé-Tochter in Domodedovo füllt Wasser der Marke Pure Life ab und liefert es an Privatkunden und Büros. Nachdem 2008 eines der drei Auslieferungslager des Unternehmens in der Region Moskau geschlossen wurde, erhöhte sich die Arbeitslast der verbleibenden Lieferfahrer beträchtlich. Diese Fahrer werden nach einem kombinierten System von Liefermengen und Prämien bezahlt. Um einen angemessenen Lohn zu erreichen, sind Arbeitstage von 12 Stunden oder mehr erforderlich. Deshalb gründeten Fahrer und Dispatcher eine Gewerkschaft, die am 17. November durch den Beitritt zur Allrussischen Gewerkschaft der Handels- und Dienstleistungsarbeitnehmer "Solidarnost" Rechtsstatus erlangte.

Unmittelbar danach begann die Betriebsleitung, den Gewerkschaftsvorsitzenden zu schikanieren und seine Kontakte zu den Mitgliedern zu erschweren. Fahrer wurden als Belader eingesetzt, wodurch sie ihre Fahrerprämien verloren, oder sie erhielten kleinere Fahrzeuge zugewiesen, die es unmöglich machten, selbst mit 15-16 Stunden Arbeit am Tag die erforderliche Prämienquote zu erreichen. Fahrer, die der Gewerkschaft beitraten, mussten Lohnkürzungen um bis zu 40% hinnehmen.

Vom Gesamtrussischen Koordinierungsrat der Nestlé-Gewerkschaften unterstützte Aufforderungen der Gewerkschaft an die Betriebsleitung, Verhandlungen aufzunehmen, um Arbeitspläne, Überstunden und Prämien zu regeln und die gewerkschaftsfeindlichen Schikanen abzustellen, blieben unbeantwortet.

Am 27. Januar wurde Sergej Strykov, der stellvertretende Vorsitzende der Gewerkschaft, fristlos entlassen. Strykov ist einer der Arbeitnehmer, die am 21. Januar Klage gegen das Unternehmen eingereicht haben, um nicht gezahlte Überstundengelder einzufordern - im Fall Strykov Beträge, die seit Januar 2006 geschuldet werden.

Als er sich weigerte, zu "kündigen" wurde er entlassen und angewiesen, unverzüglich seine Firmenkleidung - Hemd, Jacke, Hut und Schuhe - zurückzugeben - und das bei klirrender Kälte! Die Arbeitnehmer von Nestlé Domodedovo haben sich jedoch durch die brutale Entlassung des stellvertretenden Vorsitzenden ihrer Gewerkschaft nicht einschüchtern lassen. Gemeinsam mit ihren Anhängern versammelten sie sich am 5. Februar erneut vor dem Fabriktor.

Die Internationale Union der Lebensmittel-, Landwirtschafts-, Hotel-, Restaurant-, Catering-, Tabak- und anverwandter Arbeitnehmerverbände (IUL) ist eine internationale Vereinigung von Gewerkschaften, die Arbeitnehmer/innen in der Landwirtschaft und in Plantagen, in der Verarbeitung und Herstellung von Nahrungsmitteln und Getränken, in Hotels, Restaurants und Catering und in allen Bereichen der Tabakverarbeitung vertritt.

Der IUL gehören 391 Mitgliedsverbände aus 124 Ländern an. Sie vertritt insgesamt ca. 2,7 Millionen Mitglieder.
iuf.org


Bildunterschrift der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildung der Originalpublikation:

Am 24. Januar demonstrierten Gewerkschaftsmitglieder trotz Temperaturen von -20 Grad Celsius vor der Moskauer Nestlé-Zentrale, um ihre Rechte einzufordern - "Nestlé - Beendet die Pressionen gegen die Gewerkschaft!"

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REGIONALES UND GEWERKSCHAFTLICHES

AKTIONEN ... INITIATIVEN


Aktionen vor den Landtagswahlen in NRW: Die Bildung gehört allen

BONN. Jedes Jahr fehlen in Deutschland über 100.000 Ausbildungsplätze. Mittlerweile sind über 1,5 Millionen junge Menschen ohne Ausbildung und die meisten von ihnen somit ohne berufliche Perspektive. In NRW werden dieses Jahr neun von zehn Jugendlichen keinen Ausbildungsplatz finden. Die Aktion Bildungsstreik fordert das Recht auf einen Ausbildungsplatz, das zugleich die freie Berufswahl nicht einschränkt. Finanziert werden soll dieses über eine Ausbildungsplatzabgabe von denjenigen Unternehmen, die nicht oder im zu geringen Umfang ausbilden und sich somit bisher ihrer gesellschaftlichen Verpflichtung (Duales System) entziehen. Weitere Forderungen sind "Eine Schule für Alle!", die "Abschaffung der Studiengebühren" sowie ganz generell ein "am Menschen orientiertes und von wirtschaftlichen Zwängen freies Bildungssystem". Um den Forderungen Nachdruck zu verleihen, rufen SchülerInnen, Auszubildende und Studierende zu massiven Protesten, zum NRW-weiten Bildungsstreik am 22.4.2010 und zur bundesweiten Demonstration am 5.5.2010 in Düsseldorf auf.
www.bildungsstreik.net


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8. April - Internationaler Tag der Roma

HANNOVER. Der 8. April ist der internationale Tag der Roma. Diesen Tag nimmt ein breites Bündnis, dem neben dem Flüchtlingsrat Niedersachsen Roma-Organisationen, antirassistische Initiativen, Flüchtlingsorganisationen, der VVN und der DGB angehören, zum Anlass, eine Demonstration und Diskussionsveranstaltung am 8. April in Hannover gegen die Abschiebungen von Roma und anderen Minderheitenangehörigen in den Kosovo durchzuführen. Allein in Niedersachsen sind 3.500 Roma von Abschiebungen bedroht sind, bundesweit sind es gut 10.000. Durch ein Abkommen zwischen der Bundesregierung und der kosovarischen Regierung ist es seit letztem Jahr möglich, auch Angehörige der Minderheiten wie Roma oder Ashkali abzuschieben. Inzwischen finden regelmäßige Sammelabschiebungen über die Flughäfen in Düsseldorf und Karlsruhe statt. Ein Leben in Sicherheit und Würde ist den Roma wie auch anderen Minderheitenangehörigen im Kosovo nicht möglich. Dies machen Berichte von Menschenrechtsorganisationen, von zurückgekehrten Flüchtlingen oder auch der OSZE deutlich. Abgeschobene Roma müssen dort unter armseligen Verhältnissen in Slums leben, bei einer Arbeitslosigkeit von annähernd 100 %, bedroht von einem alltäglichen Rassismus. Der Menschenrechtskommissar des Europarates, Thomas Hammarberg, hat vor diesem Hintergrund bereits mehrmals vergeblich an die Bundesregierung appelliert, die Abschiebungen einzustellen. Das Bündnis weist in seinem Aufruf darauf hin, dass nicht zuletzt vor dem Hintergrund der Verfolgung und Ermordung von über 500.000 Roma und Sinti während der NS-Herrschaft, Deutschland in der Verantwortung steht, den Roma-Flüchtlingen heute einen sicheren Aufenthalt zu garantieren und fordert daher ein uneingeschränktes Bleiberecht.
www.nds-fluerat.org


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80.000 Unterschriften für gleiche Bezahlung angestellter Lehrkräfte

HANNOVER. 80.000 Unterschriften für eine bessere und gleiche Bezahlung angestellter Lehrkräfte haben die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) sowie die dbb-Tarifunion am 26. März 2010 an Hartmut Möllring (CDU) übergeben. Die GEW forderte den Vorsitzenden der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) auf, sich bei seinen Finanzministerkollegen für den schnellen Abschluss eines Tarifvertrages einzusetzen. "Die Bundesrepublik steuert auf einen massiven Lehrermangel zu. Gute Lehrkräfte wachsen nicht auf den Bäumen, wir müssen sie mit attraktiven Arbeitsbedingungen für den Beruf gewinnen. Dazu gehört nicht zuletzt ein angemessenes Einkommen", sagte GEW-Vorsitzender Ulrich Thöne während der Übergabe. "Gleiches Geld für gleichwertige Arbeit: Angestellte Lehrkräfte z.B. in den Grundschulen sind es leid, nach dem Motto 'kleine Kinder, kleines Gehalt - größere Kinder, größeres Gehalt' schlechter bezahlt zu werden als andere Lehrkräfte", unterstrich Thöne mit Blick auf den Equal Pay Day am 26. März. "Deutschland hat in Europa die rote Laterne in der Frage der schlechteren Bezahlung von weiblichen Beschäftigten gegenüber ihren männlichen Kollegen." Thöne wies in diesem Zusammenhang darauf hin, dass ca. 90 Prozent der Lehrkräfte an Grundschulen Frauen seien. http://gew-nds.de


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IPPNW zur Bundestagsdebatte über Abrüstung

BERLIN. Die 1985 mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnete Ärzteorganisation IPPNW begrüßt den am 26. März 2010 im Parlament verabschiedeten interfraktionellen Antrag für eine Welt ohne Atomwaffen. "Dass sich eine parteienübergreifende Koalition im Deutschen Bundestag für den Abzug der US-Atomwaffen aus Deutschland und eine reduzierte Rolle der Nuklearwaffen innerhalb der NATO einsetzt, ist ein bisher einmaliger parlamentarischer Vorgang", erklärt die IPPNW-Vorsitzende Dr. Angelika Claußen. Allerdings fordert die IPPNW eine vollständige Beendigung der nuklearen Teilhabe ... Diese unsägliche Praxis müsse schnellstens beendet werden. Selbst die US-Militärs in Europa (USEUCOM und SHAPE) sind der Auffassung, dass durch den Abzug der US-Atomwaffen aus Europa kein militärischer Nachteil entstehen wird. Die IPPNW sieht es zudem als positives Zeichen, dass die Bundestagsabgeordneten den Vorschlag der Friedensbewegung für eine Nuklearwaffenkonvention zur Ächtung der Atomwaffen aufgenommen haben. "Außenminister Guido Westerwelle muss sich nun bei der Atomwaffensperrvertrags-Konferenz in New York für eine solche Konvention stark machen, indem er darauf drängt, einen Vorbereitungsprozess so schnell wie möglich in Gang zu setzen", verlangt Hall.
www.ippnw.de


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Atomkraft abschalten! Aktionen am 24. April 2010

HAMBURG. Die Anti-Atom-Bewegung wird aktiv gegen den Weiterbetrieb der Atomkraftwerke. Der BUND ruft zusammen mit vielen anderen zu einer 120 Kilometer langen Aktions- und Menschenkette zwischen den AKW Brunsbüttel und Krümmel am 24. April auf. An den Atomanlagen in Gorleben wird am 21.4. ein Treck starten und über Uelzen und Lüneburg, wo jeweils Aktionen stattfinden, am 24. April das Kraftwerk an der Elbe, erreichen. Gleichzeitig wird am 24. April eine Umzingelung des AKW Biblis organisiert von Anti-Atom-Initiativen aus Hessen, Rheinland-Pfalz, Bayern und Baden-Württemberg sowie verschiedenen Umweltorganisationen. So wurde jüngst die Buchung des ersten Sonderzuges in der Geschichte des Widerstands gegen die Schrottreaktoren in Biblis offiziell bestätigt. Er wird bis zu 1.000 AtomkraftgegnerInnen ab Basel über Freiburg, Karlsruhe, Offenburg, Heidelberg und Mannheim nach Biblis bringen. Auch am 24. April beginnt um 12.30 Uhr am Bahnhof Ahaus die zentrale NRW-Atomausstiegs-Demo zum Zwischenlager Ahaus. Unterstützt wird diese Demonstration durch ein Widerstandscamp vom 23.4 bis zum 25.4 auf der BI-Wiese.
www.anti-atom-kette.de


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Über 20.000 Klagen gegen ELENA

BERLIN. Am 1. April 2010 haben BürgerrechtlerInnen nach eigenen Angaben mehr als 60 Aktenordner mit Klagen gegen das bereits seit Anfang des Jahres laufende elektronische Entgeltnachweissystem (kurz ELENA) eingelegt. Die BürgerrechtlerInnen, welche bereits Anfang des Jahres mit einer Klage gegen Vorratsdatenspeicherung vor das Bundesverfassungsgericht gezogen waren und Recht erhielten, hoffen nun auf eine ähnliche Entscheidung bezüglich ELENA.

Ihrer Ansicht nach verstößt die Bundesregierung mit ELENA insbesondere gegen die informationelle Selbstbestimmung der ArbeitnehmerInnen. Unterdessen melden auch Gewerkschaften Bedenken gegen ELENA an: auch ihrer Ansicht nach liegt im Fall von ELENA eine unverhältnismäßige Vorratsdatenspeicherung vor, gegen die ArbeitnehmerInnen sich nicht wehren können, da ELENA für die ArbeitgeberInnen verpflichtend ist. So bereichtet die "Taz", dass bereits Mitte März über 35 Millionen Datensätze mit dem System gesammelt und gespeichert wurden. Erschreckend ist die Zahl der gesammelten Datensätze vor allem vor dem Hintergrund von jüngsten Umfrageergebnissen, nachdem 40 % der ArbeitnehmerInnen in Deutschland das Gesetz und die praktische Bedeutung von ELENA nicht kennen. Während die rechtliche Auseinandersetzung durch die eingereichten Klagen begonnen hat, ist sich die Koalition uneins über (Un)Sinn und Gefahren von ELENA und kündigten eine erneute Überprüfung an.
www.pm-buendnis.de


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E-Petition gegen Residenzpflicht

BERLIN. Seit dem 15. März steht eine E-Petition an den Bundestag gegen die Residenzpflicht zur Mitzeichnung im Netz. Innerhalb von sechs Wochen, also bis zum 27. April 2010, kann sich jede und jeder, die/der sich bei E-Petitionen. Bundestag.de registriert, die Petition mitzeichnen und unterstützen. Petitionstext: "Der Deutsche Bundestag möge beschließen, dass die "Residenzpflicht" (Asylverfahrensgesetz (AsylVfG) § 56 und § 85 Punkt 2.) abgeschafft wird, die es Asylbewerber_innen und geduldeten Flüchtlingen verbietet, ihren Meldelandkreis ohne behördliche Ausnahmegenehmigung zu verlassen." Wenn in den ersten drei Wochen mindestens 50.000 UnterzeichnerInnen zusammenkommen, wird über sie im Petitionsausschuss öffentlich verhandelt. Eventuell unterstützen Abgeordnete des Bundestags die Petition, die dann dem Bundestag zum Beschluss vorgelegt wird.

Hier geht's zur Petition: https://epetitionen.bundestag.de/index.php?action=petition;sa=details;petition=10249


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Rechts-Rock 2009 - Rechtsextreme Erlebniswelt etabliert sich weiter

ERFURT. Die Mobile Beratung in Thüringen (MOBIT) zählte im vergangenen Jahr 2009 27 Rechts-Rock-Konzerte (27 im Jahr davor). Weitere fünf Konzerte (Vorjahr: 0) konnten vor Beginn verhindert werden. Durchschnittlich jedes zweite Wochenende hatten demnach rechtsextreme Szenegänger die Möglichkeit, ihre im Kern menschenverachtende Musik live zu hören, sich zu vernetzen und am Rande CDs, T-Shirts und Ähnliches zu kaufen. Die musikalische Stilvielfalt der auf den Konzerten auftretenden Bands war groß. Sie reichte vom einfachen Liederabend, über klassischen Rock against Communism, NS-Hatecore bis zu NS-Black Metal. Damit setzte sich die Entwicklung der vergangenen Jahre fort, die von einer weitgehenden Öffnung der Szene für Kleidungs- und Musikstile anderer, nicht rechter Subkulturen geprägt war ... Ebenso muss das diesjährige NPD-Fest "Rock für Deutschland" in Gera noch einmal gesondert erwähnt werden. Mit seinen ca. 5.000 Teilnehmern handelte es sich um das drittgrößte rechtsextreme Open Air, dass in der Bundesrepublik je statt fand...
www.mobit.org


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Gemeinsame Erklärung ehemaliger NS-Opfer an die "Reichsbahn"

BERLIN. Einundzwanzig Opferorganisationen aus vier Staaten fordern von den historischen Erben der "Deutschen Reichsbahn", "sich der eigenen (NS-)Geschichte zu stellen" und die Bahn-Deportierten angemessen zu ehren. In der am 26. März 2010 beschlossenen Warschauer Erklärung heißt es im Vorwort: "Vor 65 Jahren kapitulierte Nazi-Deutschland. Integraler Bestandteil des NS-Zwangsregimes war die 'Deutsche Reichsbahn'. Sie verschleppte Millionen Menschen aus ganz Europa in den Tod oder in ein Sklavendasein. Ohne die 'Deutsche Reichsbahn' und ihre Massentransporte wären die Morde, die Ausbeutung und die unmenschlichen Leiden der Opfer unmöglich gewesen. Die Wagen der 'Deutschen Reichsbahn' wurden für Hunderttausende zu rollenden Särgen. Wir sind Überlebende dieser Todestransporte. Für unseren Weg in Vertreibung, Gefangenschaft und Vernichtung hat die 'Deutsche Reichsbahn' Kilometer für Kilometer Gebühren erhoben. An den Massenverbrechen hat sie sich bereichert. Auch 65 Jahre danach ist die Verbrechensbeihilfe der 'Deutschen Reichsbahn' nicht abgegolten. Eine angemessene Ehrung der Millionen, die von den Transporten mit der 'Deutschen Reichsbahn' nicht zurückkehrten, wäre längst an der Zeit gewesen. Den bedürftigen Überlebenden zu helfen, sollte selbstverständlich sein. In diesem Jahr feiern die 'Reichsbahn'-Erben ihr 175. Jubiläum. Es ist höchste Zeit, dass sie sich der eigenen Geschichte stellen. Die historischen Nachfolger der 'Deutschen Reichsbahn' müssen ihrer moralischen und finanziellen Pflicht endlich nachkommen. Wir appellieren an die deutsche und internationale Öffentlichkeit, sich an die Seite der Überlebenden zu stellen und für Aussöhnung und Gerechtigkeit einzutreten."
www.german-foreign-policy.com


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Große Demonstration "Wir zahlen nicht für eure Krise" in Essen

ESSEN. Aus dem ganzen Bundesgebiet kamen die Menschen am 20. März 2010 in Essen zusammen, um friedlich gegen die Abwälzung der Krise auf die Menschen zu demonstrieren. Die Zahl der TeilnehmerInnen belief sich auf etwa 5.000 Menschen. Sie alle kamen um deutlich zu machen: "Wir zahlen nicht für eure Krise - Zwingen wir die Profiteure zur Kasse!" Zahlreiche soziale Initiativen, NGOs, Gewerkschaften und ihre Untergruppen, Migranten- und Jugendverbände, Die Linke und weitere linke Parteien hatten zum Protest gegen den Casino-Kapitalismus aufgerufen. Gekommen waren viel mehr als erwartet. Der große Zulauf zeigte auf jeden Fall deutlich, dass der NRW-Landtagswahlkampf an Brisanz deutlich zunimmt. Kurzfristig kann es zu einem unverhältnismäßig aggressiven Einsatz der Polizei. Besonders hart wurde die Bundestagsabgeordnete Sevim Dagdelen von einer Polizistin in Zivil attackiert. Frau Dagdelen stellt einen Strafantrag gegen die Beamtin.
http://solinger-linke.blogspot.com

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Kommunalpolitische Konferenz der Bundestagsfraktion Die Linke: Finanznot der Kommunen nicht hausgemacht

Das stellt die Abschlusserklärung der gut 100 Teilnehmerinnen und Teilnehmer der kommunalpolitischen Konferenz der Bundestagsfraktion Die Linke am 27. und 28. März im Essener Haus der Technik schon in der Überschrift fest. Deshalb sind Forderungen nach einer wirksamen Gemeindefinanzreform das wesentliche Ergebnis der kommunalpolitischen Konferenz der Bundestagfraktion Die Linke Eine Bestandsaufnahme bekannter Etappenziele und sachliche Debatten bestimmten die konstruktive Arbeitsatmosphäre der Konferenz, die in den bürgerlichen Medien kaum wahrgenommen wurde, auch wegen des geringen Nachrichtenwerts in Bezug auf spektakuläre Personal- und Richtungsentscheidungen der Linken. Als Einstieg in die hart an den Problemen vor Ort geführten Debatten schilderte der Wuppertaler Stadtrat und Linken-Landesvorstand Bernhard Sander die Kämpfe um das in der Schließung des Schauspielhauses gipfelnde 80-Millionen-Kürzungspaket der Stadtverwaltung. "Kommunale Selbstverwaltung darf nicht auf die Frage zurückgeschnitten werden, wo gekürzt wird", so seine Forderung an linke Politik vor Ort.

Solche Streichlisten werden soziale und kulturelle Infrastrukturen zerstören, aber, wie auch Stefan Pfeiffer vom DGB verdeutlichte, den Bankrott der hoffnungslos überschuldeten Städte im Revier nur unwesentlich herausschieben. Diese "Vergeblichkeitsfalle", aus der es ohne Hilfe von Land und Bund kein Entrinnen gibt, ist nicht das Ergebnis der aktuellen Wirtschaftskrise, sondern die Folge sinkender öffentlicher Einnahmen im Zuge des Strukturwandels und eines gescheiterten Wirtschaftsmodells der Entstaatlichung, so Pfeifers Diagnose. Axel Troost, finanzpolitischer Sprecher der Bundestagfraktion, benannte Ross und Reiter: Mit 50 Milliarden Mindereinnahmen pro Jahr hat die rot-grüne Unternehmenssteuerreform die Löcher in den öffentlichen Kassen immer weiter aufgerissen, zur Finanzierung ihres Steuergeschenks an die Hotelketten greift auch Schwarz-Gelb weiter in die kommunalen Kassen: 2010 ist schrecklich, doch die wirklichen Probleme kommen erst 2011 und 2012, so seine Prognose. Die Gemeindefinanzreformkommission des Bundes werde keine wirksame Hilfe bringen, stellte er fest, und forderte von den kommunalen Spitzenverbänden, gegenüber den Koalitionsplänen zur Abschaffung der Gewerbesteuer hart zu bleiben.

Direkte Demokratie durch Bürgerhaushalte, die Absage an Privatisierungen und konkrete Wege zur Rekommunalisierung der Daseinsvorsorge waren Schwerpunkte der Arbeitsgruppen: "Kommunale Unternehmen sichern gute Arbeit und sind dabei günstiger als Private", so das Fazit unserer Bundestagsabgeordneten Ulla Lötzer. Deshalb muss, so auch die NRW-Spitzenkandidatin Bärbel Beuermann, die von Schwarz-Gelb in NRW beschlossene Behinderung wirtschaftlicher Tätigkeit der Kommunen in der Gemeindeordnung zurückgenommen werden. Zustimmung bei der Verdi-Landesleiterin Gabi Schmidt fanden neben dieser Forderung auch die Eckpunkte der Linken für eine Gemeindefinanzreform: Weiterentwicklung der Gewerbesteuer zu einer Gemeindewirtschaftssteuer, Kompensation der Steuerausfälle für Kommunen durch das schwarz-gelbe Wachstumsbeschleunigungsgesetz, Übertragung von Aufgaben an die Kommunen nur bei ausreichender finanzieller Ausstattung, Rücknahme der Schuldenbremse und die Einführung eines verbindliches Mitwirkungsrecht für Kommunen auf Bundes- und Landesebene.

Wesentliches Ergebnis der Konferenz neben dieser erfreulich breiten Übereinstimmung zwischen Positionen der Gewerkschaften und der Linken war, dass sich die Bundestagsfraktion Die Linke künftig verstärkt in Kooperation mit kommunalen Mandatsträgern mit den Problemen der Kommunen befassen wird, was mit der Teilnahme von Gesine Lötzsch auch personell unterstrichen wurde.

Offen blieben - sowohl im Hinblick auf die praktische Politik wie auch die programmatische Debatte - allerdings neue Ansätze, z.B. mit einer Verbindung von kommunaler Selbstverwaltung, Demokratisierung der Demokratie und sozialen Grundrechten über die dringend nötige Kritik des kommunalen Elends hinausweisende Perspektiven zu entwickeln.

Wolfgang Lindweiler


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Dokumentiert:

Aus der Erklärung der Teilnehmerinnen und Teilnehmer der kommunalpolitischen Konferenz "Zukunft der Kommunalen Selbstverwaltung" am 27./28. März 2010 in Essen:

­... Die Linke fordert zur Stärkung der Kommunalfinanzen:
Kommunen brauchen Stabilität, Planungssicherheit und deutlich höhere Einnahmen. Dazu bedarf es sowohl einer Steuerreform, die die finanzielle Handlungsfähigkeit des Staates insgesamt stärkt (z.B. Vermögens-, Millionärs- sowie Transaktionssteuer) als auch eine Neuordnung der Finanzen zwischen Bund, Ländern und Kommunen wie:

• Kompensationen der Steuerausfälle, die den Kommunen durch das schwarz-gelbe Wachstumsbeschleunigungsgesetz entstanden sind, durch

• Abschaffung der Gewerbesteuerumlage an Bund und Länder

• kommunale Investitionspauschale für Kommunen aus Bundesmitteln,

• Entschuldungsfonds für strukturschwache Kommunen und
Zinsmoratorium

• Gewerbesteuer zur Gemeindewirtschaftsteuer weiterentwickeln: Alle unternehmerisch Tätigen sind steuerlich einzubeziehen und die Bemessungsgrundlage gehört ausgeweitet!

• Aufgaben nur bei angemessener Finanzausstattung an Kommunen übertragen: Bund und Länder dürfen Aufgaben auf Kommunen übertragen oder erweitern, wenn deren Zustimmung vorliegt und eine Finanzierung, die sich an den tatsächlichen Ausgaben ausrichtet - auch rückwirkend -, gewährleistet ist.

• Bund angemessen an der Finanzierung gesamtstaatlicher Aufgaben beteiligen: Der Anteil des Bundes an der Finanzierung der Kosten der Unterkunft für ALG II-Beziehende, des Ausbaus der Kindertagesbetreuung sowie des Angebots in Ganztagsschulen, der Eingliederungshilfen sowie der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbslosigkeit muss entscheidend erhöht werden.

• Finanzbeziehungen zwischen Bund, Ländern und Kommunen neu ausgestalten: Das Steueraufkommen zwischen diesen Ebenen muss grundlegend anders verteilt werden. Der Anteil der Kommunen am Steueraufkommen muss deutlich erhöht werden.

• Schuldenbremse zurücknehmen: Die unter Schwarz-Rot durchgesetzte Schuldenbremse schränkt die Handlungs- und Gestaltungsspielräume von Bund und Ländern massiv ein. Der damit verordnete Sparzwang geht auch zu Lasten der kommunalen Zukunftsfähigkeit sowie der Generationengerechtigkeit.

• Einklagbares und verbindliches Mitwirkungsrecht für Kommunen einführen: Kommunen müssen in den Entscheidungsprozessen, die direkt oder indirekt Auswirkungen auf die Kommunen haben, frühzeitig und direkt einbezogen werden. Dazu ist ihnen im Grundgesetz ein verbindliches Mitwirkungsrecht einzuräumen.

• Public-Privat-Partnership (PPP bzw. ÖPP) ist keine Lösung für die Finanzprobleme der Kommunen, sondern ein zusätzliches neues Problem, was zu deutlich höheren Belastungen der Kommune führt und zudem völlig intransparent ist. Die Linke lehnt die Finanzierung von öffentlichen Aufgaben durch PPP entschieden ab.

• Rekommunalisieren statt privatisieren: Gegenwärtig werden in einigen Städten und Kommunen wichtige Weichen für eine Rückübertragung von Leistungen in die öffentliche Hand gestellt. An diese jüngeren Entwicklungen gilt es anzuknüpfen und Möglichkeiten sich bietender Rekommunalisierungen gezielt weiter auszubauen! Um Rekommunalisierung zu ermöglichen, muss beispielsweise in NRW die Änderung des • 107 der Gemeindeordnung durch den Landtag zurückgenommen werden, der die Kommunen an der wirtschaftlichen Betätigung hindert...


Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:

NRW: erfolgreiche Abwehr faschistischer Hetzkampagne:
Sie ist weder eine Bewegung noch tritt sie für Bürgerrechte ein, im Gegenteil: Die selbsternannte "Bürgerrechtsbewegung" "Pro NRW" führte am Wochenende vor Ostern im Ruhrgebiet gezielte Hetzveranstaltungen gegen Muslime durch, mit im Schlepptau war die NPD. Am Freitag zog immer derselbe Haufen von rund 30 bis 40 "Pro-NRW-Anhängern" zu Moscheen in fünf Ruhrgebietsstädten, um dort islam-feindliche Kundgebungen abzuhalten und versuchte so den Anschein einer Bewegung zu vermitteln. Das misslang gründlich, denn die sehr breit getragene gesellschaftliche Bewegung entstand in den Stadtteilen gegen die Faschisten. So demonstrierten in allen betroffenen Städten jeweils viele hundert Menschen, wie auch gegen den "Kongreß für ein Minarett-Verbot" am Samstag in Gelsenkirchen mit rund 150 Beteiligten. Auch der "Sternmarsch" auf eine Moschee am Sonntag in Duisburg und eine Kundgebung der NPD waren nur äußerst mäßig besucht und stießen auf den Widerstand der Bevölkerung. Leider ermittelte die Polizei in einigen Städten lieber gegen antifaschistische Bündnisse, die zu Blockaden aufriefen, statt wenigstens zu versuchen, die Nazi-Provokationen zu verbieten.

Thorsten Jannoff

Raute

KOMMUNALE POLITIK

"Bürgerkredit" in Quickborn: QUICKBORN. 4 Mio. Euro hatte im letzten Jahr die Bevölkerung aus Quickborn und Umgebung der Stadt geliehen, bis die Aufsichtsbehörden den Bürgerkredit ausbremsten: Wird die Kommune zum Kreditinstitut, bräuchte sie dafür eine Genehmigung. Nun hat man einen neuen Dreh gefunden, Geld von den BürgerInnen zu leihen - mit Hilfe einer Bank. Am 8. März 2010 startete das Online-Angebot "Heimatinvest" mit zwei Darlehensformen im Portfolio. Bei einer Laufzeit von zwei Jahren gibt es 1,5% Zinsen p.a., bei fünf Jahren sind es 2,6%. Minimum sind jeweils 5 000 Euro. Das Bürgerdarlehen soll in Schulbauten der schleswig-holsteinischen Kleinstadt gesteckt werden. Das neue Angebot kommt offenbar langsamer aus den Startlöchern als der alte Bürgerkredit: "Die Nachfrage bleibt bisher weit hinter den Erwartungen zurück", sagte der stellvertretende Vorsitzende der Grünen-Fraktion Heinrich F. Kut zur AKP. Auf Nachfragen musste die Stadtspitze einräumen, dass nur dieser eine Anbieter auf die Stadt zugekommen sei. Für das Unternehmen ist Quickborn ein Pilotprojekt, es will diese Finanzierungsform auch anderen Kommunen anbieten.
www.kommunale-info.de


Alles was krank macht untersuchen: FRANKFURT a.M. Die Linke kritisiert die im Februar 2010 veröffentlichte Studie "Ausbreitungsrechnungen für den Ballungsraum Rhein-Main als Beitrag zur Ursachenanalyse für den Luftreinhalteplan Rhein-Main" scharf. Es sind nur wenige Luftschadstoffe erfasst. Die Einschränkung auf Feinstaub und Stickoxide in der Untersuchung ist nicht haltbar. Weitere Schadstoffe wie Nickel, Arsen, Cadmium, Teer und Silber müssen erfasst werden. Der Ausbau des Frankfurter Flughafens, der Ausbau der A 66 und der A 661 (z. B. Riederwaldtunnel und Ostumgehung) sowie die Gesundheitsrisiken durch die thermische Verwertung von Müll bleiben in der Studie unberücksichtigt. "Wir fordern die Stadt Frankfurt am Main auf, sich für eine Gesamtbelastungsstudie für das Rhein-Main-Gebiet einzusetzen, die den Namen auch wirklich verdient" so Carmen Thiele, umweltpolitische Sprecherin der Fraktion Die Linke im Römer.
www.linke-frankfurt.de


Kinderbetreuung: Sozialkürzungen bei den Schwächsten: HAMBURG. Schwarz-Grün plant laut einem Entwurf einer Senatsdrucksache erhebliche Kürzungen im Bereich der Kinderbetreuung. Unter anderem sollen Eltern mit enormen Mehrkosten belastet werden. Als erste Maßnahme sollen ab Mitte Mai die Essenspreise in Kindertagesstätten und Horten um teilweise mehr als 60% angehoben werden. "Der Senat fördert mit seiner Familien- und Sozialpolitik die weitere Spaltung der Gesellschaft. Wir fordern den Senat eindringlich auf, auf die Sparmaßnahmen zu verzichten, denn sie treffen die Schwächsten", erklärt Mehmet Yildiz, kinder- und jugendpolitischer Sprecher der Linksfraktion in der Hamburgischen Bürgerschaft. "Das ist unverantwortlich. In Hamburg kommen seit Jahren immer mehr Kinder hungrig zur Schule und Kita, statt dem entgegenzuwirken, spart der Senat am Essen der Kleinsten." Die Preiserhöhung hätte zur Folge, dass vor allem Kinder von Erwerbslosen und Geringverdienern sich das Kita-Essen nicht mehr leisten können. Zudem werden die Eltern mit Mehrbelastungen in Millionenhöhe zu rechnen haben. Der Senat plant unter anderem die Erhöhung der Gebühren um etwa 100 Euro pro Kind, obwohl die meisten Familien ohnehin von Erwerbslosigkeit und Wirtschaftskrise gebeutelt sind. Auch hier trifft es vor allem die Ärmsten der Bevölkerung, denn wer 210 Euro ALG II-Regelsatz für das Kind erhält, der hat ohnehin kaum die Möglichkeit die Gebühren zu zahlen. Es ein Skandal, dass auch Familien mit behinderten Kindern, die bisher den ermäßigten Satz zahlen mussten, nun den vollen Beitrag zahlen müssen. Auch die Verschiebung des Kita-Rechtsanspruches ab dem zweiten Lebensjahr erschwert grundsätzlich die pädagogische Erziehung der Kinder.
http://www.die-linke-hh.de


ÖPNV kostenlos für Schülerinnen und Schüler: KARLSRUHE. "Schülerinnen und Schüler haben kein eigenes Einkommen. Deshalb sollten sie den ÖPNV kostenlos nutzen können. Familien, bzw. Erwachsene mit Kindern sollen nicht dadurch finanziell mehr belastet werden, dass ihre Kinder den ÖPNV nutzen wollen oder müssen. Das ist der zentrale Gedanke. Das müsste eigentlich aus Steuermitteln finanziert werden, aber wo weit sind wir eben noch nicht. Deshalb unser Ansatz, die Kosten erst mal auf die Fahrpreise für nichtermäßigte Erwachsene umzulegen", begründen Sabine Zürn und Niko Fostiropoulos ihre Anfrage an die Karlsruher Stadtverwaltung. Die Anfrage soll klären, welche Einnahmeausfälle dadurch entstehen. Diese könnten, so die Idee, dadurch kompensiert werden, dass die Fahrpreise für nichtermäßigte Erwachsene entsprechend erhöht werden. Um wieviel die Fahrpreise für nichtermäßigte Erwachsene dann angehoben werden müssen, war deshalb eine weitere Frage an die Stadtverwaltung. Weiter versprechen sich die Linken einen nicht unwesentlichen Umsteigeeffekt vom PKW auf den ÖPNV. Kinder mit dem PKW zur Schule oder zu Freizeitaktivitäten zu bringen, würde dann in der Relation teurer.
http://www.die-linke-karlsruhe.de


Alkoholverbot nicht zulässig: OLDENBURG. Die Linke Oldenburg sieht sich in ihrem Kurs gegen eine repressive Politik bestärkt: Kurz vor den Sommerferien 2009 wollte die Verwaltung der Stadt Oldenburg ein Alkoholverbot im Wege einer Neufassung einer Grünanlagensatzung für Oldenburg im Ausschuss für Stadtgrün, Umwelt und Klima durchsetzen. Die Linke hatte dagegen vehement protestiert und ein solches Verbot dann auch verhindern können. Im Wesentlichen haben wir den Vorstoß der Verwaltung damit abgelehnt, dass ein solches Alkoholverbot auf öffentlichen Plätzen mit unserer Verfassung nicht vereinbar ist und gegen die Freiheitsrechte unserer Bürgerinnen und Bürger verstößt. Die Linke hatte damals schon angemahnt, dass eine solche Satzung schon vor den Verwaltungsgerichten keinen Bestand haben würde. Beispielhaft konnte damals bereits auf das ausgesprochene Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg für die Stadt Freiburg verwiesen werden. Diese Linie der Linken Oldenburg bestätigte nun zusätzlich das Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt. Dieses Gericht kippte aktuell ein Alkoholverbot für die Stadt Magdeburg. Das Gericht stellte fest, dass ein Alkoholverbot auf Magdeburgs Straßen und Plätzen unwirksam ist. Zudem wurde auch eine Revision gegen dieses Urteil nicht zugelassen. Die in Rede stehende Verordnung hatte im gesamten Stadtgebiet das "Lagern oder dauerhafte Verweilen in Verbindung mit Alkoholkonsum in der Öffentlichkeit" verboten, wenn andere dadurch erheblich beeinträchtigt werden. Dies sah ganz ähnlich auch der Satzungsentwurf der Verwaltung in Oldenburg vor ... Damit konstatiert Die Linke dass solche Satzungen und Vorstöße im eklatanten Widerspruch zu den von unserer Verfassung garantierten Freiheiten, namentlich die Allgemeine Handlungsfreiheit aus Art. 2 I Grundgesetz, sowie der Versammlungsfreiheit aus Art. 8 Grundgesetz stehen und darüber hinaus friedliches Verhalten im öffentlichen Raum in nicht hinnehmbarer Weise zu kriminalisieren versuchen. Solche Pläne sind schlicht als lebensfremd und überreguliert zu bezeichnen und sind daher strikt abzulehnen, zumal wieder einmal insbesondere die weniger privilegierten Menschen benachteiligt würden, die nämlich keinen eigenen Garten zur Verfügung haben und die insbesondere Grünanlagen als Erholungsräume nutzen.
http://fraktion-dielinke.kdo.de


Essenspakete-Boykott: AUGSBURG. Seit Mittwoch, den 24.3.2010, beteiligen sich nun auch Flüchtlinge aus einem dritten Lager in der Schülerstraße in Augsburg an den Essenspaketeboykotts, die BewohnerInnen der Flüchtlingslager im Landkreis Passau begonnen haben. Damit boykottieren jetzt über 200 Flüchtlinge in Hauzenberg, Breitenberg, Bogen, Regensburg, Aholfing, Passau und Augsburg die Annahme der Essenspakete. Mit 126 Beteiligten am Boykott liegt Augsburg an der Spitze in Bayern. Wie die Augsburger Allgemeine feststellte, kommen CSU und FDP in Bayern "unter Druck". Begonnen hat alles mit einem Hungerstreik der Flüchtlinge in den niederbayerischen Lagern Hauzenberg und Breitenberg, der nach drei Wochen in einen Boykott der Essenspakete überging. Seit 26. Januar diesen Jahres befinden sich nun Flüchtlinge in ganz Bayern im Essenspakete-Boykott ­... Ihre zentralen Forderungen sind: Bargeld statt Essenspakete; das Recht, zu arbeiten; Bewegungsfreiheit statt Landkreisbeschränkung durch Residenzpflicht; Abschaffung der Zwangsunterbringung in Lagern; Respekt der Verantwortlichen in Ausländerbehörden, Landratsämtern und Innenministerium gegenüber Flüchtlingen.
www.forumaugsburg.de


An politischen Gremien vorbei gemogelt? ESSEN. Als "unerhörten Vorgang" bezeichnet die stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Fraktion Die Linke im Rat der Stadt Essen, Gabriele Giesecke, die Zahlung der Stadt Essen von rund 2 Millionen Euro im Jahre 2008 an die Eon Ruhrgas. Diese Zahlung erfolgte nicht nur ohne jeglichen juristischen Zwang, die Verwaltungsspitze entschied eigenmächtig über die politischen Gremien hinweg dem Eon-Konzern mit rund 2 Millionen Euro finanziell entgegen zukommen. Somit wurde praktisch einen Teil des Kaufpreises des Grundstückes zurückerstattet. Gabriele Giesecke: "Angesichts z.B. der geplanten Streichung von 182.000 Euro im vorauseilenden Gehorsam für den Sprachförderunterricht der Uni Essen für Kinder von Migrantinnen und Migranten ist es unverantwortlich, wie hier mit Geldern der Steuerzahler umgegangen wurde." Wolfgang Freye, linker Ratsherr und Mitglied des Planungsausschusses: "Das Umgehen mit einem der größten Energiekonzerne erinnert uns an den Umgang der Ratsmehrheit mit der Verlängerung der Evonic-Fernwärme-Verträge im Sommer 2008. Mit den Stimmen von CDU und SPD wurden die Verträge verlängert, obwohl die Stadt bei einer Rekommunalisierung der Fernwärmeverträge bis zu 15 Millionen Euro zusätzlich hätte einnehmen können. Geschenke an die Energiekonzerne passen absolut nicht zur finanziellen Situation der Stadt".

Die Linke verlangt eine lückenlose Aufklärung des Vorganges im Stadtplanungs- sowie im Bauausschuss. Dabei will sie vor allem geklärt wissen, auf welcher Rechtsgrundlage die Verwaltung an den politischen Gremien vorbei rd. 2 Mio. Euro an den Eon-Konzern überweisen konnte. Immerhin war der Verkauf und der Verkaufspreis des Grundstückes politisch beschlossen worden.
www.linksfraktion-essen.de


(Zusammenstellung: ulj)

Raute

"Das System Leiharbeit ist gescheitert"

IG Metall fordert neue Regeln für Leiharbeit

Der Vorstand der IG Metall hat Mitte März eine Kampagne für eine neue Regulierung der Leiharbeit gestartet. "Das System Leiharbeit ist gescheitert", stellte der 2. Vorsitzende der IGM, Detlef Wetzel, fest. Der "Fall Schlecker" habe deutlich gemacht, welcher Missbrauch von Leiharbeit auf Grundlage der bestehenden gesetzlichen Regeln heute möglich sei.

Wie groß das Problem sei, habe auch eine von NRW-Arbeitsminister Laumann beauftragte Studie über Zeitarbeit in Nordrhein-Westfalen gezeigt, so Wetzel. Danach

- nutzen ein Viertel aller Entleihbetriebe Zeitarbeit zur Ersetzung von Stammbelegschaften durch Leihkräfte,

- liegt die Entgeltdifferenz zwischen Zeitarbeits- und Stammkräften bei un- und angelernter Arbeit bei 45 Prozent, bei qualifizierter Tätigkeit bei 35 Prozent.

Von vollzeitbeschäftigten Leihkräften erhalten 77 Prozent einen Lohn unterhalb der Niedriglohnschwelle von 1.300 Euro pro Monat. Jeder achte Leiharbeitnehmer benötigt zusätzlich zum Lohn ergänzende Transferleistungen, also Hartz IV. Auch die angebliche "Brücke in ein Normalarbeitsverhältnis" sei eine Fiktion. Die Hälfte aller Arbeitsverträge im Bereich Leiharbeit dauere weniger als drei Monate. Die Übernahmequote in ein Normalarbeitsverhältnis liege unter 15 Prozent. Vor allem für junge Arbeitnehmer sei Leiharbeit oft eine Schleife ohne Ende.


Bundesratsinitiativen

Bereits im Herbst 2009 hatte der IG-Metall-Vorstand in einem offenen Brief an alle Ministerpräsidenten auf eine Änderung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes (AÜG) gedrängt. Unter der rot-grünen Regierung Schröder war das AÜG im Zuge der berüchtigten "Hartz-Reformen" massiv dereguliert worden. Ein steiler Anstieg der Leiharbeit als neue Form von Lohndumping war die Folge. Die Bundesländer Bremen und Rheinland-Pfalz hatten deshalb im September 2009 beantragt, Leiharbeit neu zu regulieren. Im einzelnen forderte ihr damaliger Antrag:

- Gleichbehandlung für Leihbeschäftigte mit den im Entleihbetrieb Beschäftigten bei Entgelt und allen übrigen Arbeitsbedingungen vom ersten Tag an. Ausnahmen nur für wenige Monate;

- Tarifverträge für Leiharbeit sollen nur für überlassungsfreie Zeiten gelten oder für die Überlassung in Unternehmen, die keine oder schlechtere tarifliche Regelungen haben;

- Aufnahme der Leiharbeitsbranche in das Arbeitnehmerentsendegesetz, um Tarifverträge allgemeinverbindlich zu erklären;

- Betriebsräte in Entleihbetrieben sollen das Ausmaß von Leiharbeit per Betriebsvereinbarung begrenzen können;

- die Dauer von Leiharbeit soll auf 24 Monate begrenzt sein, das unter rot-grün abgeschaffte Synchronisationsverbot wieder gelten, d.h. die Koppelung von Arbeitsverträgen der Leihfirmen an die Dauer der Überlassung in Entleihbetrieben soll wieder verboten sein.

"Heute sind die Leiharbeitnehmerinnen und Leiharbeitnehmer die ersten Opfer der Wirtschaftskrise", begründete der IGM-Vorstand seine Unterstützung der damaligen Initiative von Bremen und Rheinland-Pfalz. "Von dem viel gerühmten 'Klebeeffekt' ist nichts zu spüren. Im Gegenteil: die Leiharbeit ist ein Schleudersitz in die Arbeitslosigkeit." Trotzdem lehnten die unionsregierten Bundesländer den Antrag der beiden Länder ab.

Inzwischen haben sich auch im Bundesrat die Meinungen verschoben. Am 26. März 2010 verabschiedete die Länderkammer einen abgewandelten Antrag der beiden Länder Rheinland-Pfalz und Bremen und der zwei rot-rot regierten Bundesländer Berlin und Brandenburg:

"1. Der Bundesrat bekennt sich zur Zeitarbeit, die betriebliche Auftragsspitzen abfängt oder im Falle von Urlaub und Krankheit Vertretungen bereitstellt. Die Nutzung des Instruments der Zeitarbeit zum Ersatz von 'Stammbelegschaften' lehnt der Bundesrat ab.

2. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung zu prüfen, ob in der Zeitarbeitsbranche systematische Missbräuche bestehen und gegebenenfalls um Vorschläge, wie diesen wirksam begegnet werden kann."
(Drucksache 62/4/10 vom 25.3.2010)


Druck auch aus der EU

Unterstützung für die Position der Gewerkschaften kommt auch aus der von Teilen der Linken noch immer als notorisch "neoliberal" gescholtenen EU. Eine am 19. November 2008 verabschiedete Richtlinie des EU-Parlaments und des Rates der EU (Richtlinie 2008/104/EG), die bis 5. Dezember 2011 in allen Mitgliedsstaaten umgesetzt sein muss, schreibt unter anderem vor:

- die Wiedereinführung einer Höchstüberlassungsdauer für Leiharbeit;

- die gesetzliche Verpflichtung der Entleihbetriebe zur Gleichbehandlung von Leiharbeitnehmern bei Gemeinschaftseinrichtungen und Sozialleistungen im Entleihbetrieb (Essens- und Pausenräume, Duschen etc.), bei Essenszuschüssen, Beförderungsmitteln, Kinderbetreuungseinrichtungen usw.;

- bei Verstößen gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz kommt ein unbefristetes Arbeitsverhältnis mit dem Entleihbetrieb zustande;

- Entleihbetriebe sind verpflichtet, ihre Weiterbildungsangebote für Leihbeschäftigte zu öffnen;

- falls der Arbeitsvertrag des Leihbeschäftigten beim Verleihbetrieb an die Überlassungsdauer gekoppelt ist, ist gleiche Bezahlung wie die Stammbelegschaft im Entleihbetrieb vorgeschrieben;

- die deutsche Bestimmung, dass bei zuvor Arbeitslosen in den ersten sechs Wochen der Leiharbeit vom Gleichbehandlungsgrundsatz abgewichen werden kann, muss ersatzlos gestrichen werden;

- bei Leihbeschäftigten, die beim Verleihbetrieb einen befristeten Vertrag haben, ist keine Abweichung vom Gleichbehandlungsgrundsatz erlaubt;

- Leiharbeitnehmer müssen über frei werdende Stellen im Entleihbetrieb informiert werden;

- die Erhebung von "Vermittlungsgeldern" bei der Übernahme von Leiharbeitnehmern an den Verleiher ist untersagt;

- schließlich fordert die Richtlinie "wirksame, angemessene und abschreckende Sanktionen" bei Zuwiderhandlungen.


IG Metall fordert Mindestlohn

Die IG Metall fordert von der Bundesregierung, die EU-Richtlinie zügig in deutsches Recht umzusetzen. Zusätzlich sei ein gesetzlicher Mindestlohn im Bereich Leiharbeit erforderlich. Zur Begründung heißt es in der Erklärung der IGM: "Ab dem 1.5.2011 gilt die volle Freizügigkeit für Arbeitnehmer in der EU. Wenn es keinen Mindestlohn nach dem Arbeitnehmerentsendegesetz in Deutschland gibt, wird es ausländischen Unternehmen möglich sein, Leiharbeitnehmer zu noch niedrigeren Konditionen in Deutschland einzusetzen, weil sie ein Arbeitsverhältnis mit einem ausländischen Verleiher (oder der ausländischen Tochterfirma eines deutschen Verleihers) haben." Schon jetzt bereiteten sich die Verleihfirmen mit der Gründung entsprechender "Billigtöcher" darauf vor. "Damit droht ein Dumpingwettbewerb bislang ungeahnten Ausmaßes", so Wetzel.


Was macht die Bundesregierung?

Die IG Metall will ihre Forderungen in den nächsten Monaten mit öffentlichkeitswirksamen Aktionen untersetzen. So soll ein "Botschafterkreis" aus der Politik, darunter mehrere ehemalige Arbeitsminister, aus den Kirchen, Sozialverbänden und anderen Bereichen die gewerkschaftlichen Forderungen unterstützen. Gemeinsam mit den Landesregierungen sollen "Gütesiegel" für Leihfirmen entwickelt werden, um "schwarze Schafe" in der Branche aus dem Geschäft zu drängen. Gleichzeitig sollen Betriebsräte und gewerkschaftliche Vertrauensleute in den Betrieben Druck machen, um ein erneutes Anwachsen von Leiharbeit in den Betrieben zu unterbinden.

"Zeitarbeiter sind wieder gefragt", berichtete beispielsweise der Berliner "Tagesspiegel" am 21. März. Nachdem die Zahl der Leiharbeiter von 820.000 im Juli 2008 auf rund 580.000 im April 2009 abgestürzt war, meldete die Arbeitsagentur kürzlich einen Wiederanstieg auf mehr als 600.000 solcher Jobs.

Auch die Bundesregierung will anscheinend tätig werden. Sie muss ohnehin bis Ende 2011 Änderungen am Arbeitnehmerüberlassungsgesetz vornehmen, um die EU-Richtlinie umzusetzen. Arbeitsministerin von der Leyen hat vielleicht auch deshalb Arbeitgeber und Gewerkschaften aufgefordert, Missbräuche im Bereich bei Leiharbeit wie bei Schlecker zu unterbinden. "Wenn die Branche nicht schnell die Kraft aufbringt, das eigenständig und schnell zu regeln, werden wir einen Riegel vorschieben", sagte sie dem "Spiegel". Insbesondere soll die Ersetzung von Stammbelegschaften durch Leihkräfte unterbunden werden. Sie rechne in dieser Frage "nicht in Monaten, sondern eher in Wochen", erklärte die Ministerin (zit. nach "Tagesspiegel", 21.3.2010).

Es wird also spannend werden, welche gesetzlichen Änderungen im Bereich der Leiharbeit in nächster Zeit geschehen. Druck der Gewerkschaften und aus den Betrieben, um dem alten Grundsatz "Gleiche Arbeit - gleiches Geld!" wieder stärker Geltung zu verschaffen, ist in dieser Situation also erstmals seit langem wieder aussichtsreich.

(rül)

Raute

Gerichtsurteil:

Innungsbetriebe müssen Tarif zahlen

Handwerksbetriebe können nicht Mitglied einer Innung sein und gleichzeitig den Ausschluss der Tarifbindung erklären. Das hat bundesweit erstmals das Verwaltungsgericht Braunschweig entschieden (Aktenzeichen 1 A 272/08, 273/08, 274/08). Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, da das Gericht Berufung zugelassen hat.


Innungen organisieren Handwerksbetriebe nach Berufen, die Mitgliedschaft in ihnen ist - anders als bei den Handwerkskammern - freiwillig. Innungen sind Körperschaften des öffentlichen Rechts, ihre Aufgaben sind in der Handwerksordnung festgelegt. Sie regeln interne Streitigkeiten, vertreten die Interessen der jeweiligen Gewerbes gegenüber der Politik und sind zuständig für Berufsausbildung. Mit seinem Urteil hat das Gericht Klagen mehrerer Innungen abgewiesen, die erreichen wollten, das Handwerksbetriebe bei ihnen Mitglied sind, ohne sich an die von den Innungen geschlossenen Tarifverträge zu halten. Solche "OT"-Mitgliedschaften (OT = "ohne Tarifbindung) sind in den vergangenen Jahren bundesweit von vielen Innungen als neue Form der Mitgliedschaft eingerichtet worden, um Handwerksfirmen in der Innung zu halten und ihnen zugleich zu ermöglichen, aus Tarifverträgen auszusteigen. In der Folge hat die Flucht aus Tarifverträgen weiter zugenommen. Große Teile des Handwerks sind heute ohne Tarifbindung bzw. haben Scheinverträge mit den sog. "christlichen Gewerkschaften" geschlossen, die dem Lohndumping Tür und Tor öffnen.

Die industriellen Arbeitgeberverbände haben solche "OT-Mitgliedschaften" seit langem. Mit ihrer Klage hatten die Innungen erreichen wollen, wie diese Arbeitgeberverbände behandelt zu werden. Das hat das Braunschweiger Gericht abgelehnt. "Der Tarifbindung könne sich der einzelne Handwerker nur entziehen, indem er aus der Innung austrete", urteilte das Gericht.

Der DGB begrüßte das Urteil als "Warnsignal für die Innungen aller anderen Bezirke, die in ihrer Satzung eine Mitgliedschaft ohne Tarifbindung vorsehen." "Derartige Satzungen sind nicht rechtskonform", erklärte DGB-Vorstandsmitglied Matecki. Zudem passe die Flucht aus der Tarifbindung nicht in die laufende Imagekampagne des Handwerks. Der Zentralverband des Handwerks (ZDH) verteidigte dagegen solche OT-Mitgliedschaften. Die Globalisierung sei inzwischen im Handwerk angekommen, die Betriebe müssten flexibel sein, begründet der ZDH seine Position.

(rül,Quelle: Berliner Zeitung, 20./21.3.2010)

Raute

Bankentarifrunde im Schatten der Finanzkrise

Banktarifverhandlungen können demonstrieren, dass das Bankgewerbe nicht nur aus "Bänkern" bestehen. Es geht um Betriebe mit großer Arbeitsteilung und ziemlich unterschiedlichen Arbeitsbedingungen - vom Investmentbanking über die nicht nur aus EDV, sondern zahlreichen Sachbearbeiterinnen bestehende Geschäftsabwicklung bis hin zum Kundenberater in der Filiale. Es ist auch keine einheitliche Branche: in den Sparkassen gilt großteils der Tarif öffentlicher Dienst, und der Arbeitgeberverband der Genossenschaftsbanken hat die Tarifgemeinschaft mit den privaten und öffentlichen Banken verlassen, um mit den Pseudogewerkschaften DBV und DHV zwei feste Gehälter in variable zu verwandeln. Der letzte Tarifvertrag mit Verdi wirkt dort seit 2004 nur noch nach. Mit der verbliebenen Tarifgemeinschaft privater und öffentlicher Banken - zusammen 250.000 Beschäftigte abzüglich der in Banken mit Haustarif - konnte Verdi wieder drei Verhandlungstermine vereinbaren.

Die letzte Tarifrunde in diesem Bereich dauerte vom Frühjahr 2008 bis 2009. Die Lohnforderung von Verdi wurde zum wiederholten Male von den Arbeitgebern mit Gegenforderungen nach Gehaltsvariabilisierung und vermehrter Freigabe von Samstagsarbeit beantwortet - man stand noch am Beginn der Finanzkrise, bis Mitte 2008 schien die Konjunktur Flügel zu tragen. In die Pattsituation krachte die Lehman-Insolvenz, die Commerzbank musste feststellen, dass sie bei der Übernahme der Dresdner Bank mit Zitronen gehandelt hatte, die HRE trudelte in die Pleite, nicht nur öffentliche Banken, auch Sparkassen wie z.B. die Nassauische wurden vom "strukturierten" Immobiliengeschäft eingeholt, Merkel und Steinbrück verhinderten in letzter Minute einen Bankrun. Kurz, die Bankarbeitgeber hatten andere Probleme zu lösen, als noch mit der Gewerkschaft zu verhandeln. Ab November 2008 wurde als Beruhigungspille 2,5% mehr Gehalt ohne Vertrag ausgezahlt, im Frühjahr 2009 durfte Verdi dann die Unterschrift unter den Gehaltstarif setzen. Die Ausweitung von variablen Bonuszahlungen zu Lasten des Fixgehaltes war in der Öffentlichkeit gehörig in Misskredit geraten und die Forderung nach Bankgeschäften am Samstag erregte eher öffentliche Schadenfreude.

Demonstrationen von vermeintlich übertölpelten Kleinanlegern ("Lehman- und Island-Opfer") prägten das Bild der nächsten Monate, der öffentliche Kurs von Bonuszahlungen als Verkaufsanreiz verfiel. Verbraucherschützer und Bundesregierung ersannen diverse Mittel der Geschäftsregulierung wie Beipackzettel oder Verkaufsprotokolle. Die Kundenberater in den Filialen sitzen zwischen den Stühlen: ihre Zielvorgaben und/oder -vereinbarungen einhalten und im Interesse der Bank Geschäft hereinzuholen, - das Ganze jetzt unter strenger öffentlicher Beobachtung. Man verlangt Beratung im Interesse eines Kunden, dem von der Öffentlichkeit das Verständnis für Bankprodukte abgesprochen wird. Wenn dessen Spekulation auf hohe Zinsen schief geht, ist jedenfalls der Schuldige bekannt - der "Bänker".

Mit der Kampagne http://fidi.verdi.de/verkaufsdruckneindanke/ versucht Verdi seit einiger Zeit, die Stimmungen der KollegInnen zusammenzufassen. Die Zielsetzung wird so ausgedrückt: "Es geht um Fairness gegenüber den Kunden, um ein gutes Gewissen in der Beratung und um faire Verkaufsziele, die nicht ständig den Verkaufsdruck steigern und mittelfristig die Gesundheit untergraben." Die Tarifrunde selbst wurde unter ein an die Öffentlichkeit adressiertes Motto gestellt: "Lehren aus der Finanzkrise". Das Forderungspaket hat drei Elemente: Gegen Vertriebsdruck - sichere Arbeitsplätze - angemessene Anhebung der Gehälter. Es wurde auf eine bezifferte Forderung verzichtet und der Gehaltstarif erstmals nicht gekündigt - angesichts einer Preisentwicklung am Rande der Deflation will man den Arbeitgebern keinen Ansatz für Gegenforderungen geben. Zur Sicherung der Arbeitsplätze gibt es das bekannte Repertoire von Altersteilzeit / Vorruhestand / Übernahme Azubis / Beschränkung betriebsbedingter Kündigungen, aber auch Sicherung der Arbeitsbedingungen beim andauernden Outsourcing.

Wie aber einem Vertriebsdruck mit tariflichen Mitteln begegnen, der bis zur Zerrüttung des Arbeitsvermögens (siehe Kasten) reicht? Die Arbeitgeber sollen in öffentlich unterstützten Verhandlungen auf 14 Grundsätze für "faire Arbeit und faire Beratung" verpflichtet werden. Diese reichen von der schlichten Forderung "Den Beschäftigten wird mit Respekt und Vertrauen begegnet" über Maßnahmen der Gesundheitserhaltung und -förderung, der Erhaltung und Erweiterung von Gestaltungsspielräumen der Beschäftigten, bis hin zur Regulierung von Zielvereinbarungen - hier insbesondere den Verzicht auf produktverkaufsbezogene Ziele. Am 19. April beginnen die Tarifverhandlungen, am 16. April soll vor der Europäischen Zentralbank ein Aktionstag von UNI-Finance, dem europäischen Gewerkschaftszusammenschluss der Finanzdienstleistungsgewerkschaften stattfinden: "Lehren aus der Finanzmarktkrise - faire Arbeitsbedingungen und faire Beratung."  gst


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"Früher war man stolz, Banker zu sein"

https://fidi.verdi.de/verkaufsdruckneindanke/situationsberichte

• "Es ist äußerst erschreckend für mich zu erkennen, wie sich mein Beruf in den letzten 10 Jahren verändert hat. Man muss sich schon eine Bärenhaut zulegen, damit der Druck noch einigermaßen ausgehalten werden kann und auszuhalten ist. Wie sieht das Bank/Wirtschaftsleben (oder Zusammenleben der Menschen) in Zukunft aus?"

• "Unsere Kunden fühlen sich bei dem ganzen Aktionismus und den Verkäufern mittlerweile auch belästigt und wollen wir uns nicht von den Drückerkolonnen und privaten Vermögensberatern abgrenzen. In unserem Haus gilt trotz Finanzkonzept Verkauf vor bedarfsorientierter Beratung und wenn ein vermögender Kunde stirbt, hast du schon Angst, dass das Geld weggeht."

• "Ich stimme für eine Abschaffung der Zielvorgaben insgesamt, eine bedarfsgerechte Beratung ist sonst nicht möglich. Die täglich stattfindenden Telefonanrufe beim Kunden sind ebenfalls eine Zumutung sowohl für die Kunden als auch für die Bankberater. Den Bankberater gibt es nicht mehr, nur noch den Verkäufer ohne Gewissen!"

• "Aus der Finanzkrise nichts gelernt! Es geht unvermindert weiter. Profilierungssucht der Führungskräfte nach Rankings und Standings. Tägliche Abfrage nach dem Motto: Was ist denn gelaufen? Wieso nicht mehr? Das kann nicht sein! Dann sind sie der falsche Mann am falschen Platz. Mobbing ist Alltag. Den über Jahre vorhandenen Vertrauensvorschuss (Banken sind seriös) haben wir mutwillig und mit Profitgier systematisch zerschlagen. Wir sind so schlimm wie die schlimmste Drückertruppe. Bedauerlich: Als Einzelner hat man keine Chance, sich zu wehren. Psychodruck und die Verpflichtung, die Familie zu ernähren nageln einem am Job fest. Wo sind die Alternativen? Früher war man stolz, Banker zu sein. Heute möchte man es nicht mehr sagen, wenn man nach seinem Beruf gefragt wird. Schäme mich für die Branche."

• "Ich fühle mich ständig überfordert und habe Schlafstörungen. Es wird von Jahr zu Jahr schlimmer. Lange kann ich das nicht mehr aushalten, obwohl ich seit diesem Jahr schon auf 30 Stunden reduziert habe."

• "Ich bin nach 23 Berufsjahren bei einer freundlichen und fairen Bank seit Januar 2009 mit Depressionen und einem Burnout Syndrom im Krankenstand. Der Vertriebsdruck war nicht mehr auszuhalten. Vorgesetzte kennen keine Menschlichkeit mehr. Kollegen erzählen mir, dass es z.Zt. noch schlimmer geworden ist. So kann es nicht weitergehen."

Raute

"Gott kann man nicht bestreiken!"

Die Mythisierung der kirchlichen Arbeitswelt als Dienstgemeinschaft

Innerhalb der beiden großen Kirchen in Deutschland und deren Einrichtungen und Werken gilt auch weiterhin das Streikverbot. Dies bestätigte das Arbeitsgericht Bielefeld am 3. März 2010 in einem Urteil und stärkt damit den so genannten "Dritten Weg" der Kirchen. Das Arbeitsrecht gilt auch in den Kirchen - allerdings mit Abweichungen. Betriebsräte heißen hier "Mitarbeitervertretungen". An Stelle von Arbeitgebern und Arbeitnehmern gibt es die "Dienstgemeinschaft". Regelungen werden auf dem "Dritten Weg" getroffen. Und bei Nichteinigung steht am Ende nicht Streik, sondern die Zwangsschlichtung.


"'Gott kann man nicht bestreiken.' Das ist unser Leitgedanke - und der ist uns heute vor Gericht bestätigt worden", sagte der Sprecher des Vorstands der Diakonie Rheinland-Westfalen-Lippe. Anlass der Klage vor dem Bielefelder Arbeitsgericht waren Streikaufrufe der Gewerkschaft Verdi im September 2009 in Einrichtungen von Kirche und Diakonie in mehreren Bundesländern. In Niedersachsen war davon das Diakonische Werk Christophorus in Göttingen betroffen, das in der Alten-, Jugend- und Behindertenhilfe tätig ist. Nach deren Angaben haben rund 300 Mitarbeiter von diakonischen Einrichtungen in vier Bundesländern im September 2009 wenigstens kurzfristig gestreikt. In der Tat keine große Zahl. Dennoch hatte der Streik eine beachtliche Wirkung: Vier diakonische Einrichtungen haben zusammen mit der westfälischen und der hannoverschen Landeskirche und ihren diakonischen Verbänden, die Gewerkschaft Verdi auf Unterlassung von Streikaufrufen verklagt. Am 3. März 2010 gab das Bielefelder Arbeitsgericht den Kirchen Recht.


Das Wirtschaftsimperium der Kirchen

Für manche, die zu Recht mit der Kirche nicht viel am Hut haben, mag das exotisch klingen und wie eine Nachricht aus einer anderen Welt. Eines sollten sie aber wissen: Die beiden Kirchen zusammen sind praktisch der größte Konzern in Deutschland. Konkrete Zahlen aus dem Jahre 2003 belegen: Mit einem Gesamtvermögen von rund 500 Milliarden Euro, 53 Millionen Mitgliedern und über 1,3 Millionen Beschäftigten, verteilt auf etwa 50.000 selbständige Unternehmen, sowie einem Gesamtumsatz von mehr als 125 Milliarden Euro jährlich, sind die beiden großen Kirchen ein Wirtschaftsimperium, das in der Rangliste der größten Unternehmen Deutschlands seinesgleichen sucht. Im Vergleich dazu: Siemens hat 417.000 Beschäftigte und gemessen am Umsatz lagen im Vergleichsjahr die Kirchen nur knapp hinter dem Stuttgarter Autokonzern DaimlerChrysler.

Caritas: 520.186 Menschen arbeiten hauptberufl ich in den 24.939 Einrichtungen und Diensten, die bundesweit der katholischen Caritas angeschlossen sind. Das ergab die aktuelle Erhebung Ende 2006. Von den hauptberuflichen Mitarbeitern arbeiten mehr als 40 Prozent in den Einrichtungen und Diensten der Gesundheitshilfe, jeweils 20 Prozent in den Bereichen Kinder- und Jugendhilfe sowie Altenhilfe. Fast zwei Drittel aller Mitarbeiter der Caritas pflegen und betreuen Menschen in stationären Einrichtungen, 20 Prozent aller Beschäftigten arbeiten in Tageseinrichtungen.

Diakonie: Die größte evangelischkirchliche Institution mit über 435.000 Mitarbeitenden und mehr als 20 Milliarden Euro Jahresumsatz ist die Diakonie. Ihre Beschäftigten arbeiten in fast 27.500 selbstständigen Einrichtungen unterschiedlicher Größe und Rechtsform mit mehr als einer Million Betreuungsplätzen. Und für dieses Riesenunternehmen gilt: Streikverbot!


Die Rechtslage

Wie kann es zu solch einer Rechtslage kommen? "Eigentlich", die Juristen sagen an dieser Stelle gerne "grundsätzlich", gelten im kirchlichen Dienst dieselben arbeits- und tarifrechtlichen Bestimmungen wie für alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Die Ausnahmen und Besonderheiten ergeben sich aber aus dem Grundrecht der Religionsfreiheit (Artikel 4 Absatz. 1 und 2 Grundgesetz) und der im Artikels 140 des Grundgesetzes festgelegten Kirchenautonomie, festgeschrieben durch Übernahme der Artikel 136 bis 141 der Weimarer Reichsverfassung von 1919. Artikel 16c des EUVertrages von Lissabon aus dem Jahre 2007 bekräftigt dies: "Die Union achtet den Status, den Kirchen und religiöse Vereinigungen oder Gemeinschaften in den Mitgliedstaaten nach deren Rechtsvorschriften genießen, und beeinträchtigt ihn nicht."

Damit hat das Selbstbestimmungsrecht der Religionsgesellschaften verfassungsrechtlichen Rang. So weit, so gut. Dies steht aber nicht nur den Kirchen selbst in den Kernbereichen ihrer Religionsausübung, beispielsweise bei gottesdienstlichen Handlungen, zu, wo ihnen niemand statt Weihrauch etwa ein anderes Duftmittel vorschreiben darf. Vielmehr: "Wort und Tat" gehören unmittelbar zusammen. Nach dem Selbstverständnis der Kirchen umfasst die Religionsausübung auch die "Freiheit zur Entfaltung und Wirksamkeit in der Welt". Das karitative Wirken ist als tätige Nächstenliebe eine wesentliche Aufgabe der Christen und wird von ihnen als Grundfunktion verstanden. Karitative Einrichtungen wie kirchliche Krankenhäuser, Altenheime oder Kindergärten unterliegen danach ebenfalls dem Selbstbestimmungsrecht der Kirchen. In dem Augenblick, wo die Kirche den von ihr verkündigten Auftrag Gottes in die Tat umsetzen will, und dem gepredigten Wort die Tat der Nächstenliebe folgen lässt, geht ihr verfassungsmäßiges Selbstbestimmungsrecht auch auf diese so beauftragte kirchliche Einrichtung über. Die Kirche braucht nur zu erklären, diese Einrichtung oder jene Firma seien nach ihrem eigenen kirchlichem Selbstverständnis "entsprechend berufen, ein Stück des Auftrags der Kirche wahrzunehmen". Und schon sind nicht nur Kindergärten und Altenheime, sondern genauso auch Banken, wie die "Evangelische Darlehensgenossenschaft" in Kiel, die "Bank für Kirche und Caritas" oder der "Weltbild-Verlag" dem allgemeinen Arbeits- und Tarifrecht entzogen.

So hat das Bundesverfassungsgericht mehrfach entschieden. Das "spezifisch Kirchliche, das kirchliche Proprium", so das Gericht, darf nicht in Frage gestellt werden. So können den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern besondere Vorschriften über eine kirchentreue Lebensführung gemacht werden. Dazu gehört die Beachtung "jedenfalls der tragenden Grundsätze der kirchlichen Glaubens- und Sittenlehre". Kirchenmitgliedschaft ist obligatorisch, will man dort sein Brot verdienen, und eine Pädagogin z.B., die die Existenz Gottes leugnet, fliegt nach herrschender Rechtsprechung raus. Die Rechtfertigung dafür sieht das Bundesverfassungsgericht darin, dass die Glaubwürdigkeit der Kirchen davon abhängen kann, dass ihre Mitglieder die kirchliche Ordnung auch in ihrer Lebensführung respektieren. Die Maßstäbe dafür setzt die verfasste Kirche selbst. Genau das tun die Kirchen auch bei der Gestaltung der kirchlichen Arbeitsverhältnisse. Sie legen ihnen das Leitbild einer "christlichen "Dienstgemeinschaft" aller ihrer Mitarbeiter zugrunde.


"Dienstgemeinschaft" und der "Dritte Weg"

Und wenn es Konflikte gibt? Dazu haben die Kirchen sich etwas einfallen lassen, den so genannten "Dritten Weg". Natürlich kommen die Kirchen da erst mal theologisch daher. "Diakonie ist Lebens- und Wesensäußerung der evangelischen Kirchen. Mit ihrem Dienst am Nächsten kommt sie dem kirchlichen Auftrag nach, die Liebe Gottes zum Menschen durch Wort und Tat zu verkündigen. Innerhalb der Diakonie sind Dienstnehmer und Dienstgeber verbunden in der Erfüllung dieses gemeinsamen Auftrages. Sie bilden eine Dienstgemeinschaft, die sich zu vertrauensvoller Zusammenarbeit verpflichtet. Das Leitbild der Dienstgemeinschaft und die religiöse Dimension des kirchlichen Dienstes fordert ein System, das auf Partnerschaftlichkeit, Dialog und Kooperation ausgelegt ist. Jede und jeder diakonische Mitarbeitende hat - unabhängig von seiner Aufgabe seiner beruflichen Stellung - teil an der Verkündigung der Liebe Gottes. Anders als in der gewerblichen Wirtschaft stehen sich in dieser Gemeinschaft nicht Arbeit und Kapital als zwei Gegenpole mit gegensätzlichen Interessen gegenüber. Demgemäß werden in Kirche und Diakonie auch keine herkömmlichen Tarifverträge zwischen Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden ausgehandelt, wie das in der freien Wirtschaft der Fall ist - hier spricht man vom so genannten "Zweiten Weg". Vielmehr ist Diakonie und Kirche verfassungsmäßig das Recht zugestanden worden, ihre Arbeitsbedingungen selbst zu bestimmen. Das liegt an der Besonderheit der Dienste, die sie zu erbringen haben. In Kirche und Diakonie erfolgt die Festlegung des geltenden Arbeitsrechts auf einem eigenen Weg, dem so genannten "Dritten Weg". Der sieht vor, dass in einer "Arbeitsrechtlichen Kommission" (ARK), für beide Seiten akzeptable Lösungen erarbeitet werden. Gemäß der Vorstellung der diakonischen Dienstgemeinschaft ist die Suche nach Konsens in den ARKen von Partnerschaft und Kooperation geprägt und nicht von Konfrontation. Schließlich sind im kirchlichen Dienst alle Beteiligten den gleichen religiösen Grundlagen und Zielen verpflichtet. Der gerechte solidarische Interessenausgleich und die Anerkennung der Gleichwertigkeit von Dienstgebern und Dienstnehmern sind die Leitmotive des Dritten Weges". So der VdDD, der Verband diakonischer Dienstgeber in Deutschland.

Die Durchführung des Dritten Weges ist kirchengesetzlich (Arbeitsrechtsregelungsgesetze) oder durch entsprechende kircheninterne Ordnungen geregelt. Kernstück dieses auf kircheninterner Rechtssetzung beruhenden Modells ist eine Arbeitsrechtliche Kommission, der Vertreter der Mitarbeiter und der Arbeitgeber in gleicher Zahl angehören. Ihre Aufgabe ist "die Ordnung der Arbeitsbedingungen und deren Fortentwicklung". Die Mitarbeitervertreter werden durch Vereinigungen, in denen mindestens 500 Mitarbeiter in der Diakonie zusammengeschlossen sind, nach dem Verhältnis der in ihnen organisierten Mitarbeiter entsandt. Beschlüsse bedürfen einer Zweidrittelmehrheit.

Erhält ein Antrag trotz zweimaliger Beratung diese Mehrheit nicht, so entscheidet ein Schlichtungsausschuss. Dieser Ausschuss besteht aus einem Vorsitzenden und vier Mitgliedern, von denen zwei von der Arbeitnehmerseite, die anderen von der Arbeitgeberseite benannt werden. Sie müssen zu kirchlichen Ämtern wählbar sein. Der Vorsitzende muss außerdem die Befähigung zum Richteramt haben. Er wird von der Arbeitsrechtlichen Kommission mit Dreiviertelmehrheit gewählt. Die letzte Entscheidung liegt entweder bei einer paritätisch besetzten Schlichtungskommission, bei einem Bischof oder bei einer mit einem Vetorecht ausgestatteten Synode. Jürgen Kühling, ehemaliger Richter des Bundesverfassungsgerichts, nennt dies in seinem für Verdi erstellten Gutachten: "Zwangsschlichtung".

Bereits 1979 hat Oswald von Nell-Breuning, als Jesuit Professor für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften in Frankfurt, sehr nüchtern festgestellt: "Die Mehrzahl der kirchlichen Mitarbeitenden arbeiten nicht aus Glaubensgründen in einer kirchlichen Einrichtung, sondern um ihren Lebensunterhalt zu verdienen." Auch das lutherische Berufs- und Arbeitsbild lässt keine Mythisierung der Arbeit als Dienstgemeinschaft zu. War die "vocatio", der Beruf, in den Gott den Menschen gerufen hat, in der mittelalterlichen Welt auf Kleriker beschränkt, so bestand gerade Martin Luther darauf: Die noch so sehr heiligen und mühevollen Werke der Geistlichen und Priester unterscheiden sich in den Augen Gottes durchaus nicht von den Werken eines Landmannes, der auf dem Acker arbeitet, oder einer Hausfrau, die sich um ihr Haus kümmert; einzig und allein an seinem Glauben wird der Mensch gemessen. Für besondere Arbeit in einer Dienstgemeinschaft innerhalb der Kirche lässt dieser evangelische Berufsbegriff wirklich keinen Raum. So erweist sich die weihevolle Beschwörung der "Dienstgemeinschaft" in den kirchlichen Werken als das, wofür dieses schein-theologische Wortgebilde in der jüngeren Vergangenheit erfunden wurde: Um mit Hilfe des Autonomie-Artikels aus der Weimarer Verfassung das Koalitionsrecht und damit das Streikrecht in der Kirche abzuwürgen.


"Dritte Weg" gegen das verfassungsrechtlich garantierte Streikrecht

Wie gewaltig dies Kirchenprivileg ist, mag folgender Gedankengang aus dem in seinem für Verdi erstellten Gutachten von Jürgen Kühling verdeutlichen: Artikel 9 Absatz 3 Satz 3 Grundgesetz schützt selbst in einer Notstandslage der Bundesrepublik Deutschland das Streikrecht gegen staatliche Eingriffe. Es ist daher "schwer vorstellbar, in welchen - noch extremeren - Lagen eine Zwangsschlichtung in Betracht kommen soll. ... Für die Zwangsschlichtung des Dritten Weges lässt Art. 9 Abs. 3 GG jedenfalls keinen Raum. Die Annahme, das Grundgesetz könne dem Selbstbestimmungsrecht der Religionsgesellschaften ... höhere Bedeutung beimessen als den im Notstandfall gefährdeten Rechtsgütern wie etwa dem Bestand der Bundesrepublik oder der freiheitlichen demokratischen Grundordnung, ist undenkbar. Der Dritte Weg kann daher das verfassungsrechtlich garantierte Streikrecht nicht ersetzen..."

"Endgültig entschieden ist nichts. Die weiteren Instanzen kommen ja erst noch", so ist vom Verdi-Bundesvorstand zu hören. Er wird Berufung einlegen. Offensichtlich ist es Verdi gelungen, eine Bewegung bei den Kolleginnen und Kollegen im kirchlichen Dienst gegen den "Dritten Weg" als eigenem Selbstverständnis zu entfachen. Verdi lädt nach Göttingen ein zu einer "Tariftagung Diakonie" am 21./22. April 2010. Flugblätter berichten von immer mehr Beschäftigten des Diakonischen Werks, die sich weigern, den tarifrechtlichen Sonderweg der Kirche mitzugehen. Sie wissen, ein guter Lohn fällt nicht vom Himmel.

Karl-Helmut Lechner

Quelle: Friedhelm Schwarz "Wirtschaftsimperium Kirche", Ffm, 2005, Jürgen Kühling, "Arbeitskampf in der Diakonie", Verdi, 2006


Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:

Der Traum vom Dritten Weg; aus "Kirchengockel", Verdi-Informationen für die Beschäftigten der Kirchen und ihrer Einrichtungen aus Berlin-Brandenburg, 2005

Diakonissen in Neuendettelsau/Mfr.

Raute

DISKUSSION UND DOKUMENTATION

Veranstaltungsbericht

Was sucht die Bundeswehr an Schulen?

MÜNCHEN. Bereits die Besucherzahl hatte etwas durchaus Ermutigendes. Da man sonst leicht den Eindruck gewinnt, die zunehmende Militarisierung deutscher Politik und damit einhergehend öffentlicher Räume werde nur von einem kleinen Teil der Bevölkerung überhaupt bemerkt und kritisiert, vom überwältigenden Rest dagegen im besten Fall noch apathisch hingenommen, war es für den Verfasser zugegebenermaßen überraschend, dass am 4. März der Große Saal des Gewerkschaftshauses vollständig gefüllt war. Eingeladen hatte die GEW zur Frage, was die Bundeswehr an Schulen zu suchen hat.


Beantwortet werden sollte die Frage durch ein Podium, das mit VertreterInnen aus Schüler-, Lehrer-, und Elternschaft breit besetzt war. Hauptreferent war Michael Schulze von Glaßer von der Informationsstelle Militarismus. Bevor dieses Podium das Wort bekam, verlas Hedwig Krimmer vom Verdi-AK "Rettet die Grundrechte - Gegen den Notstand der Republik" ein Grußwort von Konstantin Wecker, der aus gesundheitlichen Gründen zwar nicht an der Veranstaltung teilnehmen konnte, sich jedoch höchst erfreut zeigte, dass das Thema endlich öffentlich diskutiert werde.


Von Glaßer: Konkretes zur Situation

Von Glaßer stellte zunächst dar, warum die Bundeswehr überhaupt an die Schulen gehe. Hier seien zunächst Nachwuchssorgen zu nennen. Um ihren Aufgaben nachkommen zu können, benötige die Armee nach eigenen Angaben pro Jahr etwa 20.000 Mann und Frau neuen Personals. Diesem Personalbedarf stehen eine sinkende Geburtenrate, das Phänomen, dass immer weniger Gemusterte tauglich sind und vor allem eine gewaltige Unpopularität der Bundeswehr bei jungen Menschen gegenüber. Besondere Schwierigkeiten bereite auch der Akademikermangel, da neue Waffensysteme hochqualifizierte Kräfte erfordern. Aus diesem Grund sei eine verstärkte Tätigkeit an den Universitäten zu beobachten. Neben diesen vordergründigen Rekrutierungsmaßnahmen müsse auch gesehen werden, dass die Bundeswehr mit ihrem öffentlichen Auftreten zugleich eine generelle Imagewerbung und frühzeitige Beeinflussung der öffentlichen Meinung verfolge.

Eine Grundlage für das Auftreten an Schulen stellen mittlerweile Kooperationsabkommen dar, die mit mittlerweile vier Landesregierungen, namentlich Nordrhein-Westfalen, Saarland, Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg, geschlossen wurden. Diese Vereinbarungen stellen das eigentlich Neuartige im Vorgehen dar. So war die Bundeswehr schon seit langem durch Auftritte an Schulen präsent, erst jetzt erhalten diese eine vertragliche Absicherung. Beunruhigend ist hierbei, dass die Bundeswehr unmittelbar in die Lehrerausbildung, vor allem während des Referendariats miteinbezogen werde.


Cool - die Jugendoffiziere

Träger der Werbeaktivitäten seien in der Regel spezifisch geschulte Jugendoffiziere. Auch hierbei handelt es sich um keine neue Erscheinung. Diese existieren vielmehr seit 1958. Derzeit beschäftige die Bundeswehr 94 haupt- und 300 ehrenamtliche Jugendoffiziere, deren Anforderungsprofil vor allem in einem vermeintlich jugendlichen "coolen" Auftreten bestehe. Sie sollen durch ein eloquentes und humoriges Auftreten ein entsprechendes Bild der Truppe vermitteln. Dass "dieser Schuss auch nach hinten losgehen" kann, bewies von Glaßer durch ein Beispiel. So wurde Schülerinnen und Schülern bei einem Kasernenbesuch mitgeteilt, dass der dortige "Schießsimulator besser als jedes Videospiel" sei, was dann von Eltern zu Recht skandalisiert wurde. Neben dem unmittelbaren Auftreten an Schulen betreuen die Jugendoffiziere auch das sog. Pol&is - ein Simulationsspiel für "internationale Politik", das von der Bundeswehr übernommen wurde und mittlerweile fast flächendeckend angeboten wird. Zudem sind es häufig die Jugendoffiziere die Stände der Bundeswehr auf Berufs-, und Ausbildungsmessen betreuen. Von Glaßer ging ferner auf die Werbung der Bundeswehr in jugendspezifischen Printmedien ein. Hierbei falle auf, dass die Bundeswehr nicht mehr nur in professionellen Magazinen werbe, sondern verstärkt auf kleinere Zeitungen zugehe.


Warum eigentlich nicht?

Zur Kritik der Anwesenheit der Bundeswehr an Schulen führte von Glaßer vier Hauptargumente an. So bestünde kein Einspruchsrecht der Eltern. Auch verschiedene LandesschülerInnenvertretungen hätten vergeblich versucht gegen die Anwesenheitspflicht bei den Bundeswehrveranstaltungen vorzugehen. Ferner sei es ein Problem, dass friedliche Methoden zur Konfliktlösungen nicht vorgestellt würden. Damit einhergehend sei auch ein Verstoß gegen den "Beutelsbacher Konsens" festzustellen. In diesem grundlegenden Dokument wurde 1976 auf einer Tagung der Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg Kriterien für die politische Bildungsarbeit aufgestellt. So dürften Schülerinnen und Schüler u.a. nicht von der Meinung des/der Lehrenden überwältigt werden. Vor allem müssten Themen, die in der Öffentlichkeit kontrovers diskutiert werden, auch kontrovers dargestellt werden. Als letzten Punkt problematisierte von Glaßer, dass bereits Kinder der Propaganda der Bundeswehr ausgesetzt würden.


Kerem Schamberger: Die Bundeswehr - Ausbildung zum Töten

Kerem Schamberger von der SDAJ sprach als Vertreter der Auszubildenden. Er wies zunächst darauf hin, dass 30% aller Jugendlichen, die eine Ausbildung bei der Bundeswehr beginnen, zuvor arbeitslos waren. Die Bundeswehr könne vor dem Hintergrund eines drastischen Ausbildungsplatzmangels agieren. Obwohl die Werbung der Bundeswehr für ihre "Ausbildungsplätze" glatter Betrug sei, da es letztlich nur ums Töten gehe, genügen für eine wirksame antimilitaristische Arbeit deswegen rein moralische Argumente nicht. Vielmehr müssen man deutlich machen, was es heißt, sich von der Bundeswehr ausbilden zu lassen. So eine Verpflichtung auf acht bis zwölf Jahre, mindestens ein bis zwei verpflichtende Einsätze im Ausland, den Wegfall des Sozialversicherungsschutzes bei einem vorzeitigen Abbruch der Dienstzeit, fehlende Übernahmechancen in anderen Betrieben nach dem Dienst sowie das völlige Fehlen von Betriebsräten oder einem Streikrecht. Ferner müsse deutlich gemacht werden, dass es sich bei der Bundeswehr um eine Armee im Einsatz handele, es der Bundeswehr also um die Rekrutierung von Kanonenfutter, natürlich nicht für die Interessen der Jugendlichen, sondern der Konzerne gehe.


Schüler wehrlos?

Marc Ellmann, Schülersprecher des Asamgymnasiums, und einr Kollegin, die von der Tagungsleitung regelmäßig nur als Anna vorgestellt wurde, so dass wir davon ausgehen, dass dies auf ihren Wunsch hin geschah, berichteten aus der Sicht der Schülerinnen und Schüler. Sie kritisierten insbesondere, dass man an den Schulen dem Einfluss der Bundeswehr weitgehend hilflos ausgeliefert sei. So hätten z.B. die SMVen zu wenig Rechte, um wirksam gegen die Auftritte der Bundeswehr vorzugehen. Bei diesen selbst "sitze man da und könne sich nicht wehren". Auch Versuche, gegen die Werbung beispielsweise im Jahresbericht des Asamgymnasiums vorzugehen, waren auch von Seiten der Eltern erfolglos und hätten unter anderem zu einem Privatgespräch mit dem Direktor der Schule geführt. Weil den offiziellen Schülergremien die Hände gebunden seien, sei es notwendig, sich außerhalb der Schule, etwa in der SIM (SchülerInnen Initiative München) zusammenschließen und insgesamt die Schülerinnen und Schüler aus ihrer "geistigen Lähmung zu befreien".


Ein weiterführender Gedanke - wenn schon, dann alle ...

Ursula Leppert vom Bayerischen Elternverband kritisierte vor allem die Art und Weise, wie sich die Bundeswehr darstelle. Sie tue so, als sei sie ein etwas spannenderer Sportverein. Man dürfe in diesem Themenkomplex nicht nur die Bundeswehr kritisieren, sondern müsse sich an alle wenden, die hier Verantwortung tragen. Insbesondere sei darauf aufmerksam zu machen, dass sich die Bundeswehr mit ihrer Propaganda an junge Menschen richte, deren Weltbild noch nicht voll ausgeprägt sei. In diesem Zusammenhang stelle es vor allem ein Versäumnis dar, dass eine Auseinandersetzung mit Kriegsdienstverweigerern nicht stattfinden. Man müsse fordern, wenn schon die Bundeswehr an die Schule dürfe, dass dann auch Gruppen der Kriegsdienstverweigerer und Friedensinitiativen dasselbe Recht haben müssen.


Streitkräfte als Lehrkräfte?

Stefan Lippels stellte das Problem aus Sicht der Lehrer dar. Er wies vor allem daraufhin, dass den Lehrerinnen und Lehrern durch das Angebot der Bundeswehr, den Unterricht zu gestalten eine Menge Vorbereitungsarbeit erspart würde. Diejenigen, die anders herangehen wollen, haben das Problem, dass wenn die Bundeswehr erst einmal da sei, die Lehrkraft nur noch hinten drin sitze und nichts machen könne.


Die Diskussion: einige Zweifel

In der anschließenden Debatte wurde, um mich nicht hinter der Rolle des ach so objektiven Berichterstatters zu verstecken, auch von mir die häufig vom Podium ausgesprochene Parole "Bundeswehr raus aus den Schulen" in Frage gestellt. So stellt die Schule einen, wenn auch gewissen Besonderheiten unterliegenden, Teil der Gesellschaft dar und ist von der gesellschaftlichen Debatte nicht einfach abzusondern. Die Bundeswehr als Institution wird, darüber kann auch der gute Besuch der Veranstaltung nicht hinwegtäuschen, von einer sehr kleinen Minderheit der Gesellschaft in Frage gestellt. Die Mehrheit sieht in ihr eine staatliche Institution unter vielen. Es fragt sich, ob unter diesen Voraussetzungen, es nicht für die Beteiligten, so also vor allem für die Lehrerinnen und Lehrer, die mit entsprechenden Angeboten konfrontiert werden, unzumutbar wäre, sie unter diese absoluten Forderung zu stellen. Vielmehr könnte gefragt werden, ob das Bild, das auf der Veranstaltung von den Schülerinnen und Schülern gezeichnet wurde, der Realität entspricht. So kann die Konfrontation mit der Bundeswehr eben auch zu Kritik und Diskussion herausfordern. Dass diese unter den gegenwärtigen Mehrheitsverhältnissen nicht einfach zu führen ist, sei zugestanden. Die Debatte ist auch außerhalb der Schule schwierig. In diesem Zusammenhang erscheint der Ansatz, eine plurale Schule zu fordern, wie er vor allem in dem Diskussionsbeitrag von Ursula Leppert angeklungen ist, durchaus realitätsnäher und erfolgversprechender. Gegen die entsprechenden Argumente wurde u.a. eingewendet, dass eine Auseinandersetzung mit den geschulten Offizieren ein "Kampf mit ungleichen Waffen" sei - aber welcher Klassenkampf ist das nicht? Auch die vertretene These, dass die Schülerinnen und Schüler in der derzeitigen Schule auf Autoritätsgläubigkeit getrimmt seien, dürfte zumindest zu hinterfragen seien. Fast schon beunruhigend war ein Wortbeitrag, der die dargestellte Diskussion mit dem Einwand abtun wollte, dass die Bundeswehr illegitim, der Widerstand dagegen legitim sei, ohne die Frage aufzuwerfen, wer dies denn zu entscheiden habe. Weiterführender war dagegen ein Diskussionsbeitrag, der darauf hinwies, dass die Bundeswehr die Diskussion mehr fürchte als eine Tabuisierung. Unter diesem Gesichtspunkt, bietet sich, wie immer man zu den aufgeworfenen Frage stehen mag, eine gute Gelegenheit ihr diese Debatte zu liefern. So sind bereits Planungen angelaufen, einen Infostand der Bundeswehr bei einer Ausbildungsmesse nicht kritiklos geschehen zu lassen. In den Worten von Kerem Schamberger: Wer die Öffentlichkeit sucht, muss sie auch ertragen.

Johannes Kakoures, Münchner Lokalberichte 6/2010

Raute

Buchbesprechung

Banken aus Sicht der Systemtheorie

"Noch die sicherste Bank ist ein unsicheres Geschäft"

Dirk Baecker, "Womit handeln Banken", Suhrkamp stw 946, Neuauflage 2008, war Lektüre auf der Winterschule 2010 der ArGe Konkrete Demokratie und Soziale Befreiung. Die soziologische Systemtheorie hat sich selten mit der Rolle der Banken in der Wirtschaft befasst. Das Buch, 1991 erschienen, hat außerhalb der systemtheoretischen Schule keinen bekannten Folgediskurs ausgelöst. Dies ist sicher auch auf die Zumutung der Systemtheoretiker an ihre Leser zurückzuführen, sich bei jedem Einzelthema durch 30 bis 40 Seiten Begriffsapparat durchbeißen zu müssen. Hilfreich ist daher immer ein Luhmann-Lexikon wie das auf der Winterschule verwendete Glossar http://www.luhmann-online.de/glossar/glossar.php. Angesichts der fortdauernden Finanzkrise lohnt aber auch diese "Untersuchung zur Risikoverarbeitung in der Wirtschaft".

Ausgangspunkt der Theorie der Wirtschaft ist laut Baecker die Annahme, dass die Wirtschaft sich nicht darin erschöpft, mit den angesichts der unendlichen Bedürfnisse der Menschen knappen Ressourcen effizient umzugehen, sondern vor allem für zukünftige Möglichkeiten der Bedürfnisbefriedigung jetzt schon Vorsorge zu treffen, - durch Arbeiten und Sparen. Diese Zukunftsorientiertheit bedingt die Unsicherheit jedes Wirtschaftens. "Dies gilt für den Arbeitsplatz, das Familieneinkommen, die Investitionsrechnung, das Kreditgeschäft, die Vermögensanlage und das staatliche Kalkül der steuerlichen Belastbarkeit der Arbeitnehmer, Konsumenten und Unternehmen. Nur die Fristen unterscheiden sich, mit denen die Vorsorge rechnen und in denen die Irrtümer korrigiert werden können."
(Baecker, Wetten auf Wetten auf Wetten, Merkur 1/2009).


Zahlungsversprechen

Die Banken operieren gemäß Systemtheorie als "Organisationssysteme" im "Funktionssystem" Wirtschaft. Ist die "elementare Kommunikationsform" der Wirtschaft die Zahlung, die informiert, dass und welche Preise für welche Leistungen gezahlt werden, die weitere Zahlungen ermöglicht und das System Wirtschaft von seiner gesellschaftlichen Umwelt abkoppelt und reproduziert (sog. "Autopoesis"), so besteht das Spezifikum der Banken nach Baecker darin, dass sie mit "Zahlungsversprechen" handeln. Die Banken kaufen und verkaufen Zahlungsversprechen, indem sie Einlagen kaufen und Kredite verkaufen. Diese Definition geht über die Beschreibung des Bankgeschäfts als Kauf und Verkauf von "Forderungen" hinaus, indem das "Versprechen" über die spätere rechtliche Durchsetzbarkeit einer Forderung hinaus auf die Bedingung der künftigen Zahlungsfähigkeit dessen hinweist, der es abgegeben hat. Dies zwingt zur Beobachtung der künftigen Zahlungsfähigkeit - sowohl die des Kunden durch die Bank, wie die der Bank durch den Kunden!

Die "Autopoiesis" des Organisationssystems Bank besteht nun in "Entscheidungen über die Abgabe und Annahme von Zahlungsversprechen und in Entscheidungen, die diese Entscheidungen reproduzieren". Die in der Wirtschaft locker gekoppelten Differenzen von Zahlungen und Nicht-Zahlungen, bzw. Zahlungserwartungen werden in den Banken zu Einheiten von Zahlungsversprechen verkoppelt. Die Bank bindet ihre Entscheidungsprozesse an die Autopoesis der Wirtschaft und operiert als "Beobachter der Wirtschaft in der Wirtschaft". Diese Beobachtung kann das Marktgeschehen nur als Zufallsgeschehen interpretieren. Aber sonst wäre ja Erkenntnis der Zukunft möglich.

Auf dieser unsicheren Basis treffen Banken ihre Entscheidungen über Zahlungsversprechungen, was Geldschaffung oder Geldlöschung, Kreditschöpfung oder Kreditvernichtung zur Folge hat.


Risiko oder Gefahr

Das Risiko, dass Zahlungsversprechen nicht gehalten werden, liegt auf der Hand - auch, wie manche schmerzlich erfahren mussten, Versprechen der Banken! Die Unterscheidung von und der Umgang mit Risiken sind daher das Kerngeschäft der Banken. Eindrucksvoll die Differenzierung nach "Betrugsrisiko, Kreditausfallrisiko, Umschichtungsrisiko, Dubiosenrisiko, Zinsänderungsrisiko, Wechselkursrisiko, Länderrisiko und Souveränitätsrisiko, Liquiditätsrisiko, Fristentransformationsrisiko, Kaufkraftrisiko, Risiken der Anlagenspekulation, Operations- und Betriebsrisiko, Managementrisiko, systemisches Risiko (auch schon 1991!), Standingrisiko, regulatorisches Risiko und politisches Risiko." (108)

In einem Überblick über die Entwicklung des Bankgeschäfts von der Weltwirtschaftskrise bis hin zur Schuldenkrise der Entwicklungsländer in den 80er Jahren - man könnte letztere auch als eine Subprime-Kreditkrise bezeichnen, im Unterschied zu heute waren aber Kreditnehmer und Kreditgeber gegenseitig bekannt - wird gezeigt, wie Staat und Wirtschaft in einer unvermeidbaren Risikogemeinschaft verbunden sind. Schließlich wendet er sich dem Konzept des Risikos selbst zu.

Risiko gemäß Systemtheorie ist nicht die Konfrontation mit der Unvollkommenheit der Welt oder den allzu menschlichen Unvollkommenheiten der Entscheidung. Entscheidungsprobleme haben es mit offenen Situationen zu tun, die von den Entscheidungen erst geschaffen werden. "Jede Entscheidung trifft auf das Problem, sich festlegen zu müssen, obwohl man weiß, dass es Gründe geben kann, dies später zu bereuen." (119)

Mit Luhmann unterscheidet Baecker daher nicht zwischen Sicherheit und Risiko, sondern zwischen Gefahr und Risiko. D.h. auch wer sich nicht entscheidet, riskiert die Folgen der Nicht-Entscheidung. Banken machen ihr Geschäft also "nicht mit Risiken, die sie vermeiden, sondern Risiken, die sie übernehmen - unter der Voraussetzung freilich, das Risiko zu meiden, nur Verlustgeschäfte mit den Risiken zu machen, die sie übernehmen." (118)

Wenn Zahlungen, Entscheidungen und Zahlungsversprechen als "Kommunikationen" aufgefasst werden, die aufgrund entsprechender Beobachtungen anderer Zahlungen, Entscheidungen und Zahlungsversprechen zustande kommen, so ist die jetzt eingeführte Unterscheidung riskanter Kommunikationen als ein Sortierschema der Beobachtung dieser Operationen zu verstehen, welches Kriterien über die "Anschlussfähigkeit" eigener Operationen an diese angibt. Die Bank beobachtet, was der beobachtete Geschäftspartner seinerseits in der Lage ist zu beobachten, und was er geneigt ist zu übersehen, wie risikobereit und risikobewusst er also ist.


Risikoinstrumente, Risikomanagement, Risikostrukturen - und der Staat

Klassisches Risikomanagement versucht, Risiken zu vermeiden, durch Vorsorge zu vermindern, auf andere zu überwälzen (Verbriefung!) oder selbst zu tragen mittels Reserven und Ressourcen sowie Diversifikation der Geschäfte und Geschäftspartner. Techniken zur Vermeidung unvermeidlicher Risiken entwickelt zu haben - das sind die eigentlichen Leistungen von Finanzierungsinstrumenten, von der Banknote, Kredit, Wechsel bis hin zu Swaps, Futures, Optionen oder Verbriefungen.

Das globale Finanzsystem (Banken, Unternehmen, Märkte) wird als lernendes Netzwerk beschrieben, das die Risiken bewältigt, indem es Beobachter beobachtet, die Zahlungen, Entscheidungen und Zahlungsversprechen so kombinieren, dass diese Zahlungen, Entscheidungen und Zahlungsversprechen reproduziert werden können. "Die einzige Sicherheit, die zu gewinnen ist, besteht darin, dass man sich bewusst auf Risikostrukturen einlässt, die aus der Vernetzung hinreichend vieler Akteure bestehen, welche in der Lage sind, die Teilrisiken, die sie eingehen, sowohl offen zu legen, als auch zu verstehen und aus eigenen Mitteln zu beherrschen." (Vorwort)

Baecker behauptet nicht, dass dieses Netzwerk irrtumsfrei funktionieren würde. Hochgetriebene Analyse und Verteilung von Einzelrisiken schafft Märkte, "deren Dynamik man schon deswegen nicht überschaut, weil man neue Anleger anlockt, deren Zahlungsbereitschaft nur darauf wartet, von den Banken mit immer wieder neuen Gewinnversprechen bedient zu werden." (Vorwort)

Aus dieser Sicht ist neben regulierenden Eingriffen der Bankenaufsicht die Funktion der Rating-Agentur als beobachtete Beobachterin von hoher Bedeutung. "Die Bank kann ihre Kreditentscheidungen im Endeffekt auf Investitionsentscheidungen in Kredite reduzieren, deren Bonität ihr von der Rating-Agentur mitgeteilt wird." (165) Es hat sich aber herausgestellt, dass diese - abhängig von der Vergütung durch die von ihnen Beobachteten - Gefälligkeitseinschätzungen abgaben, die ganz erheblich zur Finanzblase beigetragen haben. Das Risikonetzwerk funktioniert nur, wie Baecker an anderer Stelle sagt, "wenn die Beobachterperspektiven garantiert verschiedene sind. Schauen alle in die gleiche Richtung, sehen auch alle nur dasselbe. Dann können blinde Flecken nicht korrigiert werden." ("Im Gespräch mit Dirk Baecker", http://fazcommunity.faz.net/21114/print.aspx)

"Systemische Risiken ergeben sich immer dann, wenn eine Bank sich auf Techniken der Risikoübernahme verlässt, die noch nicht ausreichend geprüft oder noch nie dem Ernstfall ausgesetzt waren, so dass weder ihre ökonomische Funktionstüchtigkeit noch ihre juristische Durchsetzbarkeit getestet sind. Das gilt möglicherweise für viele der neuen Finanzinstrumente, die entwickelt worden sind, um vor allem Zinssatz- und Wechselkursrisiken an Termin- und Optionsmärkten absichern zu können." (148) In diesem Zusammenhang weist er auf die Notwendigkeit von Risikobegrenzungsnormen hin, insbesondere wird eine angemessene Höhe des Eigenkapitals gefordert, sowie, dass durch eine Konkursfähigkeit von Banken die Risikoeffekte bei denen anfallen müssen, die die Entscheidungen treffen.

Die Attraktivität für die Bank, sich anstatt auf eigene Risiken auf die Produktion von Risiken für die Kunden zu verlegen und diesen gegen ergebnisunabhängige Gebühren Vermögensanlagechancen zu verkaufen, liegt auf der Hand.

Gerät das Netzwerk selbst in die (System-)Krise, "kann letztlich nur der Staat, das heißt der politisch kalkulierte Rückgriff auf die Zwangszahlungen der Steuerpflichtigen, gerade stehen. Auch das ist eine Lehre aus der gegenwärtigen Finanzkrise, die nur wiederholt, was man außerhalb der Wirtschaftswissenschaften immer schon wusste." (Vorwort)

Die Wirtschaftswissenschaften hätten aus ideologischer Befangenheit systematisch das Ausmaß der flankierenden Rolle der Politik unterschätzt, nicht nur bei der Geldmengenpolitik, sondern auch bei der aktiven wirtschaftlichen Rolle des Staates in Kreditaufnahme, Geldanlage, Staatskonsum und -produktion bis hin zu Arbeitsplatzsicherung auch durch eigene Beschäftigungsangebote.

Bei der Zukunftsvorsorge und der Frage, "welche Zukunft in welcher Fristigkeitsstruktur in Rechnung gestellt werden kann", ist der Staat "kein Akteur unter anderen, sondern ein seinerseits höchst riskanter, weil Verlässlichkeit signalisierender, im Zugriff auf die Zwangszahlungen der Steuerpflichtigen abgesicherter Garant bestimmter Zukünfte, an denen sich alle anderen Wirtschaftsakteure orientieren." Inwieweit der Staat als Akteur auf den Kreditmärkten selbst zum Risiko wird, ist ein Gegenstand der Sommerschule 2010.

gst

Raute

IN & BEI DER LINKEN

Stichwort: Programmentwurf

Aussichten einer Staatsbank ...

Programmentwurf: Den Finanzsektor demokratisch kontrollieren und dem Gemeinwohl verpflichten
http://die-linke.de/programm/programmentwurf/iv_linke_reformprojekte_schritte_gesellschaftlicher_umgestaltung/1_wie_wollen_wir_leben_gute_arbeit_soziale_sicherheit_und_gerechtigkeit/den_finanzsektor_demokratisch_kontrollieren_und_dem_gemeinwohl_verpflichten


In der gegenwärtigen Wirtschafts- und Finanzkrise ist auch in der bürgerlichen Diskussion weitgehend unbestritten, dass der Staat als Zwangsgemeinschaft der Steuerzahler zur Stabilisierung der Wirtschaft als "Kreditgeber der letzten Instanz" fungieren und zum Zwecke der Sanierung Eigentum an privaten Banken - vorübergehend - ganz oder teilweise übernehmen darf und soll. Die Einzelmaßnahmen reichen von einer Aufstockung des Eigenkapitals aus Staatsmitteln bis hin zu einem staatlichen "Bankenhospital", wo mit chirurgisch anmutenden Eingriffen gesunde Teile isoliert und nach gelungener Operation wieder marktgängig gemacht werden. Auffällig, dass weder auf deutscher noch europäischer Ebene bisher eine gesetzgeberische Antwort auf die "Too big to fail"-Problematik gefunden wurde, wonach große Banken Gefahr laufen, in Erwartung ihrer Rettung durch den Steuerzahler zu große Risiken einzugehen.

Im Programmentwurf der Linken wird die Verstaatlichung von privaten Banken ebenfalls als Reaktion auf die Finanzkrise - "private Banken wesentlich verantwortlich für Spekulationsrausch und Milliardenverluste" - gefordert, bzw. als zwangsläufiges Ergebnis - "müssen deshalb verstaatlicht werden" - dargestellt. Mit den nachfolgenden Forderungen, dass die privaten Banken auch "demokratischer Kontrolle unterworfen und auf das Gemeinwohl verpflichtet werden", wird möglicher Weise angedeutet, dass die Verstaatlichung nur ein Instrument unter anderen zur "Regulierung" des privaten Bankensektors bleiben soll. Diese soll - und damit greift der Programmentwurf zahlreiche Klagen von Unternehmern auf - vor allem die "zinsgünstige Finanzierung wirtschaftlich sinnvoller Investitionen" gewährleisten. Die Autoren sehen diese Investitionsgelegenheiten "insbesondere auch" im Feld der "kleinen und mittleren Unternehmen".

Der wirtschaftliche Sinn von Investitionen liegt in zukünftiger Bedürfnisbefriedigung. Ob kleine und mittlere Unternehmen aufgrund ihrer Vielfalt und vermuteten engeren Verbundenheit zum Konsumenten künftige Bedürfnisse bei Investitionsentscheidungen treffsicher(er) vorhersagen können oder eine regulierte bzw. Staatsbank bei der Kreditvergabeentscheidung in Folge "demokratischen Kontrolle"?

Export- und Importfinanzierung wird, obwohl Kerngeschäft privater Banken, nicht erwähnt, wie auch die Produktion für Ausfuhr vom Programmentwurf durchgängig als Übertreibung wahrgenommen wird. Auch nicht beschrieben wird, ob und von wem öffentliche Investitionen kreditfinanziert werden sollen. Ist an der Höhe des Zinses das Ausmaß des Risikos ablesbar, künftige Bedürfnisse vorherzusagen, so wird mit dem Attribut "zinsgünstig" bei der Finanzierung eine hohe Prognosefähigkeit der regulierten Bank behauptet. Garantiert werden soll dem Kunden jedenfalls die "sichere Anlage" seiner Ersparnisse.

Schürt die bürgerliche Diskussion zumindest die Hoffnung, dass ein Teil der Bankoperationskosten durch abschließende Reprivatisierung wieder in die Staatskasse fließen, schweigt sich der Programmentwurf über die Finanzierung der Eigentumsübernahme aus: Nur bankrotte Banken verstaatlichen, florierende entschädigungslos enteignen oder Eigentümer über Steuer- oder Kreditfinanzierung entschädigen? Ist eine Reprivatisierung ausgeschlossen?

Zu hoffen bleibt, dass eine Staatsbank nicht so groß wird, dass sie nur noch zusammen mit ihrem Eigentümer scheitern kann - die Fehlspekulationen der Landesbanken sprechen zumindest für klare Trennung von Eigentum und Aufsicht.

gst

Raute

Sommerschule der Bundesarbeitsgemeinschaft Konkrete Demokratie - Soziale Befreiung (ArGe)

5. bis 8. August in Erfurt

• Kurs Philosophie/Kulturwissenschaft. Thema: "Normenkonflikte"

• Kurs Wirtschaft - Thema: Die Finanzierung der öffentlichen Hand, Steuern und Staatsschuld

• Kurs Internationale Politik - Thema: Die EU: staatlich/zwischenstaatliche Organisationsform "eigener Art" (Bundesverfassungsgericht) - Theoreme für die weitere Entwicklung - auf der Rechten und in der Linken


Informationen/Anmeldung zur Sommerschule der Bundesarbeitsgemeinschaft Konkrete Demokratie - Soziale Befreiung (ArGe):

Die Sommerschule findet von Donnerstag, 5. August, bis Sonntag, 8. August 2010, in Erfurt statt. Beginn ist am Donnerstag um 14 Uhr, Ende am Sonntag ca. 12 Uhr. Die ArGe-Mitgliederversammlung findet am Freitagabend, 6. August, statt.

Wir tagen wieder in der Jugendherberge "Hochheimer Straße", in der "JH Klingenstraße" übernachten wir. Beide liegen nur etwa 3 Minuten Fußweg auseinander. Adresse: JH Erfurt, Hochheimer Str. 12, Klingenstraße 4, 99094 Erfurt, Tel. 0361 5626705.

Die JH ist vom Bahnhof Erfurt mit der Straßenbahn 6 bis Endstation Steigerstraße zu erreichen. Von dort sind es noch ca. 200 m Fußweg.

Autofahrer nehmen die Abfahrt Erfurt-Zentrum, -Waltersleben, dann in Richtung Erfurt, in Erfurt Richtung Innenstadt fahren (bis Kreuzung Kaffeetrichter), dort links abbiegen, über die Schillerstraße (B 4 und B 7), in der Pförtchenstraße links abbiegen, nach ca. 400 m befindet sich die JH auf der linken Straßenseite auf Ausschilderung JH achten).

Die Kosten für Ü/F betragen 26,50 Euro pro Person.
Bettwäsche ist vorhanden, bitte Handtücher mitbringen.
Mittag-/Abendessen können auf Wunsch in der JH eingenommen werden. Bitte bei der Anmeldung angeben.

Wir sind als Gruppe angemeldet und haben eine gewisse Anzahl an Betten reserviert. Es steht nur eine begrenzte Anzahl Einzelzimmer zur Verfügung.

Anmeldungen unbedingt bis zum 15. Juli und nur bei hanne-reiner@onlinehome.de oder telefonisch 030-39808805.

Eine Erstattung der Reisekosten in begrenztem Umfang ist möglich und kann bei der Anmeldung zur Sommerschule beantragt werden.

Anfang Juli erscheint ein weiteres Rundschreiben der Bundesarbeitsgemeinschaft Konkrete Demokratie - Soziale Befreiung (ArGe). Wer zusätzliche Exemplare benötigt, kann dies bei Wolfgang Freye (w.freye@web.de) anmelden.


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Die nächste Ausgabe der Politischen Berichte erscheint am 6. Mai.

Redaktionsschluss: Freitag, 30. April. Artikelvorschläge und Absprachen über pb@gnn-verlage.de. Tel: 0711/3040595, freitags von 7-12 h.

Die nächsten Erscheinungstermine, jeweils donnerstags: 4. Juni, 1. Juli, 29. Juli, 9. September

Raute

IMPRESSUM

Politische Berichte

ZEITUNG FÜR LINKE POLITIK - ERSCHEINT ZWÖLFMAL IM JAHR

Herausgegeben vom: Verein politische Bildung,
linke Kritik und Kommunikation,
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Herausgeber: Barbara Burkhardt, Christoph Cornides,
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Die Mitteilungen der "Bundesarbeitsgemeinschaft
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Gegründet 1980 als Zeitschrift des Bundes Westdeutscher Kommunisten unter der Widmung
"Proletarier aller Länder vereinigt Euch!
Proletarier aller Länder und unterdrückte Völker vereinigt Euch".
Fortgeführt vom Verein für politische Bildung, linke Kritik und Kommunikation.


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Quelle:
Politische Berichte - Zeitschrift für linke Politik
Ausgabe Nr. 4, 9. April 2010
Herausgegeben vom: Verein politische Bildung,
linke Kritik und Kommunikation
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veröffentlicht im Schattenblick zum 4. Juni 2010