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OFFENSIV/092: Michail Kilew - Chruschtschow und der Zerfall der UdSSR


offen-siv 7/2010
Zeitschrift für Sozialismus und Frieden

Chruschtschow und der Zerfall der UdSSR

Von Michail Kilew
Übersetzung: Gudrun Stelmaszewski


INHALT

Vorwort zur deutschen Ausgabe
- Michael Opperskalski und Frank Flegel: Vorwort zur deutschen Ausgabe 2010

Vorwort zur bulgarischen Ausgabe
- Iwan Wodenitscharski, Doktor der Philosophie:
Vorwort zur zweiten bulgarischen Auflage 1999

Michail Kilew: Chruschtschow und der Zerfall der UdSSR
Einleitung
Einführung: Der Klassenkampf auf internationaler Ebene von 1945 bis in unsere Zeit.
Vorblatt zum Kapitel I:

Kapitel 1: Die Bedingungen, unter denen die "Geheimsitzung" des XX. Parteitages der KPdSU vorbereitet und abgehalten wurde

Kapitel 2: Das "Lenin-Testament"

Kapitel 3: Zur kollektiven Arbeit in der Führung der KPdSU

Kapitel 4: Über die Vorbereitung des Landes auf die Verteidigung und über den Großen Vaterländischen Krieg unter Stalins Führung

Kapitel 5: Zur Außenpolitik der UdSSR unter Stalins Leitung

Kapitel 6: Zu den "Repressalien"

Kapitel 7: Über die Methode Chruschtschows, den "Personenkult um Stalin" zu behandeln

Vorblatt zum Kapitel 8:
Kapitel 8: Stalins Autorität

Kapitel 9: Die Ursachen der Zerstörung der UdSSR
Teil 1: Erste Hauptursache - die revisionistische Linie der KPdSU
Teil 2: Zweite Hauptursache - die Generaloffensive der imperialistischen Kräfte gegen die UdSSR
Teil 3: Dritte Hauptursache - die spezifischen historischen Bedingungen der Oktoberrevolution und der sozialistischen Gesellschaft

Kapitel 10: Schlussfolgerung
Ein wahrhafter Marxist-Leninist-Stalinist ist heute:

Nachwort

Literaturverzeichnis

Anhang
- Kurt Gossweiler: Kritische Einschätzung und Würdigung
- Michael Opperskalski: Sowjetische Sicherheitsdienste, Revisionismus und Konterrevolution
- Kurt Gossweiler: Persönlicher Brief an die Übersetzerin

Raute

VORWORT ZUR DEUTSCHEN AUSGABE

Michael Opperskalski und Frank Flegel: Vorwort zur deutschen Ausgabe 2010

"Am gefährlichsten sind in dieser Hinsicht Leute, die nicht verstehen wollen, dass der Kampf gegen den Imperialismus eine hohle, verlogene Phrase ist, wenn er nicht unlöslich verknüpft ist mit dem Kampf gegen den Opportunismus."

W.I. Lenin[1]

"Die Geschichte der Partei lehrt ferner, dass die Partei der Arbeiterklasse ohne unversöhnlichen Kampf gegen die Opportunisten in ihren eigenen Reihen, ohne Vernichtung der Kapitulanten in ihrer eigenen Mitte die Einheit und Disziplin ihrer Reihen nicht aufrechterhalten, ihre Rolle als Organisator und Führer der proletarischen Revolution, ihre Rolle als Erbauer einer neuen, der sozialistischen Gesellschaft nicht erfüllen kann."

Geschichte der KPdSU (Bolschewiki) - Kurzer Lehrgang[2]


Wir haben uns entschlossen, die deutsche Übersetzung des Buches des bulgarischen Kommunisten Michail Kilew "Chrustschow und der Zerfall der UdSSR" als Sonderheft der offen-siv herauszugeben.

Wer die Vergangenheit nicht versteht, der ist nicht in der Lage, die Zukunft zu gestalten - das sagt ein Sprichwort. Und wir sprechen von einer Geschichte, die dramatische Auswirkungen hatte, die bis in die Gegenwart anhalten.

Der endgültige Sieg der Konterrevolution in den sozialistischen Staaten, vor allem jedoch der Sowjetunion ist zwei Jahrzehnte her, aber seine Konsequenzen sind höchst aktuell, prägen immer noch die so genannte "Neue Weltordnung", die nichts anderes ist als ganz ordinärer Imperialismus.

Obwohl wir nicht alle Aspekte des Textes von Kilew unterstützen können[3], sind wir der Meinung, dass das Buch eine wichtige Rolle in den aktuellen Auseinandersetzungen mit dem auch in der BRD in der kommunistischen Bewegung immer noch dominanten Revisionismus spielen kann.

Revolutionäre und Kommunisten können nur wieder in die Offensive kommen, wenn sie die dunklen Schatten der Vergangenheit überwinden, die wie eine schwere Hypothek auf ihnen lasten und die Reorganisation der zersplitterten, schwächelnden kommunistischen Bewegung behindern. Dieser Schatten hat einen Namen: Revisionismus. Selbst seine Existenz wird von Kräften, die sich selber einen kommunistischen Anspruch verleihen, bestritten. Unter dem bereits alles sagenden Titel "Die Legende von der revisionistischen Wende" heißt es z.B. in Heft 56 des "Marxistischen Forums": "Was fehlt und anzustreben ist, ist ein Konsens hinsichtlich gemeinsamer Grundpositionen von Sozialisten und Kommunisten darüber. Die Zurückweisung der Tendenz, die eine erneuerte sozialistisch-kommunistische Identität ausgerechnet an Stalin (...) festmachen will, ist dabei nicht unwichtig." In eine ähnliche Richtung argumentiert das Buch "Revisionismus" (Hans-Peter Brenner/Robert Steigerwald), das die DKP-Führung angesichts verschärfter parteiinterner Auseinandersetzungen um den Kurs der DKP-Führung auf den Markt warf.

Wir werden diesen bedrohlichen Schatten, den Revisionismus, jedoch nur verjagen können, wenn wir uns seinen Wurzeln stellen, um sie ausreißen zu können. Eine nicht zu unterschätzende Schwierigkeit dabei ist, alle Verzerrungen und auch organisierte Desinformationen zu überwinden, die über die Geschichte des Sozialismus und der Kommunisten gelegt wurden. Das ist eine besondere revolutionäre Herausforderung gerade in dieser Zeit wachsender imperialistischer Barbarei, in der alle Verzerrungen und Desinformationen immer wieder bis fast zum Erbrechen aktualisiert werden und hochemotionalisiert aufgeblasen wirken. Im wesentlich handelt es sich dabei um die Zeitspanne, in der Genosse Stalin Generalsekretär der sowjetischen Kommunisten war.

Genosse Kilews Text räumt mit vielen der wirksamsten Entstellungen und Propagandamustern auf, betrachtet sie vor den notwendigen Hintergründen und legt so die eigentlichen Wurzeln des Revisionismus frei. Von besonderer Wichtigkeit ist zudem, dass wir mit Genossen Kilew einen Autor aus einem ehemaligen sozialistischen Staat haben.


Revisionismus als notwendige Basis für die Konterrevolution

Die Basis für die erfolgreiche Konterrevolution war das Eindringen des Revisionismus in die internationale kommunistische Bewegung.

Das Jahr 1956 wurde zum Wendepunkt hinsichtlich der Rolle und der Entwicklung des Revisionismus innerhalb der internationalen kommunistischen Bewegung. Mit dem XX. Parteitag der KPdSU, seinen Thesen und Orientierungen begann der verhängnisvolle Entwicklungsweg der internationalen kommunistischen Bewegungen sowie ihrer "nationalen Abteilungen", der sich zunächst in der Spaltung derselben manifestierte. Vor allem die chinesischen Genossen waren nicht bereit gewesen, dem Positionswechsel der KPdSU kritiklos zu folgen. Ihnen schlossen sich schließlich weitere Parteien oder Genossen aus anderen Parteien an. Die Inhalte dieser Auseinandersetzungen wurden bereits in der "offen-siv" verschiedentlich und ausführlich dokumentiert.

Die Kernpunkte des Positionswechsels der sowjetischen Kommunisten, der sich mit entsprechenden Konsequenzen auch in der gesamten kommunistischen Weltbewegung - natürlich widersprüchlich und in unterschiedlicher "Tiefe" - um- und durchsetzte, lassen sich wie folgt zusammenfassen:

- Mit der Einleitung der so genannten "Entstalinisierung" wurden wesentliche Elemente und Erfolge sowie die Geschichte und Traditionen des Aufbaus des Sozialismus in der Sowjetunion entweder infrage gestellt oder in einzelnen Aspekten gar gänzlich negiert;

- Mit der Zurückweisung der marxistisch-leninistischen Position, dass sich der Klassenkampf auch im Sozialismus (natürlich unter veränderten gesellschaftlichen Bedingungen) fortsetzt und sogar verschärft, wurden dem Eindringen kleinbürgerlicher, revisionistischer, sogar konterrevolutionärer Positionen in die KPdSU Tür und Tor geöffnet;

- Mit der Annahme der These von der kommunistischen Partei als "Partei des gesamten Volkes" wurde diese dem Klassencharakter sowie der daraus folgenden Avantgarderolle beraubt;

- Die These vom "friedlichen Übergang zum Sozialismus" als Haupttendenz des Kampfes für den Sozialismus nahm der kommunistischen Bewegung in einem Kernbereich ihren revolutionären Charakter.

- Auf ökonomischer Ebene bedeutete der XX. Parteitag der KPdSU, dass systematisch Elemente bürgerlicher Ökonomie in das sowjetische ökonomische System - so den sogenannten Marktsozialismus - eingebaut wurden. Genosse Stalin hatte davor bereits in seiner grundlegenden Schrift "Ökonomische Probleme des Sozialismus in der UdSSR" sehr deutlich gewarnt.

Die griechischen Genossen der KKE haben Orientierungen und Konsequenzen des XX. Parteitages der KPdSU sehr zutreffend beschrieben: "Das bedeutendste Ereignis war, dass der XX. Parteitag die - in der damaligen historischen Situation richtige - Position verwarf, dass sich vor allem der Klassenkampf verschärfte. (...) Theoretische Ansichten wurden kultiviert oder Optionen bevorzugt, die eine Abweichung von unserer Theorie, eine Verletzung ihrer grundlegenden Prinzipien bedeuteten. Die Kampffront gegen den Imperialismus und Revisionismus wurde geschwächt. In einigen Fällen wurden falsche Theorien angenommen, die nichts mit der Realität zu tun hatten oder schlicht Fragen des Aufbaus des Sozialismus simplifizierten, so z.B. die Theorien, die einen raschen Übergang zum entwickelten Sozialismus und Kommunismus verlangten und so den komplexen und langfristigen Charakter der Übergangsperiode (siehe XX. Parteitag) unterschätzten, Theorien über den 'Staat des gesamten Volkes', der 'Partei des gesamten Volkes' und der 'Demokratie des gesamten Volkes'.

Die vom XX. Parteitag beschlossenen Orientierungen auf eine 'Vielfalt von Übergangsformen in verschiedenen Ländern unter bestimmten Bedingungen zum Sozialismus' wurden von den Revisionisten in den kommunistischen Parteien als theoretisches Fundament für eine Offensive gegen die wissenschaftliche Theorie des Sozialismus benutzt. Im Namen von nationalen Besonderheiten und Eigenheiten wurden die unveränderlichen Gesetzmäßigkeiten der sozialistischen Revolution einer Revision unterzogen. Sichtweisen wurden entwickelt, nach denen durch strukturelle Reformen und eine 'Politik der Demokratie' ein kapitalistisches in ein sozialistisches System transformiert werden könne, ohne dass ein revolutionärer Bruch notwendig sei.[4]


Auswirkung der Konterrevolution auf die kommunistische Bewegung

Der Revisionismus war nicht nur die notwendige Grundlage für die Konterrevolution in den sozialistischen Ländern, er schuf zudem die Voraussetzungen für eine massive Schwächung und teilweise Zerschlagung der internationalen kommunistischen Bewegung. Seither haben sich im Wesentlichen drei Grundtendenzen der Entwicklung der Kommunisten herausgeschält.

Bevor wir allerdings diese aus unserer Sicht deutlich gewordenen Grundtendenzen herausarbeiten, möchten wir etwas im wissenschaftlichen Sinne klarstellen, um gewollten oder ungewollten Missverständnissen vorzubeugen. Grundtendenzen aufzuzeigen, bedeutet immer, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren, um Entwicklungen, manchmal auch in zugespitzter Form, deutlich zu machen. Bei dieser Konzentration auf das Wesentliche mögen zuweilen wichtige Aspekte, die zwar eine besondere Bedeutung haben, die Grundtendenz der Entwicklung aber nur unwesentlich beeinflussen, zu kurz kommen.

Bei der Einschätzung der Rolle, der Funktion, der Position oder dem Charakter einer politischen Formation, die sich das hohe Attribut "kommunistisch" - aus welchen Gründen und historischen Hintergründen auch immer - selbst gegeben hat, kann es nur folgende wissenschaftliche Kriterien geben:

- ihr Programm,
- ihr Statut,
- ihr Führungspersonal sowie
- ihre programmatischen wie politischen Positionierungen zu entscheidenden Grundfragen des revolutionären Kampfes.

Die wissenschaftlichen Kriterien der Analyse werden vorgegeben vom Marxismus-Leninismus, zu dessen Einheit u.a. in diesem Zusammenhang Marxsche Kapitalanalyse sowie die Leninsche Partei-, Staats-, Imperialismus- und Revolutionstheorie gehören.

Zum Charakteristikum einer kommunistischen Formation, die sich auf dem revisionistischen Entwicklungsweg befindet, gehört sehr oft für einen bestimmten Zeitraum die Existenz einer Mehrheit wie auch einer Minderheit, die sich um Grundfragen des Marxismus-Leninismus streiten; dabei kann die Minderheit zwar eine Rolle spielen, aber in der Regel die Grundrichtung des revisionistischen Weges nur kaum und nicht nachhaltig beeinflussen. Wie diese Auseinandersetzungen im Einzelnen ablaufen, ist eine Frage des Klassenkampfes unter den besonderen Bedingungen eines Landes. Tatsache bleibt jedoch dabei, dass die revisionistische Strömung in ideologischer, politischer und organisatorischer Hinsicht dominant bleibt.


Marxismus-Leninismus als Richtschnur

Die Entwicklung der kommunistischen Bewegung auf internationaler wie auch nationaler Ebene muss sich im Rahmen der klaren Gesetze des Marxismus-Leninismus bewegen.

Dies ist die Voraussetzung für die Bildung einer breiten, demokratischen, anti-imperialistischen Volksfront unter der Führung der Arbeiterklasse als notwendige Voraussetzung für die proletarische, sozialistische Revolution. Zwischen der Entwicklung einer kommunistischen Formation auf Basis des Marxismus-Leninismus und ihrer strategischen Orientierung auf die Bildung einer breiten, demokratischen, anti-imperialistischen Volksfront besteht ein dialektisches Verhältnis. Beide "Ebenen" bedingen sich gegeneinander, aber jede Form der "Mischung" bedeutet objektiv eine Aushöhlung, Schwächung und gegebenenfalls sogar Zerschlagung beider Entwicklungsprozesse. Deshalb ist ein wichtiger Bestandteil dieses dialektischen Verhältnisses die Leninsche Forderung nach Klarheit vor Einheit!

Welche Grundtendenzen innerhalb der kommunistischen Bewegung haben sich also im Zuge und als Konsequenz von Revisionismus und Konterrevolution herausgebildet?

1) nicht wenige Parteien, vor allem im ehemals sozialistischen Lager, haben sich ganz offiziell aufgelöst (z.B. in Polen, Rumänien). Andere haben sich in offen sozialdemokratische Formationen verwandelt, was in Einzelfällen nicht ausschließen muss, dass in ihnen nach wie vor Strukturen und/oder einzelne Mitglieder zu finden sind, die ein kommunistisches Selbstverständnis artikulieren und/oder sich zumindest in kommunistischer Tradition fühlen. Diese Parteien haben damit sozusagen das Endstadium des Revisionismus erreicht: die organisatorische und/oder politisch-ideologische Tilgung des Marxismus-Leninismus. Als Beispiel in der BRD für diesen Prozess kann die Partei "die Linke" (PDL) genommen werden, die aus dem Zusammenschluss von PDS und WASG entstand;

2) andere Parteien befinden sich noch auf einem revisionistischem Entwicklungsweg. Das jeweilige Entwicklungsstadium muss sehr differenziert analysiert und bezüglich jeder einzelnen Partei oder Formation gesondert betrachtet werden. Ihnen allen gemeinsam ist es jedoch, dass ihre politisch-ideologische Programmatik sowie ihre Führungen mehrheitlich, dominant oder geschlossen revisionistisch sind. Zu diesen Parteien gehört in der BRD die DKP. Die DKP ist deshalb hinsichtlich ihres Programms, wichtiger politisch-programmatischer Positionen, ihrer Medien, ihres Führungspersonals sowie ihrer Aussagen bezüglich grundsätzlicher Fragen als revisionistische Partei einzuschätzen. Trotzdem - und dies widerspricht nicht dieser Grundeinschätzung (!) - gibt es innerhalb der DKP noch als Minderheit und auf allen Ebenen der Partei Strukturen und/oder einzelne Genossinnen und Genossen, die innerhalb ihrer Partei für Veränderungen streiten, die den kommunistischen Charakter der DKP wiederherstellen sollen;

3) eine Minderheit von Parteien hat, teilweise noch sehr widersprüchlich und ebenfalls in unterschiedlicher Konsequenz, eine Korrektur revisionistischer Positionen vorgenommen und einen eindeutig marxistisch-leninistischen Entwicklungsweg eingeschlagen. Zu den herausragendsten und dynamischsten Kommunistischen Parteien, die in Europa auf marxistisch-leninistischen Positionen kämpfen, zählen vor allem die griechische KKE, aber auch die schwedische KP oder die portugiesische PCP.

Auf die Entwicklung vormals "maoistischer" Parteien (seien sie ehemals auf die KP Chinas oder die Partei der Arbeit Albaniens orientiert gewesen) kann an dieser Stelle nicht näher eingegangen werden. Manche von ihnen spielen jedoch eine offen konterrevolutionäre Rolle (so in der BRD die so genannte MLPD, der "Arbeiterbund für den Wiederaufbau der KPD", die diversen KPD/MLs oder zum Beispiel auf internationaler Ebene die sogenannte PCP/"Sendero Luminoso" in Peru). Ihnen gemeinsam ist, wenn auch in unterschiedlicher Intensität, ihr Bezug auf die maoistische Sozialfaschismus- und/oder Drei-Welten-Theorie.[5] Für die BRD bedeutet dies z.B. die Ablehnung der DDR als größter Errungenschaft der deutschen Arbeiterklasse und ihre Denunzierung als "sozialfaschistischer Diktatur", zu welchem Zeitpunkt und in welchem Duktus auch immer.

Zwar gibt es inzwischen eine Reihe von regelmäßigen oder auf einzelne Anlässe bezogene internationale Treffen kommunistischer und Arbeiterparteien; ihre Struktur, Ablauf, Orientierung und Positionierungen widerspiegeln jedoch den oben skizzierten, in unterschiedliche Tendenzen zerfallenden Charakter dessen, was von der einst mächtigen internationalen kommunistischen Bewegung übrig geblieben ist.


Die Widersprüche spitzen sich zu

Die seit dem - zeitweiligen - Sieg der Konterrevolution in den sozialistischen Ländern vorherrschende so genannte "Neue Weltordnung" hat die Barbarei des imperialistischen Weltsystems auf allen Ebenen eskalieren lassen. Zwar ist der US-Imperialismus noch militärisch und ökonomisch dominant, aber ihm erwachsen mit deutlich erkennbarer Geschwindigkeit mächtige imperialistische Konkurrenten, vor allem Europa, in dem der BRD-Imperialismus eine herausragende Rolle nicht nur hinsichtlich seiner politischen und ökonomischen Stellung, sondern vor allem auch seiner Aggressivität spielt. In diesem Sinne formieren die herrschenden Klassen ihre imperialistischen Gesellschaften, machen sie sozusagen "fit" für die langsam, aber wahrnehmbar eskalierende innerimperialistische Konkurrenz; Stichworte hierfür sind massiver Sozialabbau, die Vernichtung hart erkämpfter sozialer und gewerkschaftlicher Rechte insbesondere der Arbeiterklasse, der rasante Abbau demokratischer Rechte bis hin zu Faschisierung (siehe USA) und damit der in Konsequenz verbundene Auf- und Ausbau der Repressionsorgane, die organisierte Entwicklung extrem nationalistischer, chauvinistischer, sogar offen faschistischer Kräfte.

Im Rahmen der so genannten "Neuen Weltordnung" wurde der Krieg wieder zu einem Mittel der Durchsetzung von Politik im Zusammenhang mit imperialistischen ökonomischen wie geostrategischen Interessen. Die Kriege gegen Jugoslawien, den Irak und der drohende gegen den Iran seien hier wirklich nur als Stichworte angerissen. Diese Kriege haben jedoch auch blutig belegt, dass die innerimperialistischen Widersprüche anwachsen, aus der Konkurrenz der imperialistischen Mächte zunehmend eine immer härter und schärfer geführte Auseinandersetzung unter ihnen wird. Kurzum: Die Kriegsgefahr wächst, auch unter den imperialistischen Mächten.

Diese sich zuspitzenden Bedingungen imperialistischer Barbarei, anhaltender Konterrevolution sowie den insgesamt noch viel zu unterentwickelten Klassenkämpfen sowie Kämpfen um nationale Befreiung und antiimperialistische Orientierung, beeinflussen natürlich insbesondere die unterschiedlichen Entwicklungstendenzen innerhalb dessen, was der Revisionismus von der kommunistischen Bewegung übrig gelassen hat. Hiervon sind alle noch existierenden ideologisch-politischen Strömungen sowie Parteien und andere organisatorische Strukturen betroffen. Dies bedeutet, dass zurzeit folgende Tendenzen zu beobachten sind:

1) innerhalb der Parteien und Organisationen, die sich - widersprüchlich und mit unterschiedlichem Tempo - auf dem revisionistischen Entwicklungsweg befinden, spitzen sich die Widersprüche zum Teil dramatisch zu (Beispiel: Österreich) oder aber sind nicht mehr zu übertünchen und manifestieren sich inzwischen in konkret geführten öffentlichen Debatten, die über den organisatorischen Rand der betroffenen Partei hinausgehen (Beispiel: BRD/DKP). Hierbei ist zu beobachten, dass die Kritik an den jeweiligen revisionistischen Parteiführungen inzwischen nicht mehr nur von marxistisch-leninistischen Kräften innerhalb der betroffenen Organisationen vorgetragen wird. Auch dies ist ein sehr lebendiger Beleg für den fortschreitenden politisch-ideologischen wie organisatorischen Zerfallsprozess des Revisionismus;

2) die Konsolidierung der Parteien (z.B. KKE), die ihre Politik auf Basis des Marxismus-Leninismus entwickeln und umsetzen, nimmt immer klarere Züge an. Sie werden damit, obwohl sie sich insgesamt noch in der Minderheit befinden, zu einem kommunistischen Pol nicht nur für die zu erkämpfende Reorganisation der kommunistischen Bewegung, sondern besonders auch für den weltweiten Aufbau einer breiten, demokratischen, antiimperialistischen Front.


Die elende Rolle des Zentrismus - aufgezeigt am Beispiel der DKP

Teil der von uns skizzierten, sich zuspitzenden Widersprüche ist eine deutlich vernehmbare zentristische Position, von uns "Kritik auf Knien" bezeichnet, innerhalb der sich auf dem revisionistischen Entwicklungsweg befindlichen Parteien. Zwar wird die objektive politische Basis für zentristische Kräfte immer kleiner, dennoch ist ihre in gewissen Grenzen revitalisierte Existenz aus unserer Sicht ein Beleg sowohl für die zunehmende ideologisch-politische, organisatorische Schwäche der offen revisionistischen Kräfte (selbst wenn sie in ihren Parteien und Organisationen noch dominant sind), aber auch der Marxisten-Leninisten. Das wurde innerhalb der kommunistischen Bewegung sowohl auf internationaler Ebene, wie auch in ihrer nationalen Entsprechung deutlicher. Wir möchten deshalb in der BRD jene Tendenz - auch in ihrer Widersprüchlichkeit - kurz darstellen.

Als Beispiel für eine solche zentristische "Kritik auf Knien" können die Positionen genommen werden, die Genosse Hans Heinz Holz in der "jungen Welt" am 8. Januar 2005 ("Richtungskämpfe müssen ausgefochten werden" und am 20. Januar 2005 ("Es gilt, die Einheit der Gegensätze herzustellen") entwickelt hat.

Beide Aufsätze enthalten Richtiges und Kluges, vieles Ungenaues, manches Falsches. Zunächst einmal muss die Forderung des Genossen Holz, dass Richtungskämpfe ausgefochten werden müssen, vorbehaltlos unterstützt werden, zumal die Verkleisterung derselben auch kaum mehr durchzuhalten ist angesichts der fortschreitenden Barbarei des Imperialismus. Daher hat der entsprechende Titel des ersten Textes von Genossen Holz in der "jungen Welt" bei nicht wenigen Genossinnen und Genossen Unterstützung, ja Hoffnung geweckt.

Aber der Zentrismus - hier in Gastalt des Genossen Holz - drückt sich vor einer entscheidenden Positionierung zur Rolle des Revisionismus in der kommunistischen Bewegung - seinen historischen Wurzeln wie Konsequenzen bis hin zu seinem aktuellen Einfluss. Mehr noch: Revisionismus im klassischen Sinne vermag er anscheinend nicht zu erkennen ("Es wäre falsch, hier einfach von Opportunismus und Reformismus einerseits, von Orthodoxie und Dogmatismus andererseits zu sprechen."). Genosse Holz sowie alle jene, die wie er ihre "Kritik auf Knien" vortragen, verschließen natürlich ihre Augen nicht vor der Tatsache der sich verschärfenden Widersprüche innerhalb vieler kommunistischer Parteien als Ausdruck der sich verschärfenden Widersprüche des Imperialismus.

Im Gegenteil, sie kritisieren in vielen Fragen grundsätzlich die Positionen revisionistischer Parteiführungen und/oder Ideologen. Sie streiten aus ihrer Sicht für eine wirklich revolutionäre Alternative zur Barbarei des Imperialismus, für einen revolutionären Bruch mit diesem System. Sie erfüllt es mit Stolz, in der kämpferischen Tradition der kommunistischen Bewegung zu stehen. Sie positionieren sich daher im Prinzip positiv zum realen Sozialismus, insbesondere der Sowjetunion und DDR.

Sie sehen allerdings (noch) nicht die verheerende Rolle, die der Revisionismus in der kommunistischen Bewegung als Grundvoraussetzung für Spaltung, Konterrevolution, Schwächung, Zerschlagung oder Transformierung zur Sozialdemokratie gespielt hat und noch spielt. Sie sehen (noch) nicht die Zurückdrängung und perspektivische Zerschlagung des Revisionismus als notwendig für den Wiederaufbau einer kommunistischen Bewegung, die fest auf den Positionen des Marxismus-Leninismus steht. Das führt dazu, dass sie bei aller Kritik immer wieder auch Positionen des Revisionismus verteidigen bzw. übernehmen. Ein Beispiel:

Unter den Zwischenüberschriften "Ursprünge der Krise" oder "Kommunistische Identität" der oben genannten Aufsätze schreibt Genosse Holz u.a.: "Dieser Weg forderte ungeheure Opfer. Auf ihm wurden auch Verbrechen begangen, die nicht hingenommen und gerechtfertigt werden dürfe. Es gab schließlich eine bürokratische Erstarrung, die die Initiative der Menschen lähmte und die Weiterentwicklung zum Erliegen brachte." Hiermit meint er die notwendige Repression konterrevolutionärer Kräfte in der Sowjetunion vor allem in den 20er und 30er Jahren, die ein Beleg für die Verschärfung des Klassenkampfes im Sozialismus, vor allem vor dem Hintergrund des immer stärker werdenden Faschismus in Europa sind. Dass es dabei zu Fehlern und Überspitzungen kam, haben die sowjetischen Kommunisten, so auch Genosse Stalin, als Erste angeprangert, kritisiert und korrigiert. Genosse Holz bedient mit seinem Pauschalurteil von den "Verbrechen, die nicht hingenommen und gerechtfertigt werden dürfe(n)", genau die revisionistischen Kräfte, die er bekämpfen will, denn wer die Repression gegen konterrevolutionäre Kräfte ablehnt, lehnt die Selbstverteidigung des Sozialismus ab und muss schließlich bei inhaltlicher Aufweichung und prinzipienloser Einheit landen. So auch Genosse Holz:


"Einheit der Gegensätze"

Genosse Holz beschwört die "Einheit der Gegensätze"[6]:

"Ich wollte zeigen, dass es aus historischen Gründen in der gegenwärtigen Phase der Neuformierung weltpolitischer Fronten zwei Tendenzen im Kampf gegen den Imperialismus gibt: dass diese Tendenzen einen objektiven Widerspruch der Situation widerspiegeln; und dass es für die kommunistische Bewegung verhängnisvoll wäre, wenn nicht beide Tendenzen zusammen das Bewusstsein und die Handlungsbreite kommunistischer Parteien bestimmen: defensiv bis reformerisch (nicht reformistisch!) und offensiv bis revolutionär. Die Dominanz der einen Richtung würde zu einer 'Sozialdemokratisierung' führen, die Dominanz der anderen Richtung geriete in die Gefahr eines abenteuerlichen Linksradikalismus."[7]

Welch ein Drahtseilakt, den Genosse Holz mit vielen Worten, in vielen Bildern, manchmal nebulös durchzuhalten sucht, nur um nicht mit allen Konsequenzen über die Rolle und Funktion des Revisionismus in der kommunistischen Bewegung zu sprechen oder sich klar und eindeutig positionieren zu müssen. Dabei weiß er sehr gut den Klasseninhalt des Revisionismus einzuschätzen, sonst würde er ja nicht, wie das Zitat belegt, vor einer "Sozialdemokratisierung" der kommunistischen Bewegung bzw. ihrer Partei warnen, falls von ihm als "defensiv bis reformerisch" beschriebene Kräfte die absolute Dominanz hätten!

Diese Position hat Genossen Holz bereits schon in anderen Zusammenhängen formuliert: "In vielen Einzelfragen mag es und wird es unterschiedliche Vorstellungen bei Genossinnen und Genossen geben. Sie verdienen Beachtung und Respekt. (...) Der Ausdruck unserer politischen und weltanschaulichen Einheit ist das Programm, das sich die Partei gibt. Darum ist es richtig, dass um die Inhalte des Programms mit höchstem Ernst gerungen wird. (...) Wo Differenzen auftauchen, müssen diese in gegenseitiger Achtung und ohne Rechthaberei ausgetragen werden. (...) Es gibt keine Alternative zur Partei."[8]

An anderer Stelle wurde Genosse Holz in dieser Hinsicht allerdings noch deutlicher:

"Unleugbar ist, dass unter Kommunisten heute konzeptionelle Differenzen bestehen, die auch in kontroversen Publikationen zutage treten. Nicht ideologische Abstempelungen und Verdammungsurteile schaffen diese Situation aus der Welt, sondern nur eine konsequente und solide theoretische Arbeit, die sich mit der Praxis des Klassenkampfes vermittelt. Damit muss die Einheit aller kommunistisch Denkenden das Ziel sein; Zersplitterung der Kommunisten nutzt nur der herrschenden Klasse. Eine polemische Kritik von 'links' schwächt den ohnehin schwierigen Konsolidierungsprozess der kommunistischen Partei, der DKP, die die Kerntruppe der 'Linken' in Deutschland bildet. Wie wir aus der Geschichte der Arbeiterbewegung wissen, haben antikommunistische Geheimdienste sich dies immer wieder zunutze gemacht."[9]

Genosse Holz und alle, die ihre zentristische "Kritik auf Knien" vortragen, haben es jedoch bisher versäumt, zu erklären, wie eine faktische Einheit von Revisionismus und Marxismus-Leninismus in einer Partei dauerhaft "funktionieren" soll, ohne dass diese Partei ihren revolutionären Charakter verliert. Auch ist uns kein geschichtliches Beispiel bekannt, wo diese Einheit über einen längeren Zeitraum "funktioniert" hätte. Siehe dazu beispielsweise die Geschichte der Kommunistischen Parteien Frankreichs, Italiens (dort auch die von Rifondazione) und Österreichs. Für Deutschland sei hier die Geschichte der PDS nur als letzte Katastrophe in dieser Hinsicht genannt.

Trotzdem wurden die Ergebnisse der "Kritik auf Knien" - hier am Beispiel der Diskussionen um das 2006 verabschiedete Parteiprogramm der DKP - revolutionär überhöht gepriesen:

"Das verabschiedete Programm ist nicht mehr dasselbe wie der erste Entwurf. Die Partei hat durch die Fülle der Anträge zu dem Autorenentwurf vor dem PV-Beschluss und dann noch einmal in der kurzen Frist zwischen PV-Beschluss und Parteitag Akzente gesetzt, die den klaren Kern unserer marxistisch-leninistischen Weltanschauung herausheben. Das Programm bestimmt nun den Boden, auf dem Richtungsdifferenzen ausgetragen werden müssen; und es bestimmt ihn so, dass revisionistischen Tendenzen ein Riegel vorgeschoben wird."[10]

Tatsache ist jedoch (dazu wurde u.a. in der "offen-siv" bereits mehrfach argumentiert), dass dieses neue DKP-Parteiprogramm in entscheidenden Fragen unserer marxistisch-leninistischen Weltanschauung entweder schwammig ist, richtige Aussagen an anderer Stelle wieder zurücknimmt oder gar Grundpositionen in Frage stellt. Es handelt sich also um einen zu Papier gebrachten Kompromiss mit dem Revisionismus, dem in Vielem die Substanz fehlt.

Belegt wird diese Aussage durch die Vorgänge seit 2006, die keinerlei Riegel erkennen lassen, der das weitere, intensivere Eindringen revisionistischer Positionen in die DKP hätte verhindern können.

Die so genannten "Thesen des Sekretariats" der DKP vom Januar 2010 sind ein Frontalangriff auf alles, was eine kommunistische Partei in ihrem Kern ausmacht.[11] Formulierung und Herausgabe eines solchen Frontalangriffes konnte nicht verhindert werden, im Gegenteil: die "Einheit der Gegensätze" hatte dazu geführt, die Rechtsentwicklung zu verstärken. Und auch jetzt, trotz reichlicher Kritik an den "Thesen." sind sie, obwohl nicht vom Parteitag 2010 offiziell verabschiedet (das hatte man auch gar nicht erst versucht), faktisch zur Diskussionsgrundlage erhoben worden.[12] Damit wurde auch das 2006 verabschiedete Programm zur Basis einer objektiven wie subjektiven Vertiefung der revisionistischen Entwicklung der Partei.

Dieser kurze und sicherlich nur angerissene Exkurs über zentristische Positionen in der DKP legt jedoch Grundzüge des Zentrismus offen, den wir "Kritik auf Knien" genannt haben.

- Er weicht politisch, ideologisch sowie organisationspolitisch vor dem Revisionismus zurück, anstatt sich offensiv und klar mit ihm auseinanderzusetzen.

- Er ersetzt marxistisch-leninistische Positionierung durch "faule Kompromisse" zu Gunsten einer immer wieder beschworenen Einheit der Partei. Hans Heinz Holz gibt dem sogar eine ideologische Grundlage und nennt diese "Einheit der Gegensätze". Er weicht dabei sogar eigene Positionen auf und wird unweigerlich in die Zerrreisprobe getrieben, für welche "Seite" er sich letztendlich entscheidet. Denn:

- Die Identität der Kommunisten ist unmittelbar mit dem Kampf gegen den Revisionismus und jegliche Formen des Opportunismus in der Arbeiterbewegung (wie auch in den eigenen Reihen) verbunden. Ja, die Gründung der Kommunistischen Parteien als eigenständige revolutionäre Formation der Arbeiterbewegung wäre ohne diese permanente Auseinandersetzung überhaupt nicht erklärlich (und historisch notwendig gewesen). Anders formuliert: ohne diese Auseinandersetzung, verknüpft mit der Verteidigung der Grundprinzipien des Marxismus-Leninismus, ist die Existenz von kommunistischen Parteien objektiv überflüssig, ihre Existenzberechtigung stirbt förmlich ab ...

DESHALB ist es hier und heute die revolutionärste Aufgabe der Kommunistinnen und Kommunisten, in der imperialistischen BRD, also einer Hauptmacht des imperialistischen Europa, mutig und entschlossen auf klaren marxistisch-leninistischen Positionen einen tatsächlich kommunistischen Pol zu formieren. Nur auf dieser Basis wird es möglich sein, langfristig wieder eine einheitliche, marxistisch-leninistische Kommunistische Partei aufzubauen. Dies ist die Voraussetzung für ein wirkliches und vorwärtsweisendes kommunistisches Eingreifen in die Entwicklung der Klassenkämpfe sowie den Aufbau einer breiten, demokratischen, anti-imperialistischen Volksfront unter Führung der Arbeiterklasse als Voraussetzung für den Sieg der proletarischen, sozialistischen Revolution.

Die "Kommunistische Initiative" (www.kommunistische-initiative.de) stellt sich dieser Herausforderung im imperialistischen Deutschland!

Frank Flegel (Hannover), Michael Opperskalski (Köln)


P.S.: Unser Dank gilt der Genossin Gudrun Stelmaszewski aus Paris für die solide Übersetzung, für Hinweise und Korrekturen. Ohne sie wäre diese Veröffentlichung nicht möglich gewesen.


Anmerkungen

[1] W.I. Lenin: "Der Imperialismus als höchstes Stadium des Kapitalismus", Ausgewählte Werke, Bd. II, S. 768, Frankfurt/Main 1970

[2] "Geschichte der Kommunistischen Partei der Sowjetunion (Bolschewiki), Kurzer Lehrgang", S. 447, Berlin (DDR) 1955

[3] Deshalb wird der interessierte Leser in diesem Band einen Anhang finden, in dem Genosse Kurt Gossweiler und Genosse Michael Opperskalski jene Positionen in Genossen Kilews Buch vertiefen und ergänzen, die aus unserer Sicht entweder nur oberflächlich dargestellt sind oder aber in eine falsche Richtung gehen.

[4] Kommunistische Partei Griechenlands (KKE), Dokument des ZK, "Gedanken über Faktoren, die zur Zerschlagung des sozialistischen Systems in Europa führten (...)", Athen, Griechenland, 24. März 1995, S. 25 und 32 ff.. Zur Entwicklung, Rolle und Funktion des Revisionismus siehe ausführlich das entsprechende Sonderheft der "offen-siv" ("Der Revisionismus", Nr. 2/2004)

[5] Die so genannte "Sozialfaschismustheorie/Sozialimperialismustheorie" besagt, dass sich die Sowjetunion (und analog die anderen sozialistischen Staaten Ost-Europas) relativ unmittelbar zu kapitalistischen, imperialistischen Staaten unter der Herrschaft einer "neuen Bourgeoisie" verwandelt hätten; die UdSSR sei sogar im Charakter noch gefährlicher als der US-Imperialismus gewesen. Diese Position der Maoisten erklärt ihr offenes Paktieren mit dem Imperialismus und seinen Agenten. Die so genannte "Drei-Welten-Theorie" ist eine offene Ablehnung der Leninschen Imperialismus-Theorie und der Einschätzung unserer Epoche als Übergang vom Imperialismus zum Sozialismus.

[6] "junge Welt", 20. Januar 2005

[7] ebenda

[8] Hans Heinz Holz: "Die Einheit der Partei und ihr Programm" in UZ, 16. Januar 2004

[9] Hans Heinz Holz: "Ein Brief an Rosemarie Müller-Streisand" in "Weißenseer Blätter", Nr. 2/2002. Aber Genosse Holz greift sogar - im Einklang und ähnlich wie einige Mitglieder der DKP-Führung, wohl auf Basis ihrer "Informationen" - ganz der Argumentationslinie und Logik seines Aufsatzes folgend zur Methodik der Diffamierung, wenn er z.B. einen Autor dieses Vorworts als "Geheimdienstagenten" zu verunglimpfen versucht hat ...

[10] Hans Heinz Holz: "Das neue Programm der DKP", aus: "Theorie & Praxis", Ausgabe 6, 2006

[11] Diese Thesen sind herunterzuladen unter: www.kommunisten.de

[12] Das Vorgehen erinnert an das Durchdrücken der "Sozialismusvorstellungen der DKP", die auch zunächst nicht vom Parteitag verabschiedet wurden, trotzdem aber weiterhin als DIE Sozialismusvorstellungen der DKP gehandelt wurden und sich dann schließlich im neuen Programm wiederfanden.

Raute

VORWORT ZUR BULGARISCHEN AUSGABE

Iwan Wodenitscharski, Doktor der Philosophie: Vorwort zur zweiten bulgarischen Auflage 1999

Die erste Ausgabe dieses Buches 1997 war schnell vergriffen und sehr umfangreiche Anfragen erreichten Autor und Zentralkomitee der Kommunistischen Partei Bulgariens.

Zwischenzeitlich wurde dieses Buch ins Tschechische übersetzt und dort verlegt. Sie waren die ersten, die sich für dieses Buch interessierten, dort, wo seit den sechziger Jahren der Revisionismus die kommunistische Partei vollkommen vereinnahmt hat.

Wie kann man den riesigen Erfolg des Buches erklären? Ohne Zweifel durch die Tatsache, dass es eine exakte Antwort auf gewisse komplexe und schwierige Fragen bezüglich des tragischen Schicksals des Sozialismus in Osteuropa gibt. Zum ersten Mal wurden die Verleumdungen Stalins durch Chruschtschow aufgedeckt, indem man sich auf die historischen Fakten, die Erinnerungen der engsten Mitarbeiter Stalins wie unter anderen Marschall Shukow und Wassilewski stützte.

Dieses Buch ist der gelungene Versuch einer Analyse der fundamentalen Gründe der Niederlage der UdSSR. In erster Linie wurde sie verursacht durch die revisionistische Linie der KPdSU, zum XX. Parteitag eingeführt durch Chruschtschow, der das Fundament des Zerfallsprozesses in Partei und Staat legte und die UdSSR zur Niederlage unter Gorbatschow und Jelzin führte.

Der Autor erhebt weder einen Anspruch auf eine erschöpfende Analyse noch die Vollkommenheit seiner Schlussfolgerungen.

Sein Ziel ist, die Aufmerksamkeit der Gesellschaft auf einen wissenschaftlichen Gesichtspunkt zu lenken, der allein in der Lage ist, das Werk und die Persönlichkeit Stalins wahrhaft zu würdigen. Das ist eine der Bedingungen der Wiedergeburt der kommunistischen Bewegung in Osteuropa.

Iwan Wodenitscharski

Raute

Michail Kilew:

Chruschtschow und der Zerfall der UdSSR


Einleitung

Warum musste es zu diesem tragischen Scheitern kommen, und welches sind die Ursachen dieser traurigen historischen Tatsache?

Die Kommunisten haben die Pflicht, die wahre Antwort auf diese entscheidende Frage zu finden.

Die Feinde des Marxismus-Leninismus und des Sozialismus haben eine ganze Serie von Versionen über die Niederlage der Sowjetunion und des sozialistischen Lagers in Osteuropa geschaffen. Ihre Versionen erstrecken sich von der Nichtanwendbarkeit des sozialistischen sowjetischen Modells bis zur kompletten Verneinung des Sozialismus als soziales Modell. Die Verbreitung dieser Versionen ist begleitet von einer unerhörten Propaganda-Kampagne an Lügen und Verleumdungen gegen den Sozialismus und den Marxismus-Leninismus. Diese Kampagne brachte die Desorientierung, das Misstrauen und die Hoffnungslosigkeit in die Reihen der Kommunisten und der Sympathisanten des Sozialismus.

Bis heute gibt es keine genaue wissenschaftliche Antwort auf diese entscheidende Frage, und im neuen Programm der Sozialistischen Partei Bulgariens, das auf seinem 41. Parteitag angenommen wurde, ist notiert: "Die Erklärung des Scheiterns des autoritären Sozialismus in Osteuropa, der Niederlage der UdSSR und der sowjetischen Gesellschaft ist eine soziale und politisch schwierige Aufgabe. Sie braucht Zeit, gründliche Diskussionen und eine Entwicklung des soziologischen Denkens. Es müssen gründliche philosophische, historische, ökonomische, soziologische, politische und kulturelle Forschungen durchgeführt werden, ebenso wie verantwortliche Analysen der linken Parteien, um die Wahrheit zu erkennen. Für die Sozialisten ist es unumgänglich, die Gründe des Scheiterns zu entdecken, damit nicht die gleichen Fehler begangen, damit daraus Lehren gezogen und das neue Verständnis des Sozialismus in der Wirklichkeit von heute und morgen definiert werden kann.

Aber dieses Postulat im Programm der SPB ist keine Antwort auf die gestellte Frage, sondern ein Verschieben der Antwort auf später. Und das um so mehr, als dass drei Jahre nach Annahme dieses Programms solche fundierten Diskussionen weder organisiert noch begonnen worden sind.

In dieser Situation haben die Kommunisten kein Recht, mit vor der Brust gekreuzten Armen darauf zu warten, dass andere politische Kräfte oder ideologische Zentralen unbillige und tendenzielle Antworten auf diese Frage geben und verbreiten.

In unserer Studie versuchen wir die Rede von Nikita Sergejewitsch Chruschtschow zu analysieren, betitelt: "Über den Personenkult und seine Konsequenzen", die auf der "Geheimsitzung" des XX. Parteitages der KPdSU am 25. Februar 1956 gehalten wurde.

Warum versuchen wir ausgerechnet diese Rede von Chruschtschow zu analysieren? Weil wir von der Idee ausgehen, dass AUSGERECHNET MITTELS DIESER REDE Chruschtschow eine neue revisionistische Linie in der KPdSU eingeführt hat, die den PROZESS DER AUFLÖSUNG in der UdSSR eingeleitet und sie zum Zerfall geführt hat.

Wir sind uns gewiss der Komplexität, der Schwierigkeit, der Wichtigkeit und der Verantwortlichkeit, eine Analyse der Chruschtschow-Rede zu versuchen, aber wir erheben keinen Anspruch auf die Vollständigkeit der Analyse, noch auf abschließende Schlussfolgerungen.

Wir lassen dem Leser das letzte Wort.

Michael Kilew

Raute

Einführung: Der Klassenkampf auf internationaler Ebene von 1945 bis in unsere Zeit

Nach dem 2. Weltkrieg haben die imperialistischen Länder mit den Vereinigten Staaten an der Spitze ihre Kräfte vereinigt, um die Ausbreitung des Sozialismus in der Welt zu stoppen. Seitdem führen die imperialistischen Staaten einen ununterbrochenen und verstärkten Klassenkampf überall in der Welt. Die Zeichen seines internationalen Charakters sind:

1. Ausweitung des Klassenkampfes praktisch in allen Ländern und besonders in der Sowjetunion

2. Aktivierung und Zuspitzung des Klassenkampfes in allen Bereichen des Lebens: Ideologie, Ökonomie, Politik, auf dem Gebiet der Kultur, der Diplomatie, des Sports, im wissenschaftlich-technischem Bereich usw., und seine Intensität lässt nicht nach (1);

3. Schaffung und Zuspitzung von regionalen Konflikten auf ethnischer, religiöser, nationalistischer und territorialer Ebene und seine Ausnutzung im Dienste der "ewigen strategischen Interessen" des Imperialismus. Ein sehr beredtes Beispiel ist die Intervention der NATO in Bosnien-Herzogewina und Kosovo - Regionen eines souveränen Staates, nämlich Jugoslawiens;

4. die Gründung von Dutzenden an Strukturen und speziellen Organisationen des Imperialismus, um den Klassenkampf zu lenken, solche wie die CIA, die NATO und andere Bündnisse und militärische Blocks, verschiedene ökonomische und finanzielle Institutionen wie den IWF, die Weltbank und andere Clubs, Komitees und Entscheidungs-Zentralen;

5. die Ausnutzung von Methoden, Mitteln, Formen und Kräften innerhalb des Klassenkampfs, die durch verschiedene Forschungsinstitute, Laboratorien und Zentren empfohlen und strukturell einbezogen und finanziell abgesichert werden durch staatliche Mittel.

Das bedeutet nichts anderes, als dass die Vereinigten Staaten und ihre Verbündeten den Klassenkampf auf wissenschaftlicher Basis organisieren und managen, indem sie die Fortschritte in den Wissenschaften und auf technischem Gebiet ausnutzen, was ihn bedeutend effektiver und natürlich viel gefährlicher für die Zukunft der Menschheit macht.

Lenin hatte eine solche Gefahr vorausgesehen und davor gewarnt. Stalin stützte sich auf die Fakten, um diese Gefahr aufzuzeigen und unternahm rigorose Maßnahmen gegen die Handlungen des Feindes. Chruschtschow unterschätzte sie, was in der Praxis ein Zurückweichen vor dem entsprechenden und aktiven Kampf gegen den Klassenfeind war. Zwei Jahrzehnte nach dem entschlossenen Handeln Stalins verneinte Chruschtschow die Zweckmäßigkeit dessen und verleumdete das Werk Stalins.

Aber die historischen Fakten und die Realität sind eine bleibende Sache. Sie sind es, die beweisen oder widerlegen, inwieweit die theoretische Basis mit der Praxis übereinstimmt.

Und welches sind die Fakten nach dem Zweiten Weltkrieg?

Sie zeigen: Je mehr die Grundlagen des Weltkapitalismus durch die Erfolge des triumphierenden Sozialismus bedroht waren, desto so mehr verstärkt sich der Klassenkampf und spitzt sich auf internationaler Ebene zu.

Im Jahre 1945 ist von Allen Dulles ein Plan zur Schwächung der UdSSR in Kraft gesetzt worden. Er ist ein herausragender Beweis der konterrevolutionären strategischen Aggressivität, die in den Vereinigten Staaten nach dem Zweiten Weltkrieg Eingang fand. Dieser Plan, noch vor dem Ende des Krieges entwickelt, ist vor dem Alliierten der Vereinigten Staaten im Zweiten Weltkrieg, der Sowjetunion, verborgen worden. Ausgearbeitet wurde er zu dem Zeitpunkt, als die Sowjetarmee, getreu ihrem Engagement als Alliierte, im Fernen Osten die japanische Armee in einer Stärke von einer Million Mann schlug und damit den endgültigen Sieg über Japan errang. Es ist klar, dass es nicht die Bombe von Hiroshima mit ihren 117.000 Opfern, Frauen und Kindern war - ohne einen einzigen Soldaten der japanischen Armee zu treffen -, die Japan zur Kapitulation zwang, sondern die sowjetische Armee.

Der Staatssekretär der Vereinigten Staaten, E. Stetinius, der an der Krim-Konferenz im Februar 1945 teilnahm, erklärte, um den amerikanischen Präsidenten von der Notwendigkeit der Bombe zu überzeugen: "... am Tage vor der Krim-Konferenz hatten die Chefs des amerikanischen Generalsstabs Roosevelt überzeugt, dass Japan erst 1947 oder selbst noch später kapitulieren und dass seine Niederlage den Vereinigten Staaten Millionen Soldaten kosten werde".(2)

Wir entdecken jetzt, dass der Plan von Dulles über Jahrzehnte vom amerikanischen Imperialismus angewandt worden ist. Und er wird weiter angewandt, aktualisiert und auf die heutigen historischen Bedingungen übertragen. Man sieht es an den traurigen Ergebnissen seiner Verwirklichung. Dieser Plan hatte vorgesehen, Kollaborateure und Verbündete im Inneren der UdSSR zu finden. Sie wurden in den Personen von Gorbatschow, Jakowlew, Schewardnadse, Jelzin und deren Umgebung gefunden.

Und hier die Schritte des amerikanischen Imperialismus in chronologischer Reihenfolge:

Im März 1946 in Fulton, nur sechs Monate nach dem Sieg über den Faschismus, haben Truman und Churchill den sozialistischen Ländern und der UdSSR, ihrem Verbündeten von gestern, offen den "Kalten Krieg" erklärt.

1947 haben die Vereinigten Staaten die CIA gegründet - ein weites Spionagenetz, ausgebreitet über die ganze Welt, schreckenverbreitendes Monster des modernen Imperialismus. Die Anzahl seiner Mitarbeiter erstreckt sich über 5.000 Personen mit einem Budget von 25 Milliarden Dollar. Ein Teil dieses Budgets dient zur Bezahlung von Spionen und Dissidenten, die die Fünfte Kolonne bilden: Schriftsteller, Journalisten, Publizisten, Künstler, Sportler und andere Renegaten und Verräter.

1949 haben die großen westlichen kapitalistischen Länder mit den Vereinigten Staaten an der Spitze den militärischen Nordatlantikpakt, die NATO, gegründet, das militärische Machtorgan des modernen Imperialismus, dessen Ziel seit seiner Gründung darin besteht, die UdSSR und die sozialistischen Länder zu schlagen und die Entwicklung des fortschrittlichen, demokratischen und revolutionären Prozesses in der ganzen Welt zu verhindern.

Nach dem Tode Stalins 1953 wurde die Generaloffensive des Imperialismus gegen die UdSSR und die sozialistischen Länder in allen Lebensbereichen fortgesetzt. Diese Offensive erwies sich als noch gefährlicher unter den Bedingungen des chruschtschowschen "Tauwetters" in Folge des XX. Parteitages der KPdSU im Jahre 1956. Zu Beginn der sechziger Jahre bestätigte der amerikanische Präsident Kennedy den Dulles-Plan:

"Wir können die UdSSR nicht in einem klassischen Krieg besiegen. Wir können sie mittels anderer Methoden besiegen: ideologische, psychologische, durch antisowjetische Propaganda, durch ökonomische Maßnahmen."(3)

Kann man Wissenschaftler, Historiker, Soziologen und Philosophen finden, die ausreichend Mut aufbringen würden zu sagen, warum der Befreier so mancher Länder Europas und Asiens vom deutschen und japanischen Faschismus und Militarismus dieses tragische Schicksal ertragen solle?

Kann man die Künstler und Schöpfer kultureller Werte fragen, ob ihnen die vom amerikanischen Imperialismus aufgetragene Rolle des abscheulichen Verrats an ihren Völkern zusagt?

1956 erklärte Chruschtschow in der "Geheimsitzung" des XX. Parteitages der KPdSU, dass der Klassenkampf in der UdSSR im Begriff sei zu erlöschen. Gemessen an den objektiven Resultaten, entspricht diese Erklärung einem Verrat.

1992, als die Führer des "Putsches" von August 1991 - das heißt jene, die versucht haben, die UdSSR zu erhalten - in Russland verurteilt wurden, hat der Generalsekretär der Kommunistischen Partei der Russischen Föderation (KPRF) Gennadi Zjuganow vor dem Verfassungsgericht Russlands erklärt:

"Ich möchte daran erinnern, dass Mitte der sechziger Jahre ein Plan entwickelt worden ist, der sich weder 'Perestroika' noch 'Reform radikal' nannte. Das war ein Programm des Nationalen Sicherheitsrates der Vereinigten Staaten, welches nach der Kuba-Krise angenommen wurde. Es war ein Programm der Destabilisierung der verfassungsmäßigen Ordnung der UdSSR und der Zerstörung des großen einheitlichen Landes.

Der Hauptpunkt dieses Programmes lautete:

'Ohne die KPdSU zu vernichten, kann man die UdSSR nicht vernichten. Und um die KPdSU zu vernichten, muss man in die Entscheidungszentren der Partei eindringen!'

Hier die fünf Punkte dieses Programmes:

1. Die UdSSR als das letzte räuberische Reich darstellen (ich bitte das Verb darstellen zu beachten; M.K.) und versuchen, es mit allen Mitteln zu zerstören.

2. Zu beweisen, dass die UdSSR nicht der Sieger über den Faschismus war, sondern ein Tyrann ebenbürtig dem Faschismus, den man nicht respektieren muss.

3. Ihre Ökonomie muss durch den militärischen Wettbewerb aus dem Gleichgewicht gebracht und derart deformiert werden, dass sie die verfassungsmäßigen Vorzüge nicht realisieren kann, vor allem im sozialen Bereich.

4. Auf der Basis eines nationalen und religiösen Extremismus das Feuer des Nationalismus anfachen und das Land von innen her explodieren lassen.

5. Die Medien in die Hand bekommen durch einflussreiche Agenten, die durch die CIA geführt werden; die Art des kollektiven Lebens zerstören; die Vergangenheit von der Gegenwart trennen, um das Land einer Zukunft zu berauben."(4)

Dies ist das erschreckende Schicksal, das die amerikanischen Imperialisten unserer Tage für das Volk geplant haben, das Europa und die Welt zum Preis von 20 Millionen Toten und enormen Zerstörungen vom Faschismus befreit hat.

Im Jahre 1977, zwei Jahrzehnte nach dem XX. Parteitag der KPdSU, ist im Zentralkomitee der KPdSU der Bericht von Andropow erschienen, in dem es heißt:

"Nach den vom KGB überprüften Fakten arbeitet die CIA, indem sie die Prognosen ihrer Spezialisten bezüglich der Entwicklung der UdSSR studiert, zuletzt über Plänen zur Vertiefung ihrer feindlichen Aktivitäten, die auf die Zerstörung der sowjetischen Gesellschaft und die Desorganisierung der sowjetischen Ökonomie gerichtet sind. Zu diesem Zwecke stellt sich der amerikanische Nachrichtendienst die Aufgabe, einflussreiche Agenten unter den sowjetischen Bürgern zu rekrutieren, um sie auszubilden und auf die Posten politischer, ökonomischer und wissenschaftlicher Entscheidungsträgern in der UdSSR zu lancieren.

Die CIA hat ein Programm der individuellen Ausbildung der Agenten erarbeitet, das ihre aktive Spionagetätigkeit vorsieht und ihre politische und ideologische Ausbildung verstärkt. Einen herausragenden Aspekt in der Vorbereitung dieser Agenten nimmt ihre Ausbildung in den Methoden der Leitung von Grundlagenzweigen der sozialistischen Ökonomie ein. Mit Hartnäckigkeit an ihren Zielen arbeitend, zeigt sich die Leitung des amerikanischen Nachrichtendienstes nicht kleinlich hinsichtlich der Ausgaben bei der Suche von Personen, die durch ihre persönlichen und methodischen Qualitäten leitende Posten im Führungsapparat einnehmen und die durch den Feind vorgegebenen Aufgaben erfüllen könnten. Die CIA erwägt, die Aktivität dieser Einzelagenten durch ein Zentrum, das dem Nachrichtendienst angeschlossen ist, zu koordinieren und zu leiten, um sie lebensnah die Politik der Sabotage der sozialistischen Wirtschaft anwenden zu lassen.

Die CIA ist der Meinung, dass eine koordinierte Aktivität der Agenten zur Schaffung von bestimmten Schwierigkeiten in der Innenpolitik der Sowjetunion führen werde, die unsere Entwicklung verzögern. Die CIA werde die wissenschaftlichen Forschungen in Sackgassen führen. Sie stützt sich auf die günstigen Bedingungen zur Realisierung dieses Planes, die im Rahmen der Erweiterung der Beziehungen zwischen der UdSSR und dem Westen geschaffen wurden. Die gemeinsam mit ihren inländischen Agenten direkt mit der Arbeit beauftragten Verantwortlichen des amerikanischen Nachrichtendienstes schätzen ein, dass dieses in der Verwirklichung befindliche Programm in bedeutender Weise die Qualität der verschiedensten Lebensbereiche unserer Gesellschaft verändern werde, vor allem in der Wirtschaft, dass es zur Annahme westlicher Werte in der UdSSR führen werde. Der KGB protokolliert die erhaltene Information.

Für die Aufklärung und Abwehr der Pläne des amerikanischen Nachrichtendienstes. Gezeichnet - Juri Andropow, Präsident des KGB."(5)

Dieser Bericht Andropows hat indessen die von Chruschtschow eingeleitete und von seinen Kumpanen Breschnew, Suslow und deren Gefolge weitergeführte revisionistische Linie nicht geändert. Letztere sahen sich gezwungen, Chruschtschow von der Macht zu entbinden. Der Grund war nicht seine revisionistische Linie, die sie selbst weiter verfolgten, sondern die steigende Unzufriedenheit der Werktätigen in der UdSSR wegen des enormen Umfangs an Fehlern, die er vor allem im Bereich von Ökonomie und Außenpolitik begangen hatte.

Der Prozess der Fäulnis und des Zerfalls der UdSSR entwickelte sich während der Zeit Gorbatschows mit einer solchen Geschwindigkeit und in solch dramatischer Weise, dass er einen klaren und offenen Verrat bewerkstelligen und durchführen konnte - die so genannte Perestroika (Umgestaltung - Anm. d. Ü. ins Französische).

Gorbatschow hat seine "Perestroika" mit einer unglaublichen Demagogie begonnen, indem er den Wunsch der Verbesserung des Sozialismus proklamierte, was das Bewusstsein vieler Kommunisten und Staatsbürger einnebelte, und das nicht nur in der UdSSR.

Es ist unmöglich, nicht an das Treffen von Bush und Gorbatschow in Malta Anfang Dezember 1989 zu denken. Der endgültige Plan des Verrats Gorbatschows ist hier präzisiert worden. Das beweisen die unmittelbar danach eintretenden Ereignisse, die bereits vorher von der CIA geplant und vorbereitet worden sind: "Spontane" Aufstände in allen sozialistischen Ländern des Ostens im November/Dezember 1989.

Nach dem Treffen in Malta im Dezember 1989 hatte Bush vorgewarnt: "Es werden sich in den Ländern des Ostens Ereignisse abspielen, in welche die UdSSR nicht eingreifen darf."(6)

Mitte Juni 1991, zwei Monate vor den Ereignissen des Monats August 1991 in Russland [der berühmte "Putsch" - Anm. d. Ü. ins Frz.], hat der Chef des KGB, Wladimir Krjutschkow, in einer geheimen Sitzung des Obersten Sowjets der UdSSR erklärt: "Unser Land befindet sich am Rand der Katastrophe. Die Vereinigten Staaten und die anderen westlichen Länder schätzen ein, dass die Auflösung der UdSSR unmittelbar bevorsteht ... Die Situation ist so, dass man sich keiner Aktion herausragenden Charakters enthalten kann. Das nicht zu sehen bedeutet, sich selbst zu belügen. Nicht handeln bedeutet, die Verantwortung für die tragischen Folgen zu übernehmen, die man nicht voraussehen kann. Von unserem Einfallsreichtum wird abhängen, ob das große Land bestehen bleibt oder nicht."(7)

Aber diese ernste Mahnung ist die Stimme eines Rufers in der Wüste geblieben.

Eine Tatsache wurde unlängst bekannt: "Der Chef des KGB, Wladimir Krjutschkow, hat den Generalsekretär des Zentralkomitees der KPdSU, Michail Gorbatschow, informiert, er würde Informationen besitzen, dass das Mitglied des Politbüros des ZK der KPdSU Alexander Jakowlew Beziehungen zum CIA unterhalte und dass es notwendig wäre, dazu zu ermitteln. Gorbatschow hat dem KGB strengstens untersagt einzuschreiten."(8)

Danach kamen die Ereignisse vom Monat August und Dezember 1991, die einen Schlussstrich unter die KPdSU und die UdSSR setzten. Die "Haupthelden" dieser Ereignisse waren Gorbatschow und Jelzin, alle beide Mitglieder von hohem Rang in der Kommunistischen Partei.

So also konnte fünfzig Jahre nach der Indienststellung des horribeln Dulles-Planes George Baker, Staatssekretär der Vereinigten Staaten, mit herausragender Zufriedenheit und Stolz erklären:

"Die letzten vierzig Jahre haben wir Trillionen Dollars ausgegeben, um den Kalten Krieg zu gewinnen."(9) Und George Bush: "Seine Interessen und seine Werte der ganzen Welt aufzuerlegen ist eine Chance, die nur ein Mal aller hundert Jahre kommt."(10) Viel später hat der Generalsekretär der Kommunistischen Partei der Vereinigten Staaten, Gus Hall, präzisiert: "Amerika hat 5 Trillionen Dollar im Kalten Krieg ausgegeben."(11)

Und Präsident Clinton fügte hinzu: "Wenn wir Trillionen Dollar ausgeben mussten, um unseren Sieg über den Kommunismus im Kalten Krieg zu erringen, müssen wir nun bereit sein, einen geringeren Teil dieser Summe zu investieren, um der Demokratie zum Erfolg zu verhelfen."(12)

Zusätzliche Dollar, die Clinton für den "Erfolg der Demokratie" geben will - das heißt im Klartext: Der Klassenkampf hört nicht auf sich zu verschärfen.

Diese historischen Fakten zeigen, dass Lenin und Stalin Recht hatten mit ihren Warnungen und Maßnahmen und nicht Chruschtschow, der meinte, dass der Klassenkampf sich abschwächen und verschwinden würde.

Wie man gesehen hat, war es nicht der Klassenkampf, der verschwand, sondern die KPdSU und die UdSSR. So ist die traurige historische Wahrheit.


QUELLENANGABEN

(1) Iwan Tschomakow, Vor dem Gericht der Geschichte, Teil 1, S. 10 - Polygraph, Sofia, 1994
(2) A.M. Wassiljewski, Ein Werk für ein ganzes Leben, S. 524
(3) I. Tschomakow, a. a. O.
(4) Gennadi Zjuganow, Zeitschrift Missal , Nr. 32, 1992
(5) Juri Andropow, Zeitschrift Den, 15./21. Dezember 1991
(6) George Bush, Zeitschrift Tribuna, Nr. 14, 1992
(7) W. Krjutschkow, Zeitschrift Den, Nr. 27, 15./21. Dezember 1991
(8) W. Krjutschkow, Zeitschrift Duma, 10. März 1993
(9) I. Tschomakow, a. a. O., S. 11
(10) G. Baker, Zeitschrift Nowo rabotnitschesko delo, Nr. 9, 1994
(11) I. Tschomakow, a. a. O., S. 11
(12) Bill Clinton, Zeitschrift Duma, 28. Februar 1993

Raute

Vorblatt zum Kapitel I:

"Die Kommunistische Partei hat ihren XIX. Parteitag eröffnet, mehr denn je solidarisch, einheitlich und stark, eng vereint um das Zentralkomitee und seinen herausragenden Leiter, den Genossen Stalin. (...)


Unsere Siege und unsere Ergebnisse sind der gerechten Politik der Kommunistischen Partei geschuldet, der leuchtenden Führung des leninistisch-stalinistischen Zentralkomitees, unseres Chefs und geliebten Erziehers, dem Genossen Stalin. (...)


Die Erfolge, die unser Land verzeichnet, wurden Dank der Partei errungen, die eine breite organisatorische Arbeit unter den Massen verfolgt hat, um die genialen Anweisungen von Joseph Stalin in die Praxis umzusetzen."

Nikita Sergejewitsch Chruschtschow auf dem XIX. Parteitag der KPdSU, Februar 1952


"Man spricht vom Kult um die Persönlichkeit Stalins. Na und, was kann man einer Nation vorwerfen, wenn sie einen guten Führer besitzt, der sein Volk zu wirklichen Erfolgen führt? Kann man verdammen, was zu begrüßen ist?"

Ein sowjetischer Bürger, befragt auf der Straße, 1987


Michail Kilew

Raute

Kapitel 1: Die Bedingungen, unter denen die "Geheimsitzung" des XX. Parteitages der KPdSU vorbereitet und abgehalten wurde

Der XX. Parteitag der Kommunistischen Partei der Sowjetunion (KPdSU) fand vom 14. bis 25. Februar 1956 statt. Am 25. Februar, dem letzten Tag des Parteitages, hat Chruschtschow in einer geschlossenen Sitzung eine Bericht vorgetragen, der den Titel trug: "Über den Personenkult und seine Folgen." (13) Es handelte sich um den "Kult" um die Persönlichkeit von Joseph Wissarionowitsch Stalin.

Heute, mehr als 40 Jahre nach dem Parteitag, sind die Bedingungen bekannt, unter denen dieser Bericht Chruschtschows vorbereitet und vorgetragen wurde, außerdem eine ganze Reihe der an die unnormale Situation einer "Geheimsitzung" auf dem XX. Parteitag der KPdSU gebundenen Tatsachen.

Lesen wir, was der Parteigänger Chruschtschows, der bekannte russische Politologe Roy Medwedew schrieb:

"Während der Diskussion zum Rechenschaftsbericht im Präsidium des Zentralkomitees der KPdSU hatte Chruschtschow vorgeschlagen, ein spezielles Kapitel bezüglich des Personenkultes und seiner Folgen einzufügen. Dieser Vorschlag ist von Molotow, Kaganowitsch, Woroschilow und Malenkow abgelehnt worden. Daraufhin hatte Chruschtschow vorgeschlagen, zwei oder drei frisch rehabilitierten Mitgliedern während der Diskussion das Wort zu erteilen. Aber dieser Vorschlag wurde ebenfalls abgelehnt.

Unbeirrt davon hatte Chruschtschow einige Tage nach dem Beginn des Parteitages von neuem die Führung der Partei versammelt und erklärt: 'Wenn der Parteitag seine Arbeit aufnimmt, verlieren die führenden Organe ihre Befugnisse und der Parteitag allein hat die Macht, wichtige Probleme zu lösen. Ich kann nichts über den Personenkult Stalins und seine Folgen im Rechenschaftsbericht des ZK der KPdSU sagen. Aber niemand kann mich daran hindern, zu diesem Thema wie ein einfacher Delegierter in einer Sitzung des Parteitages zu sprechen. Wenn die Mitglieder des Präsidiums an ihrer Ablehnung festhalten, werde ich mich direkt an die Delegierten wenden und sie bitten, einen Einspruch anzuhören.'"
(14)

Die Mitglieder des Präsidiums des ZK haben verstanden, dass es ihnen in einer solchen Situation nahezu unmöglich war, Chruschtschow an der Verwirklichung seines Planes zu hindern. Es haben Verhandlungen begonnen, infolge derer entschieden wurde:

"Chruschtschow wird seinen Bericht im Namen des ZK der KPdSU und nicht in seinem eigenen Namen vortragen, und dieses in einer geschlossenen Sitzung, nach der Wahl des neuen Zentralkomitees. Außerdem wird es keine Diskussion nach der Rede Chruschtschows geben."(15) [13]

Was bedeuteten diese Fakten?

1. Sie zeigen, dass die Frage des "Personenkultes" J.W. Stalins durch Chruschtschow mittels einer überraschenden Erpressung vorgetragen wurde. Und dieses trotz des offenen Widerstands des Präsidiums des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei der Sowjetunion am Vortage der Eröffnung des Parteitages.

2. Man bemerkt, dass Chruschtschow um jeden Preis daran festhält, das Problem des "Kultes" um Stalin anzusprechen, mit einem großen Risiko für sich selbst und für die Einheit der Partei, selbst mittels eines Ultimatums, das nichts mit den Normen und Prinzipien der Partei zu tun hat.

3. Der Bericht ist persönlich durch Chruschtschow und seine Gruppe vorbereitet worden, ohne vorher im Präsidium des Zentralkomitees der KPdSU diskutiert worden zu sein, ist aber zum Parteitag im Namen des Zentralkomitees präsentiert worden. Das ist eine schwerwiegende Verletzung der Parteidemokratie.

4. Der Bericht ist vor einer neuen Besetzung des Zentralkomitees abgehalten worden, die gemäß den Empfehlungen und Vorschlägen Chruschtschows gewählt wurde. Dieser Fakt hat eine wichtige Rolle bei der Unterstützung des Berichts durch die neuen Mitglieder des ZK der KPdSU gespielt.

5. "Am Abend des 25. Februar 1956 sind nach der "Geheimsitzung" des XX. Parteitages die Delegationen aller am Parteitag anwesenden kommunistischen Parteien in den Kreml eingeladen worden. Jeder Delegation wurde Gelegenheit gegeben, den Inhalt des Berichtes zu lesen, indem man auf seinen "geheimen" Charakter verwies. Dann wurden alle Exemplare des Berichtes an das Zentralkomitee der KPdSU zurückgegeben."(16) [14]

6. Den größten Widersinn stellt die Anwesenheit von fast hundert "Eingeladenen" dar, nach einer persönlich von Chruschtschow bestätigten Liste. Diese "Eingeladenen" waren Mitglieder der Partei, vormalig verurteilt wegen antisowjetischer Tätigkeit, freigelassen und kürzlich rehabilitiert. (17) Ganz ohne Zweifel waren diese "Eingeladenen" die aktivste Unterstützung für den Chruschtschow-Bericht. Es ist nicht ohne Interesse zu wissen, dass unter diesen zur Geheimsitzung "Eingeladenen" der Verräter-Renegat Alexander Jakowlew war, Apparatschik im Zentralkomitee der KPdSU unter Chruschtschow.

7. Es ist zu unterstreichen, dass zur "Geheimsitzung" des XX. Parteitages der Bericht Chruschtschows NUR VORGELESEN wurde. Meinungsäußerungen oder Fragen waren nicht zugelassen - keine Diskussion hat stattgefunden. Dieser Fakt bedeutet einerseits, dass es hier keine andere Einschätzung des Werkes von J.W. Stalin gab als die von Chruschtschow. Des weiteren wurde sie im Namen des XX. Parteitages vorgetragen.

8. Die Verteidigung Stalins in seiner Abwesenheit nicht zuzulassen, ist nicht nur vom Gesichtspunkt der Parteiregeln aus, sondern auch in moralischer und juristischer Hinsicht wider jedes Recht. Und das um so mehr, da es sich um die Einschätzung der Tätigkeit eines Führers der KPdSU und der UdSSR handelte, der mehr als 30 Jahre an der Spitze des sowjetischen Staates stand und der den sozialistischen Aufbau und den Großen Vaterländischen Krieg geleitet hatte. Ein altes Sprichwort sagt: Die Abwesenden haben immer Unrecht.

9. Es gab kein Stenografieprotokoll während der "Geheimsitzung", und das, obwohl eine Frage von solcher Wichtigkeit aufgeworfen worden war.

10. Absurde Entscheidungen wurden während der "Geheimsitzung" getroffen:

Erstens, dass der Chruschtschow-Bericht nicht publiziert werde. Die Beweggründe für diese Entscheidung sind durch Chruschtschow selbst in seinem Bericht dargelegt. Er schrieb: "Man kann dieses Problem nicht aus der Partei heraustragen, noch weniger in die Presse. Es ist nötig, dass wir maßvoll sind, den Feinden keine Nahrung geben, nicht vor ihnen unsere Wunden ausbreiten." (18)

Zweitens, "dass der Text des Berichtes an die Parteiorganisationen gesandt werde".(19)

Am 5. März 1956, das heißt eine Woche nach der "Geheimsitzung" (und dem dritten Todestag Stalins - Anm. d. frz. Übers.), entschied das Präsidium des Zentralkomitees der KPdSU "den regionalen Verbänden und den Zentralkomitees der Republiken vorzuschlagen, dass alle Kommunisten ebenso wie der Kern der Parteilosen unter den Angestellten, den Funktionären und den Kolchosmitgliedern Kenntnis vom Chruschtschow-Bericht 'Über den Personenkult und seine Konsequenzen' nehmen."(20)

Man errät die Zielstellung dieser Entscheidung: Alle Welt möge Kenntnis von der Einschätzung Chruschtschows über das Werk Stalins nehmen, so dass keine andere Wertung angenommen werde.

Das Paradoxe dieser Entscheidung des Präsidiums des Zentralkomitees der KPdSU zur Nichtveröffentlichung des Chruschtschow-Berichts bestand darin, dass es zwar die Nichtveröffentlichung beschließt, zugleich aber auch seine Verlesung vor allen Parteiorganisationen und dem Kern der parteilosen Leiter. Zu glauben, der Bericht könne unveröffentlicht bleiben, wenn er in geschlossenen Versammlungen verlesen wird, ist eine große Illusion, die auf der unverzeihlichen Unterschätzung der Kapazitäten der ausländischen Geheimdienste beruht, sich diesen Bericht zu verschaffen.

In der Tat: "Man hat während der Sitzung nicht stenographiert, aber vom nächsten Tag an wurde der Bericht im Detail in aller Welt in der nicht-kommunistischen Presse kommentiert. Chruschtschow hat einige Dementis über die Existenz dieses historischen Dokuments abgegeben, aber niemand glaubte ihm. Nur einige Wochen nach dem Parteitag hat das USA State Departement den kompletten Text des Chruschtschow-Berichts verbreitet, übersetzt ins Englische. Seitdem wurde er hunderte Male in fast allen Ländern der Welt publiziert. Aber in der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken (UdSSR) ist er erst 1990 veröffentlicht worden." (21) Und in Bulgarien 1991.

Es bleibt zu fragen: Kann man die Umstände als normal bezeichnen, unter denen die "Geheimsitzung" des XX. Parteitages 1956 vorbereitet und abgehalten wurde, wenn es um ein Ereignis von solcher historischer Wichtigkeit geht und das jetzt der gesamten Öffentlichkeit bekannt ist? Es ist sicher, dass man es nicht kann - und nicht darf. Es ist mehr als richtig, die Ereignisse als eine ausgesprochene und offene Überschreitung der Parteiprinzipien zu betrachten, der Gesetze der Partei und der Moral der Partei.

Eine zweite sehr wichtige Frage erscheint: Warum sind die Veteranen Molotow, Woroschilow, Kaganowitsch und andere, die einen großen Einfluss in der Partei hatten, vor dem Druck Chruschtschows zurückgewichen? Warum haben sie zugestimmt, die Frage des "Personenkults" von Stalin in einer "Geheimsitzung" zu erörtern, nach der Wahl des neuen Zentralkomitees der KPdSU, gemäß einem von Chruschtschow vorbereiteten Bericht, ohne dass er vorher durch das Präsidium des Zentralkomitees der KPdSU diskutiert wurde? Heute, mehr als vierzig Jahre nach diesem Ereignis kann diese Konzession der Veteranen objektiv als ein schwerer historischer Fehler eingeschätzt werden.

Warum haben die Veteranen diesen schweren historischen Fehler begangen? Man kann folgendermaßen auf diese Frage antworten:

1. Zuvorderst sind die Veteranen durch Chruschtschow überrascht worden, indem er das unerwartete Problem des "Personenkults" Stalins am Vortage des Parteitages aufwarf. Sie hatten nicht den geringsten Verdacht, dass Chruschtschow einer solchen Heuchelei und Unehrenhaftigkeit fähig sei. In ihrer Überraschung hatten sie nicht die Zeit, alle Konsequenzen des auf dem XX. Parteitag präsentierten Berichtes über den "Personenkult" Stalins zu beurteilen.

2. Weiterhin hatten die Veteranen weder die Tatsache berücksichtigt noch beurteilt, dass Chruschtschow sich während der drei Jahre nach Stalins Tod als Erster Sekretär des Zentralkomitees der KPdSU auf dieses Ereignis vorbereitet hatte. Er hatte sich im Staats- und Parteiapparat und vor allem in den Medien mit Kadern umgeben, die alte Verurteilte und deren Angehörige ausgesucht hatten. Also war er bei der Vorbereitung und der Durchführung der "Geheimsitzung" auf dem XX. Parteitag nicht allein. Und eben weil er nicht allein war, hat er sein Ultimatum mit einer solchen "Courage" vor dem Präsidium des ZK der KPdSU und in der "geheimsitzung" gestellt.

3. Heute ist klar, dass die Veteranen ihren Beitrag zur großen Illusion geleistet haben, die Chruschtschow verbreitet hatte, nämlich, dass die Frage des "Personenkultes um Stalin" in einer "Geheimsitzung" abzuhandeln hieße, sie werde in den Mauern des Parteitages bleiben. Als ob die Veteranen die Forderung Stalins vergessen hatten: "... dass das Parteigeheimnis einzig im Politischen Büro gehütet werden könne, und dass das Heraustragen egal welchen Problems, selbst auf eine Tagung des Zentralkomitees, heißt, dass es auf der Straße ausgebreitet wird."(22)

4. Viertens, und dieses ist vielleicht das Entscheidenste: Die Einschätzung, dass das Kräfteverhältnis auf dem Parteitag nicht zu ihren Gunsten war. Und weil sie Chruschtschow nicht offen angreifen wollten, aus Furcht, die Spaltung des Parteitages und der Partei zu riskieren, haben sie akzeptiert, die These des "Personenkults" um Stalin auf dem XX. Parteitag zuzulassen - in der Hoffnung, Chruschtschow später entscheidend zu schlagen.

In der Tat hat das Präsidium des Zentralkomitees ein Jahr später, im Juni 1957, entschieden, dem Plenum des Zentralkomitees den Vorschlag zu unterbreiten, Chruschtschow des Postens des Ersten Sekretärs des Zentralkomitees der KPdSU zu entheben. Aber der wendige Chruschtschow hat es durch eine Serie von Schlichen gegenüber den Kandidaten des Präsidiums und des Sekretariats des Zentralkomitees der KPdSU geschafft, diese Entscheidung des Präsidiums des ZK zu ändern. Chruschtschow hat es auch geschafft, den Marschall der UdSSR, G.K. Shukow in seine Manipulationen einzubeziehen, der als Minister der Nationalen Verteidigung dem Ersten Sekretär des ZK der KPdSU die Unterstützung der Armee gewährleistete. Und schließlich kehrte sich die Taktik der Veteranen gegen sie. In den Debatten im Plenum wurden die Veteranen durch den Anhänger Chruschtschows, Suslow, als Oppositionelle dargestellt - und sie wurden aus der Partei ausgeschlossen!

Nur einige Monate später, Ironie des Schicksals, wurde der Marschall Shukow selbst von seinen Funktionen als Minister für Nationale Verteidigung entbunden und aus dem Präsidium des Zentralkomitees entfernt. Das durch denselben Chruschtschow als "Prämie" für die Unterstützung, die ihm Shukow für sein politisches Überleben geleistet hat, um seinen Posten als Erster Sekretär des Zentralkomitees nach dem XX. Parteitag zu halten.

In seinem Bericht, jede Diskussion vermeidend, schreibt Chruschtschow: "Es ist nicht die Aufgabe des vorliegenden Berichts, eine vollständige Wertung des Lebens und des Wirkens Stalins vorzunehmen."(23)

Diese einseitige Forderung Chruschtschows ist kein Zufall: Eine Diskussion über die gesamte Einschätzung von Leben und Wirken hätte sicher Fragen aufgeworfen, Einwände, Meinungen und Diskussionen nicht nur in der UdSSR, sondern auch im Ausland, weil Stalin ein anerkannter Führer in der internationalen kommunistischen Bewegung war.

Aber Chruschtschow hat sich nicht daran hindern lassen, in verlogener Art die wichtigsten der an Stalins Wirken gebundenen Fragen aufzuwerfen: Die über die Kollegialität in der Führung von Partei und Staat, über die Vorbereitung des Landes zur Verteidigung, über die Führung des Großen Vaterländischen Krieges durch Stalin, über die Leitung der Außenpolitik der UdSSR durch Stalin, selbst über das so genannte "Testament" von Lenin bezüglich Stalin.

Das alles ist nämlich in Chruschtschows Bericht mit dem Ziel enthalten, die Persönlichkeit Stalins, sein Werk und seine Rolle beim Aufbau des Sozialismus in der UdSSR anzuschwärzen und seinen Sieg im Großen Vaterländischen Krieg zu entwerten.

Und eben deshalb müssen wir allen diesen Fragen nachgehen, die im Chruschtschow-Bericht aufgeworfen wurden.


Anmerkungen

[13] Anm. d. Übers.: Der Autor verweist ausdrücklich auf die Herkunft vorstehenden Zitates. Das damalige Mitglied des ZK der KPdSU, Lasar Kaganowitsch, gibt eine insbes. bezüglich der Stellung des ZK der KPdSU abweichende Schilderung der Ereignisse. Vergl. L. Kaganowitsch, Pamjatnie Sapiski, Wagrius, Moskwa 1996, S. 508 f. - als Ausschnitt übersetzt in: Kurt Gossweiler, Die Taubenfußchronik oder die Chruschtschowiade, Band I, S. 18, Verlag zur Förderung der wissenschaftlichen Weltanschauung, München 2002, Tel. 089-54070346

[14] Es ist anzumerken, dass die Führer der brüderlichen kommunistischen und Arbeiterparteien zur "Geheimsitzung" des Parteitages nicht eingeladen worden sind und nicht teilgenommen haben. Das war kein Zufall. Chruschtschow war sich bewusst, dass die Teilnahme von so bekannten Führern wie Maurice Thorez, Palmiro Togliatti, Mao Zedong und anderen an der "Geheimsitzung" seinen Plan in Gefahr gebracht hätte. Sie hätten sicherlich den Bericht Chruschtschows über den "Personenkult" Stalins nicht anerkannt.


QUELLENANGABEN

(13) N.S. Chruschtschow, Über den Personenkult und seine Folgen, Sofia, 1991 (Zitate laut geheimrede.de, wo man sich auf die Iswestij Nr. 3 von 1989 beruft)
(14) Roy Medwedew, N.S. Chruschtschow, politische Biographie - Auszüge, publiziert in der Zeitschrift Studentscheski Meridian, Nr. 3, 1989, S. 29-30
(15) a. a. O., S. 30
(16) a. a. O., S. 32
(17) a. a. O., S. 31
(18) Chruschtschow, Über den Personenkult und seine Folgen (S. 73)
(19) u. (20) a. a. O., S. 76
(21) Vorwort zu Chruschtschow, Über den Personenkult und seine Folgen, S. 5
(22) Roy Medwedew, N.S. Chruschtschow, politische Biographie - Auszüge, publiziert in der Zeitschrift Studentscheski Meridian, Nr. 3, 1989, S. 32
(23) Chruschtschow, Über den Personenkult und seine Folgen, S. 6

Raute

Kapitel 2: Das "Lenin-Testament"

Um seine These vom Personenkult Stalins zu unterstützen, nutzt Chruschtschow auch das so genannte "Testament" von W.I. Lenin. Chruschtschow widmet diesem Thema in seinem Bericht eine besondere Aufmerksamkeit.

Wir müssen vor allem zwei Punkte von vornherein beleuchten:

Lenin bezeichnet keinen seiner Artikel oder Diktate als "Testament". Man weiß, dass er nach der Verschlimmerung seiner Krankheit, am 23. Dezember 1922, nicht mehr schreiben konnte, und dass er seine Artikel und Briefe diktierte. Und nach dem 10. März 1923 konnte er nicht mehr diktieren, weil er nicht mehr reden konnte;

zwei seiner Einschätzungen, die er am 24. und 25. Dezember 1922 diktiert hatte, betreffen die Mitglieder des Politbüros des Zentralkomitees der Bolschewistischen Partei, unter ihnen Stalin.

In seinen letzten Artikeln und Briefen vom 23. Dezember 1922 bis zum 04. März 1923 hatte Lenin seine Positionen und Empfehlungen über eine ganze Reihe von für die Zukunft der Partei und des Landes wichtigen Problemen diktiert. Diese Diktate sind vom Sekretariat des Rates der Volkskommissare aufgezeichnet worden - L.A. Fotjewa, stellvertretende Sekretärin, M.P. Woloditschewa und andere Mitarbeiter. Sie sind veröffentlicht worden im Band 45 der zweiten Ausgabe des Lenin - Werke - Verzeichnisses S. 343 bis S. 402 (bulgarische Ausgabe von 1983) in folgender Reihe:

1. Brief an den Parteitag - es handelt sich um den folgenden XII. Parteitag der Kommunistischen Partei (Bolschewiki) - Niederschrift von Woloditschewa am 23. Dezember 1922;

2. Fortsetzung der Aufzeichnungen - Niederschrift durch Woloditschewa am 24. und 25. Dezember 1922;

3. Ergänzung zum Brief vom 24. Dezember 1922 - Niederschrift durch Fotjewa am 04. Januar 1923;

4. Fortsetzung der Aufzeichnungen - Niederschrift am 26. Dezember 1922;

5. Über die Ausstattung der Staatlichen Plankommission mit gesetzgeberischen Funktionen - registriert von Woloditschewa, am 27., 28. und 29. Dezember 1922;

6. Über die Erhöhung der Zahl der Mitglieder des Zentralkomitees - Niederschrift von Woloditschewa am 29. Dezember 1922;

7. Zur Frage der Nationalitäten oder der "Autonomisierung" - niedergeschrieben von Woloditschewa am 30. und 31. Dezember 1922;

8. Tagebuchblätter von Lenin - Niederschrift des Sekretärs am 04. Januar 1923;

9. Über das Genossenschaftswesen - Niederschrift des Sekretärs am 04. und 06. Januar 1923 (maschinegeschrieben);

10. Über unsere Revolution, zu den Notizen von Suchanow - Niederschrift des Sekretärs am 16. und 17. Januar 1923 (maschinegeschrieben);

11. Wie wir die Arbeiter- und Bauerninspektion reorganisieren sollen - Vorschlag zum XII. Parteitag - Niederschrift des Sekretärs vom 16. Januar bis zum 25. Januar 1923 (maschinegeschrieben)

12. Lieber weniger, aber besser. Das ist das letzte Diktat, niedergeschrieben am 4. März durch den Sekretär.(24)

Wie man sieht, enthalten die letzten Schreiben Lenins wertvolle Ideen und Empfehlungen zu einer Reihe von wichtigen Problemen für die Zukunft der Partei und des Landes. In diesem Sinne können sie als ein Testament des Führers der Partei und des Landes gelten und nicht als einseitige und tendenziöse Wertung wie im Bericht von Chruschtschow.

Nach Chruschtschow war die einzige und die wichtigste Sache, die Lenin diktiert und der Partei als "Testament" hinterlassen hatte, die Ergänzung zum Brief vom 24. Dezember 1922, niedergeschrieben am 04. Januar 1923, in welchem er vorgeschlagen hätte, dass Stalin vom Posten des Generalsekretärs der Partei der Bolschewiki enthoben werden solle.

Aber lasst uns die Entwicklung dieser Angabe chronologisch folgen.

In seinem Brief an den Parteitag, durch Woloditschewa am 23., 24. und 25. Dezember 1922 niedergeschrieben, behandelt Lenin sehr wichtige Probleme. Eines von ihnen betrifft die Stabilität des Zentralkomitees der Partei (Bolschewiki). Unter Stabilität des Zentralkomitees verstand Lenin die Einheit, die Maßnahme zur Vermeidung einer Spaltung des Zentralkomitees der Partei der Bolschewiki. Lenin schätzte ein, dass die Anhebung der Anzahl der Mitglieder des Zentralkomitees durch Repräsentanten der Arbeiterklasse das einzige Mittel wäre, um die Stabilität des Zentralkomitees zu verstärken. In diesem Sinne gibt Lenin eine Einschätzung der Mitglieder des Zentralkomitees. Er diktiert:

"Ich denke, ausschlaggebend sind in der Frage der Stabilität (unter diesem Gesichtspunkt solche) Mitglieder des Zentralkomitees wie Stalin und Trotzki. ... Gen. Stalin hat, nachdem er Generalsekretär geworden ist, eine unermessliche Macht in seinen Händen konzentriert, und ich bin nicht überzeugt, dass er es immer verstehen wird, von dieser Macht vorsichtig genug Gebrauch zu machen. Andererseits zeichnet sich Gen. Trotzki, wie schon sein Kampf gegen das ZK in der Frage des Volkskommissariats für Verkehrswesen bewiesen hat, nicht nur durch hervorragende Fähigkeiten aus. Persönlich ist er wohl der fähigste Mann im gegenwärtigen ZK, aber auch ein Mensch, der ein Übermaß von Selbstbewusstsein und eine übermäßige Vorliebe für rein administrative Maßnahmen hat."(25)

Im gleichen Diktat, als Folge der Aufzeichnungen vom 24. Dezember 1922, gibt Lenin eine kurze Einschätzung von Sinowjew, Kamenew, Bucharin und Pjatakow. Viel weiter, in einer Ergänzung des diktierten Briefes vom 24. Dezember 1922, aber niedergeschrieben von Fotjewa am 04. Januar 1923, habe Lenin diktiert:

"Stalin ist zu grob, und dieser Mangel, der in unserer Mitte und im Verkehr zwischen uns Kommunisten durchaus erträglich ist, kann in der Funktion des Generalsekretärs nicht geduldet werden. Deshalb schlage ich den Genossen vor, sich zu überlegen, wie man Stalin ablösen könnte, und jemand anderen an diese Stelle zu setzen, der sich in jeder Hinsicht von Gen. Stalin nur durch einen Vorzug unterscheidet, nämlich dadurch, dass er toleranter, loyaler, höflicher und den Genossen gegenüber aufmerksamer, weniger launenhaft usw. ist. Es könnte so scheinen, als sei dieser Umstand eine winzige Kleinigkeit. Ich glaube jedoch, unter dem Gesichtspunkt der Vermeidung einer Spaltung und unter dem Gesichtspunkt der von mir oben geschilderten Beziehungen zwischen Stalin und Trotzki ist das keine Kleinigkeit, oder eine solche Kleinigkeit, die entscheidende Bedeutung erlangen kann."(26)

Zu diesem Vorschlag können wir kategorisch sagen,

1. dass diese "Ergänzung" zum Briefdiktat Lenins das Datum vom 04. Januar 1923 trägt, das heißt zehn Tage nach dem Briefdiktat vom 24. Dezember 1922, zu dem es ergänzt wurde;

2. dass es nach dem Gespräch zwischen Stalin und der Krupskaja vom 22. Dezember 1922 diktiert wurde, bei dem sich Stalin am Telefon grob gegenüber der Krupskaja gezeigt haben soll.

Wenn wir den Inhalt dieser "Ergänzung" zum Briefdiktat Lenins heute, mehr als 76 Jahre später, beurteilen, haben wir alle Gründe dafür in Betracht zu ziehen, dass die authentischen Notizen überarbeitet, nachträglich formuliert oder einfach von daran interessierten Personen erfunden worden sind. Und solche Personen gab es zu dieser Zeit ohne Zweifel.

Welche Gründe haben wir für diese Einstellung? Vor allem spricht dafür die Tatsache, dass ohne die technische Möglichkeit zur Aufnahme der authentischen Stimme Lenins im Diktat die Veränderung, die Redaktion oder Erfindung einer solchen "Ergänzung" technisch möglich ist. Darüber hinaus ist diese Ergänzung zwar am 04. Januar 1923 niedergeschrieben, aber erst mittels eines speziellen Protokolls am 18. Mai 1924 an das Zentralkomitee der Kommunistischen Partei (Bolschewiki) übergeben worden, das heißt ein Jahr und vier Monate nach seiner Niederschrift und nach Lenins Tod.(27)

Es ist schwierig zu glauben, dass während dieser ganzen Zeit der authentische Inhalt dieses "Ergänzungs"-Briefdiktats bewahrt worden wäre, falls er überhaupt existiert hat.

Unsere Haltung wird auch durch folgenden Fakt bestärkt: Im Briefdiktat vom 24. Dezember 1922 drückt Lenin ein politisches Misstrauen gegenüber Trotzki aus und warnt vor der politischen Wankelmütigkeit von Sinowjew und Kamenew[15]. Bucharin und Pjatakow charakterisierend, vermerkt Lenin, dass letzterer einen zu starken Hang zum Administrieren habe.

Bezüglich Stalin diktiert er: "Gen. Stalin hat, nachdem er Generalsekretär geworden ist (Anm. d. Verf.: Stalin wurde auf Vorschlag Lenins am 2. April 1922 auf dem XI. Parteitag zum Generalsekretär gewählt), eine unermessliche Macht in seinen Händen konzentriert, und ich bin nicht überzeugt, dass er es immer verstehen wird, von dieser Macht vorsichtig Gebrauch zu machen."(28)

Das ist ein Zweifel, eine Sorge, eine Mahnung Lenins. Es gibt keinerlei Hinweis, Stalin als Generalsekretär der Partei der Bolschewiki zu ersetzen. Im Gegensatz dazu soll Lenin in seinem "Ergänzungs"-Briefdiktat vom 04. Januar 1923, das heißt zehn Tage später, vorgeschlagen haben, Stalin als Generalsekretär des Zentralkomitees der Partei zu ersetzen - allein in Folge einer Grobheit gegenüber der Krupskaja am Telefon.

Das ist unglaubwürdig.

Es ist unglaubwürdig, dass Lenin entgegen seiner toleranten Gewohnheit derartig befremdliche Betrachtungen gegenüber einem langjährigen Mitarbeiter und Genossen, noch aus der Zeit vor der Oktoberrevolution, diktiert.

Es ist unglaubwürdig, dass Lenin eine solche "richterliche" Entscheidung getroffen hätte: Stalin als Generalsekretär des Zentralkomitees der Partei abzulösen, und das gleiche Zentralkomitee nur aufzufordern, über das Wie und die Art und Weise nachzudenken.

Es ist unglaubwürdig, dass Lenin in seinem Vorschlag gegenüber den Genossen des Zentralkomitees formuliert haben soll, jemand anderen auf den Posten des Generalsekretärs ZU SETZEN anstatt ihn zu WÄHLEN, wie es gemäß Statut der Partei zu erfolgen hat.

Es ist unglaubwürdig, dass Lenin nicht das tüchtigste Mitglied des Zentralkomitees als Ersatz für Stalin auf dem Posten des Generalsekretärs vorgeschlagen hätte, wenn er wirklich seinen Ersatz vorgeschlagen hätte.

Es ist unglaubwürdig, dass Lenin eine solche wichtige Entscheidung wie den Ersatz Stalins als Generalsekretär getroffen hätte, ohne diesen Vorschlag unmittelbar dem Zentralkomitee zukommen zu lassen, anstatt die Krupskaja zu ersuchen, dass seine Entscheidung in einem am 04. Januar 1923 diktierten "Ergänzungs"-Brief dem Zentralkomitee der Partei erst nach seinem Tode auszuhändigen sei, zumal es dann vielleicht zu spät und ohne Bezug sein könnte.(29)

Es ist unglaubwürdig, dass Lenin, der schließlich wusste, dass Stalin nicht nur Vorsitzender des Zentralkomitees, sondern auch persönlich verantwortlich für die Überwachung seiner medizinischen Behandlung war, dessen Ersatz als Generalsekretär vorschlägt, nur weil er verbal grob gegen die Krupskaja war, das heißt, aus emotionalem Grunde, ohne Stalin vorher um eine Erklärung zu bitten.

Alles, was wir vorstehend erwogen haben, nährt unsere ernsthaften Zweifel an der Existenz eines solchen "Ergänzungs"-Briefdiktats von Lenin, niedergeschrieben am 04. Januar 1923 und mit diesem Inhalt.

Wie weiter oben erwähnt, händigt die Krupskaja gemäß Lenins Wunsch am 18. Mai 1924 dieses "Ergänzungs"-Briefdiktat wie auch die Briefdiktate vom 24. und 25. Dezember 1922 mit einem speziellen Protokoll an das Zentralkomitee der Partei aus.

Auf dem XIII. Parteitag, der vom 23. bis 31. Mai 1924 stattfand, das heißt vier Monate nach Lenins Tod, haben sich die Delegierten des Parteitages nach einer Diskussion über das Ergänzungs-Briefdiktat Lenins vom 04. Januar 1923 dafür ausgesprochen, dass Stalin Generalsekretär des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei (Bolschewiki) bleibt. Die Delegierten haben mit dieser Entscheidung Stalins wichtiger Rolle bei der Abwehr der trotzkistischen Angriffe gegen die Bewahrung des Leninismus in der Partei Rechnung getragen. Mit dieser Tatsache bekräftigt der XIII. Parteitages der Partei der Bolschewiki die Einschätzung Joseph Wissarionowitsch Stalins als tüchtigsten und würdigsten Nachfolger Lenins.

So viel zu den damaligen historischen Umständen.

In seinem Bericht schreibt Chruschtschow weiter:

"Genossen, ich muss dem Parteitag zwei neue Dokumente vorlegen, die die von Lenin in seinem Testament vorgenommene Charakteristik Stalins vervollständigen. Diese neuen Dokumente sind:

- ein Brief der Krupskaja vom 23. Dezember 1922 an Kamenew; und
- ein persönlicher Brief Lenins an Stalin vom 05. März 1923.

1. Brief der Krupskaja:

Lew Borissowitsch, wegen des kurzen Briefes, den mir Wlad. Iljitsch mit Erlaubnis der Ärzte diktiert hat, erlaubte sich Stalin mir gegenüber gestern einen groben Ausfall. Ich bin nicht erst seit gestern in der Partei. In all den dreißig Jahren habe ich von keinem Genossen ein einziges grobes Wort gehört. Die Interessen der Partei und Iljitschs sind mir nicht weniger teuer, als sie es Stalin sind. Ich brauche jetzt ein Maximum an Selbstbeherrschung. Worüber man mit Iljitsch sprechen kann und worüber nicht, weiß ich besser als jeder Arzt, denn ich weiß, was ihn aufregt und was nicht, auf alle Fälle weiß ich das besser als Stalin. Ich wende mich an Sie und an Grigori als nahe Genossen von W.I. und bitte darum, mich vor grober Einmischung in mein persönliches Leben zu schützen, vor unwürdigen Beschimpfungen und Drohungen. An dem einstimmigen Beschluss der Kontrollkommission, mit der Stalin zu drohen sich erlaubte, zweifle ich nicht. Ich habe aber weder Kraft noch Zeit, mich mit diesen dummen Intrigen zu beschäftigen. Ich bin ein lebendiger Mensch, und meine Nerven sind zum Zerreißen gespannt.

N. Krupskaja


2. Brief Lenins an den Genossen Stalin / Kopie an Kamenew und Sinowjew

Werter Gen. Stalin!
Sie besaßen die Grobheit, meine Frau ans Telefon zu rufen und sie zu beschimpfen. Obwohl sie sich Ihnen gegenüber bereit erklärt hat, das Gesagte zu vergessen, haben Sinowjew und Kamenew diese Tatsache durch sie selbst erfahren. Ich habe nicht die Absicht, so leicht zu vergessen, was man mir angetan hat, und selbstverständlich betrachte ich das, was man meiner Frau angetan hat, als etwas, das auch mir angetan wurde. Deshalb bitte ich Sie zu erwägen, ob Sie bereit sind, das Gesagte zurückzunehmen und sich zu entschuldigen, oder ob Sie es vorziehen, die Beziehungen zwischen uns abzubrechen.

Hochachtungsvoll Lenin - 5. März 23"(30)

Mit diesen zwei neuen Dokumenten hat Chruschtschow die Mitglieder des ZK der KPdSU definitiv von der negativen Einschätzung Lenins zu Stalin überzeugen wollen. Es ist anzumerken, dass diese Briefdiktate dem ZK nicht am 18. Mai 1924 mit den anderen Briefdiktaten vom 24. und 25. Dezember 1922 und dem Ergänzungs-Briefdiktat vom 04. Januar 1923 übergeben wurden.(31)

Um die Zielrichtung Chruschtschows bezüglich der Hinzuziehung dieser beiden neuen Dokumente zu beleuchten, müssen wir kurz die Umstände studieren, in welche sie eingebunden sind. Es ist bekannt, dass ab der zweiten Hälfte des Jahres 1921 das Politbüro der Partei der Bolschewiki von Stalin gefordert hatte, die organisatorische Arbeit der Versammlungen des Politbüros auf den Tagungen des Zentralkomitees zu leiten. Hauptsächlich übte Stalin die Pflichten des Sekretärs für organisatorische Fragen aus. Selbstverständlich lief das mit Wissen und Einverständnis Lenins ab.

Lenin stand an der Spitze des Sowjetstaates. Der Form halber hatte er weder einen Posten in der Partei noch im Zentralkomitee. Aber er leitete die Versammlungen des Politbüros und die Tagungen des Zentralkomitees. Vom Fakt her war er Chef der Regierung, aber auch der Partei.

Auf Vorschlag Lenins wurde Stalin am 02. April 1922 vom XI. Parteitag der Kommunistischen Partei (Bolschewiki) zum Generalsekretär des Zentralkomitees der Partei gewählt. Demzufolge hatte Stalin ab Frühling 1922 und bis zum Ende des gleichen Jahres reguläre Treffen und Diskussionen mit Lenin über alle Fragen der Partei und des Staates und das vor allem nach der ersten Krankheit Lenins am 25. Mai 1922. Allein für den Zeitraum "vom 11. Juli bis zum 24. Dezember 1922, das heißt in 6 Monaten, wurden zweiunddreißig Besprechungen und Briefe zwischen Lenin und Stalin offiziell registriert." (32) So hatte zum Beispiel "Lenin sich in seiner Diskussion mit Stalin am 30. August 1922 interessiert für die Vorbereitungen der Ernte, den Zustand der Industrie, das Budget, den Rubel-Kurs, die internationale Situation der Sowjetrepubliken, die anti-sowjetischen Aktivitäten der Menschewiken und der Sozialrevolutionäre, usw."(33)

In der Nacht vom 15. zum 16. Dezember verschlechterte sich Lenins Gesundheitszustand gravierend. Am 18. Dezember 1922 war Stalin auf speziellen Beschluss der Tagung des Zentralkomitees der Partei beauftragt worden, die Einhaltung der durch die Ärzte verordneten Behandlung zu überwachen und zu befolgen. Am 21. Dezember 1922 diktiert Lenin der Krupskaja einen Brief an Trotzki über das Außenhandelsmonopol.

Am 22. Dezember 1922 erhält Stalin Kenntnis von diesem Brief und schimpft am Telefon mit der Krupskaja wegen der Verletzung der Behandlungsvorschriften Lenins, ohne ihn konsultiert zu haben. Krupskaja, verärgert durch das grobe Benehmen Stalins, schreibt am 23. Dezember 1922 ihren Brief an Kamenew. Wenn man den Brief der Krupskaja heute, mehr als 76 Jahre später, beurteilt, können wir feststellen:

Zuerst die emotionalen Momente ihres Briefes: "Ich brauche jetzt ein Maximum an Selbstbeherrschung. (...) Ich habe aber weder Kraft noch Zeit, (...) Ich bin ein lebendiger Mensch, und meine Nerven sind zum Zerreißen gespannt." Das alles erscheint heute wie eine Selbstkritik.

Punkt zwei. Man kann ihre Einlassung, besser als jeder Arzt zu wissen, worüber man mit Iljitsch sprechen könne und worüber nicht, weder als objektiv noch richtig bewerten.

Drittens. Man kann die Angabe der Krupskaja, dass Kamenew und Sinowjew Lenin nahe stehende Genossen waren, nicht als richtig gelten lassen. Die Tatsachen bestätigen es nicht.

Viertens. Man kann die Worte der Krupskaja, dass Stalin sich durch sein grobes Verhalten am Telefon in ihre Privatsphäre eingemischt habe, nicht akzeptieren. Wenn man das Verhalten Stalins gegenüber der Krupskaja als grob betrachtet, dann hatte er sich entschuldigt und die Sache war erledigt. Man muss genau so gut gelten lassen, dass Stalin persönlich durch die Tagung des Zentralkomitees beauftragt worden war, die Einhaltung der Behandlung Lenins zu überwachen und dass er somit streng seine Pflicht gegenüber der Partei erfüllte.

Sicher ist es noch viel wichtiger und wesentlich, den Brief Lenins an Stalin vom 05. März 1923 genauer anzusehen.

Zu allererst muss man den Fakt unterstreichen, dass dieses Briefdiktat, welches Chruschtschow als ein "neues Dokument" bezeichnet - wenn es denn wirklich von Lenin diktiert worden ist - nach der Information Lenins über das Telefongespräch zwischen Stalin und der Krupskaja erschienen ist. Nichtsdestoweniger ist es unerklärlich, warum dieser Brief so spät diktiert worden ist - zweieinhalb Monate nach diesem Gespräch - und vor allem, warum Lenin noch ein Mal Position zu diesem Problem bezieht, wo er doch schon seine Meinung im "Ergänzungs"-Briefdiktat dargelegt hat. Zumal es unwahrscheinlich ist, dass Lenin auf dieses Problem zurückkommt, nachdem "dieser dumme Streit", wie ihn Krupskaja selbst nennt, Vergangenheit ist.

Es ist unglaubwürdig, dass Lenin sich wegen "einer kleinen dummen Geschichte" die Frage stellt, seine Beziehungen zu Stalin abzubrechen, dem Generalsekretär der Partei.

Es ist auch unglaubwürdig, weil es aus dem gleichen Zeitraum ein anderes, durch Stalin geschriebenes Dokument gibt, Anfang März 1923, das anders von der Haltung Lenins gegenüber Stalin spricht. Der Inhalt dieses Dokuments ist im russischen Fernsehen erstmalig von General Wolkogonow[16] am 21. April 1994 um 18.45 Uhr vorgestellt worden. In diesem Dokument heißt es: "In einem dieser Treffen mit Stalin hatte Lenin, als er noch sprechen konnte, Anfang März 1923 Stalin gebeten, ihm Gift zu besorgen. Stalin antwortete ihm, dass er überlegen werde. Stalin beschreibt persönlich über zwei Seiten sein Treffen mit Lenin, indem er hervorhebt, dass der Bitte Lenins auf keinen Fall nachgekommen werden dürfe....Dieses Dokument ist durch Stalin den Mitgliedern des Politbüros ausgehändigt worden, die, nach Kenntnisnahme und die Position Stalins bestärkend, sein Protokoll unterschreiben."(34)

Was bedeutet dieser Fakt? Er bedeutet, dass Lenin in diesen für ihn schwierigen Tagen Stalin als einen sehr engen Mitarbeiter und Genossen betrachtet, den einzigen, dem er sich anvertraute.

Dieser Fakt zeigt, dass es unlogisch ist, wenn zu dem Zeitpunkt, Anfang März 1923, Lenin gegenüber Stalin mit dem Abbruch seiner Beziehungen droht (durch das Briefdiktat vom 5. März 1923) während er ihn zu gleicher Zeit bittet, ihm Gift zu besorgen.

Dieser Fakt zeigt, dass die "Briefniederschrift" vom 05. März 1923 mit dem Inhalt, den Chruschtschow zum XX. Parteitag anzeigt, unglaubwürdig ist.

Es ist wahrscheinlicher, dass ein solches "Briefdiktat" (wenn es wirklich existierte) durch Chruschtschow oder seine Mitarbeiter nachträglich formuliert oder umgearbeitet wurde, indem Lenin ausgenutzt wird, um Stalin verhasst zu machen, das heißt, Lenin gegen Stalin in Opposition gebracht wird.

Das ist nicht nur wahrscheinlich, sondern das entspricht dem Stil Chruschtschows.

Warum? Weil derselbe Chruschtschow unmittelbar nach der geheimen Sitzung des XX. Parteitages der KPdSU zwei Mal vor der ganzen Welt erklärt hat, dass er keinen Bericht über den "Personenkult" Stalins gegeben habe, dass ein solches Dokument nicht existiere. Und das, obwohl das eine augenscheinliche Lüge war, die niemand glaubte, weil sein Bericht am Tag nach dem Parteitag in der ganzen Welt diskutiert und kommentiert wurde.

Übrigens gibt es im Bericht Chruschtschows, verlesen in der "Geheimsitzung" des XX. Parteitages, noch weitere Lügen und Verleumdungen, von denen später die Rede sein wird.

Um keinen Zweifel über die Einschätzung Lenins über Stalin unter den Mitgliedern des ZK der KPdSU aufkommen zu lassen, nutzt Chruschtschow ohne Skrupel eine unglaubliche Lüge.

Er schreibt: "In der Sorge um das weitere Schicksal der Partei und des Sowjetstaates gab W.I. Lenin eine vollkommen richtige Charakterisierung Stalins, wobei er darauf verwies, dass man die Frage der Ablösung Stalins von der Funktion des Generalsekretärs im Zusammenhang damit erwägen sollte, dass Stalin zu grob sei, nicht die richtige Haltung zu seinen Genossen habe, launisch sei und seine Macht missbrauche."(35)

Selbst im "Ergänzungs"-Briefdiktat, das Chruschtschow zitiert, wird nicht davon gesprochen, dass Stalin die Macht missbrauche. Niemals und nirgendwo hat Lenin geschrieben oder gesagt, dass Stalin die Macht missbrauche.

Diese Erklärung Chruschtschows in seinem Bericht ist eine Anschuldigung, für welche er verdient hätte, gerichtlich verfolgt zu werden.

Das ist die Verleumdungslüge Nr. 1 im Bericht Chruschtschows. Und es ist nicht nur eine Verleumdung Stalins, sondern auch eine Verleumdung Lenins, weil Chruschtschow ihm den Prinzipien der Partei entgegenstehende Einschätzungen zuordnet, von denen man übrigens nirgendwo Spuren in seinen Schriften finden kann.

In dieser Art sucht Chruschtschow den Delegierten des XX. Parteitages und den Mitgliedern des Zentralkomitees der KPdSU zu "beweisen", dass er, Chruschtschow, das, um es so zu nennen, "Testament" des Führers der Partei, Lenins, "vollstrecke".


Anmerkungen

[15] Gemeint ist die Haltung Sinowjews und Kamenews in der Frage des bewaffneten Aufstandes. Nachdem das ZK mit Stimmenmehrheit gegen die Stimmen von S. u. K. den Beschluss über die sofortige Vorbereitung des Aufstandes gefasst hatte, veröffentlichten sie am 18.10.1917 in der menschewistischen Zeitung "Nowaja Shisn" eine Erklärung dazu. Damit verrieten sie den streng geheimen Beschluss des ZK.

[16] Der General D. Wolkogonow - Militärberater Jelzins (Wolkogonow hat persönlich den mörderischen Angriff gegen das russische Parlament am 3. Oktober 1993 geführt), hatte Zugang zu den Geheimarchiven des Politbüros des ZK der KPdSU. Die Archive durchsuchend, hatte er dieses Protokoll aus der Hand Stalins gefunden. (Anm. M. Kilew)


QUELLENANGABEN

(24) W.I. Lenin - Werke, Band 45 (2. Auflage) - Sofia, 1983 (S. 343 - 402); oder in: Lenin, Werke, Dietz Verlag Berlin Band 36, S. 575-596; oder in: AW in 6 Bänden, Band 6, Seiten 637-659;
(25) ebenda, S. 344-345
(26) ebenda, S. 346
(27) ebenda, S. 592
(28) ebenda, S. 344-345
(29) ebenda, S. 592
(30) Chruschtschow, Über den Personenkult und seine Folgen, S. 10-11
(31) W.I. Lenin - Werke, Band 45, S. 592
(32) ebenda, S. 680-708
(33) ebenda, S. 681
(34) D. Wolkogonow - Debattensendung im Moskauer Fernsehen, 21. April 1994, 18.45 Uhr
(35) Chruschtschow, Über den Personenkult und seine Folgen, S. 9

Raute

Kapitel 3: Zur kollektiven Arbeit in der Führung der KPdSU

In seiner Rede schrieb Chruschtschow zu dieser Frage:

"Stalin .... der Kollegialität in der Führung und in der Arbeit absolut nicht ertrug, ... Wer sich dem entgegen stellte oder versuchte, seinen eigenen Gesichtspunkt und die Richtigkeit seines Standpunktes zu begründen, war sicher, zum Ausschluss aus dem Leitungskollektiv und in der Folge zur moralischen und physischen Vernichtung verurteilt zu sein."(36)

Das ist die zweite Verleumdungslüge gegenüber Stalin in Chruschtschows Rede, hier aber ein sehr beredter Beweis für das Gegenteil, den Chruschtschow in seiner Rede selbst lieferte:

"Als 1942 im Gebiet Charkow die Bedingungen für unsere Armeen extrem schwierig wurden, haben wir (das heißt, die Armeeführung, unter ihnen Chruschtschow selbst, Anm. d. Verf.) entschieden, die Einkesselung Charkows zu unterbrechen, denn in der damals tatsächlich gegebenen Lage barg die Fortführung dieser Art von Operationen ernste Gefahren für unsere Armeen. Es wurde Stalin Rapport erstattet und erklärt, dass uns die Situation zur Änderung des Aktionsplans zwänge, damit der Feind nicht die Möglichkeit erhalte, große Einheiten unserer Armeen zu vernichten. Entgegen aller Vernunft hat Stalin unseren Vorschlag abgelehnt und angeordnet, die Operation der Einkesselung Charkows durchzuführen."(37)

Wir stellen fest, dass Chruschtschow eine Stalin entgegengesetzte Meinung verteidigte. Aber aus dieser Opposition Chruschtschows ergab sich weder, dass er ausgeschlossen noch moralisch und physisch zerstört wurde. Im Gegenteil, nach dem Kriege ist Chruschtschow auf einen Posten mit höherer Verantwortung befördert worden. Das betrifft nicht nur Chruschtschow, sondern auch viele andere sowjetische Leiter der Partei und des Staates. In dieser Hinsicht waren die Diskussionen zwischen Stalin und Marschall Shukow sehr bezeichnend. Marschall Shukow war einer der sowjetischen Heerführer gewesen, die oft entgegen den Ansichten Stalins ihre eigenen Ansichten vertraten. Aber das hat weder zur Entfernung Shukows von seiner Führungsrolle in der Sowjetischen Armee geführt noch zu seiner moralischen und physischen Vernichtung. Im Gegenteil, Marschall Shukow war Erster Stellvertreter Stalins im Großen Vaterländischen Kriege und hat die meisten militärischen Orden und Auszeichnungen erhalten.

Im Verlaufe des Großen Vaterländischen Krieges war Chruschtschow weit vom höchsten Kommando und dem Generalstab der Sowjetischen Armee entfernt. Um ein präzises Wissen von den Führungsmethoden Stalins während der Jahre des Krieges zu haben, ist es viel interessanter, denen das Wort zu erteilen, die direkt mit ihm zusammen gearbeitet haben und ihm zwei oder drei Mal täglich Lageberichte lieferten. Sehen wir uns an, was Marschall Shukow diesbezüglich selbst nach dem XX. Parteitag schrieb:

"Während der langen Jahre des Krieges konnte ich mich davon überzeugen, dass Stalin auf keinen Fall ein Mann war, dem man nicht wagte, riskante Fragen zu stellen oder gar mit ihm zu diskutieren und seine eigene Ansichten zu vertreten. Wenn es Leute gibt, die das Gegenteil erklären, würde ich sagen, dass ihre Aussagen ganz einfach falsch sind. Der Arbeitsstil war ernsthaft, ohne Nervosität, jeder konnte seinen Standpunkt vortragen. Der höchste Leiter verhielt sich jedem gegenüber gleich, streng und offiziell."(38)

Und Marschall Shukow fügte hinzu: "Stalin schätzte die Arbeit des Generalstabs sehr hoch ein und vertraute ihm vollkommen. Grundsätzlich traf er wichtige Entscheidungen niemals, ohne vorher die Analyse des Lageberichts durch den Generalstab gehört und ohne seine Vorschläge studiert zu haben."(39)

Seinerseits schrieb der Chef des Generalstabs der Sowjetischen Armee, S.M. Schtemenko: "Die Diskussion über jede Frage verlief im Oberkommando in einer arbeitsamen und ruhigen Atmosphäre. Jeder von uns hatte die Möglichkeit, seinen Standpunkt darzulegen."(40)

Marschall I.S. Konew schrieb bezüglich der militärischen Operation um Berlin: "Stalin hat die Erwägungen der Frontkommandeure aufmerksam angehört, hat von den Erwägungen des Generalstabs Kenntnis genommen und dann erst den Verlauf der Berliner Operation festgelegt, wonach er eindeutig die speziellen Aufgaben für jede Front erläuterte."(41)

Marschall A. M. Wassilewski, der lange Zeit Chef des Generalstabs der Sowjetischen Armee und der Zweite Stellvertreter Stalins während des Großen Vaterländischen Krieges war, schrieb zum Thema: "Das Politbüro des Zentralkomitees und die Leitung der bewaffneten Kräfte stützten sich immer auf das kollektive Gehirn bei der Erarbeitung der strategischen Pläne und der Entscheidungsfindung bezüglich der großen ökonomischen Probleme."(42)

Um zu verstehen, wie wichtig Stalin die kollektive Arbeit nahm, wollen wir folgendes Beispiel ausführen: "1942, als die Abteilung schließlich einsatzbereit war (es handelt sich um die dem Generalstab beigeordnete Operationsabteilung für Kriegswesen, Anm. d. V.) und schon bestimmte Erfahrungen auf ihrem Gebiet besaß, sind auf Befehl Stalins Dienstanweisungen für die Infanterie erarbeitet worden. Gemäß seinen Anordnungen sind die Vorschriften auf spezielle Art erarbeitet worden. Die ersten Festlegungen der Dienstanweisungen wurden in Moskau vorgenommen, wonach einige Gruppen von Inspekteuren an die Front gingen. Und in Zusammenarbeit mit den begabtesten und erfahrensten Kompaniechefs, Regiments- und Bataillonskommandeuren sind die Vorschriften an Ort und Stelle überprüft und konkret aufgesetzt worden. Dann wurde eine spezielle Kommission gegründet, um sie zu revidieren und letzte Änderungen vorzunehmen. Wiederum danach sind sie während zweier Arbeitstage in einer Sitzung des Oberkommandos in Anwesenheit von Frontkommandeuren verschiedensten Ranges neu geprüft worden. Erst nach dieser Arbeit hat der Volkskommissar für Verteidigung, Joseph Stalin, die Dienstanweisungen anerkannt und zur Anwendung am 9. November 1942 befohlen."(43)

Wie sagt man? - Kein Kommentar.

Ein anderes Argument Chruschtschows, um seine These von "der Intoleranz" Stalins gegenüber der kollektiven Arbeit in der Führung der KPdSU zu beweisen: Er hebt die "Unregelmäßigkeit der Parteitage und Plenen der KPdSU" hervor. Er schreibt: "Kann man die Tatsache als normal betrachten, dass zwischen dem XVIII. und XIX. Parteitag mehr als 12 Jahre vergangen sind, in denen unsere Partei und unser Land eine Fülle von Ereignissen erlebte? Diese Ereignisse erforderten unbedingt, dass unsere Partei unter den Bedingungen des Vaterländischen Krieges über unsere Verteidigung und die Probleme des friedlichen Aufbaus in den Nachkriegsjahren entschied."(44)

Man kann aus diesen Argumenten Chruschtschows zweierlei schlussfolgern:

Einmal, dass er den Eindruck erwecken will, dass in den Jahren 1939 bis 1952, in denen kein Parteitag stattfand, notwendige Entscheidungen über die Verteidigung und den Wiederaufbau nach dem Kriege nicht getroffen wurden. Es ist kaum notwendig, diese bodenlose Unterstellung Chruschtschows zu kommentieren. Der alleinige Fakt des siegreichen Ausgangs des Großen Vaterländischen Krieges stellt diesen sinnlosen Gedanken Chruschtschows bloß.

Zum anderen aber will er einflüstern, dass in der Zeit Joseph Stalins als Generalsekretär der Partei von 1922 bis 1939 die Parteitage nicht regelmäßig abgehalten worden wären. Dabei war nur der XIX. Parteitag auf 1952 verschoben worden.

In erster Linie muss hervorgehoben werden, dass nach dem XVIII. Parteitag der KPdSU, der 1939 stattfand, der Prozess der Kräfteumgruppierung auf internationaler Ebene begonnen hatte, der Große Vaterländische Krieg der Sowjetunion hatte auch begonnen und bis in den September 1945 angedauert. Einen Parteitag in Kriegszeiten abzuhalten ist, gelinde gesagt, unverantwortlich.

Zur Regelmäßigkeit der Tagungen des Zentralkomitees der KPdSU schreibt Chruschtschow: "Tagungen des Zentralkomitees wurden kaum einberufen. Es genügt zu sagen, dass während des gesamten Vaterländischen Krieges praktisch keine Tagung des ZK stattfand. Ursprünglich war beabsichtigt, eine Tagung des ZK im Oktober 1941 abzuhalten, als die Mitglieder des Zentralkomitees des ganzen Landes nach Moskau eingeladen worden waren. Sie haben umsonst zwei Tage auf die Eröffnung der Tagung gewartet. Stalin hat selbst nicht mal die Mitglieder des Zentralkomitees treffen oder persönlich sprechen wollen."(45)

Diese Worte reflektieren nur ein verantwortungsloses, aber tendenziöses Gerede. Es genügt, sich die Situation Moskaus im Oktober 1941 in Erinnerung zu rufen. Die deutschen Armeen waren nur 25 km von Moskau entfernt und im Begriff, es einzunehmen. In einer solchen Situation, in der das Schicksal Moskaus und somit das Schicksal der Sowjetunion auf dem Spiel stand, Stalin, der damals ohnehin schon 15 bis 16 Stunden täglich arbeitete, von seinem Posten, ihn von der Führung der militärischen Operationen wegzureißen - damit er an einer Tagung des Zentralkomitees teilnehmen oder mit den Mitgliedern des ZK sprechen könne, wie Chruschtschow schrieb, heißt, dass dessen Parolen nicht anders denn als ein verantwortungsloses Gerede zu werten sind.

In diesen Oktobertagen war Stalin Tag und Nacht auf seinem Posten und arbeitete als Oberkommandierender mit dem sachlich zuständigsten Organ, dem Generalstab der Sowjetischen Armee. Die wichtigsten und weittragendsten Entscheidungen für das Land wurden auf der Basis der Vorschläge des Plenums des Generalstabs der Sowjetarmee, das einige hundert Mitglieder hatte, getroffen. Dieses ständig tagende spezielle Plenum arbeitete während der Jahre des Großen Vaterländischen Krieges Tag und Nacht. Sein Beitrag am Sieg über die faschistische Armee ist nicht zu unterschätzen. Chruschtschow hat das alles nicht sehen wollen oder besser: hat es nicht zugeben und anerkennen wollen - mit einem konkreten Ziel.

Die Parteitage können in bestimmten Fällen durch Konferenzen oder Tagungen der Partei ersetzt werden. Das hängt von der Situation ab. Aber selbst das Abhalten von zwei Parteitagen pro Jahr garantiert keine kollektive Arbeit in der Führung der Partei. Hat Chruschtschow, der regelmäßig die Plenen und Parteitage einberief, diese nicht benutzt, um seine revisionistische Linie in der KPdSU zu verankern? Hat Gorbatschow etwa nicht seine Demagogie und seinen Verrat realisieren können, wobei er regelmäßig Parteitage und Tagungen der Partei abhielt?

Die kollektive Arbeit kann auch in den Sitzungen des Politbüros des Zentralkomitees, den Sitzungen des Ministerrates und der Staatsorgane zum Ausdruck kommen. Selbst die ganz normalen Treffen und Diskussionen Stalins mit den verschiedenen Ministern, die ihm Vorschläge und Empfehlungen aus den Ministerkollektiven unterbreiteten, spiegeln ausgezeichnet einen Austausch von Gedanken und Erfahrungen zwischen Ministerien und dem obersten Leiter der Sowjetunion wider.

Der Minister für Landwirtschaft unter Stalin, I.A. Benediktow, sagte: "Trotz der verbreiteten Meinung sind in eben jenen Jahren alle Fragen, Personalwechsel in der Führungsriege eingeschlossen, vom Politbüro kollektiv entschieden worden. Die Sitzungen im Politbüro waren lebhaft, es gab Diskussionen, gegenteilige Vorschläge wurden ausgebreitet. Es gab keine stille und untergeordnete Einstimmigkeit. Stalin und seine Mitarbeiter konnten eine solche Sache nicht akzeptieren. Es ist wahr, dass Stalin häufig aufbrausend reagierte, denn er betrachtete die Probleme unter all ihren Aspekten, sehr sachlich und er sah viel weiter und tiefgründiger als die anderen."(46)

Am 13. Dezember 1931 gab es ein Treffen zwischen Stalin und dem deutschen Schriftsteller Emil Ludwig. Er stellte Stalin folgende Frage: "Um den Tisch, an dem wir sitzen, stehen 16 Stühle. Im Ausland weiß man einerseits, dass die UdSSR ein Land ist, in dem alles kollegial entschieden werden soll, anderseits aber weiß man, dass alles durch eine einzelne Person entschieden wird. Wer entscheidet denn nun?"

Stalin antwortet: "Nein, eine einzelne Person darf nicht entscheiden. Entscheidungen einer einzelnen Person sind immer oder fast immer einseitige Entscheidungen. In jedem Kollegium, in jedem Kollektiv gibt es Menschen, mit deren Meinung man rechnen muss. In jedem Kollegium, in jedem Kollektiv gibt es Menschen, die auch falsche Meinungen zum Ausdruck bringen können. Auf Grund der Erfahrungen von drei Revolutionen wissen wir, dass unter hundert Entscheidungen, die von einzelnen Personen getroffen und nicht kollektiv überprüft und berichtigt wurden, annähernd neunzig Entscheidungen einseitig sind."(47)

Chruschtschow beschuldigt Stalin der Übertretung des Kollegialprinzips in der Führungsarbeit: "Sehr wichtige Probleme von Partei und Staat behandelte Stalin im Namen der Partei und selbst im Namen des Politbüros, oft, ohne sie von seinen persönlichen Entscheidungen zu informieren."(48)

Vor allem im Verlaufe des Großen Vaterländischen Krieges zwangen die Umstände Stalin als Oberbefehlshaber der Sowjetischen Armee, zu vielen Problemen sehr schnell Entscheidungen herbeizuführen. Nichtsdestotrotz bezog er sich auch dann auf die Grundprinzipien des Zentralkomitees der KPdSU und konsultierte immer vor der Entscheidung seine kompetentesten und auf verantwortlichen Posten befindlichen Mitarbeiter.

Sehen wir uns an, was Marschall Shukow dazu schreibt: "Nach Stalins Tod wurde das Gerücht verbreitet, dass Stalin immer ganz allein seine militärstrategischen Entscheidungen traf. Ich kann das nicht bestätigen."(49)

Wir wollen uns ein Beispiel von großer historischer Bedeutung ansehen, das die Aussage von Marschall Shukow bestätigt - die Vorbereitung und Durchführung der historischen Parade der Roten Armee am 7. November 1941. Der Chef der Moskauer Garnison, Generalleutnant Artemjew, beschreibt die Vorbereitung dieser Parade folgendermaßen:

"An einem Tag Ende Oktober habe ich dem Oberkommandierenden, Joseph Stalin, Bericht erstattet über die Lage an der Westfront, den Fortgang der Verstärkung der Verteidigungslinie, die Ankunft von Ersatztruppen. Solche Rapporte wurden täglich erstattet. Dieses Mal aber, nachdem er meine Mitteilungen gehört hatte, fragte er mich, ob man erwäge, Einheiten der Moskauer Garnison für die Militärparade vorzubereiten. In Anbetracht der Situation habe ich meine Zweifel über den Nutzen einer solchen Parade ausgedrückt. Der Oberkommandierende hat mich auf die politische Signalwirkung dieses Unternehmens hingewiesen und die Parade für den 7. November unter ausdrücklicher Beteiligung von Artillerie und Panzern angeordnet. Es wurde befohlen, dass die Parade vom Marschall der Sowjetunion Budjonny abgenommen und von mir kommandiert werde. Stalin hat unterstrichen, dass wir bisher nur drei wären, die von der Vorbereitung der Parade wüssten. Budjonny würde es einen Tag vorher erfahren: Er wäre ein erfahrener Reiter und hätte keine Vorbereitungen nötig.

Die Parade hat am 7. November um 8 Uhr begonnen. Es nahmen Schüler der Militärakademie des Generalstabes der Russischen Streitkräfte, Schützeneinheiten, Kriegsmarine, bewaffnete Moskauer Arbeitereinheiten, Eskadronen der Kavallerie und Artillerieabteilungen teil. Die Parade wurde beschlossen durch den Aufmarsch von 200 Panzern. Die Parade hat den Sowjetmenschen und den Soldaten der Roten Armee Vertrauen und die Gewissheit gegeben, dass Moskau widerstehen, dass der Feind vernichtet werde."(50)

Warum hatte Stalin so gehandelt? Hatte er kein Vertrauen in die Mitglieder des Politbüros des Zentralkomitees und in das Staatliche Komitee für Verteidigung? Natürlich hatte er. Aber Stalin handelte so, weil er die politisch-militärische Lage am Vorabend des 7. November gut analysiert hatte, als sich die deutschen Armeen auf ihren letzten Sturm auf Moskau vorbereiteten. Weil alle ihre Nachrichtendienste ihre Augen und Ohren auf Moskau richteten, war die Geheimhaltung der Parade-Vorbereitung äußerstes Gebot.

Joseph Stalin handelte so, weil er wusste, dass die Organisation der Parade durch einen Vertreter des Generalstabs und den Chef der Moskauer Garnison vollauf genügte.

Joseph Stalin handelte so, weil er aus Erfahrung wusste, dass selbst bestimmte unbewusste Verhaltensweisen der Mitglieder des Zentralkomitees den deutschen Diensten die Vorbereitung der Parade verraten konnten.

Joseph Stalin handelte so, um den Erfolg des Ablaufs der Parade sicher zu stellen, die, wie er erklärt hatte, eine wichtiges politisches und psychologisches Signal darstellte. Der Aufmarsch am 7. November 1941 war in der Tat für das deutsche Kommando und die ganze Welt eine Überraschung gewesen. Er hat die von Stalin vorausgesehene historische Rolle erfüllt. Er hat die unversiegbare Kraft der UdSSR gezeigt und Verwirrung bei der Intervention Japans und der Türkei gestiftet. Er hat die Anti-Hitler-Koalition gestärkt und die Moral der Sowjetarmee und des sowjetischen Volkes gehoben.

Bedeutet die Tatsache, dass Stalin für die Vorbereitung der Parade am 7. November 1941 kein spezielles Plenum des Zentralkomitees der KPdSU oder selbst eine Politbüro-Tagung einberufen hat, eine Verletzung des Prinzips der kollektiven Leitung der KPdSU? Ganz sicher nicht.

Es hat andere Fälle gegeben, in denen Stalin geheime Entscheidungen traf. Unter ihnen befindet sich die Vorbereitung der Schlacht um Stalingrad. Es ist weltbekannt, dass Stalin als Oberster Befehlshaber der Sowjetarmee erst nach einer langen Besprechung mit seinen direkten Stellvertretern, den Marschällen Shukow und Wassilewski, die Entscheidung über die Vorbereitung der Operation Stalingrad traf. Marschall Shukow zitierte in seinem Buch "Memoiren und Überlegungen" zur Vorbereitung der Operation Stalingrad die Anordnungen Stalins über die Geheimhaltung: "Die Diskussion über diese Operation nehmen wir später wieder auf. Im Moment darf das, was hier gesprochen wird, keiner anderen Person als uns dreien bekannt sein."(51)

War es richtig, so zu handeln? Ja, die Geschichte zeigt, dass die Geheimhaltung der Vorbereitung eines Ereignisses von solcher historischer Wichtigkeit die Bedingung für seinen Erfolg ist.

Aber Chruschtschow, der um jeden Preis Stalin der Verletzung von Kollegial-Prinzipien bezichtigen will, schreibt in seiner Rede: "Stalin reiste niemals, traf weder Arbeiter noch Kolchosbauern, kannte die wirkliche Lage vor Ort nicht. Er lernte das Land und die Landwirtschaft nur aus Filmen."(52)

Das ist die Verleumdungslüge Nr. 3 Chruschtschows gegenüber Stalin. Ist es denn möglich, den Aufbau des Sozialismus in einem großen Land wie der UdSSR zu leiten, wenn es einzig aus Filmen bekannt ist?

Chruschtschow hatte ein bestimmtes Ziel: Die Persönlichkeit Joseph Stalins verhasst zu machen und zu verleumden.


QUELLENANGABEN

(36) Chruschtschow, Über den Personenkult und seine Folgen, S. 12
(37) ebenda (S. 44-45)
(38) G. K. Shukow: "Memoiren und Reflexionen", Sofia, 1983, S. 320-321
(39) ebenda, S. 307-308
(40) S. M. Schtemenko: "Der Generalstab während des Krieges", Teil 1, Sofia, 1969, S. 223
(41) I. S. Konew: "Notizen des Frontkommandeurs", Sofia, 1975, S. 454
(42) A. M. Wassilewski: "Ein Werk fürs ganze Leben", Sofia, 1976, S. 122
(43) S. M. Schtschemenko: "Der Generalstab während des Krieges", Teil 2, Sofia 1974, S. 24
(44) Chruschtschow, Über den Personenkult und seine Folgen, S. 20-21
(45) ebenda, S. 21
(46) I. A. Benediktow, Interview in der Zeitschrift "Tribuna", Nr. 23, 1992
(47) J. W. Stalin, Werke, Band 13, Sofia 1952, S. 91
(48) Chruschtschow, Über den Personenkult und seine Folgen, S. 19
(49) G. K. Shukow: "Memoiren und Reflexionen", Sofia, 1983, S. 561
(50) Pawel Artemjew, Generalleutnant, Zeitschrift "Narodna Armia" vom 5.12.1976
(51) G. K. Shukow: "Memoiren und Reflexionen", Sofia, 1983, S. 479
(52) Chruschtschow, Über den Personenkult und seine Folgen, S. 65

Raute

Kapitel 4: Über die Vorbereitung des Landes auf die Verteidigung und über den Großen Vaterländischen Krieg unter Stalins Führung

Nach Chruschtschows Worten hatte Stalin als Führer der KPdSU und der Sowjetunion nicht ausreichend Vorsorge für die Landesverteidigung getroffen. In seinem Bericht schreibt er: "Trotz aller ernsthafter Anzeichen waren die getroffenen Maßnahmen nicht ausreichend, um das Land gut auf die Verteidigung vorzubereiten und um den Überraschungsangriff zu vermeiden. ... Hatten wir Zeit und Möglichkeiten für solche Vorbereitungen? Ja, wir hatten die Zeit und die Möglichkeiten."(53)

Das ist die Verleumdungslüge Nr. 4 in Chruschtschows Rede. Es ist eine Lüge, die nicht nur Stalin, sondern die ganze KPdSU, die sowjetische Regierung und das sowjetische Volk betrifft. Zwei Punkte sind in dieser Bestätigung enthalten: Einer über die Vorbereitung des Landes zur Verteidigung, der andere über die Möglichkeit, die Überraschung der deutschen Invasion zu vermeiden.

Zum ersten Punkt muss Folgendes ausgeführt werden: Schaut man auf die Geschichte der UdSSR zurück, wird man die über mehrere Jahre dauernde große Anstrengung der KPdSU, der Regierung der Sowjetunion und des sowjetischen Volkes bei der Vorbereitung auf die Landesverteidigung feststellen. Es handelt sich nicht allein um die Bereitstellung bewaffneter Kräfte, der militärischen Industrie und der Ökonomie des Landes. Es handelt sich auch um die militärische, politische und moralische Vorbereitung des gesamten sowjetischen Volkes, von Männern, Frauen, der kommunistischen Jugend und der Pioniere. Diese Vorbereitung des ganzen Volkes war einer der für den Erfolg während des gesamten Krieges ausschlaggebenden Faktoren. Im Lichte dieser Tatsachen erscheinen die falschen Anschuldigungen Chruschtschows als der Gipfel der Falschbezeugungen, Unterstellungen und Täuschungsmanöver. Bleibt zudem hinzuzufügen, dass die Zeit sehr begrenzt war, trotz der Frist von zwei Jahren, die durch den Abschluss des deutsch-sowjetischen Nichtangriffsvertrages im August 1939 zwischen Deutschland und der Sowjetunion gewonnen wurde.

Unter den sehr schwierigen Bedingungen des Aufbaus des Sozialismus in der UdSSR war das bei der Vorbereitung der Landesverteidigung Erreichte an der Grenze des Möglichen.

Um überzeugender in seiner Darstellung zu wirken, schrieb Chruschtschow in seinem Bericht: "Ich erinnere mich, dass ich in jenen Tagen (zu Beginn des Krieges, Anm. d. V.) von Kiew aus Malenkow anrief und ihm sagte: Die Leute sind in der Armee eingetroffen und verlangen Waffen. Schickt uns Waffen. Und Malenkow hat mir geantwortet: Wir können euch keine Waffen schicken. ... Bewaffnet euch selbst. Genau so stellte sich die Frage der Bewaffnung." (54)

Erst ein Mal erscheint dieses Gespräch unwahrscheinlich. Der Krieg hatte bereits begonnen, und erst jetzt denkt Chruschtschow daran, von Moskau Waffen zu fordern! So, als ob sich alle Waffendepots für die Mobilisierung in Moskau befänden und man sie nach Beginn des Krieges in die Ukraine, nach Kasachstan oder in den Fernen Osten schicken müsste! Für jeden etwas kundigen Menschen ist klar, dass die Versorgung der mobilisierten Einheiten mit Waffen gemäß dem Mobilisierungsplan aus den jeweiligen Depots erfolgt. Es ist unmöglich, dass es in der gesamten Ukraine keine Waffenreserven gegeben hätte, die zur Bewaffnung der in der Ukraine mobilisierten Einheiten bestimmt waren. Es kann sein, dass während der Mobilisierung in Kiew eine Desorganisation aufgetreten ist, aber die Verantwortung dafür lag bei Chruschtschow selbst und nicht bei Stalin. Das ist eine befremdliche Situation: Zu Beginn des Krieges erbost sich Chruschtschow, der damals Erster Sekretär der Kommunistischen Partei der Ukraine und Mitglied des Verteidigungskomitees des Militärbezirks Kiew war, über etwas, das er selbst nicht hätte zulassen dürfen. Wenn er mit Stalin und nicht mit Malenkow telefoniert hätte, wäre das Gespräch in der damaligen Situation sicher nicht so bequem verlaufen.

Wir wollen die enorme Arbeit, die das Zentralkomitees der KPdSU, die sowjetische Regierung und Stalin persönlich zur Vorbereitung der Landesverteidigung leisteten, anhand einiger der zahlreichen Zeugnisse der die Verteidigung des Landes absichernden berühmtesten Heerführer der Sowjetarmee aufzeigen. So schrieb Marschall Shukow, der Chef des Generalstabs und Erster Stellvertreter Stalins während des Großen Vaterländischen Krieges war: "Insgesamt hat die enorme ökonomische Macht, die während zweier Fünfjahrpläne und vor allem in den drei Jahren vor dem Krieg begründet wurde, die Basis für die Verteidigung des Landes geliefert."(55) "Die jährliche Produktionssteigerung betrug im Durchschnitt 13% und in der Verteidigungsindustrie 39%. Zahlreiche Fabriken des Maschinenbaus und anderer wichtiger Produktionszweige sind für die Produktion von Verteidigungstechnik umgebaut worden. Der Bau großer militärisch spezialisierter Werke ist in Angriff genommen worden."(56) "Ich weiß, dass sich Stalin sehr viel um die Verteidigungsindustrie kümmerte; er kannte viele Betriebsdirektoren, Parteiorganisatoren, Chefingenieure, traf oft mit ihnen zusammen und drängte mit der ihm eigenen Beharrlichkeit auf Erfüllung der Betriebspläne."(57) "Stalin schätzte die Artillerie als wichtigstes militärisches Mittel ein und drängte auf ihre Perfektion. Der Volkskommissar für Bewaffnung war D. F. Ustinow, der für Munitionsproduktion vor und während des Krieges B. L. Wannikow, die Konstrukteure für Artilleriesysteme waren die Generäle I. I. Iwanow und W. G. Grabin. Stalin kannte alle diese Leute gut, traf sie häufig und war von ihrer effektiven Arbeit überzeugt."(58) "Das Zentralkomitee der Partei und Stalin haben den Flugzeugkonstrukteuren viel Zeit und Aufmerksamkeit gewidmet. Man kann sagen, dass die Luftfahrt Stalin in ihren Bann zog."(59)

Und der Chef des Generalstabs, der General S. M. Schtemenko schrieb: "Ist es wahr, dass wir die Hypothese einer Aggression Deutschlands im Jahre 1941 aufgestellt haben, und ist es wahr, dass wir etwas unternommen haben, um die Aggression abzuwehren? Ja, wir haben sie vorhergesehen! Ja, wir haben uns darauf vorbereitet! Kurz vor dem Krieg haben wir heimlich begonnen, zusätzliche Armeen in die grenznahen Gebiete zu verlegen. Wir haben aus dem Inneren fünf Armeen an die Westfront verlegt. Aus dem Militärbezirk Moskau ist eine Operativgruppe nach Winniza [Ort im SW der Ukraine] abkommandiert worden, die sich mit der Leitung der Südfront befasste. Das Volkskommissariat der Sowjetischen Marine hatte den Befehl, den Nachrichtendienst und den Schutz der Flotte zu verstärken, hat die Basen eines Teils der Kräfte der Baltischen Flotte von Libawa [auch Libau, später Liepaja, Anm. d. Ü.] und Tallin in sicherere Gegenden verlegt. Und am Tage vor Kriegsbeginn sind die Baltische, die Nordmeer- und die Schwarzmeerflotte in Alarm versetzt worden."(60) Und weiter: "Wie kann man all das vergessen? Wie kann man diese enorme Arbeit verneinen, die Partei und Regierung an der Schwelle des Krieges geleistet haben, um das Land und die Armee auf die Zurückschlagung des Feindes vorzubereiten? Es ist eine andere Frage, dass wir aus Mangel an Zeit die auf uns zukommenden Aufgaben nicht vollständig lösen konnten."(61)

Der zweite Punkt, den Chruschtschow hervorhebt, betrifft die Möglichkeit, den Überraschungsangriff Nazideutschlands vorauszusehen. Um diese Möglichkeit zu beweisen, argumentiert Chruschtschow mit dem Aktionsplan, der von General Kirponos vorgeschlagen worden war. Chruschtschow schrieb: "Kurz vor dem Angriff der Hitlerarmeen hat der General Kirponos, Kommandant des Militärbezirks Kiew (später an der Front gefallen, Anm. d. A.), an Stalin geschrieben, dass die deutschen Armeen das Ufer des Bug erreicht hätten, dass sie aktive Vorbereitungen für eine baldige Offensive träfen. In Anbetracht dieser Lage schlug der General Kirponos vor, eine sichere Verteidigungslinie zu schaffen, 300.000 Personen in die Grenzbezirke zu schicken[17] und dort einige stark befestigte Zonen zu bauen: Panzerabwehrgräben, Bunker für die Armeen usw.. Auf diesen Vorschlag antwortete Moskau, keine Vorbereitungsarbeiten an der Grenze vorzunehmen, dass es eine Provokation wäre, dass man den Deutschen keinen Vorwand für militärische Aktionen gegen uns liefern dürfe. Und unsere Grenzen wurden wahrhaftig nicht auf die Abwehr des Feindes vorbereitet."(62)

Zuerst ein Mal ist die Aussage Chruschtschows, dass Kirponos in der Tat einen derartigen Brief an Stalin geschrieben hätte, nicht nachprüfbar. Chruschtschow fügt keine glaubhafte Kopie dieses Briefes bei, sondern zitiert aus dem Gedächtnis. Es ist unwahrscheinlich, dass der General Kirponos nicht auf dem Laufenden über den Plan des Generalstabs zur Verteidigung des Landes war und dass er am Vorabend der deutschen Invasion vorschlägt, 300.000 Soldaten zu schicken, um befestigte Zonen an der Grenze zu bauen.

Es ist unwahrscheinlich, dass der General die Rolle von Befestigungslinien dermaßen überschätzt, indem er annimmt, wie Chruschtschow schreibt, dass sich der Krieg in einer Grenzlinie von vier Metern Tiefe entscheiden würde. Es ist kaum zu glauben, dass General Kirponos nichts über die deutsche Erfahrung mit der Maginot-Linie wusste.

Diese Maßnahme, wenn sie denn getroffen worden wäre, hätte den deutschen Überraschungsangriff nicht verhindern können. Ihre Ausführung hätte im Gegenteil als politischer Vorwand für die Rechtfertigung der Hitler-Aggression dienen können. Selbst ohne diese "sowjetische Provokation" hatte der deutsche Botschafter in Moskau, Schulenburg, ja schon erklärt, dass sich "Deutschland durch die Verstärkung sowjetischer Armeen an seiner Ostgrenze bedroht fühle und Gegenmaßnahmen unternommen habe".(63)

Was die Überraschung des Angriffs betrifft, so ist sie ausgedrückt worden im unerwarteten Bruch des Nichtangriffspaktes zwischen der UdSSR und Deutschland, im Vorwärtsrücken der deutschen Armeen auf breiter Front, ohne dass der UdSSR der Krieg erklärt wurde.

Stalin hatte gegenüber Dimitroff am Morgen des 22. Juni 1941 im Kreml den Charakter des Kriegsausbruchs erläutert: "Man hat uns angegriffen, ohne Verhandlungen zu fordern, heimtückisch, wie Banditen."(64)

Und Marschall Shukow hat dazu geschrieben: "Die Überraschung bestand nicht im plötzlichen Überschreiten der Grenze, dies war kein ordinärer Überraschungsangriff. Die große Gefahr für uns war die Verblüffung und Überrumpelung durch die Schlagkraft der deutschen Armee, die Überraschung für uns war ihre sechs- bis achtfache Überlegenheit in den Hauptstoßrichtungen, die Überraschung lag im Maßstab der Konzentration ihrer Armeen, der Stärke ihres Zuschlagens. Das ist es, was zu den größten Verlusten im ersten Zeitraum des Krieges führte. Und nicht das jähe Überschreiten der Grenze."(65)

Und außerdem: "Es ist selbst der Charakter des Angriffs, der uns überrascht hat, seine Wucht, die für uns nicht ganz vorstellbar war, das heißt seine Abfolge mit all den anwesenden Kräften, die von vornherein in alle strategischen Richtungen entwickelt wurden. Weder der Volkskommissar noch ich selbst, noch meine Vorgänger Schaposchnikow, Meretzkow und die Chefs des Generalstabs hatten sich vorgestellt, dass der Gegner eine solche Masse an motorisierten und Panzerarmeen konzentriert haben könnte und sie vom ersten Tag an in den Kampf werfen würde, in starken kompakten Einheiten in allen strategischen Richtungen, um verheerende Schläge auszuteilen."(66)

Die Planung des Angriffs durch den hitlerschen Generalstab, die Hauptstoßrichtungen, die angewandten Mittel und die Ziele wurden klar nach den ersten Tagen und Wochen des Krieges. Weiterhin schrieb Marschall Shukow dazu: "War es für die Leitung des Volkskommissariats für Verteidigung und für den zugehörigen militärischen Nachrichtendienst möglich, Zeitpunkt und selbst den Ort der Grenzüberschreitung der UdSSR für die Invasion vom 22. Juni zu finden? In der damaligen Situation war das extrem schwierig. Man hat übrigens nach dem Krieg an Hand von bei Deutschen gefundenen Dokumenten und Karten entdeckt, dass die Konzentration der Kräfte an der Grenze im letzten Moment stattfand und die weit entfernten Panzereinheiten erst in der Nacht zum 22. Juni zu den Invasionsorten überführt wurden. Selbst mit den erhaltenen Auskünften kam man leider nicht immer zu den richtigen Schlussfolgerungen, um das Oberste Kommando mit Sicherheit zu informieren."(67)

Auf eben diese Weise behandelt Marschall Shukow das Problem des Überraschungsmoments beim Überfall und die Möglichkeit, ihn zu vermeiden. Wie aber Chruschtschow, der keine militärische Ausbildung hatte, die Überraschung des feindlichen Angriffs vermieden hätte, ist niemals bekannt geworden.

Auch Bereschkow ist zu zitieren, der sich im diplomatischen Korps der UdSSR in Berlin befand und der zugibt, dass weder das diplomatische Korps in Deutschland noch er selbst sicher über das Datum waren, selbst wenn ab April Moskau vor einem eventuellen Angriff gewarnt worden sei. Aber keine der angegebenen Daten habe sich bestätigt.(68)

Der Doktor der Historischen Wissenschaften Gamakharia schrieb zu diesem Thema: "War es möglich, das von Sorge vorgegebene Datum des 22. Juni als sehr richtig und unverrückbar einzuschätzen, wenn man berücksichtigt, dass bereits verschiedene Daten als Zeitpunkt des Überfalls vorgegeben worden sind: der 14. Mai, dann der 20. Mai und endlich - zwischen dem 15. Mai und 15. Juni. Es gab genau so gut Angaben mit ganz anderem Inhalt."(69)

Und Molotow erzählte in seinen Erinnerungen: "Später habe ich die Angaben des Nachrichtendienstes gelesen. Was fand man da nicht alles, wie viele Zeitpunkte waren dort nicht vorgegeben. Wenn man sich danach gerichtet hätte, wäre der Krieg viel eher ausgebrochen."(70)

Aber trotz der verwickelten und widersprüchlichen Situation hat das Oberste Kommando der UdSSR im Moment des Vorrückens der Hitlerarmeen die richtige Entscheidung getroffen: In der Nacht vom 21. auf den 22. Juni 1941 wurden die Armeen und die Militärtechnik in den Verteidigungszustand versetzt und zogen aus ihren ständigen Garnisonen.

Die Beschuldigung Chruschtschows, dass das Oberste Kommando der UdSSR und noch spezieller Stalin nicht zur rechten Zeit Anweisungen bezüglich des feindlichen Überfalls gegeben hätten, ist falsch und tendenziös. Bekannt ist, dass der General Tjulenow, der Präsident des Rates der Stadt Moskau, Pronin, und der Sekretär des Bezirkskomitees der Partei von Stalingrad, Tschujanow, sagen, dass eben genau Stalin im Verlaufe des 21. Juni die Instruktionen zur Vorbereitung auf den Überfall des Landes durch Deutschland gegeben habe.(71)

Und Milowan Dschilas, den man nicht zu den Verehrern Stalins zählen kann, sagte, Chruschtschow habe ihn wissen lassen, dass ihn Stalin am 21. Juni in Kiew angerufen habe, um ihn zu benachrichtigen, die Deutschen könnten am 22. Juni den Krieg gegen die UdSSR beginnen.(72)

Chruschtschow begriff fünfzehn Jahre später, im Jahre 1956, den Gedanken Stalins nicht, keine Provokation zu begehen, damit Hitler als Aggressor dasteht und die UdSSR als Opfer der Aggression, und dadurch die Bedingungen für die Schaffung einer Anti-Hitler-Koalition auf internationaler Ebene zu schaffen. Genau das war ein wichtiger historischer Ausgangspunkt für die UdSSR. Es hat auch zum Gewinnen von Zeit beigetragen, um die sowjetischen Armeen des Fernen Ostens Richtung Westen zu verlegen, abgesichert durch die Informationen Sorges über die Neutralität Japans.

Zur Leitung des Vaterländischen Krieges durch Stalin schrieb Chruschtschow: "Aber es handelt sich nicht allein um den Moment des Kriegsausbruchs ... Nach dem Beginn des Krieges waren die Nervosität und das hysterische Verhalten Stalins, wenn er sich in die militärischen Operationen einmischte, für unser Land ein ernsthaftes Handicap. (Chruschtschow nennt sein Einschreiten "sich einmischen", dabei handelt es sich bei Stalin um den Obersten Befehlshaber - Anm. d. A.) Stalin mischte sich direkt in den Verlauf der Operationen ein. Man muss darauf hinweisen, dass Stalin die Operationen mittels eines Erdglobus führte."(73)

In unserer Liste der Lügen Chruschtschows ist das die Verleumdungslüge Nr. 5 gegen Joseph Stalin. Diese Lüge ist nicht nur hasserfüllt, sondern obendrein von sehr niedrigem Niveau. Ganz einfach, weil die Planung militärischer Operationen, die Stalin als Oberstem Befehlshaber der bewaffneten Kräfte der Sowjetunion oblag, ein komplexer Prozess ist, der nicht auf dem Globus dargestellt werden kann und nicht im Anzeigen der Frontlinien besteht.

Die Dutzende von Einschätzungen der größten sowjetischen militärischen Leiter, die während der Jahre des Vaterländischen Krieges Tag und Nacht mit Stalin gearbeitet hatten, stellen diese miese Lüge bloß. Wir wollen von den Einschätzungen einige zitieren.

Marschall Shukow: "Ich muss sagen, als Stalin zum Präsidenten des Staatlichen Verteidigungskomitees, zum Obersten Befehlshaber des Generalstabs, zum Volkskommissar für Verteidigung, der Nationalen Planung und für Landwirtschaft ernannt wurde, hat man sofort die überragende Leistung seiner Person gespürt."(74)

"Der Oberste Befehlshaber hatte eine unumstößliche Disziplin eingeführt, nach der ihm der Generalstab zwei Mal täglich Rapport über die Lage an den Fronten mit allen in der Zwischenzeit erfolgten Veränderungen erstattete. Der Rapport enthielt einen erklärenden Vermerk durch den Chef des Generalstabs."(75)

"Stalin forderte tägliche Berichte über die Lage an den Fronten. Man musste gut vorbereitet sein, um dem Obersten Befehlshaber Rapport zu erstatten. Es war unvorstellbar, sich mit weiße Flecken enthaltenden Karten zu präsentieren und annäherungsweise oder übertreibende Daten abzuliefern. Er tolerierte keine ausweichenden Antworten, verlangte Klarheit und Pflichterfüllung. Für schwache Punkte im Rapport oder in den Dokumenten hatte er eine Nase, fand sie sofort und rügte jene, die ungenaue Informationen anbrachten. Mit einem sehr guten Gedächtnis ausgestattet, erinnerte er sich an das Gesagte und zögerte nicht, streng an Vergessenes zu erinnern. Deshalb bereiteten wir die Dokumente des Generalstabs mit aller Genauigkeit vor, zu der wir in diesen Jahren des Krieges fähig waren."(76)

"Sein erworbenes Gedächtnis, seine Erfahrung in der politischen Leitung, seine Intuition, sein breites Wissen halfen Stalin bei der Führung des bewaffneten Kampfes. Er hatte die Gabe, das wichtigste Kettenglied in der strategischen Situation zu finden, um sich dem Feind entgegen zu werfen. Es gibt keinen Zweifel, er war ein wertvoller Führer. Die verbreitete Version, dass der Oberste Befehlshaber die Situation anhand des Erdglobus studierte und anhand dessen seine Entscheidungen traf, entspricht nicht der Wahrheit."(77)

"Wenn ich so über die Vergangenheit nachdenke, erlaube ich mir zu sagen, dass keine politisch-militärische Führung irgendeines anderen Landes dieses Durchhaltevermögen aufgebracht und keine Lösung in einer solchen extrem ungünstigen Lage gefunden hätte."(78)

Marschall Konew schrieb: "Der Oberste Befehlshaber leitete die Operation Berlin mit seinem gewohnten Beharrungsvermögen, folgte aufmerksam der Entwicklung und koordinierte persönlich die Bewegungen der 1. Belorussischen und der 1. Ukrainischen Front, unentbehrlich helfend. Seine gründlichen Kenntnisse auf dem Gebiet der Strategie und der Geschichte erlaubten ihm, die außenpolitische Lage, die Pläne und Umgruppierungen des Feindes, die wirtschaftliche Situation, die Möglichkeiten von Technik und Bewaffnung, den politischen und moralischen Zustand der Armeen zu analysieren. Ein charakteristischer Zug Stalins war, alle Besonderheiten der einander bedingenden Situationen sowie der Planung der Operationen in Rechnung zu stellen."(79)

Und der Marschall der UdSSR Wassilewski äußerte: "Ich kann viele Zeugnisse beibringen, die von der Rolle des Oberkommandos und seines Befehlshabers bei der Führung der Fronten zeugen, die beweisen, dass der Oberste Befehlshaber als Leiter und Organisator der Aktionen unserer Armeen auf der Höhe seiner Aufgaben war."(80)

"Ich bin vollkommen einverstanden mit Shukow, was den unglücklichen Erdglobus betrifft. Der Globus befand sich in seinem Ruheraum, wo selten jemand eintrat. Es gab immer die durch den Generalstab vorbereiteten Landkarten, die für das ganze Kriegstheater notwendig waren."(81)

Und außerdem: "Meine guten Beziehungen zu Chruschtschow haben die ersten Jahre nach dem Krieg angehalten. Aber sie sind brüsk abgebrochen worden, als ich ihn nicht unterstützt habe bei seinen Erklärungen, dass Stalin die strategischen Fragen der Operationen nicht verstünde und dass er die Aktionen der Armeen inkompetent geführt habe."(82)

"Auf einer großen Versammlung im Kreml nach dem XX. Parteitag der KPdSU hatte Chruschtschow erklärt: 'Anwesend ist hier der Chef des Generalstabs, Sokolowski. Soll er doch bestätigen, dass Stalin die militärischen Fragen nicht verstand. Habe ich Recht?' - 'Absolut nicht, Nikita Sergejewitsch,' hatte der Marschall Sokolowski geantwortet. Vor dem ganzen Auditorium."(83)

Anzumerken ist, dass die Marschälle der Sowjetunion diese Zeilen nach dem Tod Stalins und nach der verleumderischen Rede Chruschtschows auf dem XX. Parteitag geschrieben haben.

Es ist nicht überflüssig, auch die Einschätzungen des Feindes bezüglich der Führung des Großen Vaterländischen Krieges durch Stalin aufzuzeigen und ganz besonders die Führung der Schlacht um Moskau, die in der sowjetischen Literatur wenig erwähnt wird. In der Endetappe der deutschen Operation Taifun um die Einnahme Moskaus, ausgelöst am 15. November 1941, hat sich folgende Sache ereignet: Die Einnahme Moskaus war mittels zweier mächtiger Angriffe von Nordwesten in Richtung Kalinin vorgesehen und von Südwesten in Richtung Tula. Das sowjetische Oberkommando hat diese Absicht durchschaut. Mit dem Ziel, die Operation zu vereiteln, hat es eine breit gestaffelte Verteidigung um Moskau aufgebaut. Vom 5. bis 12. November waren mehr als 1.000 Flugzeuge von anderen Fronten herangezogen und mehrere Luftangriffe auf die deutschen Truppen geflogen worden, die den Sturm auf Moskau vorbereiteten. Parallel dazu bereiteten sich strategische Reserven der Sowjetarmee auf den Gegenangriff vor.

Der deutsche Wissenschaftler Reinhardt [Klaus Reinhardt, General a. D. des Heeres der Bundeswehr, Anm. d. Ü.] schrieb zu diesem Thema: "In dieser Etappe hat Stalin dem Marschall Shukow am 13. November befohlen, mit der 16. und 49. Armee sowie mit der 2. Kavallerie-Division kurze Gegen-Angriffe auf die deutschen Armeen in Ausgangsposition durchzuführen. Marschall Shukow hat sich, ausgehend von der Tatsache, dass die deutsche Offensive bevorsteht und ihre Armeen bereit zur Verteidigung sind, er aber über nur geringe Kräfte verfügt, Stalin widersetzt. Der habe ihm geantwortet, dass die Entscheidung bereits gefallen sei und er sie ausführen müsse."(84)

Und weiter: "Infolge der Gegenangriffe der Russen auf die rechte Flanke der 4. Armee am 17. November, entscheidet Kluge, nur mit der linken Flanke seiner Armee anzugreifen und beginnt die ganze Operation nicht am gleichen Tag, sondern über zwei Tage, am 18. und 19. November. Der Kommandant der Operation hat sich sofort diesen Teiloffensiven widersetzt, aber er konnte nichts mehr erreichen, weil die Befehle bereits gegeben waren."(85)

Die sowjetischen Angriffe werden in diesem Text unkorrekterweise vom militärischem Gesichtspunkt aus als "Gegen-Angriffe" bezeichnet. Überaus kurz und mit limitiertem Kräfteaufwand während zweier Tagen vom 13. bis 15. November durchgeführt, haben sie die Deutschen durch ihre überraschende Schnelligkeit und die auf wichtige Punkte zielenden Manöver überrascht. Sie haben in den deutschen Linien Panik erzeugt, das Führungssystem gehemmt und den Angriffsplan gleichzeitig von Nordwest und von Südwest gegen Moskau verändert, was zu einem sehr negativen Resultat für die Hauptoffensive der deutschen Armeen führte.

Reinhardt schrieb: "Diese Gegenangriffe haben auf die deutsche Armee und vor allem auf ihren Befehlshaber Kluge und seinen Generalstab einen solchen psychologische Einfluss ausgeübt, dessen Wirkung nicht unterschätzt werden darf."(86)

In seinen Memoiren führt Marschall Shukow an: "Wenn man mich fragt, welches mein stärkstes Erlebnis in diesem Krieg war, sage ich immer: Die Schlacht um Moskau." (87) Und wenn er von der Schlacht um Moskau und der damit verbundenen Rolle des Präsidenten des Staatlichen Verteidigungskomitees, Joseph Stalin und seiner Truppe spricht, unterstreicht Marschall Shukow: "Joseph Stalin war die ganze Zeit in Moskau und organisierte Kräfte und Mittel für die Niederlage des Feindes. Man muss ihm bestätigen, dass er eine unschätzbare Arbeit bei der Organisation strategisch unbedingt notwendiger Reserven sowie technischer Mittel und Ausrüstungen leistete, indem er das Staatliche Verteidigungskomitees leitete und sich auf das Führungsgremium des Ministerrates stützte. Man kann sagen, dass er durch seine entschlossenen Forderungen das Unmögliche erreichte."(88)

Es wäre interessant, die Erklärung für die erfolgreiche Leitung militärischer Operationen durch Stalin zu finden. Abgesehen von den persönlichen Eigenschaften Joseph Stalins und anderen Faktoren, hat die Verbindung des militärischen mit dem des politischen Genies eine ausschlaggebende Rolle gespielt.

Der sehr bekannte deutsche Militärtheoretiker Claus von Clausewitz [Preußischer General, Philosoph, Militärwissenschaftler (1780-1831)] schrieb: "Ideal ist die Verbindung des Militärs mit dem Politiker in einer selben Person. Der Militärpolitiker muss die internationale Politik kennen und über die Lage in seinem eigenen Land Bescheid wissen. Es ist unerlässlich, dass er auch die ökonomischen Möglichkeiten, die innenpolitischen Bedingungen des Landes und den Geisteszustand seines Volkes kennt."(89)

Stalin war das Paradebeispiel der Verbindung all dieser Eigenschaften. Während des Großen Vaterländischen Krieges übte er fünf Funktionen von sehr hoher Verantwortlichkeit aus, die er ehrenvoll meisterte. Allein der Sieg des Großen Vaterländischen Krieges beweist es. Das ist ein historischer Fakt, den niemand und in keinem Zusammenhang negieren kann!

Ganz anders dagegen Chruschtschow. Bezüglich der Annullierung der Tagung des Zentralkomitees der KPdSU von Oktober 1941 auf Grund der ernsten Lage vor den Toren Moskaus schreibt Chruschtschow: "Dieser Fakt (die Annullierung der Tagung - Anm. d. A.) zeigt, bis zu welchem Punkt Stalin in den ersten Monaten des Krieges demoralisiert war." (90) Und außerdem: "Ich wäre ungenau, wenn ich nicht sagen würde, dass Stalin nach den ersten schweren Niederlagen glaubte, dass das Ende gekommen wäre. In einem Gespräch während dieser Tage hat er gesagt: Wir haben unwiederbringlich verloren, was Lenin geschaffen hat. Danach leitete er praktisch keine militärischen Operationen mehr, hat die Arbeit nicht mehr aufgenommen."(91)

Das ist die Verleumdungslüge Nr. 6 Chruschtschows über Stalin. Chruschtschow gibt nicht an, wann und vor wem Stalin das gesagt hat. Es gibt aber Tatsachen und Dokumente, die das Gegenteil bestätigen.

Zuerst muss man unterstreichen, dass sich Chruschtschow im Moment des Überfalls Hitlers in Kiew befand, und er das Verhalten Stalins nicht kennen konnte.

Danach muss man einen Fakt hervorheben, der erst kurze Zeit bekannt ist und den Professor Pokrowski bekannt gab: "Am 22. Juni 1941 hat sich Molotow im Radio an das Volk der UdSSR gewandt, weil Stalin krank war und 40° Fieber hatte."(91a)

Trotzdem war er im Moment des hitlerschen Überfalls auf seinem Posten im Kreml.

Das Verhalten Stalins in den ersten Stunden und Tagen des Krieges kann durch andere bezeugt werden. Georgi Dimitroff schrieb am 22. Juni 1941 in sein Tagebuch: "Zum Treffen in Stalins Arbeitszimmer waren anwesend: Molotow, Woroschilow, Kaganowitsch und Malenkow. Stalin und alle Anwesenden drückten außerordentliche Ruhe, Entschlossenheit, Vertrauen aus."(92)

Die folgende Frage wurde an den bekannten russischen Schriftsteller Iwan Stadnjuk gestellt: "Sie sind zur Zeit der einzige Schriftsteller, der die persönlichen Archive Stalins und der Berichte des militärischen Nachrichtendienstes studiert hat. Erzählen Sie uns die Wahrheit über die Art, in der Stalin in den ersten Tagen des Krieges arbeitete." Und an ihm war zu antworten: "Es ist eine Gruppe von achtzehn militärhistorischen Wissenschaftlern gegründet worden, zu der ich gehörte, um die Arbeit Stalins in den ersten Tagen des Krieges zu begleiten. Die Gruppe studierte diesen Zeitpunkt nicht in Tagen, sondern in Stunden und Minuten. Es ist durch Dokumente und Zeugnisse von Hunderten an Personen aus der damaligen Umgebung Stalins bewiesen worden, dass der Oberste Befehlshaber nicht von Panik befallen war, dass er sich nicht in seiner Villa in Kuntzewo eingeschlossen hatte."(93)

Hier der Teil einer Liste der Aktivitäten Stalins in den ersten zehn Tagen des Krieges:

"22. Juni 1941, Politbüro: Stalin bereitet den Appell an das Volk vor, gelesen von Molotow; der Mobilisationsbefehl ist angenommen worden, die Kommandanten der Fronten benannt, usw.;

am 23. Juni 1941 ist die Leitung des Oberkommandos gebildet worden;

am 24. Juni 1941 findet im Arbeitszimmer Stalins eine Beratung mit den Verantwortlichen der Industrie statt;

am 25. Juni 1941 wird eine Gruppe der Reservearmee mit Budjonny an der Spitze aufgestellt;

am 27. Juni 1941 wird die Entscheidung des Zentralkomitees der Partei der Bolschewiki über die Mobilisierung der Kommunisten und der kommunistischen Jugend getroffen;

am 29. Juni 1941 wird die Direktive der Regierung und des Zentralkomitees angenommen, die am 3. Juli 1941 in der historischen Rede Stalins bekannt gegeben wird; danach Besuch der Mitglieder des Politbüros im Kommissariat für Nationale Verteidigung;

am 30. Juni 1941 wurde das Staatliche Verteidigungskomitee mit Joseph Stalin an der Spitze gegründet."(94)

Als im Oktober und November 1941 die Lage extrem schwierig und gefährlich wird, verlässt Stalin seinen Posten in Moskau nicht und verweigert, evakuiert zu werden: "Ich bleibe in Moskau!" hatte er gesagt. Das spricht nicht von Demoralisierung, sondern von Vertrauen, nüchterner Berechnung und einem sehr hohen Verantwortungsgefühl. Man kann sich vorstellen, was passiert wäre, wenn Stalin in diesen schwierigen Tagen Moskau verlassen hätte.

Einer der Verteidiger Stalingrads hat mit 76 Jahren darüber geschrieben: "Es muss klar sein, wenn Stalin im Oktober 1941 Moskau in Richtung Kuibyschew [früher und heute wieder Samara, Stadt an der Wolga] verlassen hätte, wäre der Krieg eine Woche später mit einem Sieg Hitlers beendet worden (...), nur Dank der Weigerung Stalins, Moskau zu verlassen, sind wir vor der Niederlage bewahrt worden."(95)

Statt Moskau zu verlassen, hat Stalin am 7. November 1941 die historische Parade auf dem Roten Platz organisiert und durchgeführt, die eine solche wichtige Rolle auf militärischer und vor allem auf politischer und moralischer Ebene gespielt hat. Zur Parade der Sowjetarmee auf dem Roten Platz am 7. November 1941 schreibt Generalleutnant Telegin, der zu dieser Zeit Mitglied des Militärrats beim Ministerium für Verteidigung und der Verteidigungszone Moskaus war: "Eine große Gefahr schwebte über Moskau - die enorme feindliche Armee, die die Hauptstädte mehrerer Länder Europas in Ruinen verwandelt hatte, stand vor seinen Toren. In solch einem entscheidenden Moment eine feierliche Zusammenkunft und eine Militärparade anlässlich des 24. Jahrestages des Großen Oktobers abzuhalten war ein Akt von Mut und Zuversicht in unseren letztlichen Sieg."(96)

Wir haben weiter oben Chruschtschows Verleumdungslüge Nr. 6 aufgedeckt. Es gibt noch zwei Mal sechs verleumderische Lügen über Stalin in der Rede Chruschtschows, die er in der Geheimsitzung des XX. Parteitages der KPdSU vorgetragen hat. Um den Leser nicht zu langweilen, erörtern wir die anderen Verleumdungslügen nicht.

Der Leser hat sich fragen müssen, warum die Lügen Chruschtschows als Verleumdungslügen bezeichnet wurden. Wir wollen folgendermaßen antworten. Es gibt verschiedene Sorten von Lügen. Es gibt die kindlichen Lügen, die die Spiele der Kinder bunt färben. Sie lassen uns lächeln oder lachen. Es gibt Lügen, die Tatsachen oder Fakten verstecken oder leugnen, um der Verantwortung und der Bestrafung zu entgehen. Diese Lügen führen zu Ablehnung und Missbilligung.

Aber die Lügen Chruschtschows sind keine einfachen Erfindungen. Das sind nicht nur falsche Aussagen. Sie haben ein bestimmtes Ziel: Die Persönlichkeit Stalins und sein Werk als Führer der Partei der Bolschewiki und der Sowjetunion zu verleumden und verhasst zu machen. Vorgetragen vor einem großen Forum wie dem Parteitag durch den Generalsekretär der KPdSU, ohne dass der Ausdruck einer anderen Einstellung zur Sache zugelassen wird, werden diese Verleumdungslügen zu einem gesellschaftlich gefährlichen und schädlichen Vorgang. Diese Lügen führen nicht nur zur Ablehnung, sondern rufen auch Abscheu hervor.


Anmerkung

[17] Die Chruschtschow-Rede ist offensichtlich mehrmals "überarbeitet" worden. In einer russischsprachigen Ausgabe ist nur von 1.300 Leuten die Rede. In einigen Übersetzungen sollen die 300.000 nicht hingeschickt, sondern evakuiert werden. Es bleibt dem Leser, sich sowohl die eine als auch die andere Variante konkret vorzustellen. (Anm. d. Ü.)


QUELLENANGABEN

(53) Chruschtschow, Über den Personenkult und seine Folgen, S. 40
(54) a. a. O. S. 41
(55) G. K. Shukow, Memoiren und Reflexionen, S. 202
(56) a. a. O. S. 200
(57) a. a. O. S. 200
(58) a. a. O. S. 208
(59) a. a. O. S. 211
(60) S. M. Schtemenko: "Der Generalstab während des Krieges", Teil 1, S. 26
(61) a. a. O. S. 27
(62) Chruschtschow, Über den Personenkult und seine Folgen, S. 41-42
(63) Zeitschrift Jedinstwo, Nr. 16, 1992
(64) a. a. O.
(65) Zeitschrift Narodna Armia, 27. Nov. 1987
(66) G. K. Shukow, Memoiren und Reflexionen, S. 265
(67) a. a. O. S. 240
(68) Zeitschrift Kommunistitschesko Djelo, Nr. 15, 1995
(69) A. M. Samsonow, Wissen und sich erinnern, Edition der politischen Literatur, Moskau, 1989, S. 110
(70) W. M. Molotow, Memoiren, in Zeitschrift Tribuna, Nr. 21, 1994
(71) Revue Sowjetskij Patriot, Nr. 1, 1990, S. 32
(72) Revue Smena, Nr. 1, 1990, S. 147
(73) Chruschtschow, Über den Personenkult und seine Folgen, S. 44-45
(74) G. K. Shukow, Memoiren und Reflexionen, S. 295
(75) a. a. O. S. 308-309
(76) a. a. O. S. 320-321
(77) a. a. O. S. 323
(78) a. a. O. S. 299
(79) I. S. Konew: "Notizen des Frontkommandeurs", Sofia, 1975, S. 454
(80) A. M. Wassilewski: "Ein Werk fürs ganze Leben", Sofia, 1976, S. 456
(81) a. a. O. S. 521
(82) a. a. O. S. 251
(83) W. D. Sokolowski, Zeitschrift Tribuna, Nr. 25, 1994
(84) Klaus Reinhardt, Die Wende vor Moskau, Militärverlag Moskau, 1980, S. 176 (Stuttgart, Deutsche Verlagsanstalt, 1972) Übersetzung a. d. Französischen
(85) a. a. O. S. 183-184
(86) a. a. O. S. 177
(87) G. K. Shukow, Revue Sowjetskoje Wojennoje Obozrenije, Nr. II, S. 14, 1981
(88) G. K. Shukow, Revue Recueil militaire et historique», Nr. 6, S. 13, 1981
(89) C. Clausewitz, Zeitschrift Die bulgarische Armee, 4. Januar 1995
(90) Chruschtschow, Über den Personenkult und seine Folgen, S. 21
(91) a. a. O. S. 43-44
(91a) W. M. Shukhrai, Stalin - Wahrheit und Lüge, Edition Swarog, 1996, S. 8
(92) Georgi Dimitroff, Auszug aus seinem Tagebuch, in Zeitschrift Jedinstwo, Nr. 16, 1992
(93) I. Stadniuk, Revue Patriot, Nr. 12, 1982
(94) Zeitschrift Kommunistitschesko Djelo, Nr. 1, 1995
(95) Zeitschrift Krasnaja Swesda, 11. August 1990
(96) K. F. Telegin, Zeitschrift Literaturnaja Gaseta, 4. Nov. 1981

Raute

Kapitel 5: Zur Außenpolitik der UdSSR unter Stalins Leitung

Chruschtschow schrieb zur Außenpolitik Stalins:

"Die Willkür Stalins trat nicht nur bei der Entscheidung über innenpolitische Fragen des Landes zutage, sondern auch im Bereich der internationalen Beziehungen der Sowjetunion. Auf dem Juli-Plenum des Zentralkomitees (der KPdSU im Jahre 1955, zwei Jahre nach Stalins Tod - Anm. des Verf.) wurden die Ursachen der Entstehung des Konflikts mit Jugoslawien detailliert erörtert. Dabei wurde die ungenierte und unwürdige Rolle Stalins unterstrichen. Schließlich gebe es in der jugoslawischen Frage keine solchen Probleme, die man nicht auf dem Wege parteilicher Diskussion unter Genossen hätte lösen können. Es gab keine ernsthaften Grundlagen für das Entstehen dieser Frage, es wäre ganz und gar möglich gewesen, es nicht zum Bruch mit diesem Land kommen zu lassen. Das heißt jedoch nicht, dass die jugoslawischen Führer keine Fehler begangen oder keine Mängel gehabt hätten. Aber diese Fehler und Mängel wurden von Stalin ungeheuerlich übertrieben, was zum Bruch der Beziehungen mit einem befreundeten Land führte."(97)

Die Chruschtschow-Rede wäre nicht vollständig, wenn sie nicht die Tatsache der Verschlechterung der Beziehungen zwischen der UdSSR und dem Jugoslawien Titos nutzen würde, um dafür Stalin verantwortlich zu machen und dadurch die Rolle Stalins in der Außenpolitik der UdSSR herabzuwürdigen.

Es fällt auf, dass Chruschtschow die revisionistischen Positionen Titos und die Gefahr für den Sozialismus in Jugoslawien unterschätzte, ein Land, das mit tatkräftiger Hilfe der Sowjetarmee befreit worden ist. Heute ist klar, dass Chruschtschow höchstselbst den Revisionismus in den Marxismus-Leninismus hereinholte.

Die Irrtümer und Fehler eines Tito haben sich als die Fehler und Irrtümer erwiesen, die den Sozialismus in Jugoslawien gefährdeten. Stalin hatte das rechtzeitig erkannt und konnte nicht umhin, auf dieses Problem aufmerksam zu machen. Die Position Stalins war auch eine ernsthafte Warnung vor der Gefahr für alle anderen sozialistischen Länder. Und Chruschtschow nennt das eine ungenierte und unwürdige Rolle!

Als Chruschtschow von der durch Stalin geführte Außenpolitik der UdSSR spricht, erinnert er nicht ein Mal an die historischen Erfolge Stalins auf diesem Gebiet, die da sind: Die Schaffung der Anti-Hitler-Koalition, die Befreiung einer großen Anzahl von Ländern vom Faschismus, die Unterstützung bei der Befreiung des chinesischen Volkes von der japanischen Okkupation und der Gründung der Volksrepublik China.

Es ist allgemein bekannt, dass die Vereinigten Staaten von Amerika, Großbritannien und Frankreich danach strebten, aus Deutschland den Stoßtrupp für eine Aggression gegen die UdSSR zu machen, um das erste sozialistische Land der Welt zu vernichten, das die Hauptgefahr für die Zukunft des kapitalistischen Weltsystems war.

Sehen wir, was der amerikanische Publizist Charles Hayam dazu schrieb: "Vom Beginn der dreißiger Jahre an, als sich die Wahrscheinlichkeit eines Weltkrieges abzuzeichnen begann, haben sich die größten Bankiers der Vereinigten Staaten, Englands, Deutschlands, Italiens und Japans verständigt, untereinander enge Beziehungen zu unterhalten, selbst, wenn sich ihre Länder im Krieg befänden. Die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (in Basel, Anm. d. Ü.), deren ursprüngliche Aufgabe in der Abwicklung der Reparationszahlungen Deutschlands nach dem Ersten Weltkrieg bestand, ist zu diesem Zweck genutzt worden. Diese Bank hat sich schnell zur Hauptarterie entwickelt, durch welche die amerikanischen und englischen Investitionen Richtung Deutschland flossen und den Aufbau der hitlerschen Kriegsmaschinerie ermöglichten."(98)

Marschall Shukow als Militärspezialist ist noch konkreter. Er schreibt zur Sache:

"Im Januar 1933 ist der Faschismus in Deutschland an die Macht gekommen und orientierte sich von Anfang an auf die weltweite Herrschaft. Ahnten die Völker Englands, der Vereinigten Staaten und Frankreichs, welchen Dienst sie Deutschland leisteten, indem sie beim Aufbau seiner Schwerindustrie halfen? 78% seiner langfristigen Kredite kamen aus den Vereinigten Staaten. Nach dem Machtantritt Hitlers wurde der Zufluss ausländischer Devisen nach Deutschland sogar verstärkt." (99) Und weiter: "Im Zeitraum von 1934 bis 1938 ist der Anteil der Militärausgaben im Budget von Japan, Italien und Deutschland im Durchschnitt um 30 bis 40% gestiegen. In Japan stieg er von 43% auf 70%, in Italien von 20% auf 52% und in Deutschland sogar von 21% auf 61%." (100) "Nach Hitlers Machtantritt "... sind 300 große Militärbetriebe in Deutschland mit Hilfe der Vereinigten Staaten, Englands und Frankreichs konstruiert worden. Am Vorabend des Zweiten Weltkrieges besaß Deutschland nur sieben der achtundzwanzig strategisch wichtigen Rohstoffe. Fast 50% seiner Importe an Rohstoffen und strategischem Material kamen aus den USA, England und Frankreich. Der Hauptlieferant Deutschlands an Erdölprodukten am Vorabend des Krieges waren die Vereinigten Staaten."(101)

Chamberlain und Daladier haben 1938 in München Hitler grünes Licht für seinen Überfall auf die Sowjetunion gegeben.

Als alter Bergbauingenieur "... hatte Harbut Hoover vor dem Ersten Weltkrieg Kapital in russische Erdölförderung und Minen investiert." (102) Als Präsident der Vereinigten Staaten (1929 - 1933) hat Hoover "... die Wiederherstellung des militärisch-industriellen Potentials Deutschlands und die japanische Aggression im Fernen Osten mit dem Ziel unterstützt, dass sich diese beiden Länder in der Folge gegen die UdSSR wenden würden. (...) Als Ex-Präsident hat Hoover das faschistische Deutschland besucht, Hitler getroffen und die Vereinbarungen von München 1938 begrüßt."(103)

Stalin, der die imperialistischen Widersprüche und die Richtungen ihrer Entwicklung studierte, hat es trotz dieser antisowjetischen Aktivitäten mittels des Nichtangriffsvertrags zwischen Deutschland und der UdSSR und durch die 1941 gegründete Anti-Hitler-Koalition geschafft, die imperialistische antisowjetische Front zu spalten und seine Feinde dazu zu zwingen, gegeneinander zu kämpfen. Das ist ein unglaublicher historischer Erfolg.

In der Tat hat Stalin den zwischen Deutschland, Italien und Japan abgeschlossenen "Anti-Komintern"-Pakt entschärft. Molotow schreibt dazu in seinen Memoiren: "Stalin hat Hitler verpflichtet, den Nichtangriffsvertrag ohne Abstimmung mit seinem japanischen Verbündeten zu unterzeichnen (im August 1939, Anm. d. Verf.). Das hat den Zorn Tokios heraufbeschworen, worauf er eben setzte. Denn genau das war entscheidend für den Erfolg der Verhandlungen mit dem japanischen Außenminister Matzuoka im April 1941 in Moskau."(104)

Es ist bekannt, dass im April 1941, zwei Monate vor der Aggression der UdSSR durch Hitlerdeutschland, Molotow und Matzuoka während des Besuchs des japanischen Außenminister in Moskau einen Nichtangriffsvertrag unterzeichnet haben, ohne dass ihn Japan mit Deutschland abgesprochen hätte, was es gemäß der Klauseln des Anti-Kommintern-Paktes hätte sollen.

Damit hat Stalin dem Anti-Komintern-Pakt einen fatalen Schlag versetzt, konnte den aggressiven Bestrebungen Japans ausweichen, das sie in andere Regionen Ostasiens und des Pazifischen Ozeans lenkte. Dieser historisch enormer Erfolg ersparte der UdSSR einen Zweifronten-Krieg.

Ohne den vorausschauenden Scharfsinn Stalins sind die genannten Erfolge unvorstellbar.

Aber Chruschtschow hält sie in seiner Rede nicht mal für erwähnenswert. Seiner Meinung nach kann Außenpolitik mittels Bluffs geführt werden, nach Art des karibischen Abenteuers oder auch, indem man mit einem Schuh auf den Tisch im Konferenzsaal der UNO klopft, wie er es während seiner Regierungszeit praktizierte.

Chruschtschow hat seine Rede "Über den Personenkult und seine Folgen" genannt.

Man könnte ihm folgende Frage stellen: "Wenn die Verschlechterung der Beziehungen mit dem Jugoslawien Titos die Konsequenz des "Personenkults" um Stalin ist, liegen dann die Erfolge der Schaffung der Anti-Hitler-Koalition, des Sieges des Großen Vaterländischen Krieges, der Befreiung der europäischen Völker vom Faschismus und des chinesischen Volkes von der japanischen Okkupation auch im "Personenkult" um Stalin begründet?

Gewiss, Chruschtschow ist nicht mehr da, um auf diese Frage zu antworten. Aber auch seine Brüder im Geiste können darauf nicht in vernünftiger und überzeugender Weise antworten, weil die Bezeichnung des "Personenkults" in Verbindung mit Stalin eine der allergrößten Absurditäten in der Rede Chruschtschows darstellt.


QUELLENANGABEN

(97) Chruschtschow, Über den Personenkult und seine Folgen, S. 53
(98) Charles Hayam - Zeitschrift Meschdunarodnaja Schisn, Nr. 4, 1984, S. 105: Auszug aus seinem Buch Handel mit dem Feind, New York, 1983, Kapitel: Aufdeckung des finanziellen Einvernehmens zwischen den Vereinigten Staaten und Nazideutschland (Anm. d. Übers.: Mir ist nicht gelungen, Näheres zu diesem Autor zu erfahren)
(99) G. K. Shukow, Memoiren und Reflexionen, S. 110
(100) a. a. O. S. 147
(101) V. M. Schukhraj, Stalin - Wahrheit und Lügen, Edition Sporog, Sofia 1996, S. 23
(102) M. Sayers u. A. Kahn - Das große Komplott gegen Russland, London 1946, Editions Vanessa, Sofia 1996, S. 127
(103) Große Sowjetische Enzyklopädie, Teil 7, 3. Ausgabe, Moskau 1972, S. 432
(104) W. M. Molotow, Memoiren, in Zeitschrift Tribuna, Nr. 21, 1994

Raute

Kapitel 6: Zu den "Repressalien"

Chruschtschow hat in seiner Rede den Fragen der "Repressalien" große Aufmerksamkeit gewidmet und ihnen den größten Raum eingeräumt.

Es handelt sich hierbei um eine komplexe Problematik mit emotionalen Bezugspunkten und wichtigen sozialen Auswirkungen. Aus diesem Grunde kann sie ausgezeichnet zum Beeinflussen der öffentlichen Meinung dienen. Bleibt zu bemerken, dass Chruschtschow dieses Thema in seiner Rede sehr geschickt handhabt.

Er schreibt: "Stalin wandte extreme Maßnahmen und Massenrepressalien an." (105) "Massenverhaftungen und Vertreibungen von tausenden und aber tausenden Menschen." (106) "Stalin hat einen allgemeinen Terror gegen die Parteikader begonnen." (107) "Stalin ging von Positionen des ideologischen Kampfes zur administrativen Gewalt über, zur Massenunterdrückung, zum Terror." (108) ....und noch vieles mehr in diesem Sinne.

Chruschtschows Bericht ist zu entnehmen, dass die Absetzungen und Verurteilungen - von Chruschtschow "Repressalien" genannt - einzig und allein das Werk Stalins sind und keineswegs Entscheidungen des Zentralkomitees der Partei und der sowjetischen Regierung sowie derer Organe. Wichtig ist zu unterstreichen, dass Chruschtschow als Mitglied des Zentralkomitees der Partei der Bolschewiki einen aktiven Beitrag bei den Entscheidungen über "Repressalien" und ihrer Anwendung leistete.

Auffällig ist, dass Chruschtschow nirgendwo in seinem Bericht die Zahl der Verurteilten nennt. Er spricht nur von "tausenden und aber tausenden Menschen" und von "Massenrepressalien". Das hat die Feinde der UdSSR und des Sozialismus nicht davon abgehalten, die Rede Chruschtschows zu nutzen, um unsinnige Zahlen über die Zahl der "Verurteilten" in der UdSSR zu erfinden. So schreibt zum Beispiel der bekannte Historiker und Politologe Roy Medwedew, ein treuer Parteigänger Chruschtschows, dass "... es in der UdSSR 40 bis 60 Millionen Verurteilte gab."(109)

Und der berühmte sowjetische Dissident Alexander Solschenizyn schätzt, dass "...es 66 Millionen Verurteilte in der UdSSR waren", nicht mehr und nicht weniger.(110)

Eine einfache Rechenaufgabe erlaubt folgende Aussage: "Vor dem Ersten Weltkrieg wurde im Russischen Reich eine Bevölkerungszahl von 154 Millionen Einwohnern festgestellt. Unter Berücksichtigung von Geburten und Todesfällen, Emigration und den 'Opfern der Repressalien' erhält man nach der 'Buchhaltung' Medwedews, dass die UdSSR gegen 1941 ungefähr 90 Millionen Einwohner haben müsste. Allerdings zeigen die Statistiken, dass die UdSSR im Jahre 1941 eine Bevölkerung von 190 Millionen Einwohnern hatte."(111)

Ach, dieser Traum der unverbesserlichen Feinde der UdSSR, zeigen zu können, dass wenigstens 50% der Bevölkerung der Sowjetunion während der Jahre des Aufbaus des Sozialismus bestraft und ausgerottet wurden!

Die französische Sowjetologin und Historikerin Hélène Carrère-d'Encausse schreibt: "Ich war immer in Sorge um das Schicksal von hunderten Millionen Menschen (Hervorhebung: der Hrsg.), die durch das ungeheuerliche Sowjetsystem vernichtet wurden." (112) Der Hass und die Klassenverachtung dieser Französin sind nicht zu übertreffen. Man müsste nur den Titel dieser 'Wissenschaftlerin' wechseln: Statt sie als Sowjetologin und Historikerin zu bezeichnen, verdiente sie die Bezeichnung 'Antisowjetologin und Hysterikerin'.

Gewisse bulgarische Feinde des Sozialismus und der UdSSR haben sich anlässlich der "Repressalien" mit verleumderischer Propaganda nicht zurück gehalten. So hat ein bedauernswerter armer bulgarischer Philosoph, Dissident von 1990, geschrieben:

"Das ganze Abenteuer (dieser "Philosoph" qualifiziert den Aufbau des Sozialismus in der UdSSR als Abenteuer ab - Anm. d. Verf.) ist durch einen politischen Terror unvorstellbaren Ausmaßes und durch ungezählte menschliche Opfer in der Größenordnung von Dutzenden Millionen beendet worden." (113) Dieser bedauernswerte kleine bulgarische Philosophen-Dissident heißt Jelio Mitew Jelew.[18]

Warum schreibt man all das? Was ist das Ziel dieser hassvollen Verleumdungen?

Das Ziel besteht im Darstellen der Gewalt als unbedingte Begleiterscheinung des politischen Systems des Sozialismus. Diese auf jeden Fall und unter allen Umständen auftreten sollende Gewalt der Sowjetmacht ist ein nützliches Argument für die Feinde des Sozialismus, um die öffentliche Meinung zu beeinflussen. So wird mittels Verleumdungen der Sowjetmacht und natürlich auch seines führenden Vertreters, Joseph Stalin, die Kriminalisierung des Sozialismus betrieben. Es handelt sich in der Tat um die feste Verankerung von Hass gegen den Marxismus-Leninismus und den Sozialismus.

Worum aber handelt es sich wirklich bei den "Repressalien" in der UdSSR? Molotow schreibt darüber: "Die Verurteilten während der gesamten Regierungszeit Stalins zählen, nach den in der Epoche Gorbatschow geöffneten Archiven, annährend 600.000 Personen, die unter Militär- und Zivilgerichtsbarkeit Verurteilten zusammen genommen."(114)

Das heißt, es waren weniger als 5% der Bevölkerung der UdSSR.

Man möge beachten, dass selbst die Leute aus der Umgebung Gorbatschows Ziffern veröffentlichten, die nichts mit Dutzenden von Millionen Opfern zu tun haben, welche Dissidenten und intellektuell hoffnungslos Getroffene persönlich gezählt haben.

Bezüglich der Verurteilungen in der UdSSR bleibt von vornherein zu sagen, dass SIE UNVERMEIDBAR WAREN, weil der Widerstand der reaktionären Klasse, die ihre Macht verloren hatte, logischerweise unvermeidbar war. Keine Revolution vollzieht sich ohne den Widerstand der Konterrevolution. Jede Revolution erzeugt die Konterrevolution. In der Einleitung zu Karl Marx, Die Klassenkämpfe in Frankreich 1848 bis 1850 heißt es folgendermaßen: "Nicht in seinen unmittelbaren tragikomischen Errungenschaften brach sich der revolutionäre Fortschritt Bahn, sondern umgekehrt, in der Erzeugung einer geschlossenen, mächtigen Konterrevolution, in der Erzeugung eines Gegners, durch dessen Bekämpfung erst die Umsturzpartei zu einer wirklich revolutionären Partei heranreifte."(115)

Die Geschichte der bürgerlichen Revolutionen in den westlichen kapitalistischen Ländern bestätigt diesen inneren Zusammenhang. Während der Epoche der englischen bürgerlichen Revolution beispielsweise, die sich über zwei Bürgerkriege abspielte - 1642 und 1648 -, haben die Armeen Cromwells die königliche Armee besiegt und Tausende Opfer verursacht. Der König Charles I. selbst wurde gefangen genommen und auf Druck der Volksmassen im Jahre 1649 enthauptet.

Während der französischen bürgerlichen Revolution im 18. Jahrhundert gab es ebenfalls viele Opfer. Deshalb wurde damals die Guillotine erfunden und war ohne Unterbrechung im Dienst. Man warf die Babys als "Feinde der Revolution" in die Seine. (116) Manche Quellen behaupten: "Allein in der Vendée zählt man 90.000 Opfer, guillotiniert, erschossen oder ertränkt." (117) Frankreichs König Ludwig XVI. wurde guillotiniert.

Es ist bekannt, dass noch vor 100 Jahren fast 3 Millionen Eingeborene in den USA lebten. Ihre Nachfahren heute sind weniger als eine Million an Zahl und leben in Konzentrationslagern, die man aus unerfindlichen Gründen "Reservate" nennt.(118)

Dieser Genozid wie auch die der bürgerlichen Revolutionen werden nicht in alarmierender Weise behandelt und beschrieben, man macht keinen Lärm darüber.

Man kann sagen, dass die Zahl der Verurteilten oder der Opfer einer jeden Revolution von den Bedingungen, unter welchen die Revolution abläuft, von ihren Zielsetzungen, ihrem Charakter und ihrer Dauer bestimmt wird und abhängt. Wenn sich die Revolution entscheidende Ziele stellt, wenn große Menschenmassen daran teilnehmen, wenn sie lange andauert, wenn eine internationale konterrevolutionäre Intervention grausam und im großen Umfang stattfindet, um die der Macht enthobene Klasse zu unterstützen, ist es wahrscheinlich, dass die Zahl der Opfer und der durch die revolutionäre Macht verurteilten Menschen groß ist.

An diesen Bedingungen gemessen, ist die Große Sozialistische Oktoberrevolution ohne historischen Vergleich. Zum ersten Mal in der Geschichte strebte sie ein überragendes revolutionäres Ziel an: Den Aufbau einer klassenlosen sozialistischen Gesellschaft ohne die Ausbeutung des Menschen durch den Menschen. Man konnte wirklich nicht erwarten, dass die herrschende bürgerliche Klasse in Russland die revolutionären aufständischen Arbeiter und Soldaten mit einem Lächeln und Umarmungen empfangen würde. Die Große Sozialistische Revolution wurde zum ersten Mal in der Geschichte durchgeführt - in einem riesigen rückschrittlichen Land mit 150 Millionen Einwohnern, von denen 70% Analphabeten waren. Die Große Sozialistische Revolution wurde durchgeführt trotz der grausamen und im großen Umfang stattfindenden Intervention der imperialistischen Konterrevolution. Sofort nach der Revolution ist das Land von 14 kapitalistischen Ländern angegriffen worden, unter ihnen die Vereinigten Staaten von Amerika, um die neue Sowjetmacht zu stürzen. Der große Arbeiterdichter Christo Smirnenski hat geschrieben:

Und der Kampf ist so grausam!
Woher ist der grimmige Feind nicht alles gekommen?
Gab es einen Räuber auf Erden,
Der nicht das blutige Messer wetzte,
Um Finsternis und Schrecken zu säen?

Der Ex-Präsident der Vereinigten Staaten, H. Hoover (1929-1933), hat ernsthaft und zynisch erklärt: "Um die Wahrheit zu sagen - das Ziel meines Lebens ist die Auslöschung der Sowjetunion."(119)

Gewiss wären die Verurteilten in der UdSSR bedeutend weniger zahlreich gewesen, wenn es nicht diese umfangreiche internationale Aggression der imperialistischen Konterrevolution gegeben hätte, die die gestürzte bürgerliche Klasse mit Offizieren, Geld und Waffen unterstützt hat, die ihren Widerstand gegen die neue Sowjetmacht schürte und organisierte.

Konsequenterweise war der Hauptschuldige für das Entstehen und den Umfang der "Repressalien" in der UdSSR der Imperialismus und noch genauer der Imperialismus der Vereinigten Staaten, der ganz spezifisch den Widerstand gegen die neue Sowjetmacht organisierte, unterstützte und aktivierte. Sie war verpflichtet, mit allen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln die grundlegenden Interessen der Massen zu verteidigen.

Es gibt Menschen, die meinen, eine Revolution wäre ein einzelner Akt. Ihrer Meinung nach hätte die Revolution ungefähr begonnen, als der Matrose Shelesniak sich an die Minister der Provisorischen Regierung Russlands mit den Worten: "Wer sind hier die Provisorischen?", wandte - und wäre beendet worden mit deren Verhaftung. Das ist eine naive und irrige Sichtweise auf die Revolution. Die historische Erfahrung der sozialistischen Revolution zeigt, dass sie unter den Bedingungen des ununterbrochenen Klassenkampfes, der sich mehr und mehr zuspitzt, stattfindet und das über Jahrzehnte!

Chruschtschow schrieb über die Säuberungsaktionen in der Armee in wütender und verleumderischer Weise: "Im Zeitraum 1937 bis 1941 wurden, dem Verdacht Stalins und verleumderischen Denunziationen folgend, Kommandeure der Armee und politische Kader ermordet. Dieser Fakt hatte insbesondere bei Kriegsbeginn schwerwiegende Konsequenzen. Während dieser Zeit wurden auch einige Offiziersschichten von der Kompanie- bis zur Divisionsebene bis hin zu den höchsten Leitungskadern der Armee abgesetzt oder verfolgt".(120)

Was ist in diesem Punkt die Wahrheit? Vor der zunehmenden Bedrohung einer Aggression der Sowjetunion durch die deutsche faschistische Armee haben das Zentralkomitee und die sowjetische Regierung beschlossen, Maßnahmen zur Stärkung der Sowjetarmee zu unternehmen, die auch die Säuberung der Armeeleitung von wankelmütigen und korrumpierten Offizieren betrafen. Dazu heißt es in der sowjetischen Zeitschrift Sowjetskoje Obozrenije Nr. 5 von 1989 auf den Seiten 54 und 55 im Artikel 'Über die Repressalien der Dreißiger Jahre und den Zustand der Offizierskader der Roten Armee am Vorabend des Zweiten Weltkrieges': "Die Leitung der Militärkader besitzt das Dokument, mit welchem Woroschilow arbeitete und das vom für die Kader zuständigen Vizepräsidenten des Volkskomitees für Verteidigung, Jeffim Schtadenko am 5. Mai 1940 unterzeichnet worden ist. Dieses Dokument heißt 'Arbeitsbericht der Abteilung Leitendes Personal für 1939'. Im Abschnitt 11, genannt Die Säuberungsaktionen in der Armee und Revision der Ausschlüsse aus der Armee', ist die Gesamtzahl der Streichungen aus den Listen der Roten Armee von 1937 bis 1939 mit ungefähr 37.000 Personen angegeben, abgelöst aus den folgenden Gründen:

Verhaftet wegen konterrevolutionärer Aktivitäten;
Entlassen wegen Verbindungen zu Verschwörern, gemäß Entscheidung des Zentralkomitees vom 29. März 1937;
Entlassen gemäß der Direktive des Volkskommissariats für Verteidigung der UdSSR vom 24. Juni 1938, betreffend die Polen, Deutschen, Litauer, Letten, Finnländer, Esten usw., geboren im Ausland;
Gestrichen aus gesundheitlichen Gründen, Invalidität oder Tod."

In diesem Bericht schrieb Schtadenko: "In der Gesamtzahl der entlassenen Offiziere gibt es eine gewisse Anzahl, die irrtümlicherweise verhaftet und entlassen wurden. Aus diesem Grunde haben viele Briefe das Volkskomitee für Verteidigung, das Zentralkomitee der Partei und Stalin persönlich erreicht. Im August 1938 ist eine Sonderkommission gegründet worden, um die Forderungen der entlassenen Offiziere und die Akten sorgfältig zu überprüfen. Sie hat aufs Genaueste gearbeitet in Gegenwart der Betroffenen; vor Ort in ihren Verwaltungen; indem sie Erkundigungen in den Parteiorganisationen, bei Kommunisten und Kommandeuren einholte, die die Entlassenen kannten; indem sie Auskünfte bei den Organen des Ministeriums des Innern einholte, usw.

Die Kommission hat 30.000 Eingaben, Forderungen und Einsprüche verschiedener Persönlichkeiten überprüft. In Folge der Arbeit der Sonderkommission wurden 11.178 Kommandeure zum 1. Januar 1940 wieder eingegliedert. Die aus politischen Gründen Entlassenen und nicht wieder Eingegliederten betrafen 3% des Armeekorps.

Im Januar 1941 gab es 580.000 Offiziere in der Roten Armee. Im Mai 1941 sind 100.000 neue Offiziere in die Armee eingegliedert worden, die aus den verschiedenen Militärschulen kamen. Am Vorabend des Krieges entsprach das Offizierskorps der Armeestreitkräfte seiner Bestimmung.

Von Beginn des Krieges an haben viele Einheiten in vielen Schlachten und Militäroperationen den Beweis eines hohen operationellen Beherrschungsgrades der Militärkunst geliefert. Das wurde selbst durch die deutsche Militärführung anerkannt. Zum Beispiel hat General Adler in seinem Tagebuch vermerkt: 'Unsere Gruppe der Südarmee kommt nur langsam voran und hat leider viele Verluste. Man fühlt in der Abwehr des Gegners der Gruppe eine entschlossene und energische Führung.'"(121)

So sieht die Wahrheit über die Säuberungen in der Armee aus.

Und was muss noch hinzugefügt werden?

Erstens, die Entscheidungen über die Säuberungsaktionen wurden vom Zentralkomitee der Partei und dem Volkskommissariat für Verteidigung getroffen und nicht durch Stalin persönlich, wie es Chruschtschow in seiner Rede behauptet. Diese Entscheidungen wurden durch die Staatsmacht und die Organe der Partei getroffen. Chruschtschow als Sekretär des Zentralkomitees der Ukraine nahm aktiv an ihrer Ausführung teil. Wir zitieren hier ein Dokument vom März 1938, das von Chruschtschow unterschrieben wurde, den 'Befehl des Militärrats des Militärbezirks Kiew über die Offizierskader, die Führungskader und die politischen Kader der Region':

"Die umfangreiche Arbeit der Säuberungen zur Beseitigung feindlicher Elemente und die Ernennung treuer Anhänger der Partei Lenins und Stalins haben die politische Stabilität und den Erfolg der Kampagne zur Festigung der militärischen Stärke des Landes abgesichert ­...."

Die Feinde haben gewisse Schäden bei der Aufstellung der Kader zugefügt. Der Militärrat befasst sich mit dem Herausreißen der Reste der feindlichen Elemente, indem zu jedem Kommandeur, Leiter oder Politarbeiter vor seiner Ernennung ermittelt wird, damit nur treue und sichere Leute bleiben. (...)

Unterzeichnet: Armeekommandeur von Kiew, Timoschenko; das Mitglied des Militärrats Smirnow und das Mitglied des Militärrats und Sekretär des ZK der Partei der Bolschewiki, Chruschtschow.

Dieselben erklären weiterhin, dass in Folge der strengen Säuberungsaktionen vom 25. März 1938 gegen die trotzkistischen, bucharinschen und bürgerlich-nationalistischen Elemente (...) annähernd 20.000 Offiziere ersetzt wurden."(122)

Man findet hier einen herausragenden Beweis der Heuchelei Chruschtschows in der Frage der "Repressalien".

Zweitens muss die Tatsache unterstrichen werden, dass die Entscheidungen über die Entlassungen auf der Basis genau festgelegter Kriterien erfolgten, deren Ziel die Absicherung der Verteidigungsfähigkeit der Roten Armee am Vorabend des deutschen Angriffs war und im Einklang mit der historischen Verantwortung des Zentralkomitees und des Ministerrats der UdSSR stand. Das sind klare und berechtigte Gründe.

Drittens muss die Tatsache unterstrichen werden, dass die Kriterien vor Ort nicht immer korrekt angewandt wurden, daher die Einsprüche einiger entlassener Offiziere. Nach der Revision durch die Sonderkommission wurden 45% von ihnen wieder in die Armee eingegliedert. Das bedeutet, dass die Verfahrensweise der Überprüfungen und die Wiedereingliederung ungerecht Gekündigter sicher und beweiskräftig war.

Ganz gewiss ist selbst die Existenz von ungerecht behandelten Offizieren oder Zivilisten ein Unglück für die Rote Armee und für die Sowjetunion, aber weder Schuld des Zentralkomitees der Partei der Bolschewiki noch der sowjetischen Regierung. Die sozialistische Revolution kann menschliche Schwächen nicht an einem Tag ausradieren: Den Übereifer von Menschen, ihre Verleumdungen, Denunziationen. Unter den Bedingungen für die Säuberungen WAR ES NICHT MÖGLICH solcherart Situationen zu vermeiden. Außerdem darf nicht vergessen werden, dass es auch WISSENTLICHE AKTE von Agenten der Fünften Kolonne des Feindes gab, deren Ziel darin bestand, Unschuldige und ehrenhafte Menschen leiden zu lassen, um damit die Rote Armee zu schwächen. Wir zitieren hier einige Beispiele.

Der Oberstleutnant der Reserve, A. Grinko erzählte: "In jenen Jahren wurde mein Vater wie auch dem Komsomol gut bekannte Genossen ungerecht beschuldigt. Man schätzte ein, dass das übereifrige und zu beflissene Angestellte waren. Aber niemand machte Stalin dafür verantwortlich. Konnte er meinen Vater kennen, einen Eisenbahnarbeiter, oder den Deutschlehrer oder den Aktivisten des Komsomol unseres Gebietes? Wir waren überzeugt, dass die wahren Feinde des Volkes ihr destruktives Werk hinter dem Rücken Stalins vollbrachten. Nach der Rehabilitierung verurteilter Leute habe ich an der Arbeit der Parteikommission teilgenommen, die die persönliche Akte eines der Speichellecker Jechows studierte. Die ungesetzlichen Verhörmethoden, die jener anwandte, füllten drei Akten. Als man ihn fragte, warum er das sozialistische Recht beugte, war seine Antwort: Stalin habe es gefordert. Aber es wurde sofort bewiesen, dass solcherart Anweisungen niemals gegeben worden sind. Er hatte ganz einfach die Macht missbraucht, über die er verfügte, um Karriere zu machen."(123)

Sehen wir, was Molotow zum Übereifer, zum Karrierismus und zum schlechten Willen des Verantwortlichen des Innenministeriums Jechow schrieb: "Bevor er diesen Posten ausübte, war Jechow ein ehrbarer Mensch.... Aber dieser Posten hat ihn leichtsinnig gemacht - er wollte zeigen, dass er ihn verdiente. Und so hat ihn der Karrierismus davon getragen. Er wollte immer mehr. Manche beginnen übereifrig zu werden ­.... Aber das war eine schädliche Arbeit."(124)

Und über Jagoda berichtete Molotow: "Als sich Jagoda an der Spitze der Staatssicherheit fand, war das nicht nur Übereifer. Vor Gericht hat er angegeben: 'Die Gegner sind lange auf höheren Posten geblieben, weil ich ihnen dort half. Jetzt sehe ich meinen Fehler ein und bitte um eure Verzeihung ...'. Ich besitze eine stenografische Mitschrift seiner Worte. Er hat gesagt: 'Es ist deswegen, dass die Rechten und die Trotzkisten so spät erkannt wurden, weil ich ihn daran hinderte. Jetzt will ich sie alle angeben, und ihr müsst mich deswegen außen vor lassen...'. Sehen Sie, welche Person sich an der Seite Dzierzynskis befand! Und mit welchen furchtbaren Typen man arbeiten musste, die uns absichtlich unschuldige Menschen zuführten - sagen wir zwei von zehn."(125)

Der ehemalige Minister für Landwirtschaft der UdSSR, Benediktow, schrieb: "Stalin kannte die rechtswidrigen Fälle bei der Durchsetzung der Entscheidungen über die Säuberungen und veranlasste Maßnahmen, um die Situation klar zu stellen, Unschuldige frei zu lassen .... Die Tagung des Zentralkomitees der Partei der Bolschewiki von 1938 hatte schon gegen Parteilose und ehrenhafte Kommunisten ungesetzlich verübte Akte aufgedeckt und publizierte in allen nationalen Zeitungen eine spezielle Verordnung und befreite aus den Straflagern hunderte ungerecht eingesperrte Menschen, unter ihnen einige hochrangige Militärchefs. Alle diese Menschen sind rehabilitiert worden und bei einigen hat sich Stalin persönlich entschuldigt. Ebenfalls 1939 wurde auf dem XVIII. Parteitag öffentlich über das schädliche Ergebnis der ungerechten Verurteilungen diskutiert."(126)

Benediktow fuhr fort: "In dieser Zeit zögerte man nicht, die Verleumder zu bestrafen. Sowie sie entlarvt waren, befanden sie sich auf dem Platz ihrer Opfer. Das Paradoxe war, dass sie nach ihrer Befreiung in Folge des Tauwetters Chruschtschows diejenigen waren, die am lautesten von der "Stalinschen Ungesetzlichkeit" sprachen und selbst Memoiren publizierten. (...) Der größte Teil der Verurteilungen betraf den Apparat des NKWD (Ministerium des Innern), wo ein großer Teil der Funktionäre sich für den Missbrauch seiner Funktion zur Belastung Unschuldiger verantworten musste. Die größte Verantwortung für diese Art des Missbrauchs trugen Jagoda und Jechow - alte Verantwortliche des NKWD."(127)

Und die Tochter des großen sowjetischen Piloten Walerij Tschkalow erzählte: "Stalin liebte Tschkalow und hörte aufmerksam auf seine Meinung. So manche Personen wurden dank des direkten Einspruchs Tschkalows bei Stalin gerettet."(128)

Aber auch nach dem Sieg des Großen Vaterländischen Krieges gab es einen Versuch, einige führende Militärs zu verleumden, unter ihnen befand sich Marschall Shukow, der angeklagt wurde, einen militärischen Staatsstreich gegen das Zentralkomitee der Partei geschmiedet zu haben. Stalin hat eine Verhaftung verboten und erklärt: "Ich glaube niemandem die Shukow vorgeworfenen Taten. Das ist ein aufrechter Mensch, der nicht zögert, offen die unangenehmsten Dinge auszusprechen, aber nicht gegen das Zentralkomitee vorgehen würde."(129)

Sicherlich, wenn es nach dem Tode Stalins nötig war, die Arbeit der Rehabilitation ungerecht angeklagter Bürger fortzusetzen, so musste diese ernsthaft organisiert und durchgeführt werden:

- nicht durch die Ablehnung der Theorie des Marxismus-Leninismus in Bezug auf Klassenkämpfe in der Übergangsperiode vom Kapitalismus zum Sozialismus, sondern im Gegenteil, indem sein unausweichlicher und sich verschärfender Charakter anerkannt wurde;

- nicht durch das Verunglimpfen von Person und Werk Stalins (was im Übrigen ein Gemeinschaftswerk mit der Kommunistischen Partei und der Regierung der UdSSR war), sondern durch eine objektive Einschätzung der sowjetischen Realitäten der Dreißiger Jahre, die die Notwendigkeit der Säuberungen und Entlassungen für die Verteidigung des Sozialismus einschließt;

- nicht durch die Befreiung aller Verurteilten nach einem kurzen Gespräch mit ihnen, sondern auf juristischem Wege und die Gesetze respektierend.

Das ist so nicht abgelaufen, weil Chruschtschow ein heimtückisches Ziel verfolgte.

An vierter Stelle bleibt zu unterstreichen, dass die Säuberungen die Sowjetarmee nicht geschwächt, wie es Chruschtschow schrieb, sondern sie gefestigt haben, trotz des Mangels an ausreichend vorbereiteten Offizieren zum Aufdecken und Unschädlichmachen der getarnten Feinde der UdSSR. Zumal sich die Feinde des Volkes, die sich in den während des Krieges besetzten Städten der faschistischen deutschen Armee andienten, ihre Aktivitäten ausgezeichnet zu vertuschen verstanden.

Im Juli 1942 hat sich die Armee, die von General Wlassow kommandiert wurde, den faschistischen Okkupanten ergeben. Marschall Shukow schrieb dazu: "Augenscheinlich war dieser Streich schon zu der Zeit geplant, als Wlassow noch in den Einheiten des Gebietes Kiew diente und einer der großen Redner auf den Gebietskonferenzen war. Das war seine Maske."(130)

Marschall Meretzkow, der Wlassow gut kannte, charakterisierte ihn folgendermaßen: "Wlassow war ein Karrierist ohne Skrupel. Sein Verhalten vor seinem Verrat kann als Maske bezeichnet werden, seine Mitgliedschaft in der kommunistischen Partei als Sprungbrett für höhere Posten."(131)

Und Marschall Wassilewski schrieb: "In der ganzen fortschrittlichen Literatur im Ausland und in der Sowjetunion wird Wlassow als Verräter bezeichnet. Nur Solschenyzin, der in den Dienst der reaktionären imperialistischen Kräfte übergegangen ist, verherrlicht ihn und singt in seinem zynischen antisowjetischen Werk 'Der Archipel Gulag' Lobpreisungen auf die Wlassows und andere Verräter des sozialistischen Vaterlandes."(132)

Nach den Dokumenten des Feindes zu urteilen, erklärte Wlassow den Faschisten seinen Verrat folgendermaßen: "Er hatte geschworen, dass er in die bolschewistische Partei wegen seiner militärischen Karriere eingetreten war. Er hatte mehrere Male wiederholt, dass er die Sowjetmacht verabscheue und dass er seit langem Teil des Komplottes der 'Union russischer Offiziere' wäre."(133)

"Wie viele andere Feinde der UdSSR, wie Wlassow, ergaben sich den Faschisten und kämpften an deren Seite gegen ihr eigenes Land? Während der gesamten Kriegsdauer rekrutierte der General Wlassow Verräter in den faschistischen Lagern, um die so genannte 'Befreiungsarmee Russlands' aufzubauen. Er hat zwei Divisionen aufgestellt, die bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges gegen die Sowjetarmee kämpften. Erst im Mai 1945 wurden Wlassow und sein Generalstab mit dem Rest ihrer Armee in der Tschechoslowakei gefangen genommen, in die UdSSR gebracht und abgeurteilt."(134)

Was aber hätte sich ereignet, wenn nicht nur ein, sondern mehrere Generäle, Armeekommandeure wie Wlassow existiert und sich freiwillig in die Hände der Faschisten begeben hätten? Kann man sich die Konsequenzen einer solchen Situation für die UdSSR vorstellen? Es ist also klar, dass es für die Sowjetunion ein großes Unglück war, die Feinde nicht zu entdecken und auszuschalten, ein eben solches, wie militärische und Parteikader oder andere Staatsbürger ungerecht zu verfolgen.

Aber das sind historisch unvermeidbare Erscheinungen.

Das Zentralkomitee und die sowjetische Regierung hatten die Lage analysiert und korrekt eingeschätzt und entschieden, die Fünfte Kolonne des Feindes zu eliminieren, um die Sowjetarmee am Vorabend des deutschen Angriffs auf die UdSSR zu stärken. "Allein in der Zeit von Ende 1940 bis Anfang 1941 wurden 66 gut eingerichtete und getarnte Agenturen des deutschen Geheimdienstes und mehr als 1.600 faschistische Agenten, davon 1.400 in den westlichen Gebieten der UdSSR, ausgehoben." (135) Das war in den damaligen Jahren für den Ausgang des Krieges am wichtigsten und entscheidensten.

Es ist nicht schwer sich vorzustellen, wie der Krieg ohne die Vernichtung der Fünften Kolonne des Feindes ausgegangen wäre. Der historische Sieg der Sowjetunion im Großen Vaterländischen Krieg zeigt in kategorischer Weise die Richtigkeit der Entscheidung des Zentralkomitees der Partei der Bolschewiki und der sowjetischen Regierung hinsichtlich der Vernichtung der Feinde in der Fünften Kolonne.

Auf die Frage, ob Marx oder Engels an der Spitze des Zentralkomitees und der UdSSR an Stelle Stalins die Säuberung entschieden hätten, kann die Antwort nur ein "Ja" sein. Denn nach Marx und Engels gebiert jede Revolution in Folge des Widerstandes der unterlegenen Klasse die Konterrevolution. Die proletarische Revolution hätte unter den damaligen Bedingungen der kapitalistischen Einkreisung um die UdSSR nicht gerettet und die Volksmacht nicht stabilisiert werden können ohne den Kampf gegen die Konterrevolution und gegen den Widerstand der reaktionären Elemente.

Hat es ungerechte Repressalien gegeben? - Ja, es hat sie gegeben, denn das unausweichliche Phänomen der ungerechten Verurteilungen von Staatsbürgern in der historischen Situation der Dreißiger Jahre der UdSSR wurde vom Erfahrungsgrad, von den Möglichkeiten, den Schwächen und den Fehlern der die Operationen durchführenden Kader bestimmt.

Chruschtschow schrieb: "Stalin war krankhaft misstrauisch." (136) "Nach dem Mord an Kirow haben sich Repressalien und Überschreitungen der sozialistischen Gesetzlichkeit im Land verbreitet." (137) "Stalin hat die persönliche Macht eingeführt." (138) "Stalin hat den Begriff des Volksfeindes eingeführt." (139) Chruschtschow schreibt auch noch: "Unsere Partei kämpfte um die Verwirklichung der Leninschen Pläne für den Aufbau des Sozialismus. Das war ein Kampf der Ideen."(140)

Welche enge Auslegung des Klassenkampfes! Die Partei führte nicht nur einen Kampf der Ideen, sondern einen breiten Kampf gegen den Klassenfeind!

Chruschtschow fuhr fort: "Die Repressalien dienten nicht dazu, die Reihen der Partei und der verschiedenen Schichten der Arbeiter zu stärken. Im Gegenteil, sie führten zur Vernichtung ehrenhafter Kader, die unbequem für Stalin waren. Und das schürte Angst."(141)

Aber Chruschtschow sagte nicht, woher der große Enthusiasmus für den Aufbau der sozialistischen Gesellschaft kam. Wie die begeisterte Bewegung für die Fünfjahrpläne Stalins entstanden ist! Als der deutsche Schriftsteller Emil Ludwig im Jahre 1931 Stalin traf, fragte er ihn: "Mir scheint, dass ein beträchtlicher Teil der Bevölkerung der Sowjetunion Angst und Furcht vor der Sowjetmacht hat und dass auf diesem Gefühl der Angst in gewissem Maße die Stabilität der Sowjetmacht beruht. (...)" Stalin antwortet: "Sie irren. Übrigens ist Ihr Irrtum der Irrtum von vielen. Glauben Sie wirklich, dass es möglich wäre, vierzehn Jahre lang mit der Methode der Einschüchterung und der Einflößung von Furcht die Macht zu behaupten und die Unterstützung der Millionenmassen zu genießen? Nein, das ist unmöglich. (...) Es gibt allerdings einen gewissen geringen Teil der Bevölkerung, der die Sowjetmacht tatsächlich fürchtet und gegen sie kämpft. Ich meine die Überreste der sterbenden Klassen, der Klassen, die wir liquidieren, und vor allem einen unbedeutenden Teil der Bauernschaft - das Kulakentum. (...) Nimmt man aber die werktätige Bevölkerung der UdSSR, die Arbeiter und werktätigen Bauern, die nicht weniger als 90 Prozent der Bevölkerung ausmachen, so stehen diese fest hinter der Sowjetmacht, und ihre erdrückende Mehrheit unterstützt aktiv die Sowjetordnung. Sie unterstützen die Sowjetordnung aber deshalb, weil diese Gesellschaftsordnung die Lebensinteressen der Arbeiter und Bauern wahrnimmt."(142)

Weiter schrieb Chruschtschow: "Die Partei hatte bereits alle Feinde des Leninismus ideologisch vernichtet."(143)

Es ist eine abwegige Idee Chruschtschows, dass der Klassenkampf als solcher beendet wäre, zumal der Klassenkampf auf Grund der Leistungsfähigkeit der in der UdSSR von der Macht vertriebenen Klassen und auch auf Grund seines internationalen Charakters unübersehbar und ausgedehnt stattfand. Im Bericht Chruschtschows gibt es weder eine Analyse des Imperialismus noch des Charakters, der Tendenzen und der Dynamik des Klassenkampfes in der UdSSR am Vorabend des Zweiten Weltkrieges. Dabei schreibt er sogar: "Im Bericht Stalins an die Tagung des Zentralkomitees vom Februar 1937, genannt: 'Über die Unzulänglichkeiten in der Arbeit der Partei und über die Maßnahmen zur Zerschlagung der trotzkistischen und doppelzüngigen Feinde', wurde ein Versuch (durch Stalin) unternommen, die Politik der Massenrepressalien theoretisch zu begründen. Das geschah unter dem Vorwand, der Klassenkampf werde sich in unserem Voranschreiten zum Sozialismus mehr und mehr verstärken. Stalin bekräftigte außerdem, dass dies eine Lehre aus der Geschichte sei, dass es Lenins Theorie wäre. "Es ist klar", schreibt Chruschtschow 19 Jahre nach der Tagung, "dass unter den Bedingungen des Sieges des Sozialismus der Massenterror im Land nicht gerechtfertigt war."(144)

1937 war Chruschtschow Mitglied des Zentralkomitees, aber es scheint nicht, als ob er sein Nichteinverständnis mit der Entscheidung über die Säuberungen und dem Kampf mit dem Klassenfeind ausgedrückt habe. Im Gegenteil, es ist bekannt, dass Chruschtschow einer der aktivsten Teilnehmer an den Säuberungen war. Sogar sein Parteigänger Roy Medwedew schreibt: "Chruschtschow selbst und seine engsten Mitarbeiter waren nicht ohne Fehler. Sie haben auch ihren Teil zu verantworten."(145)

Chruschtschow hat vor allem die Tätigkeit der Fünften Kolonne und den Klassenfeind als Mitglied der Partei unterschätzt, deren Gefahr für die Partei und das Land enorm war. Er hatte vergessen, dass Lenin von den ersten Jahren der Sowjetmacht an vor der Unterwanderung der Partei durch feindliche Elemente, durch Karrieristen und anpassungsfähige Menschen warnte. Genau deswegen maß Lenin den Säuberungen in der Partei große Bedeutung zu, wie in einem Artikel in der Prawda vom 21. September 1921 zu lesen ist: "Die Säuberungen in der Partei sind eine große Aufgabe." (146) [Vgl. auch das telefonische Diktat Lenins v. 22.12.1921, Bemerkungen zum Entwurf der Resolution der XI. Konferenz der KPR(B) über die Parteireinigung, in: Werke, E 2, S. 385; oder: AW in 6 Bänden, VI S. 435 - Anm. d. Ü.]

Nur so konnte die Partei die als Parteimitglieder eingetragenen Feinde beseitigen, sei es unter Lenin oder unter Stalin. Aber nach dem XX. Parteitag ist diese Richtschnur für das Parteileben vergessen worden, woran das "Tauwetter" Chruschtschows maßgeblich beteiligt war. Und so fanden sich in den Reihen der Partei Verräter wie Gorbatschow, Jelzin, Jakowlew, Schewardnadse und mancher andere.

Die Geschichte lehrt uns, dass der Klassenkampf im Laufe der historischen Entwicklung der Gesellschaft unterschiedliche Formen annahm. Sie lehrt uns auch, dass unter ihnen die Taktik des "Trojanischen Pferdes" eine der erfolgreichsten ist. Es geht um die Taktik der Einnahme der Wehrburg von innen heraus, über das Einschleusen von Agenten ins Innere: Die Fünfte Kolonne, der Agent mit Parteibuch. (Hervorhebung: d. Hrsg.)

Lenin hatte gesagt, dass der Klassenkampf noch lange Zeit nach der Übernahme der politischen Macht durch die Arbeiterklasse fortdauern werde. Er ergibt sich aus den folgenden Umständen:

Erstens versucht die Ausbeuterklasse mit allen Mitteln und ohne Unterlass, ihren Sturz von der Macht rückgängig zu machen und ihr verlorenes Paradies wieder zu erhalten;

Zweitens erzeugt das Spektakel des Kleinbürgertums immer neue kapitalistische Elemente;

Drittens können unter dem Einfluss der Bourgeoisie politische Renegaten und neue kapitalistische Elemente in den Reihen der Arbeiterklasse und unter den Angestellten des öffentlichen Dienstes geboren werden;

Viertens bewirken die externen Bedingungen die Verlängerung des Klassenkampfes in einem sozialistischen Land, das durch den internationalen Kapitalismus eingekreist und von ihm mit militärischer imperialistischer Intervention und Maulwurfarbeit bedroht ist, um endlich den Zerfall des unbewaffneten sozialistischen Staates zu erreichen.(147)

Wichtig ist es, sich die Umstände und Modalitäten der dreißiger Jahre in der UdSSR in Erinnerung zu rufen und sie unter dem Blickwinkel der Leninschen Theorie des Klassenkampfes in der Phase des Aufbaus des Sozialismus zu betrachten. Am 7. Januar 1933 führte Stalin in seinem Bericht über Die Ergebnisse des ersten Fünfjahrplanes vor einer erweiterten Tagung des Zentralkomitees der Partei der Bolschewiki aus:

"Als Ergebnis der Verwirklichung des Fünfjahrplans auf dem Gebiet der Industrie, der Landwirtschaft und des Handels haben wir in allen Sphären der Volkswirtschaft das Prinzip des Sozialismus durchgesetzt und aus ihnen die kapitalistischen Elemente vertrieben.....

die Privatindustriellen und ihr(en) Anhang, die Privathändler und ihre Handlanger, die ehemaligen Adligen und Popen, die Kulaken und ihre Helfershelfer, die ehemaligen weißen Offiziere und Landpolizisten, die ehemaligen Polizisten und Gendarmen, die verschiedensten bürgerlichen Intellektuellen chauvinistischer Färbung und alle sonstigen antisowjetischen Elemente.

Diese "Ehemaligen", die aus dem Geleise geworfen wurden und sich über das ganze Gebiet der UdSSR verstreut haben, verkrochen sich in unseren Werken und Betrieben, in unseren Institutionen und Handelsorganisationen, in den Eisenbahn- und Schifffahrtsbetrieben und hauptsächlich in den Kollektiv- und Sowjetwirtschaften. Sie verkrochen sich und versteckten sich dort unter der Maske von "Arbeitern" und "Bauern", wobei sich der eine oder andere von ihnen sogar in die Partei einschlich.

Was brachten sie dorthin mit? Natürlich das Gefühl des Hasses gegen die Sowjetmacht, das Gefühl erbitterter Feindschaft gegen die neuen Wirtschafts-, Lebens- und Kulturformen. (...)

... das einzige, was sie noch tun können, Schaden und Unheil für die Arbeiter, die Kollektivbauern, die Sowjetmacht und die Partei zu stiften. Und sie schaden auch, wo sie nur können, indem sie versteckte Wühlarbeit betreiben. Sie stecken Lagerhäuser in Brand und beschädigen Maschinen. Sie organisieren Sabotage. ... wobei manche von ihnen, unter denen sich auch einige Professoren befinden, ... sie dem Vieh in den Kollektiv- und Sowjetwirtschaften die Pest, die sibirische Seuche einimpfen.... Aber das ist nicht die Hauptsache. Die Hauptsache in der "Tätigkeit" dieser Ehemaligen besteht darin, dass sie massenhaft Diebstahl und Veruntreuung staatlichen und genossenschaftlichen Gutes, kollektivwirtschaftlichen Eigentums organisieren. Diebstahl und Veruntreuung in den Werken und Fabriken, Diebstahl und Veruntreuung von Eisenbahnfrachten, Diebstahl und Veruntreuung in Lagerhäusern und Handelsbetrieben - besonders aber Diebstahl und Veruntreuung in den Sowjet- und Kollektivwirtschaften -, das ist die Hauptform der "Tätigkeit" dieser Ehemaligen. Sie fühlen sozusagen mit ihrem Klasseninstinkt, dass die Grundlage der Sowjetwirtschaft das gesellschaftliche Eigentum bildet, dass man, um der Sowjetmacht zu schaden, eben diese Grundlage erschüttern muss..."(148)

Stalin verweist auch darauf, dass die konterrevolutionären Elemente vor allem auf dem Lande aktiv sind, dort, wo es keine Arbeiterklasse gibt, wo die Bauern weder lesen noch schreiben können und die Kulaken, viel gebildeter und geübt in der Beeinflussung der Bauern, haltlose Menschen finden, die für eine Flasche Wodka Getreidespeicher anzünden, was zum Mangel an Brot für die Armee und das Volk führt. Diese Zerstörungen tragen den Hunger in die Städte, der zur Unzufriedenheit und zum Misstrauen gegen die Staatsmacht führt. Weiterhin sagte Stalin:

"Manche Genossen haben die These von der Aufhebung der Klassen, von der Schaffung einer klassenlosen Gesellschaft ... als Rechtfertigung der konterrevolutionären Theorie vorn Erlöschen des Klassenkampfes (aufgefasst). ... Es erübrigt sich zu sagen, dass solche Leute mit unserer Partei nichts gemein haben können. Das sind Entartete oder Doppelzüngler, die man aus der Partei verjagen muss. Die Aufhebung der Klassen wird nicht durch das Erlöschen des Klassenkampfes, sondern durch seine Verstärkung erreicht. Das Absterben des Staates wird nicht durch Schwächung der Staatsmacht erfolgen, sondern durch ihre maximale Verstärkung, die notwendig ist, um die Überreste der sterbenden Klassen zu vernichten und die Verteidigung gegen die kapitalistische Umkreisung zu organisieren, die noch bei weitem nicht beseitigt ist und noch nicht so bald beseitigt sein wird."(149)

Zwanzig Jahre später schrieb Chruschtschow zu diesen Ereignissen: "Stalin ging von den Positionen des ideologischen Kampfes zur administrativen Gewalt über, zur Unterdrückung der Masse."(150)

Lenin und Stalin aber unterstrichen, dass, je mehr sich der Erfolg des Sozialismus in der UdSSR durchsetze, um so stärker werde der Hass der besiegten kapitalistischen Klasse ansteigen und um so schärfer werde der Klassenkampf.

Im Übrigen verbanden Lenin und Stalin die Frage der Verschärfung des Klassenkampfes in der UdSSR mit der kapitalistischen Umzingelung und der Aggressionspolitik der imperialistischen Länder gegen die UdSSR. Stalin schrieb in den dreißiger Jahren:

"Bei uns ist es üblich, von der kapitalistischen Umkreisung zu schwatzen, aber man will sich weiter keine Gedanken darüber machen, was es mit der kapitalistischen Umkreisung auf sich hat. Kapitalistische Umkreisung - das ist keine leere Phrase, das ist eine sehr reale und unangenehme Erscheinung. Kapitalistische Umkreisung heißt, dass es ein Land gibt, die Sowjetunion, das bei sich die sozialistische Ordnung errichtet hat, und dass es außerdem viele Länder, bürgerliche Länder, gibt, die weiterhin die kapitalistische Lebensweise führen, die die Sowjetunion umgeben und auf eine Gelegenheit lauern, sie zu überfallen, sie zu zerschmettern oder jedenfalls ihre Macht zu untergraben und sie zu schwächen.

Diese grundlegende Tatsache haben unsere Genossen vergessen. Und doch bestimmt gerade sie die Grundlage der Wechselbeziehungen zwischen der kapitalistischen Umwelt und der Sowjetunion.

Nehmen wir zum Beispiel die bürgerlichen Staaten. Naive Leute mögen glauben, dass zwischen ihnen, als zwischen Staaten vom gleichen Typ, ausschließlich gute Beziehungen bestehen. Aber so können nur naive Leute denken. In Wirklichkeit sind die Beziehungen zwischen ihnen mehr als weit entfernt von gutnachbarlichen Beziehungen. Es ist bewiesen, wie zweimal zwei vier ist, dass die bürgerlichen Staaten einander ihre Spione, Schädlinge, Diversanten und manchmal auch Mörder ins Hinterland schicken und sie beauftragen, in die Institutionen und Betriebe dieser Staaten einzudringen, dort ein eigenes Netz auszubreiten und "im Bedarfsfall" das Hinterland dieser Staaten zu zerstören, um sie zu schwächen und ihre Macht zu untergraben. So liegen die Dinge gegenwärtig. So lagen die Dinge auch in der Vergangenheit. Nehmen wir zum Beispiel die Staaten Europas zur Zeit Napoleons I. In Frankreich wimmelte es damals von Spionen und Diversanten aus dem Lager der Russen, der Deutschen, der Österreicher, der Engländer. Und umgekehrt, England, die deutschen Staaten, Osterreich, Russland hatten damals in ihrem Hinterland keine geringere Anzahl von Spionen und Diversanten aus dem französischen Lager. Agenten Englands verübten zweimal ein Attentat auf Napoleon und zettelten mehrmals eine Erhebung der Bauern der Vendée in Frankreich gegen die Regierung Napoleons an.

Was war aber die napoleonische Regierung? Eine bürgerliche Regierung, die die französische Revolution abwürgte und nur die Ergebnisse der Revolution bestehen ließ, die für die Großbourgeoisie vorteilhaft waren. Es braucht nicht betont zu werden, dass die napoleonische Regierung ihren Nachbarn nichts schuldig blieb und gleichfalls ihre Diversionsmaßnahmen ergriff. So war es in der Vergangenheit, vor 130 Jahren. So liegen die Dinge heute, 130 Jahre nach Napoleon I. Heute wimmelt es in Frankreich und England von deutschen Spionen und Diversanten, während umgekehrt in Deutschland wiederum englisch-französische Spione und Diversanten am Werke sind. In Amerika wimmelt es von japanischen Spionen und Diversanten und in Japan von amerikanischen.

Solcherart ist das Gesetz der Wechselbeziehungen zwischen den bürgerlichen Staaten.

Es fragt sich, warum sollten die bürgerlichen Staaten gegenüber dem sozialistischen Sowjetstaat mehr Mäßigkeit an den Tag legen und sich als bessere Nachbarn verhalten als gegenüber den bürgerlichen Staaten, Staaten von gleichem Typ? Warum sollten sie ins Hinterland der Sowjetunion weniger Spione, Schädlinge, Diversanten und Mörder schicken, als sie ins Hinterland der ihnen verwandten bürgerlichen Staaten schicken? Wie kommen sie darauf? Wäre es vom Standpunkt des Marxismus aus nicht richtiger, anzunehmen, dass die bürgerlichen Staaten ins Hinterland der Sowjetunion doppelt und dreimal soviel Schädlinge, Spione, Diversanten und Mörder schicken müssen als in das Hinterland eines beliebigen bürgerlichen Staates?

Ist es nicht klar, dass es bei uns, solange die kapitalistische Umkreisung besteht, Schädlinge, Spione, Diversanten und Mörder geben wird, die von Agenten ausländischer Staaten in unser Hinterland geschickt werden?

All das haben unsere Parteigenossen vergessen, und weil sie es vergessen haben, wurden sie überrumpelt. Deshalb war die Spionage- und Diversionstätigkeit der trotzkistischen Agenten der japanisch-deutschen Geheimpolizei für manche unserer Genossen eine völlige Überraschung."(151)

Und Stalin hat ebenfalls geschrieben, dass es "unannehmbar wäre, die Stärke und den Machtmechanismus und der bürgerlichen Länder, die uns umgeben, zu unterschätzen, ihre Geheimdienstorgane, die die menschlichen Schwächen ausnutzen würden, ihre Eitelkeit, ihren Prinzipienmangel, um sie in das Netz der Spionage zu ziehen."(152)

Aber Chruschtschow hat all das nicht begriffen - oder es nicht begreifen wollen.

Er vergaß 1956, unter welchen krassen widersprüchlichen historischen Beziehungen Kapitalismus oder Sozialismus die Herrschaft ausüben und vergaß konsequenterweise auch den Klassenkampf auf internationaler Ebene.

Nach Chruschtschow wären in Folge der enormen Erfolge beim sozialistischen Aufbau die wesentlichen Widersprüche zwischen den Klassen gelöst und deshalb ergäbe sich die Schlussfolgerung, dass der Klassenkampf nachlassen und letztlich verschwinden würde.

Gemäß Chruschtschow war die kapitalistische Einkreisung der UdSSR und die aggressive imperialistische Politik ihr gegenüber kein Faktor, der den Klassenkampf in der UdSSR in der Übergangsphase des Kapitalismus zum Sozialismus und Kommunismus erweitern oder verschärfen könne.

Chruschtschow hatte das, was Lenin und Stalin vorausgesagt und wovor sie gewarnt hatten, nicht aufgenommen, eben die Gefahr der kapitalistischen Einkreisung der UdSSR.

Als er seine Rede hielt, 1956 auf der "Geheimsitzung" des XX. Parteitags, besaß er ausreichend Informationen und Material, um die spezielle Charakteristik des Klassenkampfes im Imperialismus erkennen zu können.

Das setzte aber voraus anzuerkennen, dass der Klassenkampf einen internationalen Charakter erreicht und die nationalen Grenzen überschritten hatte und dass die kapitalistischen Länder untereinander solidarisch waren bei der Schwächung und Auslöschung des Sozialismus.

Chruschtschow hätte wissen müssen, dass die deutsche und französische Bourgeoisie im Frühjahr 1871 ihre staatliche Feindschaft vergaßen, als es galt, vereint im Klassenhass gegen die Pariser Kommune vorzugehen, die sie mit unvergesslicher Grausamkeit beseitigten. Zu diesem Zwecke hatte der Sieger Bismarck 100.000 Geiseln der französischen Armee frei gelassen und ihnen erlaubt, sich mit ihren Waffen gegen Paris zu wenden, wo sich die Kommune verteidigte.

Und die französische Bourgeoisie hat es aus Dank für Bismarcks Klassensolidarität 1918/19 vergolten, indem sie 100.000 Bewaffnete, gefangen genommen im Ersten Weltkrieg, freiließ, um die Bildung von Sowjets in Bayern und Preußen zu ersticken.[19] (153)

Man darf nicht vergessen, dass von 1918 bis 1921 vierzehn kapitalistische Länder ihre Kräfte vereinigten, um die Sowjetmacht zu vernichten. Vor und während des Zweiten Weltkrieges haben die imperialistischen Länder, unter ihnen die Vereinigten Staaten, alles für die Kriegsvorbereitung und das Losschlagen Deutschlands gegen die UdSSR getan. Nur durch die Voraussicht und klare Lageeinschätzung Stalins und der sowjetischen Regierung ist es gelungen, ihre antisowjetische Solidarität zu brechen und sie gegeneinander auszuspielen.

Die in seinem Bericht in der "Geheimsitzung" des XX. Parteitages der KPdSU zum Ausdruck gebrachte Position Chruschtschows zum Klassenkampf ist durch ihre objektiven Ergebnisse eine REVISION der marxistisch-leninistischen Theorie des Klassenkampfes in der Übergangsphase vom Kapitalismus zum Sozialismus unter den Bedingungen der imperialistischen Einkreisung.

Nun ergibt sich die Frage, wie heute die Analyse der "Repressalien" der dreißiger Jahre in der UdSSR zu verstehen ist.

Es liegt auf der Hand, dass die Feinde des Sozialismus darüber nur Ablehnung und Hass empfinden und sich unter Aufbietung aller in ihrem Besitz befindlichen großen Mittel an die antikommunistische Propaganda klammern. Genauso klar ist es, dass die Nachkommen der Feinde des Sozialismus in der UdSSR sich in den antikommunistischen Chor einreihen und jederzeit bereit sind, in der Fünften Kolonne zu arbeiten, wobei sie ihre Vergangenheit verleugnen.

Unter den Verurteilten waren vielleicht 10% bis 20% Unschuldige. Aus objektiven Gründen ist es eine genaue Feststellung schwierig. Die offiziellen Entschuldigungen der sowjetischen Regierung sind gewiss nur ein schwacher Trost. Ein Teil der Betroffenen und ihrer Nachkommen hat auf Grund eines großen politischen Bewusstseins verstanden, dass Irrtümer unvermeidlich waren. Sie haben nicht erlaubt, dass sich ihre Leiden in Beweise zur Ablehnung des Sozialismus und des Marxismus-Leninismus verwandeln. Das ist der Fall bei Offizieren wie K. Rokossowski und K. Meretzkow, die nach ihrer Rehabilitierung am Großen Vaterländischen Krieg teilgenommen und während des gesamten Krieges gekämpft haben, wofür sie Auszeichnungen und den Titel eines Marschalls der Sowjetunion erhielten.

Ein großer Teil der Bevölkerung hat nach fünfundvierzig Jahren der Propaganda und der Lügen sowohl aus dem Bericht Chruschtschows als auch den daraus folgenden die verleumderischen Versionen über Lenin und Stalin, den Marxismus-Leninismus und den Sozialismus als Synonym für Terror, Diktatur und Mangel an Demokratie angenommen. Manipuliert durch Artikel, Bücher, Filme, "Interviews" und "Memoiren", haben diese Menschen keine Möglichkeit, die historischen Fakten kennen zu lernen, schon gar nicht, sie zu begreifen.

Besonders traurig ist vor allem das Verhalten der in dieses Spiel eingebundenen Intelligenz. Journalisten, Publizisten, Schriftsteller werden bewusst oder unbewusst Opfer von Handlungen oder Ideen, die den Interessen der großen Masse der Bevölkerung, der auch sie angehören, fremd sind. I. A. Benediktow schrieb diesbezüglich: "Wenn Sie über alle die dreißiger Jahre betreffenden Fakten Bescheid wissen und alle Dokumente kennen, wenn Sie die Ereignisse im Spiegel der sehr komplexen, angespannten und widersprüchlichen Lage analysieren können, werden Sie sich sehr schlecht fühlen angesichts der angehörten und weiter erzählten hassvollen Sätze, die von Leuten bar jeder Logik erfunden wurden."(154)

Ein großer Teil von Parteimitgliedern ist durch die Manipulationen verwirrt, verunsichert und gibt sich geschlagen, weil sie nicht mehr wissen, wem man glauben soll. Das Schlimmste ist, dass die Partei selbst die Lügen und Verleumdungen Chruschtschows bekannt gegeben und verbreitet hat. Es ist sicher, dass diese Parteimitglieder nur nach der Wahrheit suchen, um sich endlich von der imperialistischen Propaganda befreien zu können.

Es gibt schließlich einen nicht zu vernachlässigenden Teil an Parteimitgliedern, der immer sein politisches Bewusstsein bewahrt hat, trotz Verfolgungen und Bestrafungen durch die Chruschtschow-Anhänger. Diese Parteimitglieder haben die Lügen und Verleumdungen niemals akzeptiert, selbst dann nicht, wenn sie ihre Überzeugungen nicht offen verteidigen konnten.

Der Volksmund sagt: Wenn man im Frühjahr die Obstbäume von den alten trockenen Ästen reinigt, verletzt man mitunter ungewollt die gesunden und lebendigen Zweige.

Die politisch bewussten Kommunisten werden sich für die Rehabilitierung der KPdSU und der UdSSR und das Widererstarken der kommunistischen Bewegung an die Spitze des Kampfes setzen.


Anmerkungen

[18] Nach der Konterrevolution in den Jahren 1990 bis 1996 Präsident von Bulgarien (Anm. d. bulgarisch-französischen Übersetzers)

[19] Die französische Bourgeoisie (im Verbund mit der englischen, US-amerikanischen u.a.) hat nach dem Waffenstillstand mit der deutschen Regierung am 11.11.1918 stillschweigend Freikorps zugelassen, um die revolutionären Volksmassen nieder zu werfen. Aus eben diesem Grunde wurde es Deutschland gemäß Versailler Vertrag vom 28.06.1919 erlaubt, eine Freiwilligenarmee von 100.000 Mann aufzustellen. (Anm. d. Ü.)


QUELLENANGABEN

(105) N. S. Chruschtschow, Über den Personenkult ..., Sofia, 1991, S. 18
(106) a. a. O., S. 16
(107) a. a. O., S. 23
(108) a. a. O., S. 16
(109) Zeitschrift Molodaja Gwardia, Nr. 3, 1991, S. 252
(110) a. a. O., S. 252
(111) a. a. O., S. 253
(112) Journal Anteni, Nr. 47 vom 25. November 1992
(113) Zeitschrift Septemvri, Nr. 5, 1990
(114) W. M. Molotow, Memoiren, in Journal Tribuna, Nr. 29-30, 1995
(115) Karl Marx, Friedrich Engels, Werke, Band 7, Moskau, 1956 (Einleitung von Engels zu Karl Marx, Die Klassenkämpfe in Frankreich 1848 bis 1850)
(116) Journal Sowjetskaja Rossija v. 31.10.95
(117) Journal Demokratsia v. 27.09.1993
(118) Journal Kommunistitschesko Djelo, Nr. 1, 1996
(119) Journal San Francisco News, v. 1. August 1934
(120) N. S. Chruschtschow, Über den Personenkult und seine Folgen, Sofia, 1991, S. 43
(121) Zeitschrift Sowjetskoje Wojennoje Obosrenje, Nr. 5, S. 54-55
(122) M. Lobanow, Stalin im Gedächtnis seiner Zeitgenossen und in Dokumenten der Epoche, Moskau 1995, S. 631-632
(123) A. M. Samsonow, Wissen und sich erinnern, Moskau, S. 219
(124) W. M. Molotow, Memoiren, in Journal Tribuna, Nr. 28, 1994
(125) W. M. Molotow, Memoiren, in Journal Tribuna, Nr. 21-22 u. Nr. 23-24, 1995
(126) I. A. Benediktow, in Journal Tribuna, Nr. 22, 1992
(127) a. a. O.
(128) Zeitschrift Sowjetskij Patriot, Nr. 1, S. 21, 1990
(129) Journal Prawda vom 20.01.1989
(130) Journal Nedelja, Nr. 49, 1987
(131) Journal Krasnaja swesda vom 10.11.1980
(132) A. M. Wassilewski: Ein Werk fürs ganze Leben, Sofia, 1976, S. 177
(133) Journal Literaturnaja Gaseta, Nr. 37, 1989
(134) Sendung des Moskauer Fernsehens v. 8. Januar 1995 um 14 Uhr
(135) V. M. Schukhraj, Stalin - Wahrheit und Lügen, Edition. Sporog, Sofia 1996, S. 16
(136) N. S. Chruschtschow, Über den Personenkult und seine Folgen, Sofia, 1991, S. 36
(137) a. a. O. S. 23
(138) a. a. O. S. 38
(139) a. a. O. S. 14
(140) a. a. O. S. 16
(141) a. a. O. S. 16
(142) J. W. Stalin, Werke, Band 13, S. 93-95, Sofia 1952; oder auch stalinwerke.de: Band 13, Unterredung mit dem deutschen Schriftsteller Emil Ludwig
(143) N. S. Chruschtschow, Über den Personenkult und seine Folgen, Sofia, 1991, S. 13
(144) a. a. O. S. 26
(145) Roy Medwedew, Zeitschrift Studentscheskij Meridjan , Nr. 3, S. 33, 1989
(146) Journal Prawda , v. 21.09.1921
(147) Journal Rabotnitschesko Delo v. 15.7.1963
(148) J. W. Stalin, Werke, Band 2, S. 542-544, Sofia 1949
(149) a. a. O. S. 546 - Vergl. auch stalinwerke.de, Band 13, Vereinigtes Plenum des ZK und der ZKK der KPdSU (B), Abschnitt VII
(150) N. S. Chruschtschow, Über den Personenkult und seine Folgen, Sofia, 1991, S. 16
(151) M. Lobanow, Stalin im Gedächtnis seiner Zeitgenossen und in Dokumenten der Epoche, Moskau 1995, S. 350-351; siehe auch: stalinwerke.de, Band 14, Über die Mängel der Parteiarbeit und die Maßnahmen zur Liquidierung der trotzkistischen und sonstigen Doppelzüngler
(152) J. W. Stalin, Bericht auf dem XVIII. Parteitag der KPR (B), in: Ausgewählte Werke, S. 766-767;
(153) Journal Tribuna, Nr. 17, 1992
(154) I. A. Benediktow, in Journal Tribuna, Nr.19, 1992

Raute

Kapitel 7: Über die Methode Chruschtschows, den "Personenkult um Stalin" zu behandeln

Chruschtschow zitierte aus Werken von Marx und Engels Stellen, die sich mit Personenkult befassen. Damit wollte er zeigen und beweisen, dass er den "Personenkult Stalins" auf marxistisch-leninistischer Grundlage behandelt:

"Erlaubt mir vor allem zu erinnern, dass die Klassiker des Marxismus-Leninismus alle Formen des Personenkultes ernsthaft verurteilten. In seinem Brief an Wilhelm Blos[20], einen deutschen Politiker, stellt Karl Marx fest: '...im Widerwillen gegen allen Personenkultus, habe ich während der Zeit der Internationalen die zahlreichen Anerkennungsmanöver, womit ich von verschiednen Ländern aus molestiert ward, nie in den Bereich der Publizität dringen lassen und habe auch nie darauf geantwortet, außer hie und da durch Rüffel. Der erste Eintritt von Engels und mir in die geheime Kommunistengesellschaft geschah nur unter der Bedingung, dass alles aus den Statuten entfernt würde, was dem Autoritätsaberglauben förderlich.'

Engels schrieb etwas später: 'Sowohl Marx wie ich sind von jeher gegen alle öffentlichen Demonstrationen gewesen, die sich an einzelne Personen knüpfen, es sei denn, im Fall ein großer Zweck dadurch erreicht werden kann; und am allermeisten gegen solche Demonstrationen, die sich zu unsern Lebzeiten um unsre eignen Personen drehen würden.'"(155)

Natürlich kann man auch Lenin und Stalin gegen die Glorifizierung ihrer Person zitieren. Aber wenn man die Frage des Personenkultes behandelt, sollte man zuerst den wissenschaftlichen Inhalt dieses Begriffes dem der persönlichen Autorität gegenüberstellen.

Der Begriff des Kultes ist lateinischen Ursprungs und bedeutet:

1. in Form von rituellen Handlungen, Gebeten, Opfern, Tänzen usw. vollzogene (gemeinschaftliche) religiöse Verehrung
2. Bewunderung, große Ehrerbietung, Anbetung. (156)

Der Begriff der Autorität kommt ebenfalls aus dem Lateinischen und bezeichnet:

1. Einfluss und anerkannte Hochachtung; Stärke, Macht, Ansehen.
2. Eine Person, die Autorität besitzt. (157)

Der Unterschied in beiden Bedeutungen ist nicht zu übersehen.

Der Kult wird gegenüber Heiligen in der Stille der Kirchen und Klöster durch den Klerus seit Jahrhunderten betrieben. Sein Ziel besteht in der Geiselnahme des Bewusstseins der Massen, um es den Interessen derer zu unterwerfen, die den Kult geschaffen haben und unterhalten. Das Bild des starken und unnahbaren Heiligen ist ein künstliches und in der Vorstellung existierendes.

Die Autorität aber bezieht sich auf eine real existierende Person, die nicht unnahbar ist. Hierbei handelt es sich um Personen, die Menschen auf Grund ihrer herausragenden und anerkannten Fähigkeiten führen. Es sind Menschen, die ihr Werk dem Wohle der Gesellschaft weihen. Die wahre Autorität wird auf den Barrikaden des Klassenkampfes geboren.

Die Persönlichkeit Stalins hat nichts mit Kult zu tun, nichts mit religiöser Anbetung, Verehrung und Schwüren. Der Name Stalins ist an sein Ansehen gebunden, an seinen Einfluss und seine Stärke. Also handelt es sich um eine Autorität.

Indem er den Namen Stalins mit der Bezeichnung Kult verband, suchte Chruschtschow, dessen Namen und Werk in den Schmutz zu treten. Das erklärt auch, warum Chruschtschow in seinem Bericht nicht von den Positionen der Klassiker des Marxismus-Leninismus zur Rolle der Autorität als Begriff und gesellschaftliches Phänomen sprach. Dabei hatte Engels wiederholt über diesen Begriff, über die Notwendigkeit und die Rolle der Autorität eines Führers in der Revolution geschrieben: "Aber die Notwendigkeit einer Autorität, und zwar einer gebieterischen Autorität, tritt am anschaulichsten bei einem Schiff auf hoher See zutage. Hier hängt, im Augenblick der Gefahr, das Leben aller davon ab, dass alle sofort und absolut dem Willen eines einzelnen gehorchen."(158)

Und war die Revolution, die Errichtung des Sozialismus und vor allem der Große Vaterländische Krieg zu ihrer Verteidigung nicht vergleichbar mit einem Schiff auf hoher See, das in ein gefährliches Unwetter geraten war? Hätte es ohne die große Autorität Stalins siegreich navigiert werden können?

Weiter geht es bei Engels im gleichen Artikel Von der Autorität: "Jedes Mal, wenn ich dergleichen Argumente den wildesten Antiautoritariern unterbreitete, wussten sie mir nichts zu antworten als: 'Ah! Das ist wahr, aber hier handelt es sich nicht um eine Autorität, die wir den Delegierten verleihen, sondern um einen Auftrag!' Diese Herren glauben die Sache verändert zu haben, wenn sie deren Namen verändern. So machen sich diese tiefen Denker über die Welt lustig."(159)

Offensichtlich gleicht Chruschtschow diesen tiefen Denkern.

Friedrich Engels aber endet seinen Artikel folgendermaßen: "Also von zwei Dingen eins: Entweder wissen die Antiautoritarier nicht, was sie sagen, und in diesem Fall säen sie nur Konfusion; oder sie wissen es, und in diesem Fall üben sie Verrat an der Bewegung des Proletariats. In dem einen wie in dem anderen Fall dienen sie der Reaktion."(160)

Auch Lenin hat über die Rolle der Autorität im revolutionären Kampf geschrieben: "... dass jede maschinelle Großindustrie - d. h. gerade die materielle, die produktive Quelle und das Fundament des Sozialismus - unbedingte und strengste Einheit des Willens erfordert, der die gemeinsame Arbeit von Hunderten, Tausenden und Zehntausenden Menschen leitet. Sowohl technisch als auch ökonomisch und historisch leuchtet die Notwendigkeit ein und ist von allen, die über den Sozialismus nachgedacht haben, stets als eine Voraussetzung anerkannt worden. Wie aber kann die strengste Einheit des Willens gesichert werden? Durch die Unterordnung des Willens von Tausenden unter den Willen eines Einzelnen."(161)

Und an anderer Stelle schrieb er: "Der besondere Platz eines Revolutionär im heißen Kampfgeschehen der Revolution, wo sich selbst die Arbeit einer kleinen Gruppe in Diskussionen auflöst, ist undenkbar ohne die im Kampf erworbene Autorität, die ihre Kraft aus der revolutionären Moral, aus der Moral der Reihen der Volksmassen bezieht." (162) Lenin sagte auch: "Überall in der Welt ist der schwierige Kampf der Arbeiterklasse für ihre endgültige Befreiung ohne autoritäre Führung undenkbar." (163) Und ebenfalls: "Der Marxismus unterscheidet sich von allen anderen sozialistischen Theorien durch die Anerkennung der revolutionären Kraft, den Erfindungsreichtum und die Initiative der Massen als auch durch Persönlichkeiten, die begabt sind, sich mit den anderen Klassen zu verbünden."(164)

In seiner Grabrede für J. Swerdlow im März 1919 hob Lenin hervor: "Die unerschütterliche Treue zum revolutionären Werk (...) brachte solche Führungspersönlichkeiten hervor - die Blume unseres Proletariats."165

Eine solche Führungspersönlichkeit war ohne Zweifel auch Stalin.

In Chruschtschows Rede fehlt die auf marxistisch-leninistischer Grundlage dargestellte Rolle der Massen und der Persönlichkeit in der Geschichte. Er erinnert an Lenin, aber er belässt es dabei. "Lenin hat immer die Rolle des Volkes als Baumeister der Geschichte unterstrichen, die Führungsrolle der Partei als Organisator und Initiator ebenso wie die Rolle des Zentralkomitees. Der Marxismus verneint die Rolle von Führern der Arbeiterklasse in der revolutionären Bewegung nicht."(166)

Wenn man die Frage nach der Rolle Stalins in allen Phasen der Verwirklichung der sozialistischen Gesellschaft - angefangen bei der Vorbereitung und der Leitung der Oktoberrevolution, über die Errichtung der Grundlagen des Sozialismus bis hin zum Großen Vaterländischen Krieg aufwirft -, kommt man nicht umhin, und sei es nur kurz, vom marxistisch-leninistischen Standpunkt aus über die Rolle der Persönlichkeit in der Geschichte zu sprechen. Es ist ausgeschlossen, Stalin unabhängig von der marxistischen Theorie zu betrachten. Der chruschtschowsche Bericht bringt das fertig.

Die marxistisch-leninistische Wissenschaft über die Rolle der Persönlichkeit in der Geschichte bezieht in großen Zügen folgende Positionen:

"Die Volksmassen sind aus verschiedenen Klassen zusammengesetzt.
Die Klassen werden von politischen Parteien vertreten.
Die politischen Parteien werden von mehr oder weniger beständigen Gruppen geleitet, die zusammengesetzt sind von Personen, die den größten Einfluss, Autorität und Erfahrung haben, auf verantwortliche Posten gewählt wurden und als Führer bezeichnet werden."

Lenin sagte, das wäre das Alphabet.

Die Frage des sogenannten Kampfes gegen die Persönlichkeit aufzuwerfen, heißt praktisch, "die Führer in Opposition zu den Massen zu bringen, die Grundlagen der Einheit in der Leitung der Partei zu erschüttern, die auf den demokratischen Zentralismus aufgebaut ist, die kämpferischen Kräfte zu schwächen und die Reihen der Partei aus dem Gleichgewicht zu bringen."(167)

Der Marxismus-Leninismus erkennt die Rolle der Führer im revolutionären historischen Prozess an. Diese Rolle wird durch eine gewisse Anzahl an Faktoren (Elementen) bestimmt:

Faktor I:

1. Zuerst durch die Situation des Landes und des Volkes, das die Persönlichkeit leitet. Von Stalin kann man sagen, dass er ein riesiges rückschrittliches Land geleitet hat, das aus 40 Nationalitäten bestand und dessen Bevölkerung zu 70% aus Analphabeten bestand.

2. Die Erfahrung der Kader und die Möglichkeiten der neuen revolutionären proletarischen Macht. Die UdSSR war das erste sozialistische Land auf der Welt und baute diese Gesellschaft unter extrem schwierigen Bedingungen auf, ohne auf die Erfahrungen anderer zurückgreifen zu können. Also waren die Möglichkeiten des Landes sehr eingeschränkt.

Faktor II:

Die Rolle der Persönlichkeit wird geprägt von den Bedingungen des Klassenkampfes, unter denen die Person wirkt, und vor allem vom Widerstand des Klassenfeindes, dessen Möglichkeiten, seiner Aggressivität, vom Umfang, in welchem er eingreift. Unbestreitbar wäre nach dem Sieg der Oktoberrevolution die sozialistische Entwicklung erfolgreicher und in größeren Schritten vor sich gegangen, wenn nicht innere Widerstände und die Intervention von außen vorhanden gewesen wären. Aber die historische Realität war eine ganz andere: Massiver Widerstand, Bürgerkrieg, Intervention von 14 kapitalistischen Ländern mit einer Armee von einer Million Mann, Sabotage und Spionage in allen Bereichen des Lebens.

Faktor III:

Die Dauer der Leitung des Landes. Es ist nicht die gleiche Sache, ein Land während dreier Monate, dreier Jahre oder dreißig Jahre zu leiten. Stalin hat die Kommunistische Partei und die Sowjetunion mehr als dreißig Jahre lang geführt.

Faktor IV:

Die persönlichen Qualitäten dieser Person. Je mehr Bereiche des gesellschaftlichen Lebens (Ideologie, Politik, Organisation, Diplomatie, Moral usw.) die persönlichen Qualitäten des Führers umfassen, desto so größer ist die Rolle des Führers im historischen Prozess einzuschätzen. Der Marxismus-Leninismus erkennt den Irrtum als menschliche Schwäche an, vor allem in Ländern mit komplexen Problemen. Marx sagte von sich selbst, dass ihm nichts Menschliches fremd wäre: Er regte sich auf, geriet wie jedermann über irgendetwas in Zorn und machte Fehler. Auch Stalin hat mehrmals von seinen Schwächen gesprochen und gesagt, dass er im Verlaufe der Revolution, beim Aufbau des Sozialismus oder während der Jahre des Großen Vaterländischen Krieges Fehler gemacht habe.

Im Vorwort zum ersten Band seiner Werke verweist Stalin auf seine ursprünglich falsche Haltung in der Agrarfrage und seine Meinung zu den Bedingungen des Sieges der sozialistischen Revolution und dass er in diesem Punkt von der richtigen Einstellung Lenins abgewichen wäre.

Stalin hat öffentlich vor der Partei und dem Volk über seine Fehler bei der Errichtung des Sozialismus gesprochen. Es bleibt hinzuzufügen, dass diese Fehler keinen grundsätzlichen Charakter trugen und das Vorwärtsschreiten des Sozialismus nicht einschränkten. Diese Fehler waren unter den konkreten historischen Bedingungen unvermeidlich, trotzdem analysierte Stalin die Ursachen, um zukünftige Fehlentscheidungen zu vermeiden.

Ein ganz konkretes Beispiel ist sein Brief an Scholochow vom 6. Mai 1933 bezüglich der Überschreitung sozialistischer Gesetze auf dem Lande, mit dem er auf zwei sehr kritische Briefe Scholochows über in seiner Region begangene Fehler reagierte. Stalin schrieb ihm:

"Brief an Scholochow, von Stalin persönlich.

Lieber Genosse Scholochow, [21]

infolge Ihrer zwei Briefe und auf Ihre Bitte hin haben wir euch schon Hilfe gesandt. Der Genosse Schkiriatow wird persönlich kommen, um die Lage zu studieren und ich bitte Sie, ihm bei seiner Arbeit zu helfen.

Aber Ihre Briefe, Genosse Scholochow, vermitteln einen einseitigen Eindruck. Ich möchte in einigen Zeilen darauf eingehen. Ich bin Ihnen dankbar, eine Wunde in unserer, der Arbeit der Sowjets und der Partei, aufgedeckt zu haben, indem Sie von unseren Arbeitern sprechen, die in dem Wunsche, den Feind zu bezwingen, draufschlagen, ohne daran zu denken, dass sie sich dem Sadismus nähern.

Das heißt aber nicht, dass ich völlig mit Ihnen einverstanden bin. Sie sehen die Dinge gut, aber Sie sehen Sie nur von einer Seite. Um in der Politik keine Fehler zu machen (denn es handelt sich hier um Politik, nicht um Literatur), muss man verstehen, die Dinge von allen Seiten zu sehen. Und die andere Seite der Dinge in eurer Region (und nicht nur in eurer) ist, dass die ehrenhaften Bauern-Produzenten von Korn verborgenen Widerstand leisten und keine Skrupel haben, die Arbeiter und die Rote Armee ohne Brot zu lassen. Der Fakt, dass die Sabotage nicht gewalttätig ist und den Anschein der Unschuld (ohne Blut fließen zu lassen) trägt, ändert nichts daran, dass die ehrenhaften Bauern-Produzenten einen "samtenen Krieg" mit der Sowjetunion führen. Einen Wucher-Krieg, lieber Genosse Scholochow.

Ganz sicher können diese Betrachtungen in keinem Fall die durch unsere Arbeiter begangenen "Sauereien", wie Sie sie nennen, rechtfertigen. Die Schuldigen sollten die entsprechenden Bestrafungen erhalten, aber es ist nichtsdestotrotz klar, dass die ehrenhaften Bauern-Produzenten nicht so unschuldig sind, wie es von weitem scheinen könnte.

Mit kräftigem Händedruck. Ihr J. Stalin - am 6. Mai 1933"(168)

Dieser Brief Stalins ist ein klassisches Beispiel von bolschewistischer Kritik und Selbstkritik. Er ist ein Beweis dafür, dass Ungesetzlichkeiten und Fehler mit bitterem Schmerz als "die Wunden unserer Arbeit" bezeichnet, verstanden und bestraft werden. Im Brief kommt das Gefühl der Verantwortlichkeit Stalins beim Aufbau des Sozialismus in der UdSSR zum Ausdruck. Stalin wirft übrigens Scholochow nicht vor, die schädlichen Aktivitäten der Feinde der UdSSR unterschätzt zu haben.

Auf dem mühseligen Wege des sozialistischen Aufbaus - wie in einem Wald, wo von allen Seiten geschossen wird - war es schwierig, sich nicht in der Richtung zu irren. Jedermann hätte Fehler begangen und vielleicht noch viel schwerwiegendere.

Die Bedingungen, unter denen Stalin als Oberster Befehlshaber der sowjetischen Streitkräfte während der Jahre des Großen Vaterländischen Krieges tätig war, waren noch viel komplizierter. Dazu vermerkte Marschall Shukow: "Natürlich machte der Oberste Befehlshaber am Anfang Fehler wie jeder andere auch, aber er analysierte sie gründlich und versuchte, daraus Schlussfolgerungen zu ziehen, um sie in Zukunft zu vermeiden." (169) "Leider zog man selbst mit den erhaltenen Auskünften nicht immer die richtigen Schlussfolgerungen für die sichere Orientierung des Obersten Kommandos."(170)

Der Chef des Generalstabs der Sowjetarmee, S. M. Schtschemenko schrieb zum Verhalten Stalins gegenüber Fehlern: "Als das Theaterstück 'Die Front' von Kornejtschuk in den Seiten der 'Prawda' erschien, gab es Leute im Generalstab und unter den verdienstvollen militärischen Führern, die in dem Stück einen Angriff gegen die Rote Armee sahen. Beim Obersten Befehlshaber sind einige Telegramme eingegangen, die die Absetzung der Publikation in der 'Prawda' und das Verbot der Inszenierung forderten. Der Oberste Befehlshaber hat auf eines dieser Telegramme geantwortet: 'Sie haben in der Einschätzung des Stückes Unrecht. Es hat eine große erzieherische Bedeutung für die Rote Armee, und es wäre schlecht, die Augen vor seinen Fehlern zu schließen. Man muss die Courage aufbringen, seine eigenen Fehler anzuerkennen und die nötigen Schritte einzuleiten, um sie abzustellen. Das ist der einzige Weg zur Verbesserung der Roten Armee.'"(171)

Marschall A. M. Wassilewski schrieb seinerseits: "Was die Fehler während der Kriegsjahre betrifft, hat Stalin anlässlich des Empfangs zu Ehren der Armeekommandanten der Roten Armee am 24. Mai 1945 offen gesagt: 'Unsere Regierung hat nicht gerade wenige Fehler gemacht. In den Jahren 1941/42 gab es hoffnungslose Momente. Unsere Armee zog sich zurück und gab Schritt für Schritt Städte und Dörfer in der Ukraine, in Belorussland, in Moldawien, im Leningrader Gebiet, in den baltischen Ländern, in der Karelischen Finnischen Republik auf. Sie verließ sie, weil es keinen anderen Ausweg gab. Ein anderes Volk hätte zur Regierung gesagt: Ihr habt unseren Erwartungen nicht entsprochen, schert euch weg, wir ersetzen euch durch eine andere Regierung, die mit Deutschland Frieden schließt und unsere Ruhe sichert. Aber das russische Volk hat das nicht gemacht, weil es an die Richtigkeit der Politik seiner Regierung glaubte, und es hat enorm viele Menschen geopfert, um der Niederlage Deutschlands sicher zu sein. Dieses Vertrauen des russischen Volkes gegenüber seiner Regierung war die Kraft, die den historischen Sieg über den Feind der Humanität, den Faschismus, errungen hat.'"(172)

Und auf dem XIX. Parteitag der KPdSU im Jahre 1952 sagte Stalin:

"Warum werden die ausländischen kommunistischen Parteien, die nicht an der Macht sind, weniger Schwierigkeiten haben als die russischen Kommunisten zur Zeit des Zaren? Weil sie vor sich das Beispiel der Kämpfe und Niederlagen in der UdSSR und in den anderen Volksdemokratien haben werden. Indem sie die Fehler und Erfolge in diesen Ländern studieren, können sie sich ihre Arbeit erleichtern."(173)

Faktor V:

Die Rolle der Persönlichkeit in der Geschichte hängt davon ab, auf welcher Seite der Barrikade sich diese Persönlichkeit befindet: Auf der Seite des Fortschritts und der Revolution oder eben auf der Seite der Konterrevolution. Noch niemand hat das Verdienst Stalins in der Revolution und beim Aufbau des Sozialismus vorzuweisen. Die Erfolge und Fortschritte der Sowjetunion unter der Führung Stalins bestätigen auf überzeugendste Art und Weise seine historische Rolle. Vielleicht hat der große englische Schriftsteller Bernard Shaw die Erfolge beim sozialistischen Aufbau der Sowjetunion Anfang der dreißiger Jahre am prägnantesten ausgedrückt, als er den Enthusiasmus des sowjetischen Volkes bei der Durchführung des Fünfjahrplanes Stalins beobachtete. Bei seiner Rückkehr in England hat er auf dem Flugplatz erklärt: "Ich komme aus der Zukunft, um mich in die Vergangenheit zu stürzen." (174) Die Zukunft ist die Sowjetunion, die Vergangenheit ist das kapitalistische England.

Zwanzig Jahre später hat Churchill diese Äußerung bestätigt und über Stalin gesagt: "Er übernahm das Russland des Hakenpflugs und hinterließ es im Besitz der Atomwaffe. Die Geschichte vergisst solche Personen nicht."(175)

Die Leute um Chruschtschow, die seine Rede Über den Personenkult und seine Folgen vorbereitet haben, kannten die Positionen des Marxismus-Leninismus über die Rolle der Persönlichkeit in der Geschichte nicht oder haben vielmehr versucht, das historische Werk und die Persönlichkeit Stalins zu verneinen. Selbst im Titel des Berichts ist eine unverschämte Provokation versteckt; er suggeriert das Vorhandensein eines "Kultes" um die Persönlichkeit Stalins und, dass aus diesem Kult "schwere Folgen" für das Land entstanden wären, wie zum Beispiel:

1. Massenrepressalien - Wir haben deren Charakter und Bedeutung bereits behandelt.

2. Das Entstehen von Angst in der Bevölkerung - Wie erklärten sie denn den Enthusiasmus im Volk?

3. Den Verlust der Autorität der Partei und des Vertrauens der Menschen in diese Partei - Obwohl zum Zeitpunkt der Führung des Landes und der Partei durch Stalin deren Autorität und Ansehen am höchsten waren!

Es ist kaum überraschend, dass Chruschtschow sich nicht mit den Erfolgen und Errungenschaften der UdSSR und der Rolle Stalins bei ihrem Erringen abgibt. Wir aber können sie aufzählen:

- Sieg der Großen Sozialistischen Oktoberrevolution(*)
- Sieg im Bürgerkrieg
- Kollektivierung der Landwirtschaft
- Industrialisierung der UdSSR
- Erfolge in der Kultur
- Einheit und Solidarität der sowjetischen Völker(*)
- Sieg im Großen Vaterländischen Krieg
- Befreiung der Völker Europas und Asiens vom Faschismus
- Unterstützung des großen chinesischen Landes, usw.

Laut Chruschtschow hat die enorme Autorität Stalins keine Rolle bei diesen historischen Erfolgen gespielt. Oder anders, man kommt zu der entgegengesetzten Schlussfolgerung, dass genauso gut alle Erfolge wie auch die "schweren Folgen" das Resultat des "Kultes" um die Persönlichkeit Stalins sind. Daraus ist zu schließen, dass die Bekräftigungen Chruschtschows ein einziger Unsinn sind.

Hier die Meinung eines einfachen sowjetischen Bürgers, die er 1987 wiedergab: "Man spricht vom Personenkult um Stalin. Kann man aber einer Nation vorwerfen, dass sie einen guten Führer besitzt, der sein Volk zu wirklichen Erfolgen führt? Kann man verurteilen, was zu begrüßen ist?"(176)

Trotz der historischen Erfolge unter Stalin Führung hat das aus der "Geheimrede" auf dem XX. Parteitag der KPdSU hervorgegangene "Tauwetter" eine große, unerhörte und ununterbrochene, massive Kampagne an Lügen und Verleumdungen ausgelöst, deren Ziel darin bestand, die historische Rolle Stalins beim Aufbau des Sozialismus und im Großen Vaterländischen Krieg zu schmähen und zu verneinen. Seit mehr als fünfundvierzig Jahren wird der chruschtschowsche Nonsens des "Personenkults" durch und um Stalin von den Feinden der UdSSR und des Sozialismus genutzt. Man muss zugeben, dass ihre Anstrengungen Früchte getragen haben.

Im Jahre 1970 schrieb Michail Scholochow anlässlich des 25. Jahrestages des Sieges über das faschistische Deutschland: "Wir dürfen uns nicht verdummen lassen und die Tätigkeit Stalins klein reden. Zum einen ist das eine Schande und zum anderen schädlich für das Land und das sowjetische Volk. Und nicht nur, weil man die nicht richten darf, die gewonnen haben, sondern vor allem, weil es nicht der Wahrheit entspricht."(177)

Ohne Zweifel haben die Verleumdungen und Verleugnungen des historischen Werkes Stalins bei den Mitgliedern der Partei und den Werktätigen in der UdSSR einen Schock und Missbilligung verursacht, aber auch Verwirrung gestiftet. Das führte mit Sicherheit zum Verlust an sozialer Energie und vaterländischem Patriotismus in der UdSSR. Die Ereignisse um den Niedergang der UdSSR liefern dafür den Beweis.

Um die Heuchelei Chruschtschows bezüglich des "Kultes" um Stalin ein weiteres Mal zu verdeutlichen, folgen noch einige Beispiele:

1) Ist das sowjetische Volk Stalins Aufruf zur Erfüllung und selbst Übererfüllung der Fünfjahrpläne mit Enthusiasmus und Heroismus gefolgt - wegen des "Personenkults" um Stalin?

2) Warfen sich die sowjetischen Soldaten mit dem Schlachtruf "Für das Vaterland, für Stalin!" in den Kampf - wegen des "Kultes" oder nicht viel mehr wegen des Glaubens an den Sieg unter Stalins Führung?

3) "Auf der Teheran-Konferenz, als Stalin das Zögern Churchill bei der Ernennung des Oberkommandierenden der zweiten Front und der Festlegung des Datums ihrer Eröffnung feststellte, stand er schroff auf und wandte sich an Molotow und Woroschilow mit den Worten: 'Gehen wir, hier haben wir nichts mehr zu suchen. Wir haben viel an der Front zu tun.' Um die Atmosphäre irgendwie zu entspannen, sagte Roosevelt verbindlich: 'Wir verspüren bereits großen Hunger. Deshalb würde ich vorschlagen, unsere Sitzung zu unterbrechen, um an dem Essen teilzunehmen, das Marschall Stalin uns zu Ehren gibt.'" (178) In den folgenden Tagen wurden das Datum bestimmt und der Befehlshaber der zweiten Front ernannt. ... Was führte zu diesem Ergebnis: Der Kult um Stalin oder seine Autorität?

Die engsten Mitarbeiter Stalins haben niemals von einem "Kult" um seine Person gesprochen. Sie haben nach dem XX. Parteitag der KPdSU ihre Memoiren geschrieben. Alle sprechen seine Erfolge seiner sehr großen Autorität zu. In seinen "Memoiren und Reflexionen" schreibt Marschall Shukow: "Stalin genoss ein sehr hohes Ansehen und seine Wahl zum Obersten Befehlshaber wurde mit einer großen Begeisterung vom Volk und von der Armee begrüßt."(179)

Es ist befremdlich, dass die Intelligenz - Wissenschaftler, Publizisten, Schriftsteller, Journalisten und Politiker - den Nonsens Chruschtschows ohne Kritik anerkennen konnte und mit einer Eigenliebe sondergleichen den Brei des "Personenkults Stalins" löffelte, ohne sich am bitteren Geschmack zu verschlucken.

Befremdlich! Und traurig!


Anmerkungen

[20] Wilhelm Blos (1849-1927), rechter deutscher Politiker (Anm. d. Ü.)
[21] sowjetischer Schriftsteller (1905-1984), u.a. "Der stille Don", "Neuland unterm Pflug"


QUELLENANGABEN

(155) Chruschtschow, Über den Personenkult und seine Folgen, S. 7
(156) Bulgarisches Fremdwörterbuch, S. 382, Sofia 1970
(157) a. a. O. S. 25
(158) (159) (160) Karl Marx/Friedrich Engels - Werke. (Karl) Dietz Verlag, Berlin. Band 18, Auflage 5 von 1973, unveränderter Nachdruck der 1. Auflage 1962, Berlin/DDR. S. 305-308. Nach: "Almanacco Repubblicano per l'anno 1874", aus dem Italienischen.
(161) W. I. Lenin, Werke, Band 36, S. 186, Sofia 1979 siehe auch: Die nächsten Aufgaben der Sowjetmacht, Werke, Bd. 27, S.161 o. AW 6, IV S. 362, Dietz Verlag Berlin 1983
(162) W. I. Lenin, Werke, Band 38, S. 74, Sofia 1979
(163) a. a. O. Band 14, S. 211
(164) a. a. O. Band 16, S. 22
(165) a. a. O. Band 38, S. 73
(166) Chruschtschow, Über den Personenkult und seine Folgen, S. 7-8
(167) Journal Rabotnitschesko Delo vom 15. Juli 1963, Sofia
(168) Prawda, 25. Mai 1990, Moskau
(169) G. K. Shukow, Memoiren und Reflexionen, S. 318-319, Moskau 1974
(170) a. a. O. S. 240
(171) S. M. Schtemenko: "Der Generalstab während des Krieges", Teil 1, S. 55
(172) A. M. Wassilewski: "Ein Werk fürs ganze Leben", Sofia, 1976, S. 522
(173) J. W. Stalin, Rede auf dem XIX. Parteitag der KPdSU, 1952
(174) Bernard Shaw - Rabotnitschesko Delo, vom 25. Mai 1992, Sofia
(175) Winston Churchill - Journal Tribuna Nr. 12, 1994
(176) A. M. Samsonow, Wissen und sich erinnern, S. 210
(177) aus: G. K. Shukow, Memoiren und Reflexionen, S. 320
(178) W. M. Bereshkow: Seiten der diplomatischen Geschichte, S. 321, Sofia 1988 siehe auch: Jahre im diplomatischen Dienst, Dietz Verlag Berlin, 1976, S. 211
(179) G. K. Shukow, Memoiren und Reflexionen, S. 342

Raute

Vorblatt zum Kapitel 8:

"Stalins Kraft war so groß, daß er unter den Führern aller Völker und Zeiten nicht seinesgleichen kennt .... (...) Die Geschichte vergisst solche Personen nicht."

Winston Churchill anlässlich des 80. Geburtstages Stalins am 21. Dezember 1959 (Britische Enzyklopädie)


"Würde Stalin noch leben, wäre unser Land schon lange an führender Stelle in der Welt.... Er hätte einfach und knapp gesagt: Mitbürger, wir können als Siegervolk des Krieges nicht an zweiter oder dritter Stelle sein. Stehen wir auf, um erste zu sein. Und wir hätten uns erhoben."

Interview eines sowjetischen Bürgers ("Moskowskije Novosti", Nr. 18, 1988)


"Sie sprechen von Ihrer 'Ergebenheit' mir gegenüber. Mag sein, dass Ihnen diese Worte nur zufällig entschlüpft sind. Mag sein... Sollten Ihnen aber diese Worte nicht zufällig entschlüpft sein, so würde ich Ihnen raten, das 'Prinzip' der Ergebenheit gegenüber Personen über Bord zu werfen. Das ist nicht bolschewistische Art. Seien Sie der Arbeiterklasse, ihrer Partei, ihrem Staat ergeben. Das ist notwendig und gut. Aber verwechseln Sie diese Ergebenheit nicht mit der Ergebenheit gegenüber Personen, mit diesem hohlen und unnützen intelligenzlerischen Phrasengeklingel. - Kommunistische Grüße. Joseph Stalin"

J. W. Stalin: Brief an Schatunowski, August 1930


*


Kapitel 8: Stalins Autorität

Welche charakteristischen Züge führten zu Stalins Autorität, zu seiner Stärke, diesen von allen anerkannten Einfluss und diese Liebe des Volkes, mit denen es gelang, ein heldenhaftes historisches Werk zu schaffen?

Wir wollen versuchen, die prinzipiellen charakteristischen Züge Stalins anhand der Zeugnisse seiner engsten Mitarbeiter, Genossen und Freunde aufzuzeigen, so, wie sie ihn sahen und beschrieben haben. Wir haben die folgenden Eigenschaften herausgearbeitet:

1. Gründliche Kenntnis des Marxismus-Leninismus
2. Hingabe an die Revolution und an den Sozialismus im Interesse der Werktätigen
3. Unerschütterliche Prinzipienfestigkeit
4. Eine eiserne Logik, eine beachtliche Fähigkeit des Auffassens, Erkennens und Beurteilens, Klarsicht und verständliche Sprache
5. Entschiedenheit, Bestimmtheit, Strenge gegen sich und Ansprüche ohne Zugeständnisse
6. Enormes Organisationstalent
7. Außerordentliches Leistungsvermögen
8. Einfachheit und Bescheidenheit in der Arbeit, in seiner Lebensweise und in seinem Verhältnis zu den Menschen.


1. Gründliche Kenntnis des Marxismus-Leninismus

Bereits in sehr jungen Jahren entdeckt Stalin den Marxismus-Leninismus. Er sagt von sich selbst: "Ich bin mit 15 Jahren in den revolutionären Kampf gegangen, als ich Verbindung zu den russischen marxistischen Gruppen im Kaukasus aufnahm. Diese Gruppen haben auf mich einen großen Einfluss ausgeübt und meine Neugier auf die illegale marxistische Literatur geweckt."(180)

Sein Schulkamerad Shota Iwanowitsch Kwantaliani schreibt: "Als er Schüler im Seminar war, hat Stalin das 'Kapital' von Marx abgeschrieben, weil es nur ein Exemplar gab." (181) Nach einem lateinischen Sprichwort "liest der zwei Mal, der schreibt". Solcherart hat Stalin das "Kapital" von Marx studiert. Später dann, als er am revolutionären Kampf teilnahm und selbst Berufsrevolutionär geworden war, hat er die Werke von Marx und dann auch Lenin studiert, aber auch die Theorien bürgerlicher Philosophen und vor allem historische Werke. Seine sechs Verbannungen nach Sibirien waren seine sechs Universitäten, an denen er die Klassiker studierte. Molotow schreibt: "Stalin las viel, interessierte sich für verschiedene Probleme. Er arbeitete viel an sich." (182) Und auch: "Stalin fasste Neues schnell auf, hatte eine große Aufnahmefähigkeit." (183)

Stalin folgte dem Werk Lenins über die komplexen Bedingungen der Errichtung des Sozialismus und hat wichtige Fragen der marxistisch-leninistischen Theorie entwickelt und erweitert. Diese Errichtung war kein spontaner Akt, sie folgte einer konkreten und tiefgreifenden Analyse der Bedingungen des Klassenkampfes. Eben das beinhaltet die kreative Entwicklung des Marxismus-Leninismus unter den neuen historischen Bedingungen. Molotow schreibt: "Stalin hat eine wertvolle historische Erbschaft über die nationale Frage, die Industrialisierung, über die Kollektivierung und über den Krieg hinterlassen. Man kann nun sagen, dass der Krieg keine Theorie, sondern eine praktische Anwendung ist. Aber dem ist nicht so. Stalin hat darüber viel geschrieben. Er sah weit und gründlich." (184) Das von Stalin hinterlassene historische Erbe ist im Grunde die Fortsetzung der marxistisch-leninistischen Theorie unter den neuen historischen Bedingungen des 20. Jahrhunderts. Nach Lenins Tod wurde der Marxismus-Leninismus siegreich angewandt.


2. Hingabe an die Revolution und an den Sozialismus im Interesse der Werktätigen

Als Antwort auf die unzähligen erhaltenen Glückwünsche zu seinem 50. Geburtstag schrieb Stalin: "Sie können gewiss sein, Genossen, dass ich bereit bin, auch in Zukunft für die Sache der Arbeiterklasse, für die Sache der proletarischen Revolution und des Weltkommunismus alle meine Kräfte, alle meine Fähigkeiten und, wenn es notwendig ist, all mein Blut, Tropfen für Tropfen, hinzugeben."(185)

Stalin ist der marxistisch-leninistischen Theorie treu geblieben und hat sein Leben dem Sieg der Revolution, dem Aufbau des Sozialismus und dem Großen Vaterländischen Krieg gewidmet. Das ist historische Wahrheit.

Molotow sagte: "Allein die Tatsache, dass er das Privateigentum [an Produktionsmitteln] in einem so großen Land wie dem unseren gänzlich zurückdrängen konnte, zeigt seinen Verstand und seine Treue zur Theorie von Marx und Lenin." (186) Und auch: "Keine Person nach Lenin ist Stalin vergleichbar. Weder ich noch Kalinin, noch Dzierzynski noch irgendein anderer haben ein Zehntel von dem vollbracht, was Stalin geleistet hat."(187)

Einer der engen Mitarbeiter Stalins, der General Schtschemenko, schreibt: "Die Arbeit war sein Leben. Während der Kriegszeit zum Beispiel verschnaufte Stalin nicht einen Augenblick."(188)

Nach dem Krieg hat Stalin bereits 1947 angeregt, das System der Rationierung des Kaufs von Bedarfsgütern auf Marken abzuschaffen, zu einem Zeitpunkt, als Länder wie England oder Frankreich es noch hatten. Molotow schreibt diesbezüglich: "Nach dem Krieg haben wir von 1947 bis 1954 sieben Mal die Preise auf die Hälfte oder ein Drittel gesenkt. Das war unglaublich, zumal England während dieses Zeitraum noch das Markensystem aufrecht erhielt."(189)

Die engen Mitarbeiter Stalins zitieren häufig viele Beispiele und Tatsachen, die Stalins Sorgen für die arbeitenden Massen bestätigen. "Es gab eine interessante Sache, die den Marschall Wassilewski betraf. Er hat mir über seinen Besuch bei Stalin erzählt. Dieser hatte angefangen, ihm Fragen über seine Familie zu stellen. Sein Vater war ein einfacher Priester, und Wassilewski unterhielt keine Beziehungen mehr zu ihm. Stalin wusste davon. 'Man darf seine Eltern nicht vergessen,' hatte ihm Stalin gesagt. 'Sie werden mir lange einiges schuldig sein.' Dann hat er aus einem Schubfach einen Ordner voller Postüberweisungen genommen. Stalin hatte regelmäßig Geld an den Vater Wassilewskis überwiesen, ihm in den Glauben lassend, dass es von seinem Sohn käme. 'Ich war betroffen und konnte nichts sagen,' erzählte der Marschall."(190)

Viele Briefe Stalins an seine Nächsten sind erhalten. Zitieren wir zwei an seine Mutter, Jelena Dschugaschwila:

"J. W. Stalin an J. Dschugaschwila am 22. Dezember 1931

Sei gegrüßt, meine Mutter!

Deinen Brief habe ich bekommen. Zum Glück vergisst Du uns nicht. Ich bin in Deiner Schuld, weil ich Dir letztens nicht geschrieben habe. Zu viel Arbeit hat sich bei mir angesammelt, und ich habe es nicht geschafft, ein bisschen Zeit zu finden, um Dir zu schreiben. Pass auf Dich auf. Und schreib mir, wenn Du etwas brauchst. Nadja schickt Dir das Medikament. Bleib stark und vor allem gesund.

Mir geht es gut. Tausend Jahre sollst Du leben. Dein Sosso." (191)


"J. W. Stalin an J. Dschugaschwila am 24. März 1934

Sei gegrüßt, meine Mutter!

Deinen Brief habe ich bekommen, auch die Konfitüre und die Feigen. Die Kinder haben sich sehr darüber gefreut und bedanken sich herzlich und grüßen Dich.

Wir freuen uns, dass Du Dich gut und munter fühlst.

Mir geht es gesundheitlich gut, mach Dir keine Sorgen um mich. Ich werde allem widerstehen. Ich weiß nicht, ob Du Geld brauchst. Für alle Fälle schicke ich Dir 500 Rubel. Ich schicke Dir auch Fotos, das meine und das der Kinder.

Bleib gesund, meine Mutter. Bleib stark

Ich umarme Dich. Dein Sohn Sosso."(192)


3. Unerschütterliche Prinzipienfestigkeit

Diese Prinzipien betreffen jeden, genauso gut seine Mitarbeiter wie auch seine Familie. Der ehemalige Minister für Landwirtschaft, I. A. Benediktow, schreibt dazu: "Weder Freundesbande noch persönliche Treue noch verwandtschaftliche Beziehungen genossen bei Stalin Priorität. Im Gegenteil, er war viel anspruchsvoller und viel strenger gegenüber Menschen, die er mochte. Ich denke an Molotow, Shukow, Wosnessenski, an den Flugzeugkonstrukteur Jakowlew und an einige andere. Die Interessen des Landes und des Sozialismus standen über allem."(193)

Der Adoptivsohn Stalins, Artem, sagte: "Jakow und ich sind Artilleristen geworden und Wassili Pilot. Alle drei sind wir an die Front gegangen. Vom ersten Tag an hat Stalin telefoniert, damit wir unverzüglich mobilisiert werden. Das war das einzige Privileg, das er uns als Vater zugestand. (...) Es gibt Briefe von Wassili an seinen Vater. In einem davon bittet er, ihm Geld zu schicken: Ein Getränkestand hatte in seiner Division eröffnet und er wollte sich auch eine neue Uniform machen lassen. Unser Vater hat ihm erklärt: '1) Nach allem, was ich weiß, ist die Verpflegung in der Roten Armee ausreichend. 2) Eine besondere Uniform für den Sohn Stalins in der Roten Armee ist nicht vorgesehen.' Also hat Wassja kein Geld erhalten."(194)

Dann gibt es auch die Geschichte des Stalin-Sohnes Jakow: Im Jahre 1941 wurde Jakow von den Deutschen gefangen genommen. Letztere versuchten ergebnislos, ihn gegen die UdSSR auszunutzen. Die Deutschen ersannen 1943 den Vorschlag, Jakow gegen Marschall Paulus auszutauschen. Stalin unternahm nichts. Auf die Bemerkung Molotows, dass Jakow immerhin sein Sohn wäre, antwortete Stalin: "Alle an der Front sind meine Söhne."(195)

Es gibt Journalisten, die dieses Ereignis ausnutzen, um von der Grausamkeit Stalins zu sprechen. Wie aber hätten die Eltern der tausenden Kriegsgefangenen reagiert, die nicht ausgetauscht werden konnten? Und alle Opfer der Schlacht von Stalingrad, die auf einen Schlag verleugnet worden wären?

Die falschen Humanisten können auf diese Fragen nicht antworten.

Als Jakow 1943 durch die Deutschen getötet worden war, hat Stalin seinen Kummer bis zum Ende des Krieges unterdrückt. Molotow sagte: "Stalin teilte seinen Kummer selbst nicht mit seiner unmittelbarsten Umgebung. Der einzige, dem gegenüber er sich mitteilte, war sein alter Freund Kaftaradze in Tbilissi, den er nach dem Krieg zu sich einlud. "Zum Frühstück hat Stalin zu ihm mit leiser Stimme gesagt: 'Sie haben meinen Sohn getötet, den Georgier,' und hat nach einer rituellen Geste das Brot in den Wein getaucht und es auf den Tisch gelegt. Später ist er nie wieder auf diese Frage zu sprechen gekommen."(196)


4. Eine eiserne Logik, eine beachtliche Fähigkeit des Auffassens, Erkennens und Beurteilens, Klarsicht und verständliche Sprache

Die nächsten Mitarbeiter Stalins sprechen von seinen Fähigkeiten. Molotow sagt: "Es gab und es gibt keinen methodischer arbeitenden und talentierteren Mann als Stalin. Niemand nach Lenins Tod konnte sich in der jeweiligen Situation besser orientieren als er. (...) Ich erkenne ihn als einen der unersetzbaren Großen an." (197) "In den Sitzungen notierte Stalin selbst, oder er diktierte Poskribischew. Er formulierte alles sehr exakt, sehr schnell und nicht nur die großen Linien. Meistens gab er ein fertiges Dokument ab."(198)

Marschall Shukow schreibt: "Seine intellektuellen Fähigkeiten, seine Erfahrung in der politischen Leitung, sein sehr großes Faktenwissen und seine unglaubliche Intuition erlaubten es Joseph Wissarionowitsch Stalin, militärische Operationen zu führen. Er war fähig, den schwachen Punkt in der strategischen Lage zu finden und nutzte ihn, um die Absichten des Feindes zu durchkreuzen und aus einer Operation heraus in die Offensive zu gehen. Ohne Zweifel verdiente er es, Chefkommandierender zu sein."(199)

Marschall Wassilewski schreibt so: "J. W. Stalin hatte nicht nur Verstand, sondern besaß auch ein erstaunlich hohes Wissen." (200) "Um zu demonstrieren, wie der Oberbefehlshaber die sich im Kaukasus bildende strategische Situation einschätzte und in welche Richtung er die zukünftigen Operationen unserer Armeen in diesem Frontabschnitt lenken wollte, will ich ein Telegramm Stalins zitieren, das am 4. Januar 1943 dem Generalstab der Kaukasus-Front für Armeegeneral J. W. Tjulenew diktiert wurde. Ich zitiere es, um das Vermögen Stalins als Oberster Befehlshaber, als Mann der Aktion aufzuzeigen, der bewaffneten Kräfte im großen Maßstab dirigierte. Es gibt viele andere Dokumente aus dem Krieg, die von Stalin selbst kommen und anhand derer man feststellen kann, wie er operationelle und strategisch sehr wichtige Probleme gelöst hat. Dieses Telegramm aber, wie manche anderen Dokumente auch, erlaubt eine Einschätzung der militärischen Kompetenz des Obersten Befehlshabers. Und hier der Text:

"Erstens. Der Feind zieht sich aus dem Nordkaukasus zurück, verbrennt die Lager und zerstört die Straßen. Die Nordgruppe unter Maslennikow formt eine Reservegruppe mit der Aufgabe, dem flüchtenden Feind zu folgen. Wir sind nicht daran interessiert, den Feind aus dem Nordkaukasus zu verjagen, sondern ihn eher zurück zu halten, einzukreisen und durch die Schwarzmeergruppe anzugreifen. Aus diesem Grunde wird das Zentrum der Operation der Kaukasus-Front in den Abschnitt der Schwarzmeer-Gruppe verlegt, was weder Maslennikow noch Petrow begriffen haben.

Zweitens. Das 3. Infanterie-Korps sofort in den Bereich der Nordgruppe verlegen und es im Eiltempo in den Sektor der Schwarzmeergruppe überführen. Maslennikow kann die 58. Armee in Aktion versetzen, die in Reserve und inaktiv bei ihm ist und sehr nützlich im Fall einer gelungenen Offensive werden kann.

Die erste Aufgabe der Schwarzmeergruppe ist die Besetzung der Westseite von Tichorezk, um den Feind daran zu hindern, sein Material abzuziehen. Hilfe leisten euch dabei die 51. Armee und eventuell die 28.

Eure zweite und wichtigste Aufgabe ist, eine starke Einheit zu bestimmen für das Zusammengehen mit der Schwarzmeergruppe, die Bataisk und Asow einnimmt, über Rostow Richtung Osten marschiert und die Kaukasus-Gruppe Nord des Feindes einschließt und unschädlich macht und sie zu Kriegsgefangenen erklärt. Bei dieser Aufgabe werdet ihr unterstützt von der linken Flanke der Südfront Jerjomenkos, der die Aufgabe hat, im Norden von Rostow Stellung zu beziehen.

Drittens. Petrow befehlen, seine Offensive im vorgesehenen Zeitraum zu beginnen, ohne eine Sekunde zu zögern und ohne auf alle Reserven zu warten. Petrow war immer in der Defensive gewesen und hat nicht viel Erfahrung in der Offensive. Erklärt ihm, dass er mit jedem Tag und jeder Stunde rechnen muss.

Viertens. Unverzüglich in den Bereich der Schwarzmeergruppe einrücken und die Ausführung der vorliegenden Direktive absichern." (Ende des Telegramm-Textes)

Alle verstanden, dass es darum ging, die Deutschen am Verlassen des Kaukasus zu hindern, ihre Umgruppierung anzuhalten, zumal sie bis zum Vortag unverschämt in den Süden vordrangen, in Richtung Elbrus, Georgien und Aserbaidschan. Eben darin bestand die Aufgabe des Tagesbefehls."(201)

Bezüglich Stalins eiserner Logik schrieb Churchill: "Stalin war ein außergewöhnlich energischer (...) Mann, (...) schonungslos in der Sache, wie im Gespräch, dem selbst ich, der ich im englischen Parlament groß geworden bin, nichts entgegenzusetzen vermochte ..." (202)

Und Marschall Wassilewski sagte, dass er niemals einem solchen Gedächtnis begegnet sei, dass Stalins Gedächtnis außerordentlich wäre.(203)

Im Unterschied zu den Theoretikern Marx, Engels und Lenin hatte Stalin die Gabe, selbst die komplexesten theoretischen Probleme in einer einfachen und klaren und für alle Menschen verständlichen Sprache wiederzugeben. Eben deshalb verstanden ihn die Werktätigen, wenn er sich an sie wandte, um ihnen die Politik der KPdSU und der sowjetischen Regierung zu erklären. Der Schriftsteller Maxim Gorki sagte von Stalin: "Das ist ein Mensch von tiefgründiger Intelligenz und einem riesigem Herzen."(204)

Dies sind die Urteile derer, die mit ihm gearbeitet haben und ihn näher kannten.


5. Entschiedenheit, Bestimmtheit, Strenge gegen sich und Ansprüche ohne Zugeständnisse

Die Eigenschaften Stalins waren in Kämpfen, während der Verhaftungen und Verbannungen in den Jahren vor der Oktoberrevolution geprägt und gestählt worden. Sie wurden erneut sichtbar bei der geduldigen und ausdauernden Bewältigung vorgefundener Schwierigkeiten auf dem Wege des Aufbaus des Sozialismus und während des Großen Vaterländischen Krieges. L. M. Kaganowitsch schrieb zu Stalins Arbeit zu Lebzeiten Lenins: "Im Jahre 1922 hat Preobraschenski darauf aufmerksam gemacht, dass Lenin in zwei Komitees war, dem für nationale Fragen und dem der Arbeiter- und Bauerninspektion. Lenin hat geantwortet, dass Stalin der einzige wäre, der sich in der nationalen Frage auskennen würde und dass für die Inspektion eine energische Hand benötigt werde." (205) Und außerdem schrieb Kaganowitsch: "Stalin war eisern, standhaft, sicher, innerlich immer in Bewegung und bereit."(206)

Der ehemalige Minister für Landwirtschaft der UdSSR, I. A. Benediktow äußerte sich so: "Die Verantwortlichkeit für Fehler war persönlich und konkret. Nicht wie jetzt, wo sich Milliarden in Luft auflösen und man keinen Verantwortlichen dafür findet. Zu unserer Zeit war eine solche Situation einfach unhaltbar. Ein Minister, der sein Budget um 2 bis 3 Millionen Rubel überschritt, riskierte nicht nur seinen Posten, sondern auch sein Leben. Das erscheint manchem vielleicht grausam, aber vom Standpunkt der Interessen des Volkes und des Staates aus ist diese Vorgehensweise meiner Meinung nach durchaus gerechtfertigt."(207)

Die Strenge und seine Ansprüche ohne Zugeständnisse von Seiten Stalins sind während des Vaterländischen Krieges entscheidend gewesen. Marschall Shukow bemerkte dazu: "Durch seine äußerst harten Ansprüche setzte er, das kann man schon sagen, fast Unmögliches durch." (208) Und Marschall Wassilewski schrieb: "Es gehörte zu einem Charakterzug des Stalinschen Arbeitsstils als Oberbefehlshaber, dass er große Anforderungen stellte. Sein Ton war ernst, was unter den Bedingungen des Krieges durchaus gerechtfertigt war. Er verzieh nie Ungenauigkeit in der Arbeit und die Unfähigkeit, eine Sache bis zum Ende zu führen, selbst wenn der Fakt einen bis dahin unfehlbaren Genossen betraf."(209)

Marschall Wassilewski führte dazu folgendes Beispiel an:

"Am frühen Morgen des 17. August (1943) war ich in den vordersten Linien des Befehlsstands der 46. Armee. Ich habe von Stalin folgendes Telegramm erhalten:

'An Marschall Wassilewski. Es ist 3 Uhr 30, der 17. August, und Sie sind immer noch nicht Ihrer Pflicht nachgekommen, dem Obersten Kommando den Rapport der Operation vom 16. August und Ihre Einschätzung der Lage zu übersenden. Es ist lange her, dass ich von Ihnen als Repräsentant des Obersten Kommandos gefordert habe, am Ende jeden Tages die speziellen Daten der Operation zu übersenden. Fast jedes Mal haben Sie Ihre Pflicht vergessen und dem Obersten Kommando keinen Rapport übersandt.

Der 16. August ist der erste Tag einer äußerst wichtigen Operation an der Süd-West-Front, wo Sie der Oberste Befehlshaber sind. Trotzdem haben Sie sich erlaubt, Ihre Pflicht gegenüber dem Obersten Kommando zu vergessen und nicht die erwarteten Informationen übersandt.

Ich warne Sie letztmalig. Wenn Sie sich noch ein Mal erlauben, Ihre Pflicht gegenüber dem Obersten Kommando zu vergessen, werden Sie vom Posten des Generalstabschefs abgesetzt und von der Front abberufen.'

Dieses Telegramm hat mich erschreckt. In den Jahren meiner gesamten Dienstzeit in der Armee habe ich nicht die geringste Verwarnung erhalten. Mein einziger Fehler im vorliegenden Fall bestand in der Tatsache, dass ich am 16. August wirklich den regelmäßigen Rapport um einige Stunden verzögert habe, weil ich mich als Repräsentant des Obersten Kommandos in der Armee von Glagolew befand. Während meiner gesamten Arbeit mit Stalin und vor allem während des Großen Vaterländischen Krieges spürte hatte ich immer seine große Aufmerksamkeit, ich würde selbst sagen, ausgesprochene Sorge um mich gespürt, die ich nicht zu verdienen glaubte. Was war geschehen?

Nach meiner Rückkehr zum Frontkommando habe ich sofort meinen ersten Stellvertreter im Generalstab, A. I. Antonow, angerufen. Ich fühlte, dass er ebenso beunruhigt war über das Geschehene und versuchte, mich mit allen Mitteln zu beruhigen. Er sagte mir, dass der von Stalin geforderte Rapport an das Oberste Kommando abgegangen wäre, aber erst nach der Nachricht von Stalin. Antonow hat beruhigend hinzugefügt, dass Stalin ihm Weisung gegeben habe, den Brief nicht bekannt zu geben und persönlich aufzubewahren. Er vertraute mir auch an, dass das schwache Vorgehen der Offensive auf den Fronten von Woronesch und im Südwesten den Obersten Befehlshaber sehr beunruhige. Weil er meinen Rapport nicht erhalten hatte, versuchte Stalin, mich per Telefon zu erreichen. Ohne Erfolg. Und dann hat er Antonow den Text diktiert, von dem ich eben sprach.

Ich fügte nur hinzu, dass Stalin immer so kategorisch wäre. Er forderte eine gleiche Disziplin von jedem der Vertreter des Obersten Kommandos. Wir durften uns unserer Einschätzung gemäß nur in den Grenzen der Fronten bewegen, deren Zusammenarbeit wir zu koordinieren hatten. Um uns zu einer anderen Front zu begeben, brauchten wir eine spezielle Genehmigung des Obersten Befehlshabers. Ich schätze ein, dass der Mangel an Lockerheit gegenüber den Vertretern des Obersten Kommandos im berechtigten Interesse der operationellen Führung der Schlachten war. Der Oberste Befehlshaber folgte sehr aufmerksam der Bewegung der Ereignisse an den Fronten, reagierte sehr schnell auf auftretende Wechsel und hatte die Führung der Armee in festen Händen."(210)

Es gibt schlecht informierte Menschen, oder politisch tendierende, oder einfach Leute, die nicht mehr wissen, wem zu glauben ist, weil sie durch die imperialistische Propaganda manipuliert wurden, die da meinen: "Das sind keine hohen Ansprüche, das ist brutal." Tatsache aber ist, dass dieses Verhalten unter den grausamen Bedingungen des entscheidenden Kampfes für das Land ein außerordentlich großes Verantwortungsbewusstsein gegenüber dem Vaterland und dem Volk zeigt. Dieses Anspruchsverhalten war nicht nur notwendig, sondern unabdingbar und von größtem Nutzen für die siegreiche Entwicklung der UdSSR und hier in erster Linie für den Sieg im Großen Vaterländischen Krieg.

Wir wollen dazu erneut den Marschall Wassilewski zitieren: "Ich möchte noch ein Mal unterstreichen, dass die sowjetischen Armeen widerstanden, den Druck des Feindes ausgehalten haben, der uns an Stärke und Bewaffnung überlegen war, Dank der großen Rolle der gebündelten energischen Führung des Zentralkomitees der Partei und des Staatlichen Komitees für Verteidigung mit Stalin an der Spitze."(211)

Und Marschall Wassilewski schrieb auch: "In meinem Gedächtnis bleibt Stalin ernst, mit einer großen Willensstärke als militärischer Leiter, die mit einem persönlichen Charisma verbunden ist." (212) Was dieses Charisma betrifft, wollen wir eine der zahlreichen Gespräche zitieren, die Marschall K. K. Rokossowski während des Krieges mit Stalin führte: "Ich nahm den Hörer und meldete mich. Als Antwort hörte ich die ruhige und gleichmäßige Stimme des Obersten Befehlshabers. (...) Ich erklärte ihm die vorgesehenen Maßnahmen des Gegenangriffs. 'Wir bitten euch, noch einige Zeit auszuhalten, wir werden euch helfen.' Seine warme und väterliche Stimme drückte Sicherheit, Tatkraft und moralische Unterstützung aus."(213)


6. Kolossales Organisationstalent

Die organisatorischen Fähigkeiten Stalins wurden vor allem während des Krieges bewiesen, als er auf seine Schultern das Gewicht der historischen Verantwortung für die Partei, den Staat und die Armee nahm. Während dieser Jahre war er:

- Generalsekretär des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei
- Vorsitzender des Rates der Volkskommissare der UdSSR (ab 1946 Ministerrat)
- Vorsitzender des Staatlichen Verteidigungskomitees der UdSSR
- Oberster Befehlshaber.

Die Konzentration einer solchen Verantwortlichkeit (ohne Gehaltssteigerung!) auf eine einzige Person in einem großen Land wie der UdSSR kennt in der Geschichte der Menschheit keinen Vorläufer.

Es gibt mittelmäßige Menschen, die sich die Schwere dieser Aufgabe nicht vorstellen können, die diese Tatsache als antidemokratischen Zentralismus betrachten und sie "Totalitarismus" nennen. Aber das Leben und die gesellschaftliche Praxis haben die Notwendigkeit einer solchen Zentralisation unter den konkreten historischen Bedingungen des verschärften Klassenkampfes bewiesen.

In den Jahren der Errichtung des Sozialismus in der UdSSR war der Klassenkampf unbarmherzig. Um zu widerstehen und dem Sozialismus zum Sieg zu verhelfen, brauchte es eine eiserne Disziplin, eine ständige revolutionäre Wachsamkeit und eine große Zentralisierung der Leitung des Landes. Die Millionen Menschen in der UdSSR haben das verstanden, und sie trugen mit Begeisterung den Namen Stalins voran in alle Schlachten - im zivilen Leben wie an der Front. Es ist dieses Vertrauen und diese Wertschätzung für ihren Führer, die die Realisierung der sozialistischen Erfolge in sehr kurzer Zeit erlaubte: Die Industrialisierung, die Kollektivierung, die Kulturrevolution und die Vorbereitung des Landes auf den Krieg. Die entscheidende Rolle für diese Erfolge spielten zweifellos die leitenden Kader der Kommunistischen Partei und des Landes unter Stalins Leitung.

S. M. Kirow sagte 1934, dem Jahr seines tragischen Todes, dass Stalin "eine herausragende Willenskraft und ein kolossales Organisationstalent" besäße.(214)

Die persönlichen Fähigkeiten Stalins und hier in erster Linie seine organisatorischen Fähigkeiten haben sich als entscheidender Faktor für die Erfolge der UdSSR erwiesen.

Die Autorität Stalins verbreitete Hoffnung und Optimismus. Sie gab den Massen Mut und die Kraft, sich für die Durchführung der Pläne der Partei einzusetzen.

Die Zentralisierung der ganzen Macht der Sowjetunion in den Händen einer Person, deren Autorität Vertrauen einflößte, Hoffnung und Optimismus, erwies sich noch viel wichtiger in den Jahren des Krieges.

Marschall Wassilewski schrieb: "Stalin war kein Berufsmilitär. War es also gerechtfertigt, ihn an die Spitze des Obersten Kommandos zu stellen? Ja, das war ohne Zweifel gerechtfertigt. (...) In dieser extrem schwierigen Periode war, den Erfahrungen Lenins im Bürgerkrieg folgend, die beste Lösung die Konzentration der Leitungsfunktionen von Partei, Staat, Wirtschaft und der militärischen Operationen in den Händen einer einzigen Person. Wir mussten das Land als Militärlager organisieren, Front und Hinterland vereinigen, alle unsere Kräfte der einen Aufgabe unterordnen - der Vernichtung der faschistischen deutschen Eroberer. Und als Stalin als Generalsekretär der KPdSU und Vorsitzender des Rates der Volkskommissare der UdSSR zum Vorsitzenden des Staatlichen Verteidigungskomitees der UdSSR und zum Obersten Befehlshaber ernannt wurde, haben sich die Aussichten auf den Sieg wesentlich erweitert. Eine solche Vereinigung von Funktionen der Partei, des Staates und der militärischen Führung in der Person Stalins bedeutete nicht, dass er in den Jahren des Krieges alle Fragen nach seinem eigenem Wunsch entschied."(215)

Und Wassilewski schrieb auch: "Ich kann Dokumente liefern, die von der großen Rolle des Obersten Befehlshabers bei der Führung der Front zeugen und beweisen, dass er sowohl als Organisator als auch als Führer der Aktionen unserer Armeen auf der Höhe seiner Aufgaben war."(216)

Marschall Shukow drückte es so aus: "Der Oberste Befehlshaber hat sich, undich sage es ganz unverblümt, als GROßER ORGANISATOR gezeigt, sei es bei seiner Organisation der für die Operationen notwendigen gesamten Ausrüstung, der Schaffung strategischer Reserven, der Produktionsorganisation von Kriegsmaterial und im Allgemeinen durch die Aufstellung des ganzen für den Krieg notwendigen Kontingentes. Es wäre ungerecht, das nicht anzuerkennen." (217) Marschall Shukow unterstrich: "Stalin war ohne Zweifel ein verdienstvoller Oberbefehlshaber."(218)

So sind die Fakten und die historischen Tatsachen. Sie sprechen für sich. Sie zeigen, dass die Führung des Landes durch Stalin seine Berechtigung hatte.

Nach dem Vorliegen solcher Fakten und Beweise ist es traurig zu sehen, dass gewisse Wissenschaftler, Professoren und Akademiker noch heute "beweisen" wollen, dass die UdSSR zur Zeit Stalins eine "totalitäre" Leitung hatte und seine Machtstellung "Stalinscher Totalitarismus" nennen - gemäß den Formulierungen, die durch die Agenturen und Forschungseinrichtungen der CIA entwickelt wurden.

Nach allem, was wir weiter oben zu den Verdiensten des Obersten Befehlshabers zum Sieg über das faschistische Deutschland und zu den Erfolgen beim Aufbau des Sozialismus unter der Führung Stalins ausgeführt und was die großen Armeeführer der Sowjetarmee bezeugt haben, ist es eigentlich kaum der Mühe wert, zu den Vorwürfen Stellung zu nehmen. Wir wollen trotzdem festhalten:

1) Der Begriff "Totalitarismus" ist vom altlateinischen Begriff totalis abgeleitet, was ganz und gar, völlig bedeutet [im Deutschen abgeleitet a. d. Latein. auch totaliter]. In der Politik wird damit die Konzentration der gesamten, der völligen Macht in die Hände einer einzelnen Person oder eines staatlichen Organismus bezeichnet.

2) Der Begriff stalinistischer Totalitarismus wurde von den Feinden des Sozialismus in das zeitgenössische politische Vokabular eingeführt, um ihn der vermeintlich demokratischen kapitalistischen Macht entgegenzustellen, die nicht zentralisiert, nicht totalitär wäre. Damit wird unterstellt, dass die Sowjetmacht [russ. sowjet = Rat] eine antidemokratische Macht ist. Zielstellung ist also deren Kriminalisierung.

3) Die Konzentration einer enormen Macht in den Händen einer einzelnen Person unter den historischen Bedingungen der Errichtung einer bis dahin einzigartigen sozialistischen Gesellschaft und des grausamen Krieges war unter der gerechten Politik für das Volk und das Vaterland NOTWENDIG und DIENLICH gewesen. Friedrich Engels schrieb zu diesem Problem: "Es war der Mangel an Zentralisation und an Autorität, der die Pariser Kommune das Leben gekostet hat. (...) Und wenn man mir von Autorität und von Zentralisation wie von zwei unter allen möglichen Umständen verdammenswerten Dingen spricht, dann scheint mir, dass diejenigen, die so sprechen, entweder nicht wissen, was eine Revolution ist, oder dass sie Revolutionäre nur mit Phrasen sind."(219)

4) Die Konzentration der Macht in den Händen einer einzigen Person bedeutet nicht, dass die Entscheidung individuell getroffen wird. Richtig ist vielmehr der umgekehrte Fall: Während der gesamten Periode des sozialistischen Aufbaus und während der Kriegsjahre stützte sich Stalin als oberster Leiter auf das Kollektiv aus Spezialisten im Zentralkomitee der kommunistischen Partei ebenso wie auf qualifizierte Fachleute und die Mitglieder des Rates der Volkskommissare sowie auf den Generalstab der Roten Armee und während des gesamten Krieges auf die Erfahrungen der Frontkommandeure.

5) Die Entscheidung, eine enorme Macht in die Hände Stalins zu legen, erwies sich als richtig und vorausschauend. Sie wurde durch seine persönlichen Eigenschaften begründet. Unter seiner Führung errangen die sowjetischen Völker unglaubliche historische Siege - den Aufbau des Sozialismus, ohne über ein Beispiel zur Errichtung einer solchen klassenlosen Gesellschaft zu verfügen, und den Sieg über die faschistische Barbarei, die der Sowjetunion an materieller Stärke überlegen war.

Sicherlich sind die Personalität und die Eigenschaften desjenigen, der die Macht besitzt, entscheidend für die siegreiche Anwendung dieser Macht. Stalin hatte sowohl die erforderlichen Eigenschaften als auch die Persönlichkeit. Aber noch entschieden wichtiger ist, in wessen Interesse diese Macht genutzt wird. Zu Stalins Zeiten hat die Macht den wesentlichen Interessen der arbeitenden Massen gedient und erfüllte eine historisch fortschrittliche und revolutionäre Aufgabe.

Wenn diese Machtkonzentration in den Händen einer Monarchie, eines Präsidenten oder den Organen der Bourgeoisie ist und den Interessen der ausbeutenden Klasse dient, ist sie reaktionär, gegen das Volk gerichtet und undemokratisch.

Konsequenterweise kann also die gesellschaftliche Erscheinung, die sich aus der Konzentration der Macht ergibt, negativ oder positiv sein.

Die dezentralisierte "nicht totalitäre" Macht der großen kapitalistischen Länder ist reaktionär, gegen das Volk gerichtet und undemokratisch, denn sie dient den Interessen einer ausbeutenden Minderheit, der Kapitalistenklasse.

Es ist erschreckend, dass es Intellektuelle und Wissenschaftler gibt, die den Begriff "Totalitarismus" benutzen, dessen Ziel doch ganz offen sichtbar die Verleumdung und das in den Schmutz treten der Sowjetmacht vor allem zu Stalins Lebzeiten ist. Das heißt, sie naschen nach wie vor vom süßen Honig des Nonsens und der Erfindung des "Personenkults" um Stalin. Es ist unverzeihlich, dass Wissenschaftler die faschistische Diktatur und die Diktatur des Proletariats gleichsetzen, weil sie den grundlegenden Unterschied der faschistischen Diktatur des großen bürgerlichen Finanzkapitals zur Diktatur des Proletariats weder sehen noch erkennen wollen, genau so wenig, wie sie erkennen, dass die Diktatur des Proletariats den siegreichen Übergang vom Kapitalismus zum Sozialismus absichert.

Wir zitieren hier den sowjetischen Dissidenten A. Zinowjew: "Der Westen hat der Menschheit eine fehlerhafte Sicht auf den Faschismus und den Kommunismus aufgedrückt und sie als dieselben Erscheinungen, als Varianten irgendeines "Totalitarismus" gleichgesetzt. Und Millionen Menschen haben diese Lüge der westlichen Ideologie als Köder geschluckt!"(220)


7. Außerordentliches Leistungsvermögen

Eine lebenslange Eigenschaft Stalins war sein großes Leistungsvermögen. B. Baschanow, ehemaliger Sekretär Stalins, sagte: "Auf dem Schreibtisch Stalins lagen immer viele Bücher und Manuskripte. Stalin las und schrieb viel, bereitete sich selbst auf Diskussionen und Reden vor."(221)

Und W. M. Molotow schrieb in seinen Memoiren: "Durch den Ministerrat wurden viele Verordnungen, oft Hunderte wöchentlich, angenommen. Die UdSSR ist ein riesiges Land. Alle Verordnungen wurden von Poskribischew im Paket vorbereitet und wurden Stalin zur Unterschrift vorgelegt. Das waren große Stapel, es war schon nicht einfach, sie auseinander zu nehmen. Nichtsdestotrotz verließen sie sein Arbeitszimmer alle mit seiner Unterschrift."(222)

Stalin unterbrach seine Tätigkeit weder im Kreml noch zu Hause bei sich in Kuntzewo. Er ließ sich gerade mal die Zeit zum Schlafen. Von seinem Leistungsvermögen zeugen seine nächsten Mitarbeiter, die Tag und Nacht mit ihm arbeiteten. So schrieb zum Beispiel S. M. Schtemenko: "Stalin hat im Generalstab die Arbeit rund um die Uhr eingeführt und teilte persönlich die Arbeitszeit der einzelnen Führungsabteilungen ein. Der Oberste Befehlshaber nahm drei Mal innerhalb von 24 Stunden den Rapport ab."(223)

Und der Marschall der Sowjetunion, G. K. Shukow, der während des Krieges Erster Stellvertreter des Obersten Befehlshabers war, schrieb: "Ein herausragendes Leistungsvermögen und die Gabe, sehr schnell das Wesentliche einer Sache zu erfassen, gaben ihm die Möglichkeit, eine außerordentliche Menge der verschiedensten Informationen täglich zu sammeln und aufzunehmen. Das ist nur dem Leistungsvermögen eines außergewöhnlichen Mannes möglich." (224) "Stalin arbeitete ohne Unterlass 15 bis 16 Stunden täglich," (225) wurde Shukow deutlicher und äußerte an anderer Stelle: "Die Tätigkeit des Obersten Befehlshabers ist untrennbar mit dem Namen Stalins verbunden (...) Jeder arbeitete nach seinen Kräften und Möglichkeiten. Aber alle versuchten, sich mit Stalin zu vergleichen, da dieser trotz seines Alters (62 - 65 Jahre während des Krieges, Anm. d. Verf.) immer aktiv und unermüdlich war."(226)

Marschall Shukow erzählt uns folgende Geschichte: "Während der Operation Ostpommern, ich glaube, das war am 7. oder 8. März [1945], musste ich schnell zum Sitz des Obersten Befehlshabers fliegen, der mich zu sich beordert hatte. Vom Flugplatz aus bin ich direkt zu Stalin gefahren. Er war zu Hause, fühlte sich nicht sehr gut. Nachdem er mir einige Fragen zur Lage in Ostpommern und an der Oder gestellt und meine Antworten angehört hatte, sagte der Oberste: 'Gehen wir etwas spazieren, weil ich heute absolut nicht in Form bin.' Man fühlte eine große Müdigkeit in seinem Reden, seinem Aussehen und seinen Bewegungen. Die vier Kriegsjahre haben Stalin enorm ermüdet. Er arbeitete viel und schlief nicht genug. Das alles konnte nicht ohne Folgen für seine Gesundheit bleiben."(227)


8. Einfachheit und Bescheidenheit in der Arbeit, in seiner Lebensweise und in seinem Verhältnis zu den Menschen

Stalin war ein Beispiel an einfacher und bescheidener Lebensweise und in seinen Beziehungen zu den Menschen. Es gibt deren unzählbare, wir wollen einige sehr typische Beispiele auswählen.

Der bekannte Journalist Léon Feihtwanger[22*] schrieb: "Er erlaubte nicht, seine Geburtstage öffentlich zu feiern. Wenn man ihn öffentlich zu seinem Geburtstag gratulierte, unterstrich er immer, dass diese Glückwünsche seiner Politik galten und nicht seiner Person."(228)

Als die Partei anlässlich seines 60. und 70. Geburtstages eine Zeremonie organisierte, nahm er das als Würdigung der Partei und des Volkes für die unter seiner Führung erreichten Erfolge. Wir können seine Einstellung hinsichtlich von Reden und Worten, die ihn übermäßig loben, einem Antwortbrief an Razine vom 22. Februar 1946 entnehmen: "Die Hymnen zu Ehren Stalins beschämen das Ohr, und man fühlt sich unwohl beim Lesen."(229)

Marschall Wassilewski schrieb: "Stalin sprach nie von seinen Verdiensten, soweit ich das beobachten konnte. Zumindest habe ich nie die Gelegenheit gehabt, dergleichen zu hören. Die Medaille 'Held der Sowjetunion' und der auszeichnende Titel 'Generalissimus' wurden ihm mit dem schriftlichen Einverständnis des Politbüros des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei von den Frontkommandierenden verliehen. Und er hatte weniger Medaillen als die Kommandierenden der Fronten und der Armeen."(230)

Molotow sagte in seinen Memoiren: "Kommen wir zu Stalins Auszeichnung als 'Held der Sowjetunion' und nach dem Kriege mit dem Titel des 'Generalissimus der UdSSR'. Stalin hat gesagt, dass er nicht den Ansprüchen für den Erhalt einer solchen Auszeichnung genüge. 'Die Würdigung als Held setzt ausschließlich persönlichen Heldenmut voraus. Ich habe keine solche Heldentat vollbracht.' Und er hat den Stern nicht genommen. (...) Stalin bedauerte, den Titel des 'Generalissimus' akzeptiert zu haben. Das war dem Wunsch Kaganowitschs, Berijas und anderer geschuldet, aber die Kommandierenden der Fronten bedrängten ihn auch. Stalin beklagte: 'Wie konnte ich nur akzeptieren?' Anfangs hatte er abgelehnt, dann akzeptiert und danach hat er es bedauert."(231)

Das kategorische Verhalten Stalins in dieser Frage ist von Schtschemenko beschrieben worden: "Die Mitglieder des Politbüros befanden sich in Stalins Arbeitszimmer. Der Chef der Rückwärtigen Dienste, A. W. Chruliow, erstattete seinen Bericht. An dessen Ende erbat er die Erlaubnis, den Anwesenden die neue Uniform vorzuführen. Stalin war in guter Laune und sagte: 'Nun gut, möge der Generalstab sie auch sehen!' Die Meldung wurde an den Empfangssaal weitergeleitet. Der Chef-Intendant P. I. Dratschew trat ein. Stalin warf einen Blick auf ihn und verzog die Augenbrauen. Augenscheinlich hatte er erraten, für wen die Uniform sein sollte. 'Wen beabsichtigen Sie solchermaßen anzuziehen?' fragte er Chruliow, den Kopf leicht in seine Richtung gewandt. 'Diese Uniform wird dem Generalissimus vorgeschlagen,' hat Chruliow geantwortet. 'Für wen?' fragte Stalin. 'Für Sie, Genosse Stalin.' Der Oberste Befehlshaber hat den Chefintendanten zum Verlassen des Raumes aufgefordert und hat, ohne sich vor den Anwesenden zu genieren, einen Wortschwall von sich gegeben, in dem er die übermäßige Erhöhung seiner Person beklagte, die Angelegenheit als wenig intelligent bezeichnete, er mit einer solchen Sache vom Chef des Rückwärtigen Dienstes überfallen worden wäre .... Und damit hatte sich diese Generalissimus-Uniform-Idee erledigt. Bis an sein Lebensende trug Stalin wie alle anderen Marschälle die Uniform des Marschalls."(232)

Stalin vertrug die Versuche von Lobreden und das Hervorheben persönlicher Treuebeweise nicht. Wir weisen hier nochmals auf seinem Brief an Schatunowski vom August 1930 hin: "Sie sprechen von Ihrer 'Ergebenheit' mir gegenüber. Mag sein, dass Ihnen diese Worte nur zufällig entschlüpft sind. Mag sein... Sollten Ihnen aber diese Worte nicht zufällig entschlüpft sein, so würde ich Ihnen raten, das 'Prinzip' der Ergebenheit gegenüber Personen über Bord zu werfen. Das ist nicht bolschewistische Art. Seien Sie der Arbeiterklasse, ihrer Partei, ihrem Staat ergeben. Das ist notwendig und gut. Aber verwechseln Sie diese Ergebenheit nicht mit der Ergebenheit gegenüber Personen, mit diesem hohlen und unnützen intelligenzlerischen Phrasengeklingel."(233)

W. M. Molotow sprach vom Verhalten Stalins gegenüber den Menschen: "Stalin respektierte die Menschen, mit denen er arbeitete. Ich sagte ihm offen, was ich dachte, das Positive ebenso wie das Negative. Er war immer kritisch. Die Mitglieder des Politbüros, die Wissenschaftler, die Schriftsteller - alle respektierte er. Aber Kirow und Schdanow liebte er ganz einfach."(234)

Von Stalins aufmerksamem Verhalten und seiner respektvollen Art erzählte S. M. Schtschemenko: "Joseph Stalin folgte den Ereignissen unseres Vormarsches in den baltischen Staaten aufmerksam. Antonow (Chef des Generalstabs der Roten Armee, Anm. d. Verf.) musste immer öfter zur "Villa nebenan", um Stalin zu sehen. Ein Mal sind wir zur Zeit der Hauptmahlzeit angekommen (Stalin aß gegen 21 - 22 Uhr, selbst später). Der Oberbefehlshaber lud uns in den Speisesaal ein. Es war nicht das erste Mal, dass das geschah, und ich habe in meinem Gedächtnis gewisse eigentümliche Details gespeichert. Die Essen bei Stalin, selbst die größten, kamen ohne Servierkräfte aus. Letztere brachten nur alles Notwendige in den Speisesaal und zogen sich stillschweigend zurück. Auf dem Tisch waren vorher die Bestecke, Brot, Kognak, Wodka, trockener Wein, Gewürze, gewisse Heilkräuter, Pilze und Früchte abgestellt worden. Normalerweise gab es keine Wurstwaren oder andere Aperitif-Speisen. Stalin vertrug keine Konserven.

Die Vorspeisen waren auf einem anderen Tisch seitwärts abgestellt, ein Stapel Teller daneben. Stalin ging von Gericht zu Gericht, hob die Deckel an und sprach laut mit sich selbst: 'Aha, Suppe ... und hier Fischsuppe. Nehmen wir uns doch etwas Kohlsuppe.' Und bediente sich. Danach trug er seinen Teller zum Tisch.

Jeder der Eingeladenen verfuhr gleichermaßen, ohne sich bitten zu lassen, unabhängig vom Dienstgrad. Jeder nahm, was ihm gefiel.

Der zweite Gang kam an, und von Neuem nahm sich jeder der Eingeladenen, was er wollte. Man trank gewiss ein oder zwei Gläser. Als er uns zum ersten Mal zum Essen eingeladen hatte, Antonow und mich, hatten wir abgelehnt zu trinken. Stalin bemerkte es und hatte mit einem kleinen Lächeln gesagt: 'Die Leute des Generalstabs dürfen ein Glas trinken.'

An Stelle des Desserts brachte man Tee. Man bediente sich aus einem großen Samowar, der seitwärts auf dem gleichen Tisch aufgestellt war. Später, als ich schon Chef des Generalstabs war, hatte ich Gelegenheit, mit Stalin zu essen, nicht allein in Moskau, sondern auch im Süden, wo er sich erholte, und wo wir hinbeordert wurden, um unseren Rapport zu liefern. Auch dort blieb das Ritual des Essens ohne Umstände."(235)

Es ist vielleicht interessant, eine andere Anekdote aus Stalins Leben wachzurufen, welche S. M. Schtschemenko beschrieb: "Das August-Ende 1944 war ausgesprochen schön. Stalin, müde wie wir alle auf Grund der unglaublichen Anspannung unseres Kriegsalltages, zog vor, bei sich zu Hause zu arbeiten. Wir erstatteten dort unsere Lageberichte und legten Dokumente zur Unterschrift vor. Oft versammelten sich bei ihm auch die Mitglieder der Regierung.

In den wenigen Erholungspausen zeigte sich unser Gastgeber sehr aufmerksam und liebte es, wenn man seinen Garten besuchte. Ein Mal zeigte er auf einen kleinen Hügel ohne Baum und sagte, dass er dort nach dem Kriege Wassermelonen wachsen lassen werde. Antonow und ich haben uns zweifelnd angesehen, was sagen wollte, dass das Moskauer Klima nicht das des Südens wäre ...

Aber kurze Zeit nach dem Kriege sind wir an die Wassermelonen erinnert worden. Nach der Flugzeugparade in Tuschino[23*], die mehrmals wegen schlechten Wetters verschoben worden war, lud Stalin die Mitglieder des Politbüros und der Leitung des Ministeriums für Verteidigung zu sich ein. Die Tische in der "Villa nebenan" waren in der Birkenallee gedeckt. Das Wetter war ausgezeichnet, unsere Laune auch. Nach dem Mittagessen hat uns Stalin zu dem kleinen Hügel geführt, wo wirklich einige Dutzend Wassermelonen wuchsen. Stalin wählte eine große aus, trug sie zum Tisch und teilte sie mit einem Messer und geübtem Griff in zwei Teile. Die Wassermelone war sehr rot und reichlich süß. Es blieb uns nur unsere Verwunderung, wie im Moskauer Klima Wassermelonen wachsen konnten."(236)

Vielleicht ist es der französische Schriftsteller Henri Barbusse [1873-1935, Kommunist, 1935 auch eine Stalinbiografie], der am kürzesten und treffendsten das Bild Stalins zeichnete: "Stalin ist ein Mann mit dem Kopf des Gelehrten, dem Gesicht des Arbeiters und der Kleidung des einfachen Soldaten. Stalin ist der Lenin von heute."(237)

Und der russische Schriftsteller Gorki[24*] schrieb: "Es ist für uns eine wahre Freude, in einem Land zu leben und zu kämpfen, in dem die große Weisheit der Partei und der eiserne Wille ihres Führers, Joseph Stalin, den Menschen auf ewig von den erniedrigenden Sitten und Gebräuchen der Vergangenheit befreit."(238)

Der gleiche Gedanke ist in einem der populärsten Lieder der Sowjetunion ausgedrückt, dem Lied vom Vaterland:

Vaterland, kein Feind soll dich gefährden,
teures Land, das unsre Liebe trägt!
Denn es gibt kein andres Land auf Erden,
wo das Herz so frei dem Menschen schlägt!
Vom Amur bis an der Donau Strande,
von der Taiga bis zum Kaukasus,
lebt so froh der Mensch im weiten Lande,
ward das Leben Wohlstand und Genuss.

Mächt'ge Kraft ist unsrem Land entsprungen,
Mächtig, wie die Wolga braust ins Meer.
Überall die Bahn frei unsern Jungen,
Überall dem Alter Schutz und Ehr!

(im Original in Russisch; hier: Worte - Wassili Lebedew-Kumatsch (1935), Nachdichtung - Erich Weinert.
Aus: Mit Gesang wird gekämpft. Dietz Verlag Berlin, 1967, S. 82-83)

Die Autorität hat sich Stalin in den ungezählten Klassenkämpfen erworben. Sie hat sich in einen Quell großer sozialer Energie in den Jahren der Fünfjahrpläne verwandelt und in den großen sozialistischen Patriotismus während des Krieges.

Der Name Stalins ist für die einfachen Menschen mit den Begriffen Hoffnung, Optimismus und Sieg verbunden. Stalin liebte das sowjetische Volk. Das geht schon allein aus seiner Anrede und der Art hervor, wie er sich am 3. Juli 1941 an das sowjetische Volk und seine Soldaten wendete. In den Worten ist Wärme und väterliche Sorge enthalten: "Genossen! Mitbürger! Brüder und Schwestern! Kämpfer unserer Armee und unserer Flotte! Ich wende mich an Euch, meine Freunde!"

Im Vorwort zu seinem Buch "Zurück aus der UdSSR" schrieb der berühmte französische Schriftsteller André Gide [1869-1951]: "Die Autorität Stalins ist organisch gewachsen mit den Erfolgen beim ökonomischen Aufbau. Das Volk ist Stalin verbunden für das Brot, das Fleisch, die Ordnung, die Erziehung und die Gründung der Armee, die sein Wohlsein garantieren. Das Volk braucht jemanden, dem es seine Erkenntlichkeit für die unbestreitbare Verbesserung seines Lebensstandards zeigen kann, und es wählt dafür nicht irgendwelche abstrakten Begriffe, nicht den abstrakten Kommunismus, sondern einen Mann aus Fleisch und Blut - Stalin."(239)

Und der sowjetische Dissident Zinowjew schrieb: "Meine Mutter bewahrte bis zu ihrem Tode das Porträt Stalins in ihrem Evangelium auf. Warum? Weil Dank der Kolchosen [Abk. für Kollektivwirtschaften auf dem Lande, d. Ü.] ihre Kinder das Dorf verlassen und sich in das moderne städtische Leben einfügen konnten. Einer ihrer Söhne ist Lehrer geworden, ein anderer Werkdirektor, der dritte Offizier und die drei anderen Ingenieure. Einige Millionen andere russische Familien haben den gleichen Entwicklungsweg genommen."(240)

Auch Friedrich Engels konnte zu seinen Lebzeiten auf eine ebensolche ansteigende Popularität zurückblicken ... die übrigens bis heute nicht abgenommen hat. (241)

Stalin hat seine Autorität und seine Popularität nicht benutzt, um sich zu bereichern. Er hatte nicht mal ein Sparguthaben, keinen Reichtum und schon gar nicht ein Konto auf einer ausländischen Bank. Man sagt, dass der einzige ihm gehörende Gegenstand seine Pfeife wäre. Der amerikanische Schriftsteller Theodor Dreiser (1871-1945), der die Sowjetunion zur Zeit der Stalinschen Fünfjahrpläne besuchte, hat geschrieben, dass er von zwei Sachen besonders beeindruckt wäre, "dem niemals zuvor gesehenen Enthusiasmus des sowjetischen Volkes und dem Lohn Stalins - 225 Rubel, zumal der eines Bergarbeiters 250 Rubel erreichte."(242)

Eben diese große Autorität wurde von Chruschtschow durchweg in seinem Bericht "Über den Personenkult und seine Folgen" geleugnet, der die verleumderische Kampagne gegen Stalin eröffnete, die noch heute fortdauert und Verwirrung in den Köpfen der Menschen stiftet.

In seiner Rede zum Begräbnis von Karl Marx führte Friedrich Engels aus, dass Marx der "bestgehasste und bestverleumdete Mann seiner Zeit [war]....Sein Name wird durch die Jahrhunderte fortleben und so auch sein Werk!"(243)

Das Werk und der Name Karl Marx' leuchten seit 120 Jahren wie ein Stern.

Die Wissenschaftler-Gemeinde hat ihn als "Denker des Jahrtausends" bezeichnet.

Molotow erinnerte sich, wie Stalin während des Krieges über sich selbst sagte: "Ich weiß, dass man nach meinem Tode Haufen von Unrat auf mein Grab schütten wird. Aber der Wind der Geschichte wird sie ohne Gnade hinwegfegen."(244)

Fünfzig Jahre nach seinem Tode ist die Verleumdungskampagne gegen Werk und Namen Stalins in vollem Gange. Diese Kampagne wiederholt die gleichen Verleumdungen und fügt neue hinzu. Schriftsteller und Wissenschaftler schreiben "Memoiren", geben Interviews, Filme wurden geschaffen, und das alles mit einem Ziel: Seine Person in einem Atemzug mit den Erfolgen des Sozialismus verhasst zu machen.

Warum dieser nimmermüde Hass? Was ist das ausgesuchte Ziel dieser fortwährenden verleumderischen Kampagne gegen Stalin? Man kann diese Frage folgendermaßen beantworten:

Marx und Engels haben die Wissenschaft begründet, die mittels Revolution und der Errichtung des Sozialismus und Kommunismus zur Befreiung der Arbeiterklasse führt. - Sie sind von den Feinden der Revolution verleumdet worden.

Lenin hat zum ersten Mal in der Geschichte die sozialistische Revolution organisiert und durchgeführt und den Aufbau des Sozialismus auf einem Sechstel der Welt begonnen. - Auch er ist von den Feinden der Revolution verleumdet worden.

Stalin als Nachfolger des Werkes von Marx, Engels und Lenin hat, treu deren Theorie, die sozialistische Gesellschaft verwirklicht. Diese Gesellschaft hat ihre Lebensfähigkeit bewiesen und allen ausgebeuteten Völkern der Erde ein nachahmenswertes Beispiel gegeben. - Deshalb wird die Verleumdungskampagne fortgesetzt und wird es weiterhin werden.

Aber der Tag wird kommen, an dem die Massen das Banner des Sozialismus wieder aufnehmen und ihre Blicke auf das Beispiel der Verwirklichung dieser neuen Gesellschaft während der Epoche Stalins richten werden. Molotow schrieb: "Ohne Zweifel wird der Name Stalins von Neuem auferstehen und seinen ehrenvollen Platz in der Geschichte einnehmen."(245)

Und der sowjetische Dissident Zinowjew äußerte: "Ich war ein überzeugter Anti-Stalinist seit meinem 17. Lebensjahr. (...) Als Stalin noch lebte, sah ich die Dinge anders. Aber mit Rückblick auf das 20. Jahrhundert sage ich jetzt: Stalin war die größte Persönlichkeit des Jahrhunderts, das größte politische Genie. Einen wissenschaftlichen Blick auf eine Person zu haben ist sehr verschieden von der persönlichen Einstellung zu dieser."(246)

Der russische Priester Dimitri Dudko, der zwei Mal zu Straflager verurteilt worden war, davon das erste Mal zu Stalins Zeiten, schrieb 1995 folgendes: "Jawohl, Stalin ist uns von Gott gesandt worden. Er hat einen dergestaltigen Staat geschaffen, dass man, egal was man heute auch unternimmt, um ihn zu zerstören, nicht zum Ziel kommen wird. Selbst zerstört, wird er den sich zu sehr rühmenden Kapitalisten immer Angst einjagen. Während Stalins Zeit haben wir einen solchen moralischen Zerfall, eine solche Kriminalität wie heute nicht gesehen. (247) (...) Deshalb verneige ich, der orthodoxe Christ, mich zutiefst vor Stalin. (248) (...) Es ist höchste Zeit, dass Stalin rehabilitiert wird."(249)

Drei Jahre nach dem XX. Parteitag der KPdSU, hat Winston Churchill in seiner Rede vor dem Unterhaus aus Anlass des 80. Geburtstages Stalins, dem 21. Dezember 1959, erklärt: "Es war ein Glück für Russland, in den Jahren der großen Prüfungen das Genie und den unerschütterlichen Befehlshaber Stalin an der Spitze des Landes zu haben. (...) Er war die herausragendste Person, die in unserer grausamen und wechselhaften Epoche lebte und ihr Paroli bot. (...) Stalin verfügte vor allem über einen ausgeprägten Sinn für Humor und Sarkasmus und die Fähigkeit, ganz genau unsere Gedanken zu begreifen. Diese Stärke Stalins war dermaßen groß, dass sie als einzigartig unter den Staatsoberhäuptern aller Zeiten und aller Völker bezeichnet werden kann. (...) Stalin beeindruckte uns sehr. Er besaß eine tiefgründige, besonnene und logische Weisheit, ohne jegliche Kopflosigkeit. In schwierigen Momenten zeigte er sich als unübertroffener Meister beim Finden eines Auswegs aus den verfänglichsten Situationen. Den kritischsten Momenten begegnete er ebenso wie denen des Sieges mit Zurückhaltung und ohne in Illusionen zu verfallen. Er war eine außergewöhnliche Persönlichkeit. Er hat ein enormes Reich gegründet und beherrscht. Die Geschichte vergisst solche Menschen nicht."(250)

Welch befremdlicher Widersinn! Winston Churchill, Feind Nr. 1 der Sowjetunion, anerkennt Stalins Autorität und findet herausragende Lobessprüche, während das Mitglied des Zentralkomitees der KPdSU, Chruschtschow, Joseph Stalin verleumdet und jegliche Persönlichkeit verneint.

Gewisse Leute aus Chruschtschows treuer Gefolgschaft versuchen ganz allgemein die Tätigkeit Chruschtschows und dessen Verdienste mit denen Stalins zu vergleichen und schätzen selbst die Chruschtschows höher ein. Welch törichtes Unterfangen! Kann man den kleinen Haussperling mit dem starken und weitfliegenden Adler des Gebirges vergleichen? Die sowjetischen Völker haben diese Frage längst ganz objektiv entschieden und Verse und Lieder zu Ehren Stalins geschaffen. Gibt es Poesie über Chruschtschow? Es gibt nur kleine Anekdoten, weil die Völker der Sowjetunion in der Person Chruschtschows nicht die Autorität eines verdienstvollen Führers sehen, selbst wenn dieser sich nach dem Tode Stalins zum "Helden der Sowjetunion" erkor und drei Mal "Held der sozialistischen Arbeit" wurde.

Wir wollen einen Auszug der unzähligen Dichtungen bringen, die dem Führer der Partei und des Landes, dessen Name mit allen Erfolgen und Siegen der UdSSR verbunden ist, gewidmet sind. Es handelt sich um die Poesie von Dshambul Dshambajew[25], dem kasachischen Dichter, den man "Nachtigall des glücklichen Volkes" genannt hat. (Im November 1942 sandten 16 Soldaten aus Kasachstan einen Brief an Dschambul Dschambajew, die sich mit den Worten "unserem silberhellen Sänger, Nachtigall des glücklichen Volkes" an ihn wandten.)

Lied für Stalin

Mit dir grüß ich den klaren Morgen
Mit dir sitz ich und trink den Tee
Mit dir sing ich mein Lieblingslied
Mit dir lass ich die Seele baumeln
Mit dir lob ich der Enkel Spiel
Des frohen Volkes teurer Meister
Das Herz und Wort der Steppenlieder
Und Volkes Frohsinn, Morgenrot
Mein Lied dir singt zu Ehr und Preis


Anmerkungen

[22] Namenswiedergabe auf Jiddisch: d. h. Lion Feuchtwanger (1884-1958), deutscher Historiker, Dramatiker und Schriftsteller. Es handelt sich bei dem Zitat wahrscheinlich um eine Wiedergabe aus "Erlebnisbericht Moskau 1937", neu verlegt bei J. Pischel, 1993: Ein Reisebericht für meine Freunde (1937)

[23] Nordwestlich von Moskau, später eingemeindet. Damals Militärflugplatz mit naheliegender Flugzeugfabrik u. Forschungseinrichtungen der Luft-, später Raumfahrt. Heute zur Bebauung freigegeben.

[24] Maxim Gorki (1868-1936), russ.-sowjet. Schriftsteller, Bolschewik, Begründer d. soz. Realismus i.d. Literatur; Die Mutter (1907), Meine Universitäten (1923) u. a. - (Anm. d. Ü.)

[25] [häufiger: Dshabajew, Dshambul (auch Dshambyl), kasach. Dichter und Volkssänger, 1846-1945. Der Originaltext ist in Russisch, die Wiedergabe hier kann nur eine Annäherung sein. Anm. d. Ü.]


QUELLENANGABEN

(180) J. W. Stalin, Kurze Biografie, S. 5, Sofia 1951
(181) S. Kwantaliani, in: Tribuna, Nr. 24, 1994
(182) W. M. Molotow, Memoiren, in: Tribuna, Nr. 15, 1994
(183) a. a. O. Nr. 29, 1994
(184) a. a. O. Nr. 25, 1994
(185) J. W. Stalin, Werke, Band 12, S. 117, Sofia, 1951
(186) W. M. Molotow, in: Literaturnaja Gaseta vom 18.04.1990
(187) W. M. Molotow, Erinnerungen, in: Tribuna, Nr. 10, 1994
(188) S. M. Schtschemenko, Der Generalstab während des Krieges, Bd. 2, S. 41
(189) W. M. Molotow, Erinnerungen, in: Tribuna, Nr. 21, 1994
(190) A. E. Golowanow, in: Tribuna, Nr. 14, 1994
(191) M. Lobanow, Stalin im Gedächtnis seiner Zeitgenossen und in den Dokumenten seiner Epoche, S. 269, 1995
(192) a. a. O. S. 270
(193) I. A. Benediktow, in: Tribuna, Nr. 17, 1992
(194) in: Tribuna, Nr. 10, 1994
(195) W. M. Molotow, Erinnerungen, in: Tribuna, Nr. 10, 1994
(196) Zeitschrift Moladaja Gwardia, Nr. 3, S. 251, 1991
(197) W. M. Molotow, Erinnerungen, in: Tribuna, Nr. 9, 1994
(198) W. M. Molotow, Erinnerungen, in: Tribuna, Nr. 20, 1994
(199) G. K. Shukow, Memoiren und Reflexionen, S. 323
(200) A. M. Wassilewski: "Ein Werk fürs ganze Leben", Sofia, 1976, S. 513
(201) a. a. O., S.269
(202) W. Churchill, in: Tribuna, Nr. 12, 1994
(203) A. M. Wassilewski: "Ein Werk fürs ganze Leben", Sofia, 1976, S. 518
(204) M. Gorki, in: Krasnaja Swesda vom 12.03.1988
(205) L. Kaganowitsch, in: Tribuna, Nr. 4, 1994
(206) L. Kaganowitsch, in: Tribuna, Nr. 8, 1994
(207) I. A. Benediktow, in: Tribuna, Nr. 18, 1992
(208) G. K. Shukow, Memoiren und Reflexionen, S. 451
(209) A. M. Wassilewski: "Ein Werk fürs ganze Leben", Sofia, 1976, S. 515
(210) a. a. O., S. 334
(211) a. a. O., S. 151
(212) a. a. O., S. 513
(213) K. K. Rokossowski, Soldatenpflicht, S. 79, Sofia 1970
(214) S. M. Kirow, in: Krasnaja Swesda vom 12.03.1988
(215) A. M. Wassilewski: "Ein Werk fürs ganze Leben", Sofia, 1976, S. 512
(216) a. a. O., S. 456
(217) G. K. Shukow, Memoiren und Reflexionen, S. 324
(218) a. a. O., S. 323
(219) Marx/Engels Werke, Sofia, Band 33, S. 321. Vergl auch MEW Dietz Verlag Berlin 1978 Berlin, Band 33, S. 374/375 oder ME in 6 Bänden, Engels an Carlo Terzaghi in Turin, Band IV, S. 454
(220) A. Zinowjew, in: Prawda vom 17.05.1995
(221) B. Bajanow, in: Argumente und Fakten, Nr. 51, 1990
(222) W. M. Molotow, Erinnerungen, in: Tribuna, Nr. 30, 1994
(223) S. M. Schtemenko, Der Generalstab während des Krieges, Buch 1, S. 101
(224) G. K. Shukow, Memoiren und Reflexionen, S. 322
(225) a. a. O., S. 307
(226) a. a. O., S. 318
(227) a. a. O., S. 686-687
(228) Lion Feuchtwanger, in: Nedelija, Nr. 17, S. 1990
(229) J. W. Stalin, in: Bolschewik, Nr. 3, 1947
(230) A. M. Wassilewski: "Ein Werk fürs ganze Leben", Sofia, 1976, S. 521-522
(231) W. M. Molotow, Erinnerungen, in: Tribuna, Nr. 9, 1994
(232) S. M. Schtschemenko, Der Generalstab während des Krieges, Buch 2, S. 423
(233) J. W. Stalin, Werke, Band 13, S. 16, Sofia, 1952, oder: Dietz Verlag, 1955, Bd. 13, S. 17 (oder: Stalinwerke.de)
(234) W. M. Molotow, Erinnerungen, in: Tribuna, Nr. 11, 1994
(235) S. M. Schtemenko, Der Generalstab während des Krieges, Buch 1, S. 226
(236) a. a. O., Band 2, S. 334
(237) Henri Barbusse, in: Krasnaja Swesda vom 12.03.1988
(238) Maxim Gorki, Artikelsammlung aus Anlass des 70. Geburtstages von J. W. Stalin, Sofia 1949, S. 6
(239) André Gide, in: Nedelja, Nr. 17, 1990
(240) A. Zinowjew, in: Moskowskije Nowosti, Nr. 33 1989
(241) Friedrich Engels an Kautsky, MEWerke, Bd. 39, Sofia, S. 243
(242) Theodor Dreiser, in: Sa Rubejom, Nr. 34, 1987 (aus: Looks at Russia (1928)
(243) Friedrich Engels in: Missal, Nr. 11, 1993; oder: Werke, Dietz Verlag Berlin, Bd. 19, S. 335-339, oder: in 6 Bänden, VI, S. 507-512
(244) W. M. Molotow, Erinnerungen, in: Tribuna, Nr. 30, 1993
(245) W. M. Molotow, Erinnerungen, in: Tribuna, Nr. 10, 1994
(246) A. Zinowjew, in: Tribuna, Nr. 39, 1993
(247) M. Lobanow, Stalin im Gedächtnis seiner Zeitgenossen und in den Dokumenten seiner Epoche, 1995, S. 733
(248) a. a. O., S. 734
(249) a. a. O., S. 732
(250) W. Churchill, in: Tribuna, Nr. 12, 1994

Raute

Kapitel 9: Die Ursachen der Zerstörung der UdSSR

Die größte Tragödie der Menschheit Ende des 20. Jahrhunderts ist die Niederlage und der Zerfall der UdSSR. Die Kommunisten haben die Pflicht, sich gemeinsam anzustrengen, um die dringende Frage zu den Ursachen dieses erschütternden Ereignisses zu beantworten.

Drei große Gründe sind augenscheinlich:

Erstens: Die Anwendung der revisionistischen Linie durch die KPdSU

Zweitens: Die allgemeine Offensive der imperialistischen Kräfte gegen die Sowjetunion

Drittens: Die spezifischen historischen Bedingungen der Verwirklichung der Oktoberrevolution und der sozialistischen Gesellschaft.


*


Kapitel 9, Teil 1: Erste Hauptursache - die revisionistische Linie der KPdSU

Die Einführung der revisionistischen Linie der KPdSU begann mit der von Nikita Chruschtschow auf der "geheimen Sitzung" des XX. Parteitag der KPdSU am 25. Februar 1956 vorgetragenen Rede "Über den Personenkult und seine Folgen".

1.1. Revision des Marxismus-Leninismus durch Chruschtschow

1. 1. 1.
Worin bestand Chruschtschows Revisionismus der marxistisch-leninistischen Wissenschaft?

a.) Der Charakter des Klassenkampfes in der Übergangsphase des Kapitalismus zum Sozialismus oder Kommunismus wurde abgelehnt, bestritten und die Anerkennung dieser Theorie verweigert. Ersetzt wurde sie von einer Theorie des Ende des Klassenkampfes in der UdSSR, das sich aus den Erfolgen beim Aufbau des Sozialismus ergebe.

Chruschtschow verteidigte seine Theorie mit subjektiven und metaphysischen Beweisführungen und einer formalistischen Logik: Da die ausbeutenden Klassen gestürzt und ihrer Macht sowie ihrer ökonomischen Basis entledigt, also seit langem vernichtet worden seien, vermindere sich der Klassenkampf, um schließlich ganz zu erlöschen.

Chruschtschow erwog nicht ein Mal, dass die Erfolge beim Aufbau des Sozialismus in der UdSSR den Klassenhass der Reste der Ausbeuterklasse provozieren und ihre Versuche des Kampfes gegen die Sowjetmacht in allen Formen wieder aufflammen könnten.

b.) Chruschtschows verkannte den internationalen Charakters des Klassenkampfes, der ununterbrochen und verschärft seit der Französischen Revolution und über die Pariser Kommune bis in unsere Tage stattfindet. Das heißt praktisch, dass Chruschtschow die aggressive Natur des Kapitalismus und die Rolle der kapitalistischen Einkreisung der UdSSR nicht ernst nahm.

Er hat nicht begriffen, dass allein das Vorhandensein der sozialistischen Erfolge in der UdSSR den unterdrückten Völkern ein Beispiel gibt und damit die Zukunft des kapitalistischen Systems in Frage stellt. Das allein führte unweigerlich zur Verschärfung des Klassenkampfes in der ganzen Welt und ganz speziell in der UdSSR, wobei sich die imperialistischen Kräfte an die Spitze stellten. Chruschtschow hat die Rolle der Fünften Kolonne ebenso falsch beurteilt wie den Umfang, die Formen und die Dynamik des Klassenkampfes.

c.) Chruschtschow wollte die Tatsachen nicht anerkennen, die ohne Unterlass die Existenz, die Aktivierung und die Verschärfung des Klassenkampfes in der UdSSR seit der Errichtung des Sozialismus in den dreißiger Jahren bis nach dem Zweiten Weltkrieg zeigen. Es folgte der Verrat an Stalins These von der Verschärfung des Klassenkampfes, den er als Verantwortlichen für die Repressalien beschuldigt.

In seinem Hass auf Stalin als Führer der KPdSU und der UdSSR verwarf Chruschtschow die marxistisch-leninistische Theorie vom Klassenkampf in der Phase des Aufbaus des Sozialismus. Die Fakten haben die Unrichtigkeit der chruschtschowschen Position und die Schädlichkeit seiner formalen Aussagen vom Verschwinden des Klassenkampfes gezeigt.

1. 1. 2.
Chruschtschow weicht auch bezüglich der Rolle der Persönlichkeit in der Geschichte vom marxistisch-leninistischen Kurs ab. Er hat den Begriff des "Kultes" mit dem der "Autorität" verwechselt. Der Urheber des Titels zu Chruschtschows Bericht, dessen Unsinn wir weiter oben aufgezeigt haben, ist uns nicht bekannt.

1. 1. 3.
Nach dem XX. Parteitag der KPdSU ersetzt Chruschtschow auch den marxistisch-leninistischen Grundsatz von der Diktatur des Proletariats durch den Begriff des "Staates des ganzen Volkes". Dieser wird erklärt durch die neue Lage der Arbeiterklasse in der UdSSR, die kein typisches Proletariat mehr sei. Deshalb habe man seine Diktatur nicht mehr vonnöten. In einem "Staat des ganzen Volkes" gebe es keinen Feind mehr, gegen den Repressionen nötig wären.

Es bleibt festzustellen: Wenn ein Staat vorhanden ist, gibt es auch Repressionen[26], sei es durch die Diktatur der Bourgeoisie, sei es durch die Diktatur des Proletariats. Wenn das Proletariat seinen klassischen Aspekt in der UdSSR[27] verloren hatte, hieß das noch lange nicht, dass der Staat seine Macht nicht in Form der Diktatur der Arbeiterklasse ausübt. Die Repressionen, das heißt die Abwehr-, Unterdrückungs- und Gegenmaßnahmen, sind unausweichliche Maßnahmen angesichts des Widerstandes der bürgerlichen Klasse, die ihre Macht verloren hat.

Die Diktatur des Proletariats soll hauptsächlich bewirken:

- das maximale Wachstum der Produktivkräfte und wechselseitig bedingt das Wachstum des Wohlstands der Werktätigen

- und gleichzeitig ihre Erziehung im Sinne der Gemeinschaft und des sozialistischen Patriotismus. (Diese Erziehung erfolgt nicht gewaltsam, wie es die Feinde des Sozialismus behaupten.)

Chruschtschows Theorie eines "Staates des ganzen Volkes", dem sich die Theorie von der "Partei des ganzen Volkes" anschließt, bedeutet: Die Partei entwaffnen, die Wachsamkeit der Werktätigen schwächen und die Arbeit der Fünften Kolonne vereinfachen. Marx hat über dieses Problem geschrieben:

"Zwischen der kapitalistischen und der kommunistischen Gesellschaft liegt die Periode der revolutionären Umwandlung der einen in die andere. Der entspricht auch eine politische Übergangsperiode, deren Staat nichts anderes sein kann als die revolutionäre Diktatur des Proletariats."(251)

Also bezeichnete Marx die Diktatur des Proletariats als Typ der Macht, die den Übergang zum Kommunismus absichert, die bis zur Errichtung des Kommunismus bestehen bleibt. Demzufolge kann sie nicht auf halbem Wege in der Phase des Sozialismus außer Kraft gesetzt werden, wie das Chruschtschow laut verkündet hat.

Die Feinde des Marxismus-Leninismus spekulieren viel über die Diktatur des Proletariats als Gewaltherrschaft. Diese Bezeichnung wird schon immer von der Bourgeoisie genutzt, um die Volksmassen abzuschrecken. Und sie fährt damit fort bis zum heutigen Tage.

Engels bemerkte schon 1891: "Der deutsche Philister ist neuerdings wieder in heilsamen Schrecken geraten bei dem Wort: Diktatur des Proletariats. Nun gut, ihr Herren, wollt ihr wissen, wie diese Diktatur aussieht? Seht euch die Pariser Kommune an. Das war die Diktatur des Proletariats."(252)

Damit hat er erinnern wollen, dass die Pariser Kommune

die demokratischen Prinzipien der Wählbarkeit, der Verantwortlichkeit und des Austauschs von Regierungskadern einführte;

ein Durchschnittsgehalt für leitende Angestellte festlegte;

eine Macht im Dienste des Volkes errichtete, einen Mindestlohn einführte, Maßnahmen zum Arbeitsschutz, zum Kampf gegen die Arbeitslosigkeit unternahm, Wohnbedingungen und die Versorgung mit Grundnahrungsmitteln verbesserte, Reformen für eine unentgeltliche Bildung einleitete, ein Gesetz zur Schaffung von Produktions-Kooperativen in den Unternehmen verabschiedete, eine Arbeiterkontrolle und die Wahl von Leitern in bestimmten nationalen Unternehmen einführte.

Nennt man das Gewalt?

Die Bourgeoisie hat die Pariser Kommune trotzdem in Blut erstickt. Ist nicht hier die wahre grausame Gewalt sichtbar geworden, die verbreitetste Form der bürgerlichen Diktatur?

Vom Widerstand der bürgerlichen Klasse, die ihre Macht verloren hat, hängt in erster und entscheidender Linie ab, welche Maßnahmen in welchem Umfang und in welcher Form die Diktatur des Proletariats ergreifen muss.

Zu unterstreichen ist vor allem der tiefgründige Wesensunterschied zwischen der Diktatur des Proletariats und der des Bürgertums. Letztere besteht in der Verteidigung der Interessen der ausbeutenden bürgerlichen Klasse, also von weniger als 10 % der Bevölkerung. Die Diktatur des Proletariats aber verteidigt die grundlegenden Interessen der großen Massen der Bevölkerung, das heißt von mehr als 90 % der Bevölkerung.

Und schließlich bleibt hervorzuheben, dass die Propaganda des zeitgenössischen Imperialismus und seiner ehrfürchtigen Verteidiger des bürgerlichen Liberalismus mit allen Mitteln versucht, die öffentliche Meinung zu überzeugen, dass Gewalt ein Wesensmerkmal der Diktatur des Proletariats sei und keineswegs eines der westlichen so genannten "Demokratien".

Natürlich ist das falsch.

Nehmen wir einige Beispiele aus dem "demokratischsten Land der Welt", den Vereinigten Staaten:

Die Ausbeutung des Menschen durch den Menschen ist eine unausgesetzte und für seine Bevölkerung zerstörerische Erscheinung am Wendepunkt des 20. zum 21. Jahrhundert ist.

Millionen von Staatsbürgern der Vereinigten Staaten sind vom Recht auf Arbeit ausgeschlossen - lebensnotwendig für jeden. Ist das keine Gewalt?

Ist die gleichbleibende Kriminalität keine Gewalt gegen die Bevölkerung der Vereinigten Staaten?

Die Prostitution, eine Gewalt gegen die Frau in den Vereinigten Staaten.

Der moralische und kulturelle Verfall, der so gut in der amerikanischen Tele-Serie "Dallas" [mittlerweile von neueren wie z. B. Desperate Housewifes abgelöst, d. Ü.] dargestellt wird, und vor allem die Jugend und die Intelligenz in den Vereinigten Staaten betrifft, ist das keine Gewalt, die selbst in sehr gut situierten Familien auftritt?

Und die Ausbeutung der ganzen Welt durch die US-amerikanischen Imperialisten, die "Globalisierung", ist das nicht ganz gewöhnliche, ständige Gewalt?

Die Existenz des militärischen Bündnisses NATO, das über allen Gesetzen stehend handelt, um die US-amerikanischen Interessen in der ganzen Welt zu verteidigen, ist das keine weltweite Gewalt?

Und die Länder, die US-amerikanische Bombardements mit toxischen und radioaktiven Mitteln erleiden mussten: Vietnam, der Libanon, Grenada, Panama, Jugoslawien, Irak, Afghanistan - sind sie nicht Synonym imperialistischer Gewalt?

Der US-amerikanische Politiker W. Fulbright[28] schrieb: "Wir haben eine Gesellschaft begründet, deren Hauptbeschäftigung die Gewalt ist. Die größte Bedrohung für unser Land stellt nicht irgendeine ausländische Macht dar, sondern unser eigener Militarismus. Man könnte den bitteren Eindruck gewinnen, dass wir Amerikaner an den Krieg gewöhnt seien. Mittlerweile sind wir seit mehreren Jahren entweder im Krieg oder bereit, einen solchen in irgendeiner Region der Welt auszulösen. Krieg und Militarismus sind untrennbarer Teil unseres Alltags geworden und die Gewalt das Hauptprodukt unserer Wirtschaft." (253) "Selbst die offizielle amerikanische Geschichtsschreibung kommt nicht umhin anzuerkennen, dass die Streitkräfte der Vereinigten Staaten allein im 19. Jahrhundert an ungefähr 120 Eroberungskriegen teilgenommen und mehr als 8.600 militärischen Feldzüge oder bewaffnete Operationen durchgeführt haben."(254)

Aber die "modernen Verteidiger" der Demokratie und der Menschenrechte beschäftigen sich nicht mit solchen Tatsachen, die als "notwendige Verteidigung des Friedens und der Demokratie" und natürlich auch für die ewige Verteidigung der "strategischen Interessen" der Vereinigten Staaten gerechtfertigt werden. Die US-amerikanischen Imperialisten beanspruchen für sich das Recht zu bestimmen, in welchem Land Demokratie herrscht und in welchem nicht, wo die Menschenrechte respektiert werden und wo nicht, um schließlich ihre Lebensweise und ihre Vorstellung von Demokratie und Menschenrechten durchzusetzen. Welch unwahrscheinlicher Zynismus, welche Missachtung und Beleidigung für die Völker der ganzen Welt!

Und was ist US-amerikanische Demokratie heute?

Der Vater der Demokratie, der 16. Präsident der Vereinigten Staaten, A. Lincoln (1809-1865), hatte die Demokratie definiert als Macht der Mehrheit über die Minderheit mit einer "Regierung des Volkes, durch das Volk und für das Volk". (Nachzulesen in seiner berühmtesten Rede, der Gettysburg Adress von 1863; Anm. d. Ü.) Aber die Regierungen der Vereinigten Staaten haben diesen Grundsatz seit langem verworfen. Heute erfolgt die Wahl des US-amerikanischen Präsidenten mit weniger als 50 % der ohnehin manipulierten Wahlberechtigten. Und diese wiederum haben die Wahl zwischen den zwei größten und reichsten politischen Parteien des Landes. Der Präsident selbst wird von weniger als 25 % der Wahlberechtigten gewählt. So sieht die "demokratische" Realität in den Vereinigten Staaten aus. Die Macht wird vom Präsidenten des Landes und seiner Equipe, den zwei Kammern des Kongresses und den Gouverneuren der verschiedenen Staaten ausgeübt, die in gleicher Prozedur gewählt wurden. Ist eine solche Macht eine Macht des Volkes?! Die Konkurrenten um die Macht in den Vereinigten Staaten sind alle Repräsentanten der imperialistischen bürgerlichen Klasse. Keine andere politische Partei hat die Möglichkeit, an der Schlacht um die Macht teilzunehmen, weil man dafür Dutzende Millionen Dollar braucht, die sie nicht haben. Solcherart ist die US-amerikanische "Demokratie".

Die zwei größten und reichsten Parteien in den Vereinigten Staaten vertreten die Interessen des großen Finanzkapitals. Es ist unwichtig, welcher Partei der gewählte Präsident angehört. Demokrat oder Republikaner, sein Ziel besteht in der Erhaltung und Stärkung der Macht zugunsten des kapitalistischen Ausbeutungssystems in den Vereinigten Staaten und der ganzen Welt.

Vor mehr als 100 Jahren schon hat Engels zur politischen Lage in den Vereinigten Staaten geschrieben: "Hier wird jede der zwei größten Parteien, denen die Herrschaft abwechselnd zufällt, selbst wieder regiert von Leuten, die aus der Politik ein Geschäft machen, die auf Sitze in den gesetzgebenden Versammlungen des Bundes wie der Einzelstaaten spekulieren oder die von der Agitation für ihre Partei leben und nach deren Sieg durch Stellen belohnt werden. (...) haben wir hier zwei große Banden von politischen Spekulanten, die abwechselnd die Staatsmacht in Besitz nehmen und mit den korruptesten Mitteln und zu den korruptesten Zwecken ausbeuten - und die Nation ist ohnmächtig gegen diese angeblich in ihrem Dienst stehenden, in Wirklichkeit aber sie beherrschenden und plündernden zwei großen Kartelle von Politikern."(255)

Deshalb beobachtet man in den reichsten Ländern der Welt die schlimmsten unheilbaren sozialen Phänomene wie die Massenarbeitslosigkeit, die Kriminalität, materielle und kulturelle Armut usw. Genau das wird auch zugegeben im Buch "Out of Control" (1992) vom Falken der imperialistischen Ideologie, Zbigniew Brzezinski, der nun wirklich nicht der kommunistischen Propaganda verdächtigt werden kann:

"- Galoppierendes Elend und 37,5 Millionen Amerikaner in einer katastrophalen Situation

- 22 % der Kinder leben in Armut

- Gesundheitsdienst unzureichend

- Oberflächliches Bildungswesen und 23 Millionen der jungen Amerikaner unfähig zu lesen und zu schreiben

- Ansteigendes Gefühl der kulturellen Leere

- politisches System ohne Ausweg, das mehr und mehr seine korrupte Basis enthüllt und die Mehrheit der Bevölkerung vernachlässigt, während die politische Elite sich enormer Möglichkeiten erfreut, um seine Position zu erhalten."(256)

Damit ist nur ein Teil des Porträts vom sozialen Krebsgeschwür in den Vereinigten Staaten gezeichnet. Aber es zeigt die Natur der entwickelten kapitalistischen Gesellschaft. Solchermaßen ist der Boden der viel gerühmten Demokratie heute. Ihre Eigenart beruht auf dem Zweiparteiensystems, das die Nachfolge der beiden bürgerlichen politischen Parteien absichert, welche die Interessen des spekulierenden Finanzkapitals in den Vereinigten Staaten repräsentieren und verteidigen.

Die hervorstechende Eigenschaft dieser bürgerlichen Diktatur aber besteht in der Tatsache, dass sie sich nicht nur in den Grenzen der Vereinigten Staaten bewegt, sondern sich als eine moderne Form des Neokolonialismus überall in der Welt unter dem Vorwand der "Verteidigung der Werte und Prinzipien der westlichen Demokratie und der Marktwirtschaft" ausbreitet. Natürlich, ohne dass dieses Recht den Vereinigten Staaten durch wen auch immer gewährt worden wäre.

Der Präsident der Vereinigten Staaten, Bill Clinton, von einem Viertel der wahlberechtigten US-amerikanischen Bevölkerung für eine zweite Periode gewählt, wurde durch die Imperialisten als ein Beispiel der wahrhaften westlichen Demokratie hingestellt.

Zur gleichen Zeit aber wurde die Wahl des Präsidenten Belorusslands, Alexander Lukaschenko, gewählt von mehr als drei Vierteln der Staatsbürger seines Landes, als antidemokratisch verschrien und damit gedroht, ihn nicht anzuerkennen.

So offenbart sich der zynische Hintergrund im Verhalten der US-amerikanischen Imperialisten gegenüber gesellschaftlichen Prozessen in unserer zeitgenössischen Wirklichkeit.

1. 1. 4.
Chruschtschow hat 1961 auf dem XXII. Parteitag der KPdSU feierlich angekündigt, dass die Generation der Jahre 1980 im Kommunismus leben werde. Welch ein populistisches Abenteuer! Auf diese Weise hat er die marxistisch-leninistische Theorie vom Aufbau des Kommunismus als höchste Phase des gesellschaftlichen Systems revidiert.

Marx schrieb: "In einer höheren Phase der kommunistischen Gesellschaft, nachdem die knechtende Unterordnung der Individuen unter die Teilung der Arbeit, damit auch der Gegensatz geistiger und körperlicher Arbeit verschwunden ist; nachdem die Arbeit nicht nur Mittel zum Leben, sondern selbst das erste Lebensbedürfnis geworden; nachdem mit der allseitigen Entwicklung der Individuen auch ihre Produktivkräfte gewachsen und alle Springquellen des genossenschaftlichen Reichtums voller fließen - erst dann kann der enge bürgerliche Rechtshorizont ganz überschritten werden und die Gesellschaft auf ihre Fahne schreiben: Jeder nach seinen Fähigkeiten, jedem nach seinen Bedürfnissen!"(257)

Die Feinde des Marxismus-Leninismus und des Sozialismus spekulieren viel mit der Ausrufung des Kommunismus durch Chruschtschow, indem sie die Erklärung vom "Scheitern des Kommunismus" wie ein Axiom[29] in Umlauf setzen.

Aber anzuerkennen, dass der Kommunismus in der UdSSR zusammen gebrochen sei, ist nicht nur falsch, sondern sogar unlogisch, weil der Kommunismus als gesellschaftliches System noch gar nicht verwirklicht worden war. Was in sich zusammen gefallen ist, ist die abenteuerliche revisionistische Theorie Chruschtschows.

Chruschtschow hat den Marxismus-Leninismus mittels einer unglaublichen Verlogenheit und Gewalt verfälscht.

Verlogenheit: Bis zu Stalins Tode hatte er die allgemeingültige Linie der KPdSU auf allen Parteitagen und Plenen der KPdSU vertreten und die Berichte und Redebeiträge Stalins mit Enthusiasmus beklatscht.

Gewalt: Indem er die grundlegenden Positionen der marxistisch-leninistischen Theorie verfälschte und sich gegen Marx, Engels und Lenin stellte, hat er das Fundament der gesamtgesellschaftlichen Beziehungen in der UdSSR mit Fäulnis infiziert, was unvermeidlich zu deren Zerstörung geführt hat.


1. 2. Die Ursachen der ideologischen Metamorphose Chruschtschows

Wie kann diese Verlogenheit und Gewalt Chruschtschows erklärt werden? Wir denken, es durch die ideologische Metamorphose Chruschtschows erklären zu können, deren Ursachen in mehreren historischen Fakten zu finden sind.

1. 2. 1.
Der erste Grund ist in der spezifischen Lage zu finden, die komplex und widersprüchlich in der KPdSU und der UdSSR nach dem Tode Stalins am 5. März 1953 aufgetreten ist. Sofort nach seinem Tode wurde die Frage der während der Repressionen "unschuldig" Verurteilten mit der Forderung nach ihrer Rehabilitierung und Befreiung aufgeworfen. Verwandte und Freunde haben sich persönlich an Chruschtschow gewandt, der ab dem 15. März 1953 Zweiter Sekretär des Zentralkomitees war und im September 1953 zum Ersten wurde. Folgt man seinem Bericht, wurden unter dem Druck dieser Leute 7.679 Personen frei gelassen. Nun hatte er die auf Erkenntlichkeit beruhende Unterstützung der Verurteilten. Unter ihnen waren auch ehemalige Führungskräfte der Partei. Solchermaßen wurde in der Gesellschaft und unter gewissen Intellektuellen ein emotionales Klima zugunsten der Verurteilten geschaffen.

In der Öffentlichkeit wurden Fragen laut, die in der Forderung nach der Aufdeckung der Verantwortlichkeit für die Repressionen mündeten.

"Sowie er Erster Sekretär des Zentralkomitees der KPdSU geworden ist, hat Chruschtschow aus den Straflagern seinen Freund aus dem Moskauer Parteikomitee, K. Z. Koritni sowie A. Kossarew, die Mitglieder der Familie K. Kossior und andere befreit."(258)

Indem Chruschtschow persönlich als Erster Sekretär des Zentralkomitees den Prozess der Rehabilitierung und Befreiung der "unschuldig" Verurteilten führte, hat er sich in eine für sein politisches Überleben gefährliche Lage begeben. Sie entstand aus der Forderung, die Verantwortlichkeit der Schuldigen an den Repressionen aufzudecken. Chruschtschow selbst hatte dabei als Mitglied des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei (Bolschewiki) teilgenommen. So stand er vor dem Dilemma, die Entscheidungen der Partei im Kampf gegen die Konterrevolution als Fehler anzugreifen und damit das Zentralkomitee und also sich selbst, was für ihn sehr riskant war. Oder, was weniger riskant war und eher zu akzeptieren, die Verantwortlichkeit bestimmten Mitgliedern des Politbüros des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei (Bolschewiki) zuzuweisen und unter ihnen vor allem Stalin. Das ging um so besser, zumal er seine "theoretische Begründung" hatte: Stalin habe die Theorie von der Verschärfung des Klassenkampfes in der UdSSR "erfunden", auf dessen Grundlage die Entscheidungen zur Verfolgung der inneren Feinde der UdSSR erfolgten. Da Stalin nicht mehr lebte, konnte er die vom Zentralkomitee vertretenen Positionen nicht verteidigen. Auf diese Weise wurde Stalin zum "Hauptschuldigen" der Repressionen erklärt und er, Chruschtschow, wusch sich die Hände in Unschuld und verwandelte sich in einen Ankläger.

Bei der Durchführung dieser Operation stand Chruschtschow ein Bollwerk in Form von L. P. Berija im Wege. Er stand an der Spitze von MWD und NKGB und besaß ganz sicher viele Informationen und Daten über Chruschtschows Verhalten in den dreißiger Jahren und vor allem über seine aktive Teilnahme bei den Repressalien in der Ukraine. Aus diesem Grunde hat Chruschtschow sich unmittelbar nach Stalins Tod vorgenommen, Berija und die Führung von MWD und NKGB[30] zu liquidieren.

In seinen Memoiren beschrieb Chruschtschow die Verwirklichung seines Planes zur Liquidierung Berijas im Detail: "Bei Stalins Tode sind wir, die Mitglieder des Zentralkomitees, in die Villa Stalins nach Kuntzewo gegangen. Stalin lag ausgestreckt auf dem Sofa. Wir waren da, ohne viel zu sprechen. Jeder verharrte in seinen Gedanken. Berija und Malenkow sind als erste gegangen, nach ihnen Molotow und Kaganowitsch. In diesem Moment sagte Mikojan zu mir: 'Berija ist nach Moskau, um die Macht zu übernehmen.' Ich habe ihm geantwortet, dass, solange Berija am Leben sei, niemand seine Ruhe haben würde. Und dann hat sich in meinem Kopf der Gedanke geformt, dass man vor allen Dingen Berija ausschalten müsse. Wenig später habe ich begonnen, einzeln jedes Mitglied des Präsidiums von dieser Notwendigkeit zu überzeugen. Ich habe Malenkow bearbeitet, Woroschilow, Kaganowitsch. Zu Malenkow habe ich gesagt: 'Solange Berija in Freiheit ist und Macht über die Sicherheitsorgane hat, sind unsere Hände gebunden.'"(259)

In der Anklage gegen Berija wurde allgemein vereinbart, dass es sich um einen "Agenten des Imperialismus" handelt, der so schnell wie möglich als solcher zu liquidieren sei. Man sieht an diesen Worten Chruschtschows aber, dass es darum ging, Berija zu liquidieren, weil er eine Gefahr als Verantwortlicher des NKGB darstellte und Chruschtschow Angst vor ihm hatte.

Kaganowitsch schrieb: "Man hat uns keine Dokumente vorgelegt, die einen Beweis für Berijas Verbindungen zu den imperialistischen Ländern lieferten, dass er ein Spion wäre usw. Ich habe Molotow gefragt: 'Hattest du Dokumente gegen Berija?' Er hat mir geantwortet, dass es dergleichen nicht gebe."(260)

Unter diesen Bedingungen trieb Chruschtschow die Angst zur Eile, Berija könne authentische Informationen über seine Beteiligung an den Repressalien und andere Informationen über ihn besitzen und seine Stellung als Mitglied des Präsidiums des Zentralkomitees nutzen, um ihn politisch zu diskreditieren.

Im Juli 1953, also vier Monate nach Stalins Tod, wurde Berija nach einem ausgeklügelten Szenario festgenommen. Mit Hilfe des Moskauer Garnisonschefs, des Generals Moskalenko, wurde Berija während einer Sitzung des Präsidiums des Zentralkomitees der KPdSU verhaftet, als "imperialistischer Agent" beschuldigt und sehr schnell liquidiert, ohne dass es klar geworden wäre, welchem westlichen Land er gedient habe. Keinerlei Beweis wurde veröffentlicht. Das Gericht tagte hinter verschlossenen Türen.

Man weiß, dass Berija Mitglied des Komitees für Verteidigung (GKO) in der UdSSR während der gesamten Kriegsdauer war und höchst wichtige Entscheidungen des Komitees gekannt haben muss. Es ist keine misslungene militärische Aktion der sowjetischen Armee bekannt, die auf seiner Aktivität als ausländischer Agent beruhen könnte.

"Auf der Potsdamer Konferenz im Juli 1945, als Truman versucht hat, Stalin mit dem in den Vereinigten Staaten gelungenen Versuch der Atombombe zu erpressen, hat Stalin ganz ruhig reagiert, weil er von Berija mehr Informationen über diesen Versuch erhalten hatte als Truman selbst."(261)

Die Geschichte hat ihr letztes Wort über Berija noch nicht gesprochen.

Folglich war es die komplexe und gefährliche Situation für sein politisches Überleben nach Stalins Tod, die Chruschtschow veranlasst hat, sich Berijas zu entledigen und Stalin zu beschuldigen, die Theorie von der Verschärfung des Klassenkampfes in der UdSSR "erfunden" zu haben, damit sie die Entscheidungen über die "Repressionen gegen den Klassenfeind" begründe.

Diese zweideutige Lage hat Chruschtschow getrieben, seine anti-marxistische, anti-leninistische und anti-stalinistische Position der Schwächung und des Verschwindens des Klassenkampfes aufgrund der Erfolge beim Aufbau des Sozialismus zu verteidigen.

1. 2. 2.
Der zweite Grund für die ideologische Metamorphose Chruschtschows kann durch den steigenden Druck der "unschuldig" Verurteilten, die rehabilitiert und befreit worden waren, erklärt werden. Er weitete sich nach der Liquidierung Berijas aus und noch mehr nach dem XX. Parteitag der KPdSU, und entlud sich in der gehäuften Befreiung von Verurteilten.

Man kann sich fragen, wie eine einzige Person, selbst wenn sie Generalsekretär des Zentralkomitees der KPdSU ist, die fundamentalen Positionen des Marxismus-Leninismus vor allen Delegierten des Parteitages verändern kann.

Allein wäre ihm das eindeutig nicht gelungen. Das ist unmöglich. In den drei Jahren nach Stalins Tod hatte sich Chruschtschow mit Mitarbeitern aus den Reihen der "unschuldig" Verurteilten, verschiedenen Karrieristen und anderen anpassungsfähigen Leuten umgeben. Chruschtschow verdankte ihnen sein politisches Überleben und fügte sich ihrem Druck. Dieser Kreis unterstützte ihn nicht nur, sondern rühmte ihn als Neuerer und Liberalen - was seine Position in der KPdSU stärkte.

Chruschtschow wurde zur Marionette dieser Umgebung.

1. 2. 3.
Einen nicht zu unterschätzenden direkten oder indirekten Einfluss auf die Revision der Grundlagen des Marxismus-Leninismus hat die Tätigkeit der Fünften Kolonne des Feindes gespielt. Die Bedingungen des chruschtschowschen "Tauwetters" schufen für ihre Tätigkeit ein günstiges Klima. Hoffen wir, dass eines Tages die Geschichte die Namen dieser Mitarbeiter kennen wird und erfährt, wo und wie und mit welchen Mitteln und Methoden sie für den Imperialismus gearbeitet haben.

1. 2. 4.
Ein anderer Grund für die ideologische Metamorphose Chruschtschows ist seine schwache theoretische Bildung und daraus resultierend seine ideologische Unbeständigkeit.

Im Unterschied zu den anderen Mitgliedern des Präsidiums des Zentralkomitees zeigte Chruschtschow kein Interesse für die Theorie des Marxismus-Leninismus. Molotow schrieb: "Chruschtschow fand sich nicht immer gut in den theoretischen Problemen und den politischen Grundfragen zurecht. (...) Er gab vor, den Prinzipien Lenins und Stalins anzuhängen, aber tatsächlich stand er rechts." (262) Chruschtschow habe niemals theoretische Fragen entwickelt.(263)

1. 2. 5.
Eine andere Erklärung ergibt sich aus den verschiedenen Entwicklungswegen der Mitglieder des Politbüros der Generation Lenins, wie z. B. Molotow, Ordshonikidse und Kirow, die ihre Ausbildung im Kampf erhielten, während Chruschtschow nicht an revolutionären Kämpfen teilgenommen hat.

Molotow beispielsweise wurde mit 16 Jahren Mitglied der bolschewistischen Partei, Ordshonikidse mit 17, Kirow mit 18 Jahren, und sie haben an allen drei russischen Revolutionen teilgenommen (1905, Februar 1917 und Oktober 1917, Anm. d. frz. Ü.). Sie lernten unter dem Zaren Gefängnis und Verbannung nach Sibirien kennen. "Lenin und Stalin haben die zaristische Unterdrückung erfahren. Lenin wurde vier Mal verhaftet, drei Mal nach Sibirien verbannt und 15 Jahre lang lebte er in der Emigration, ohne Aussicht auf Rückkehr in sein Heimatland. Stalin wurde sieben Mal wegen seiner revolutionären Tätigkeit verhaftet, sechs Mal nach Sibirien verbannt, von wo er fünf Mal flüchtete, um den Kampf erneut aufzunehmen."(264)

Chruschtschow, der nur 4 Jahre jünger als Molotow war, wurde 1918 nach der Oktoberrevolution mit 24 Jahren Mitglied der Partei. In dieser Zeit strömten viele Leute in die Partei, darunter eine große Zahl an Karrieristen oder Feinden des Sozialismus.

Der Mangel an revolutionärer Stählung erklärt seine ideologische Instabilität, die zu Stalins Zeit nicht auffällig wurde, ihn aber dem Einfluss seiner Umgebung und der Agenten der Fünften Kolonne zugänglich machte.

Die Feinde des Sozialismus priesen laut und stark die revisionistische Linie Chruschtschows als "Modernisierung und kreative Entwicklung des Marxismus-Leninismus". Auf diese Weise trugen sie zur praktischen Einführung des Revisionismus in der KPdSU bei.

Das ist unsere Erklärung der Ursachen, die zur ideologischen Metamorphose Chruschtschows beigetragen haben. Sie war Voraussetzung für das Eindringen der revisionistischen Linie in die KPdSU und damit die Grundlage für den Prozess des Zerfalls in der UdSSR.

Natürlich kann es auch andere Erklärungen geben.

In der "Duma" (sozialistische bulgarische Zeitschrift der neunziger Jahre, Nachfolgeorgan der KP Bulgariens, Anm. d. bulg.-frz. Ü.) erschien beispielsweise folgende Information:

"Chruschtschow entstammt einer aristokratischen Familie, die der Dynastie der Romanows eng verbunden war." (265) Das ist eine Bekräftigung des japanischen Historikers Hiroki Takahashi, die seinem Sachbuch "Das Gold der Romanows" entnommen wurde. Der Autor forschte lange Zeit in den Archiven der russischen Emigranten im Westen. Seine Schlussfolgerungen baute er auf den dort entdeckten Angaben auf.

Ebenfalls in der "Duma", dieses Mal vom 17. Oktober 1994, findet man folgende Information: "Chruschtschow war der erste sowjetische Staatsmann, der am englischen Hofe 1956 empfangen wurde, und Elisabeth II. ist die einzige Person von hohem Rang, die zu seinem 75. Geburtstag, als er bereits der Macht enthoben war, ein Telegramm schickte."(266)

Man gibt also zu verstehen, dass Chruschtschow ein Agent des Westens gewesen sei. Aber für diese Version gibt es weder schriftlich niedergelegte Beweise, noch durch Chruschtschow unterzeichnete Dokumente, die ihn den Diensten irgendeines westlichen Staates verpflichten.

Es ist übrigens weniger wichtig, für wen er gearbeitet hat, das was zählt, sind die Konsequenzen der offenen revisionistischen Linie, die durch den XX. Parteitag der KPdSU eingeleitet wurde. Diese Folgen sind unleugbar.

Nebenbei: Es gibt gleichermaßen auch keine Dokumente, die Gorbatschow als Agenten des Imperialismus ausweisen. Aber sein Verrat ist augenscheinlich.


1. 3. Faktoren, die zum Erfolg der revisionistischen Linie geführt haben

Chruschtschow hat es geschafft, die revisionistische Linie in die KPdSU beim XX. Parteitag hineinzutragen, sie zu stabilisieren und nach dem XX. Parteitag in die Praxis umzusetzen.

Unserer Meinung nach haben die folgenden Faktoren, Ereignisse und Umstände zum Erfolg Chruschtschows geführt:

1. 3. 1.
Chruschtschow hat durch Intrigen und durch einen gut vorbereiteten Staatsstreich erreicht, Berija während einer Sitzung des Präsidiums der Zentralkomitees im Kreml zu verhaften. Zur gleichen Zeit erfolgte die Verhaftung seiner Mitarbeiter und Stellvertreter im MWD und NKGB, die durch Chruschtschow-treue Leute ersetzt wurden. Diesen Verhaftungen folgte die Zerstörung von Archiven in Moskau und der Ukraine, in denen Aktivitäten Chruschtschows dokumentiert waren.

Benediktow schrieb: "Ich habe aus sicherer Quelle erfahren, dass Chruschtschow die Zerstörung der Archive angeordnet hat, welche die Repressionen in den dreißiger und vierziger Jahren betreffen. Zuerst hat er versucht, seine Beteiligung auslöschen zu wollen, aber anschließend hat er auch die Beweise zerstört, welche die Schuld der Verurteilten beweisen."(267)

1. 3. 2.
Durch ein sehr riskantes aber erfolgreiches Szenario auf dem XX. Parteitag der KPdSU 1956 hat Chruschtschow den Widerstand der Veteranen der KPdSU (Molotow, Woroschilow, Kaganowitsch u. a.) verhindert. Ein Jahr später, im Juni 1957, hatte er es geschafft, sie aus dem Präsidium des Zentralkomitees zu entfernen. Selbst ihren Parteiausschluss erreichte er, wie auch den vieler anderer Mitglieder, die dem Marxismus-Leninismus treu blieben.

Kurz vor der Tagung vom Juni 1957 hatte das Präsidium des Zentralkomitees die Entscheidung getroffen, Chruschtschow aus dem Zentralkomitee und vom Posten des Generalsekretärs zu entfernen, aber in Folge der Warnung Shukows, dass die Armee diese Entscheidung nicht mittragen werde, hatte Chruschtschow seine Position behalten. Dieses Einschreiten Shukows war entscheidend.

Einige Monate später wurde Shukow von seinem Posten als Verteidigungsminister abgelöst.

1. 3. 3.
Des Widerstandes der Veteranen und der starken Persönlichkeit Shukows ledig, konzentrierte Chruschtschow die Macht in seinen Händen. Er hat sie in höchstem Grade als Erster Sekretär des Zentralkomitees der KPdSU und Präsident des Ministerrates genutzt und seine revisionistische Linie ohne Hemmungen durchgesetzt. In den Staats- und Parteiapparat hat er ihm treu ergebene Leute ernannt und ihnen Privilegien zugestanden und solcherart eine bürokratische Nomenklatur nach bürgerlichem Modell eingeführt.

Der Sohn Chruschtschows, Sergej, schrieb bereits in den dreißiger Jahren, dass Chruschtschow und Mikojan enge Beziehungen zu einem gewissen Snegow hätten, der 1938 vor Gericht stand und als Feind des Volkes zu 25 Jahren Gefängnis verurteilt worden wäre. 1956 hat ihn Chruschtschow begnadigt und als Zeugen für den "Terror unter Stalin" präsentiert. Snegow hat zu "beweisen" übernommen, dass es sich nicht um einen Fehler Stalins handele, sondern dass dessen Politik lasterhaft und kriminell und bereits 1917 eingeführt worden wäre. Ein solcher Feind der Oktoberrevolution wurde von Chruschtschow als Kommissar im Ministerium des Innern ernannt, wo er unter anderem die Rehabilitierung der "Opfer des Stalinismus" leitete! (268) Der Schwiegersohn Chruschtschows, Aschubej, wurde zum Chefredakteur der "Iswestija" gemacht und hatte auf alle Medien einen großen Einfluss.

So also wurden die Partei, die Armee, das MWD, der KGB und die Medien zu den Stützpfeilern der revisionistischen Linie Chruschtschows.

1. 3. 4.
Die Festigung der Linie Chruschtschows erfolgte mittels einer großen Massenkampagne, um die Entscheidungen des XX. Parteitages und der nachfolgenden Plenen zu erklären. Es handelte sich um eine über Jahre dauernde verleumderische propagandistische Aktion, die ohne Unterlass und mit allen Mitteln -Radio, Fernsehen, Presse, Versammlungen usw. - geführt wurde. Diese Kampagne hatte zum Ziel, Stalin als Tyrann und Diktator vorzuführen und die Verleumdung zum Axiom zu erheben, oder anders gesagt: Den Stalinismus als Symbol für Ungesetzlichkeit und Willkür zu verankern. Die Intelligenz hat in dieser Kampagne sehr viel Pflichteifer gezeigt.

Die propagandistische Aktion wurde im Namen der Partei, im Namen der Wiederherstellung der leninistischen Prinzipien und Normen des Parteilebens als eine kreative Weiterentwicklung des Marxismus-Leninismus geführt. Für die Mitglieder der Partei wollte damit ausgedrückt werden, dass die Partei bezüglich des Werkes Stalins und der an seinen Namen gebundenen Ereignisse die Wahrheit sagte. Um so mehr noch, da der in der geheimen Sitzung vorgestellte Bericht nicht veröffentlicht worden, keine Diskussion stattgefunden hatte und keine Verteidigung des Werkes und des Namens Stalin angenommen worden war. Im Gegenteil, jeder Versuch in diese Richtung wurde verfolgt und bestraft. So also hat sich als Reaktion auf den XX. Parteitag nach der ersten Überraschung, nach dem ersten Schock ein langsamer und peinlicher Prozess der Verwirrung des Bewusstseins der Bürger der UdSSR und der Mitglieder der KPdSU eingerichtet, der zur praktischen Durchsetzung der revisionistischen Linie beigetragen hat.

1. 3. 5.
Der Revisionismus war als kreative Entwicklung nach dem XX. Parteitag angekündigt worden. Als ein ernsthafter Faktor für den Erfolg der revisionistischen Linie erwies sich die in der Partei entstandene besondere Lage, die durch die folgenden Tatsachen charakterisiert war:

Die offizielle ideologische Linie der KPdSU blieb der Marxismus-Leninismus, indem seine "kreative Entwicklung" Bestandteil wurde.

Das gesellschaftliche System blieb der Sozialismus, mit dem offiziellen Versprechen Chruschtschows auf dem XXII. Parteitag, dass die folgende Generation im kommunistischen System leben werde.

Das Eigentum an Produktionsmitteln blieb in den Fabriken, den Kolchosen und den Sowjosen [landwirtschaftliche Staatsgüter, d. Ü.] sozialistisch; der Handel bewahrte seinen sozialistischen Charakter.

Die Vorzüge und sozialen Errungenschaften der Werktätigen blieben erhalten.

Die sozialistischen Feiertage - 1. Mai, 7. November, der Tag der Sowjetarmee - bestanden weiterhin.

Ähnlicher Tendenz folgte der Enthusiasmus der Werktätigen, der Bauern und der Intellektuellen in der Arbeit, der sich einige Zeit fortsetzte.

Auch der anti-imperialistische Charakter der Außenpolitik der UdSSR blieb erhalten.

Diese ganze spezifische Situation in der UdSSR schuf die Illusion, dass die Abschaffung des "Personenkultes" um Stalin die Voraussetzung war, um die leninistischen Prinzipien des Parteilebens und des Staates zu erneuern und der "Kult" ein großes Hindernis beim Aufbau des Sozialismus gewesen wäre. Und all dies trug dazu bei, das Bewusstsein der Werktätigen in der UdSSR zu verwirren, half somit also bei der Verankerung der revisionistischen Linie.

Unvermeidbar aber entwickelte sich unter der Oberfläche dieser besonderen Lage der Prozess des Niedergangs im Zusammenwirken der sozialistischen Gesellschaft.

Diese widersprüchliche Situation hat nicht nur die Kommunisten in der UdSSR und in den anderen sozialistischen Ländern getäuscht und verwirrt, sondern viele kommunistische Parteien in der ganzen Welt.

Die Kommunistische Partei Chinas hat die Umkehr bereits in den ersten Monaten nach dem XX. Parteitag der KPdSU vorausgesehen und in geduldiger, toleranter und freundschaftlicher Art die Leitung der KPdSU zu überzeugen versucht, die Anwendung der revisionistischen Linie aufzuhalten und fallen zu lassen. Aber statt deren Besorgnis und die angebotene Hilfe anzuerkennen, hat die Führung der KPdSU mit Chruschtschow an der Spitze eine verleumderische Kampagne gegen die Kommunistische Partei Chinas begonnen. Erst im Jahre 1963 hat die KP Chinas entschieden, seinen historischen offenen Brief vom 14. Juni 1963 für eine neue Hauptlinie der internationalen kommunistischen Bewegung zu veröffentlichen. Auf der Grundlage einer marxistisch-leninistischen Analyse der Lage in der Welt und in der KPdSU stellte dieser Brief die prinzipielle Position der KP Chinas gegenüber dem Revisionismus Chruschtschows klar und schlug den kommunistischen Parteien einen Weg zur Überwindung des revisionistischen Sumpfes vor. Aber dieser Vorschlag wurde erneut verworfen und führte sogar zur Verstärkung der lügnerischen Kampagne gegen die KP Chinas.

Nur ein Jahr nach der Veröffentlichung des Briefes der KP Chinas wurde Chruschtschow seines Postens als Generalsekretär der KPdSU enthoben. Allerdings wurde unter Führung seines Nachfolgers Breschnew die revisionistische Linie fortgesetzt, weil die Feinde mit Mitgliedsbuch der Partei den Partei- und Staatsapparat durchsetzt hatten.

Das Aprilplenum 1956 in Bulgarien fand unmittelbar nach dem XX. Parteitag statt. Keiner der Teilnehmer hatte begriffen, was vor sich ging, um die Partei vor der Gefahr der revisionistischen Linie Chruschtschows zu warnen. Im Gegenteil, unter dem Einfluss des XX. Parteitages hat das ZK der Bulgarischen Kommunistischen Partei dessen Entscheidungen ohne Kritik angenommen und hat unter der Führung von Todor Shiwkow die gleiche revisionistische Linie in der BKP eingeführt.

Es gibt Menschen, die überlegen folgendermaßen: Chruschtschow hatte die Abschaffung des Sozialismus in der UdSSR weder geplant noch gewollt und erst recht nicht die Zerstörung der UdSSR.

Kann sein, dass er es nicht gewollt hat. Aber er hat wissentlich die fundamentalen Positionen des Marxismus-Leninismus verfälscht und folglich die objektiven Bedingungen für das Auftreten des Niedergangs in der UdSSR geschaffen, die unter Breschnew weiter entwickelt wurden und sich logischerweise in den Prozess des Zerfalls der UdSSR unter Gorbatschow und Jelzin umgewandelt haben. Die subjektiven Wünsche und Vorhaben eines Chruschtschow unterliegen keiner historischen Wertung. Das, was zählt, sind die historisch objektiven Ergebnisse seines Handelns.

1. 3. 6.
Die Tatsache, dass während des Großen Vaterländischen Krieges mehr als drei Millionen der besten Kommunisten gefallen sind, hat eine nicht zu unterschätzende Rolle für die Einführung der revisionistischen Linie gespielt. Es handelte sich um gut ausgebildete Kader, dem Marxismus-Leninismus und der leninistisch-stalinistischen Führung treu ergeben, und um qualifizierte Menschen, die in der Partei und den Staatsorganen wichtige Arbeitsplätze inne hatten.

1. 3. 7.
Führende Kader der kommunistischen Parteien der sozialistischen Länder wurden mit Hilfe und unter Einflussnahme Chruschtschows von Leuten ersetzt, die seiner revisionistischen Linie anhingen. Dieser Fakt ist als ein bestimmendes Element der Flucht nach vorn anzusehen.

1. 3. 8.
Chruschtschow wurde in seiner Verleumdungskampagne gegen Stalin aktiv und weltweit vom Imperialismus unterstützt. Seinen Vertretern war bewusst, dass sich der Hass gegen Stalin unweigerlich in Hass gegen Lenin, gegen den Marxismus-Leninismus und den Sozialismus verwandeln würde, weil der Name Stalins untrennbar mit diesen verbunden ist.

1. 3. 9.
Nach dem Tode Stalins gab es keine starke Persönlichkeit im Zentralkomitee der KPdSU, die politisch und ideologisch gut vorbereitet und als Autorität in der Lage war, Stalin zu folgen. G. Malenkow zeigte sich der Situation nicht gewachsen. Diese Tatsache hat für Chruschtschows Erfolg eine große Rolle gespielt. Er hat die Gelegenheit durchtrieben genutzt.

1. 3. 10.
Die von Chruschtschow genutzten Methoden standen im Widerspruch zu den Prinzipien der Partei. Für ihn erwiesen sich als zielführend: Heuchelei, Gewalt, Erpressung und Mahnung, Lügen und Bestrafungen, Staatsstreich und Panzer. Um seine Zwecke zu erreichen, nutzte er Intrigen und bediente sich des Karrierestrebens der Menschen.


1. 4. Die Folgen der revisionistischen Linie

Die Folgen der revisionistischen Linie sind traurig. Es ist das Mindeste, was man dazu sagen kann. Sie haben den Prozess der Zersetzung der UdSSR eingeleitet, der zum Zerfall führte.

1. 4. 1.
Wir haben angezeigt, dass Chruschtschow bereits vor dem XX. Parteitag eine Massen-Rehabilitierung vorgenommen und eine reichliche Anzahl an Verurteilten freigelassen hatte. Man muss unterstreichen, dass selbige auf der Stelle stattfand, nach Liste und nach einem kurzen Gespräch mit dem Betroffenen, ohne auf die Schwere der Urteile zu achten. Auf diese Weise wurden Leute frei gelassen, die wegen anti-sowjetischer Verbrechen und auch wegen anderer krimineller Delikte verurteilt worden waren. Diese Menschen bildeten eine spezielle soziale Kraft in der UdSSR mit Einfluss auf die Gesellschaft und Chruschtschow. Ein großer Teil dieser Menschen, vor allem vormals in der Partei tätige Kader, sind wieder in den Partei- und Staatsapparat eingetreten. Andere sind in die Medien gegangen, als Journalisten und Publizisten in die Redaktionen von Tageszeitungen, Zeitschriften, Rundfunk und Fernsehen. Sie haben eine große Rolle im Prozess der Zersetzung der UdSSR gespielt. Unterm Strich sind sie es, Dank derer ein Gorbatschow und Jelzin an den Gipfel der Macht kamen.

So also hat Chruschtschow, der die Abschwächung des Klassenkampfes proklamierte, höchst persönlich die Bedingungen für dessen Verschärfung abgesichert.

1. 4. 2.
Nach dem XX. Parteitag der KPdSU ist das so genannte "Tauwetter" Chruschtschows mit breiten propagandistischen Mitteln in der UdSSR erklärt worden. Es wurde als Ergebnis der "kreativen Entwicklung der Demokratie" als progressiv und selbst revolutionär beklatscht. Diese Kampagne lief parallel zu der gegen Stalin. Sie gab dadurch mehr oder weniger unterschwellig zu verstehen, dass es unter Stalin weder Redefreiheit, noch Freiheit des Denkens, der Kritik und Selbstkritik wie unter dem "Tauwetter" gegeben hatte.

Welche Hausfrau würde die Motten hegen, die ihre Kleidung zerfressen? Welcher Gärtner ließe unter dem Vorwand des friedlichen Miteinanders das Unkraut die Rosen ersticken?

Der große russische Schriftsteller Maxim Gorki sagte: "Der Feind, der sich nicht ergibt, wird vernichtet."

Sicherlich muss unterschieden werden, um wessen Freiheit es sich handelt: Um die Freiheit der Minderheit, gegen die Interessen der Werktätigen zu handeln, oder aber um die Freiheit der Werktätigen, ihre Rechte zu verteidigen.

Ganz offensichtlich nahm man sich unter Chruschtschow nicht die Freiheit, die oftmals unvermeidlichen Fehler und Unzulänglichkeiten beim Aufbau des Sozialismus zu kritisieren, um sie im Interesse der Sowjetmacht zu vermeiden. Eine solche Freiheit existierte während der Zeit des sozialistischen Aufbaus, mehr noch, sie wurde begrüßt. Stalin hatte diesbezüglich gesagt: "...Selbstkritik brauchen wir wie die Luft, wie das Wasser. Ich denke, unsere Partei könnte ohne sie, ohne die Selbstkritik, nicht vorwärts schreiten, sie könnte unsere Gebrechen nicht aufdecken, sie könnte unsere Mängel nicht beseitigen. Und Mängel gibt es bei uns viel. Das muss offen und ehrlich zugegeben werden. (...) Wenn unser Land das Land der Diktatur des Proletariats ist (...) - ist es dann nicht klar, dass wir selber unsere Fehler aufdecken und korrigieren müssen, wenn wir vorwärts schreiten wollen, ist es dann nicht klar, dass es sonst niemand gibt, der sie aufdecken und korrigieren könnte?"(269)

Am 28. Januar 1929 sagte Stalin in seinem Gespräch mit Campbell über den Sozialismus: "Wir wissen, dass wir nicht ohne Fehler sind und wir haben keine Angst vor der Kritik und keine Angst, den Schwierigkeiten offen ins Auge zu sehen und unsere Fehler anzuerkennen. Aber wir erkennen und begrüßen eine gerechte und konstruktive Kritik."(270)

Über sich selbst sagte Stalin: "Ich bezeichne mich nicht als unfehlbar. Ich denke, dass die Partei nur gewinnen kann, wenn der Fehler eines Genossen durch ihn selbst anerkannt und anschließend korrigiert wird."(271)

Wir haben weiter oben über die sehr kritischen Briefe des Schriftstellers Michail Scholochow vom Frühjahr 1935 und Stalins Antwort geschrieben. Sie geben ein Beispiel, wie Kritik in die sozialistische Gesetzlichkeit des Gebietes Weschenskaja übernommen wurde. Führen wir noch ein Beispiel an:

"Der englische Schriftsteller H. Wels, der die Sowjetunion 1936 besuchte, sagte während eines Empfangs zu Stalin: 'Als Repräsentant der Organisation der Schriftsteller, des PEN-Clubs, möchte ich unterstreichen, dass diese Organisation auf dem Recht der freien Meinungsäußerung besteht, oppositioneller Meinungen eingeschlossen. Aber ich weiß nicht, ob diese Freiheit hier gegeben ist.' Stalin antwortete ihm: 'Bei uns nennt man das Selbstkritik. Sie wird in der UdSSR vollauf angewandt.'"(272)

Während der Zeit des Chruschtschowschen "Tauwetters" war die Meinungsfreiheit die des bürgerlichen Liberalismus, das heißt, die Freiheit einer tendenziösen Kritik. In den westlichen kapitalistischen Ländern wurde sie angewandt, um jeweils gegebene politische Ziele durchzusetzen. Jener bürgerliche Liberalismus hat in diesen kapitalistischen Ländern niemals zur Abschaffung von Ausbeutung, Arbeitslosigkeit, Armut, Kriminalität und der kulturellen Verarmung der Masse der arbeitenden Bevölkerung geführt.

Das "Tauwetter" Chruschtschows entsprach dieser bestimmten, zurecht gemachten Entwicklungsrichtung, einer ungesunden "Treibhausluft", die es den imperialistischen Kräften erlaubte, ihre antisozialistische verleumderische Propaganda zu erneuern und zu verstärken.

Und wie es nicht anders zu erwarten war, hat sich diese verleumderische Bewegung im Verlaufe eines Jahrzehnte dauernden Zersetzungsprozesses auch gegen Lenin, gegen den Marxismus und Sozialismus gerichtet, und dauert heute noch an. Die Verleumdungen wurden und werden sorgfältig inszeniert, emotional bearbeitet und auf der gesamten Front der Medien - Rundfunk, Presse, Fernsehen - verbreitet und solchermaßen zu Axiomen geformt, die den Sozialismus, die KPdSU, die Sowjetunion, Lenin und Stalin mit Gewalt und Diktatur gleichsetzen.

Im Jahre 1913 schon sann Lenin darüber nach, das Bewusstsein der einfachen Arbeiter zu erhöhen, denn die proletarische Revolution hatte sie hellwach nötig: "Die Menschen waren in der Politik stets die einfältigen Opfer von Betrug und Selbstbetrug, und sie werden es immer sein, solange sie nicht lernen, hinter allen möglichen moralischen, religiösen, politischen und sozialen Phrasen, Erklärungen und Versprechungen die Interessen dieser oder jener Klassen zu suchen."(273)

Oder anders ausgedrückt: Die Menschen müssen zur revolutionären Reife gelangen, um sich nicht in der Situation eines verdummten Opfers zu befinden.

Im Oktober 1917 hat das russische Proletariat seine revolutionäre Reife gezeigt. Es hat sie während der Jahre des Bürgerkrieges bewiesen, während der Jahre des sozialistischen Aufbaus und vor allem im Großen Vaterländischen Krieg.

Und 1990, das heißt, nach fast 35 Jahren der verleumderischen Propaganda eines Chruschtschow, schrieb der russische Dissident Alexander Zinowjew: "Es scheint mir, dass nun über Russland der Deckel der Massen-Geistesverwirrung gefallen ist. Die Initiatoren und die Akteure dieses Nebels präsentieren ihn wie ein Erwachen und eine Zukunftsaussicht nach der dunklen Periode des Stalinismus. Aber ich finde hier keinerlei intellektuellen oder moralischen Fortschritt. Ich sehe darin einen intellektuellen und moralischen Verfall der sowjetischen Gesellschaft."(274)

Das ist das Ergebnis des Chruschtschowschen "Tauwetters". Seit 1956 war das ein unbezwinglicher Prozess des ideologischen Zerfalls, der Jahrzehnte dauerte. Alle Versuche der sich gegen den Revisionismus stellenden ehrlichen Kommunisten, der Verteidiger des Marxismus-Leninismus, wurden verfolgt und bestraft.

Trotz alledem haben ihn mehr als zweitausend ehrliche und mutige Kommunisten in Bulgarien bekämpft, weil sie die Gefahr für die Partei und für das Land sahen. Sie bestand in der von der Bulgarischen Kommunistischen Partei mit Todor Shiwkow an der Spitze ohne Kritik angewandten revisionistischen Linie. Leider hat die Führung der BKP, die Todor Shiwkow am 10. November 1989 abgesetzt hat, beschlossen, das sozialistische System in unserem Land abzuschaffen und nicht den Revisionismus und die aus ihm resultierenden Deformationen und Fehler.

Sie haben den Namen der Partei in Sozialistische Partei gewechselt, danach schnell die marxistische Theorie aus dem Programm der Partei verbannt und eine antimarxistische, sozialdemokratische Konzeption eines "demokratischen Sozialismus" angenommen. Auf diese Art hat sich die Partei zu einer einfachen sozialdemokratischen Partei umgewandelt, die ein treuer Ableger und Diener des Kapitalismus ist.

1. 4. 3.
Die neue soziale Macht, die sich aus den rehabilitierten Verurteilten bildete, hat sich neben dem "Tauwetter" Chruschtschows als günstig bei der konterrevolutionären Offensive der imperialistischen Mächte erwiesen. Sie haben in den "unschuldig Verurteilten" die gesellschaftliche Basis für die Fünfte Kolonne gefunden. Die verleumderische Kampagne Chruschtschows gegen Stalin begünstigte die ideologische imperialistische Offensive, die sich zur Woge der Propaganda gegen Lenin, den Marxismus und den Sozialismus ausweiten ließ.

Die gefährlichsten Konsequenzen des chruschtschowschen Revisionismus bestanden in der Abschwächung der Wachsamkeit in den Reihen der Partei und des Volkes, was die Tätigkeit der Fünften Kolonne vereinfachte. Der Aufstieg solcher Leute wie Gorbatschow und Jelzin in die oberen Etagen der politischen Arena ist auf Grund dieses Mangels an Wachsamkeit möglich geworden.

1. 4. 4.
Nachdem Chruschtschow seine führende Rolle in Partei und Staat errungen hatte, befasste er sich ganz mit seiner eigenen Situation. Er richtete im Staats- und Parteiapparat eine bürokratische Nomenklatur privilegierter Leute nach bürgerlichem Modell ein, die aus seinen Getreuen und Verwandten bestand. Das war eine in der Gesellschaft unbedeutende Schicht, die sich oberhalb derer einrichtete, sie von der Macht fernhielt. Diese Schicht hatte sich von den Interessen der Massen entfernt, unterschied sich von ihnen durch ihre Lebensweise, ihre Moral und ihre Art zu denken. Auf höchstem Niveau des Staates und der Partei unterstützte der Apparat der Nomenklatur ohne Zurückhaltung die revisionistische Linie Chruschtschows.

Auf mittlerem und unterem Niveau wurden die Deformationen und Fehler bemerkt, aber man passte sich an, um seinen Posten zu behalten. Der dritte Typ der Menschen, der offen kritisierte und sich gegen die revisionistische Linie wehrte, wurde verfolgt und ins Abseits gedrängt.

In Bulgarien entstand nach dem Aprilplenum 1956 die gleiche Situation.

Diese bürokratische Nomenklatur war vor allem mit ihren eigenen Angelegenheiten beschäftigt. Sie wurde besonders in der Breschnew-Ära stärker und noch mehr unter der "Perestroika" von Gorbatschow. Ein Teil hat ganz offen die Interessen des Landes unter Jelzin verraten.

In seinem Werk "Staat und Revolution" schrieb Lenin, dass die Bürokratie die Hauptgefahr für die Diktatur des Proletariats bilde. Ausdruck der Bürokratie seien "privilegierte Personen, die sich oberhalb der Massen einrichteten und sich von ihnen entfernten". Und weiter: "Gerade am Beispiel der Kommune hat Marx gezeigt, dass im Sozialismus die beamteten Personen aufhören, 'Bürokraten', 'Beamte' zu sein, sie hören in dem Maße auf, es zu sein, wie außer der Wählbarkeit auch noch die jederzeitige Absetzbarkeit eingeführt wird, dazu noch die Reduzierung des Gehalts auf den durchschnittlichen Arbeiterlohn und dazu noch die Ersetzung der parlamentarischen Körperschaften durch 'arbeitende Körperschaften, die vollziehend und gesetzgebend zu gleicher Zeit' sind."(275)

Lenin bestand besonders auf dem Prinzip des Durchschnittsgehalts der Verantwortlichen. Das war nicht nur ein Grundsatz am Vorabend der Oktoberrevolution 1917, sondern auch eine Erinnerung, ein Achtungszeichen. Man weiß, dass Lenin und Stalin sehr an diesem Prinzip festhielten und mit gutem Beispiel vorangingen.

Aber Chruschtschow und Breschnew haben dieses Achtungszeichen Lenins ignoriert. Die historische Erfahrung zeigt aber, dass Führer ohne Autorität wie Chruschtschow und Breschnew ohne "Nomenklatur" nicht auskommen. Mit kleinen Schritten hat Chruschtschow über die bürokratische Nomenklatur einen Regierungsstil des administrativen Leitens eingeführt, der die Zersetzung der Gesellschaft und den Prozess der Beschädigung verstärkte. Er fand grundlegend, ernsthaft und im großen Maßstab statt.

1. 4. 5.
Der Prozess der Zersetzung zerstörte die Grundlagen und die Einheit der UdSSR, in der sich zwei Bestandteile der sowjetischen Gesellschaft gebildet hatten. Auf einer Seite war das die Nomenklatur mit ihrer Umgebung, die die Macht besaß und Partei und Staat führte und sich von den Volksmassen auf moralischem, politischem und ideologischem Niveau entfernte. Sie wurde vom Volk die "rote Bourgeoisie" genannt. Auf der anderen Seite standen Millionen Werktätiger der Sowjetunion, die nach dem XX. Parteitag der KPdSU Objekt von unaufhörlichen Manipulationen waren und von der verleumderischen Propaganda Chruschtschows bearbeitet wurden. In ihren Köpfen erfolgte ein langer und peinlicher Prozess der ideologischen Verformung, der zur ideologischen Ignoranz führte. Der frühere Chef des sowjetischen Geheimdienstes, der General Leonid Schebarschin, schrieb: "1956 verpflichtete man uns zu glauben, dass Stalin ein Verbrecher wäre (nicht allein, es zu wissen, sondern es zu glauben), dass alles, was man noch kurze Zeit vorher glaubte, ein Betrug wäre."(276)

Der XX. Parteitag hat die Sowjetmenschen überrascht und schockiert. Seitdem sind sie über Jahre manipuliert und ein großer Teil ist verwirrt worden. Das Verwirrtsein hat sich im Verlaufe der Jahre in Zweifel, der Zweifel in Hoffnungslosigkeit verwandelt. Das vielleicht traurigste Ergebnis der chruschtschowschen Linie ist die Tatsache, dass zwei bis drei Generationen nach dem XX. Parteitag die Menschen ihre Hoffnung verloren hatten. Die größte Errungenschaft des Sozialismus wurde zerstört: Das phantastisch Abenteuerliche bei der Verwirklichung der Stalinschen Fünfjahrpläne, der sozialistische Kollektivgeist und der Patriotismus, der die Massen begeistert hatte. Deshalb gab es beim Verrat Gorbatschows und Jelzins keinen wirklichen Widerstand.

Schon vor der Oktoberrevolution hatte Lenin geschrieben, dass man handlungsunfähig sei ohne die Interessiertheit der Massen, deren wachen Bewusstseinsstand, Tatendrang, Bereitschaft und Selbständigkeit. (277) Die werktätigen Massen hatten dieses Bewusstsein, diesen Tatendrang und diese Bereitschaft bereits während des ersten Fünfjahrplanes gezeigt, so dass Stalin dazu sagte:

"Was konnte bei der Tatsache, dass die Partei trotz der Fehler und Mängel entscheidende Erfolge in der Durchführung des Fünfjahrplans in vier Jahren errungen hat, die Hauptrolle spielen und hat sie in der Tat gespielt? Welches sind die Hauptfaktoren, die uns trotz alledem diesen historischen Sieg gesichert haben?

Es sind dies vor allem die Aktivität und die Hingabe, der Enthusiasmus und die Initiative der Millionenmassen der Arbeiter und Kollektivbauern, die gemeinsam mit den Ingenieuren und Technikern eine kolossale Energie entwickelt haben, um den sozialistischen Wettbewerb und die Stoßbrigadenbewegung zu entfalten. Es kann kein Zweifel darüber bestehen, dass wir ohne diesen Umstand das Ziel nicht hätten erreichen können, uns keinen Schritt hätten vorwärts bewegen können.

Es ist dies zweitens die feste Führung der Partei und der Regierung, die die Massen zum Vormarsch aufriefen und alle und jegliche Schwierigkeiten auf dem Wege zum Ziele überwanden.

Es sind dies schließlich die besonderen Vorteile und Vorzüge des sowjetischen Wirtschaftssystems, das kolossale Möglichkeiten in sich birgt, die zur Überwindung der Schwierigkeiten notwendig sind.

Das sind die drei Hauptfaktoren, die den historischen Sieg der UdSSR bestimmt haben."(278)

Aber nach dem XX. Parteitag der KPdSU sind Bewusstsein, Tatendrang und Enthusiasmus der Volksmassen der UdSSR weggewischt worden und das Volk wurde von der Macht und der Arbeit ferngehalten.

Man kann von den Werktätigen keine revolutionäre Kreativität erwarten und einfordern, wie zu Zeiten der Fünfjahrpläne unter Stalin, wenn die Arbeiterklasse, die Bauern und die Intelligenz von der Macht entfernt worden sind. Das war die Ursache der Stagnation zu Breschnews Zeiten und des Sturzes in der Epoche Gorbatschows und Jelzins.

1. 4. 6.
Chruschtschow hat seine Individualität voll ausgelebt und dabei alle Macht der Partei und des Staates genutzt, was zu einer Reihe von Fehlern und Blamagen ebenso in seiner Innenpolitik wie auch in der Außenpolitik der UdSSR führte, zu Fehlern, für die er persönlich verantwortlich war.

Eine ganze Reihe von Maßnahmen wurde von Chruschtschow durchgesetzt, nur um zu erinnern: Das Zusammenlegen von Kolchosen, die Abschaffung der Maschinen- und Traktoren-Stationen (MTS), welche die gemeinsame Nutzung der Landwirtschaftsmaschinen absicherten. Nach deren Abschaffung waren die Genossenschaften gezwungen, sie zu kaufen (was zum wirtschaftlichen Zusammenbruch kleinerer Genossenschaften führte, Anm. d. Ü.). Weiterhin der Anbau von Mais, die Entziehung der kleinen privatwirtschaftlich genutzten Felder der Kolchosbauern; der ungerechtfertigte Aufruf zum Überholen der Vereinigten Staaten in der Milch-, Butter- und Fleischproduktion pro Kopf der Bevölkerung in einem viel zu kurzen Zeitraum usw. Und nicht zu vergessen sein großartiges Versprechen, dass die nächste Generation im Kommunismus leben werde!

In der Außenpolitik der UdSSR hat Chruschtschow ebenfalls sein Abenteurertum gezeigt, in offiziellen Gesprächen ebenso wie in seinen Aktionen.

Genauso war die Zersetzung der internationalen kommunistischen Bewegung das Resultat seiner revisionistischen Linie. Nach dem XX. Parteitag trübten sich die Beziehungen zwischen der KPdSU und einer wesentlichen Zahl an kommunistischen Parteien, so auch zur Kommunistischen Partei Chinas.

Die Haltung Chruschtschows blieb nicht ohne Einfluss auf die Schwächung der Ökonomie einerseits und die Autorität der KPdSU und der UdSSR andererseits. Diese Situation hat die Unzufriedenheit der Werktätigen hervorgerufen, was die Leitung der KPdSU zwang, Chruschtschow von seinem Posten als Generalsekretär der KPdSU abzusetzen: Er war selbst zu einer Gefahr für die revisionistische Linie geworden. Die aber, die ihn ersetzten, haben die revisionistische Linie weiter verfolgt und zur Stagnation und zur Verlangsamung der Entwicklung der UdSSR beigetragen.

Die Folgen der revisionistischen Linie Chruschtschows schufen die objektiven Bedingungen für den Verrat Gorbatschows, wozu der italienische Politiker Giulio Andreotti im Jahre 1988 bemerkte: "Ohne den XX. Parteitag der KPdSU hätte der Stern Gorbatschows nicht am Horizont aufgehen können."(279)


1. 5. Vom Prozess der Beschädigung zum Prozess des Zerfalls

Indem der revisionistischen Linie gefolgt wurde, entwickelte sich der Prozess der Beschädigung zu Chruschtschows und Breschnews Zeiten gnadenlos. Zu Gorbatschows Zeit wurde der destruktive Ablauf unter der Maske der "Perestroika" bewusst beschleunigt und durch einen nicht verborgenen Verrat beendet. Er öffnete den Weg für die Niederlage der UdSSR.

Hier die zerstörerischen Handlungen Gorbatschows:

1. Auflösung des Rates für Gegenseitige Wirtschaftshilfe (RGW)
2. Auflösung des Warschauer Vertrages
3. Auflösung des sozialistischen Lagers
4. Auflösung der internationalen kommunistischen Organisationen
5. Auflösung der KPdSU und der UdSSR
6. Abschaffung des Sozialismus und Wiedereinführung des Kapitalismus in den sowjetischen Republiken und in den sozialistischen Ländern Osteuropas.

DAS IST EIN HISTORISCHER VERRAT OHNEGLEICHEN UND EIN UNVERZEIHLICHES VERBRECHEN!

Man muss gestehen, dass das "historische Verdienst" dieses Verrates auf das Konto von Gorbatschow und seinem Anhang geht. Seine Demagogie war nicht zu überbieten. Wie viel Kommunisten, Intellektuelle und kommunistische Parteileitungen sind durch seine anfänglichen Erklärungen, die "Sorge um die Verbesserung des Sozialismus", betrogen worden!

So hat zum Beispiel Gus Hall als Präsident der Kommunistischen Partei der Vereinigten Staaten anlässlich des XXVIII. Parteitages der KPdSU am 5. Juli 1990 an Gorbatschow in seinem Glückwunschtelegramm geschrieben: "Nun befindet sich eure Partei auf der Schwelle der neuen wichtigen Etappe im Kampf um die "Umwandlung", die bestimmt ist, das sowjetische Volk im nationalen Bestreben um die Modernisierung und die Erneuerung der sowjetischen sozialistischen Ökonomie voranzubringen, damit es die Vorzüge des Sozialismus genießen kann. Wir wünschen euch große Erfolge im Kampf für die Zukunft des Sozialismus. Herzliche brüderliche Grüße. G. H."(280)

Am 17. März 1991 fand auf Initiative von Gorbatschow das absolut unnütze Referendum "für" oder "gegen" die Erhaltung der UdSSR statt. Nur neun Monate später haben Gorbatschow, Jelzin und ihr Anhang trotz der 112 Millionen Staatsbürger (76 Prozent der Bevölkerung), die FÜR den Erhalt der UdSSR stimmten, die Auflösung organisiert und durchgeführt. Der Staatsstreich (der fehlgeschlagene "Putsch") vom August 1991 hat hierbei eine besondere Rolle gespielt. Eines Tages wird man die Autoren und Regisseure dieses Theaterstreiches kennen lernen.

Anlässlich eines Interviews von Lew Karpinski im Herbst 1991 hat Gorbatschow erklärt: "Die Notwendigkeit einer Geistesrevolution hat mein politisches Verhalten bestimmt. Ich war mir dieser Notwendigkeit bewusst. Ich stellte mir die Möglichkeiten der 'Perestroika' besser vor als die anderen. Die Beschreibungen in den Dokumenten geben die Tiefe und den Umfang der geplanten Umwandlungen nicht wieder. Man musste das System wechseln, zu dieser Schlussfolgerung war ich gekommen. Aber wenn man die Frage in dieser Art bereits von Beginn an gestellt hätte, ohne die Gesellschaft vorzubereiten, wäre nichts daraus geworden. Ich wusste, dass dies an neue Lebensformen gebunden war und dass es Widersprüche geben würde."(281)

Dieses Geständnis Gorbatschows zwei Monate vor der Auflösung der UdSSR ist sehr bezeichnend.

Die Auflösung eines enormen Landes vorzubereiten, eines großen sozialistischen Landes wie der UdSSR, errichtet mit dem Schweiß mehrerer Generationen und verteidigt gegen die faschistische Invasion, was mehr als 20 Millionen sowjetischen Staatsbürgern das Leben gekostet hat, die große Kommunistische Partei der Sowjetunion aufzulösen, Organisator und Führer bei der Errichtung des neuen sozialistischen Systems in der UdSSR und des Sieges über den Faschismus - das ist ein Verbrechen ohnegleichen!

Es ist nicht hinnehmbar, ein solches Verbrechen schweigend zu übergehen, ohne es zu analysieren und den kriminellen Umfang zu ermitteln.

Das Gericht des sowjetischen Volkes hat Michail Gorbatschow zum Tode und zur Verachtung verurteilt. Aber das ist nicht ausreichend. Er muss durch ein internationales Gericht verurteilt werden, dem alle Repräsentanten aller sozialistischer Länder Osteuropas angehören müssen, die in Folge seines Verrats zerstört wurden. Ohne Zweifel hat der Nachfolger Gorbatschows, der Verräter-Renegat Boris Jelzin, der das Verbot der KPdSU, die Zerstörung der UdSSR und des Sozialismus und die Restaurierung des Kapitalismus in der UdSSR durchsetzte, das gleiche Schicksal verdient.

Der Prozess der Degradation, der in der zweiten Hälfte der fünfziger Jahre in der UdSSR begann, hat unbestritten zu ihrem Zerfall geführt. Bereits 1940 schon schrieb Georgi Dimitroff: "Der politische Verrat beginnt mit der Verfälschung der Theorie."(282)

Wenn heute die Feinde des Marxismus von der "Niederlage des Sozialismus" reden, muss man wissen, dass es sich um die Niederlage des revisionistischen Modells des Sozialismus handelt.

Lasst uns sehen, was zivile und militärische westliche Autoritäten von der Stärke und der Lebenskraft des sowjetischen sozialistischen Systems schrieben: "Als die größte Überraschung des Zweiten Weltkrieges hat sich die Sowjetunion erwiesen. Der dichte Nebel der Lügen hat sich in einer Nacht verzogen und ließ das wahre Gesicht der sowjetischen Nation erscheinen, seiner Führer, seiner Wirtschaft, seiner Armee und wie es Cardell Hull (Staatssekretär im Auswärtigen Amt der Vereinigten Staaten, Anm. d. Autors) ausdrückte, die epischen Qualitäten ihrer patriotischen Feuer."

Als erste große Schlussfolgerung aus dem Zweiten Weltkrieg kann festgestellt werden, dass sich die sowjetische Rote Armee unter Führung des Marschalls Stalin als die stärkste und fähigste Kraft im Kampf für den Fortschritt und die Demokratie erwiesen hat.

Am 23. Februar 1942 hat der General Douglas McArtur vor seinen Mitbürgern erklärt: "Die heutige Lage in der Welt zeigt, dass die Hoffnung der Zivilisation unter den Fahnen der tapferen Roten Armee marschiert. Ich habe an mehreren Kriegen teilgenommen, war bei anderen Zeuge, und ich habe bis ins Detail die Schlachten großer militärischer Chefs der Vergangenheit studieren können. In keinem Fall habe ich eine solche siegreiche Verteidigung gegen die grauenhaften Schläge eines noch zu Beginn des Zweiten Weltkrieges siegreichen Feindes erlebt. Die vernichtenden Verteidigungskämpfe trafen den Feind bis ins Mark. Die Spannweite und die Größe dieses Elans sollten als der größte militärische Erfolg in der Geschichte festgehalten werden."

Die zweite große Schlussfolgerung ist, dass sich das ökonomische System der Sowjetunion als unwahrscheinlich fähig erwiesen hat, eine Massenproduktion unter extrem ungünstigen Verhältnissen abzusichern. William Batt, Vizepräsident des Rates für militärische Produktion der Vereinigten Staaten, hat Moskau 1942 besucht. Bei seiner Rückkehr erklärte er: "Ich bin nach Moskau gefahren mit dem Gefühl des Zweifels bezüglich seiner Fähigkeit, einem Krieg dieses Ausmaßes zu widerstehen. Ich bin ganz schnell überzeugt worden, dass die gesamte Bevölkerung bis zur letzten Frau und bis zum letzten Kind ihren Platz zur Verteidigung einnahm. Ich zweifelte an der technischen Fähigkeit der Russen, und ich habe entdecken müssen, dass sie Meister in der Leitung der Fabriken und beharrlich bei der Produktion von Kriegsgerät waren. Ich war losgefahren mit den hier erhaltenen und mich beengenden Informationen, die unterstellten, dass es Meinungsverschiedenheiten in der russischen Regierung gäbe, aber ich habe eine starke und fähige Regierung vorgefunden, die überall durch einen enormen Enthusiasmus unterstützt wurde. Kurz gesagt, ich bin nach Russland gefahren und habe mich gefragt, ob es ein vertrauungswürdiger Alliierter wäre. Meine Antwort ist: Ja."

Die dritte Schlussfolgerung besteht in der Feststellung, dass Millionen Menschen unterschiedlicher Völker der Sowjetunion um ihre Regierung mit einem patriotischen Mut ohnegleichen vereinigt waren.

Der britische Premierminister W. Churchill erklärte am 31. August in Quebec (Kanada): "Es gibt keine Regierung, die so grausamen und harten Schlägen wie sie Hitler Russland ausgeteilt hat, widerstehen könnte. Russland hat diese Schläge nicht nur überlebt, sondern hat es geschafft, die deutsche Armee zurück zu schlagen, wie es keine andere Macht der Erde geschafft hätte."(283)

Die vierte Schlussfolgerung ist, dass das Bündnis mit den Ländern des Westens reelle Möglichkeiten des Friedens zwischen den Völkern aufgezeigt hat.

Sie bestanden in der Anerkennung der Lebenskraft und der Stärke des sozialistischen sowjetischen Systems, des marxistischen Modells des Sozialismus, durch den Westen.


Anmerkungen

[26] Repressionen haben nichts zu tun mit dem von den Feinden der Sowjetunion gebrauchten Begriff der Repressalien, die in der deutschen Sprache Synonym für Vergeltungsmaßnahmen sind. (Anmerkung des Autors) Ansonsten gilt noch immer die Einsicht von Marx, dass der Staat die "organisierte Gewalt einer Klasse zur Unterdrückung einer anderen" ist. (Anmerkung des Hrsg.)

[27] Vgl. Stalin, Bd. 14, über den Entwurf der Verfassung der Union der SSR, II, u.a.: "Da sie [die Produktionsmittel] aber besitzt und die Kapitalistenklasse liquidiert ist, so ist jede Möglichkeit ausgeschlossen, die Arbeiterklasse auszubeuten. Kann man danach unsere Arbeiterklasse Proletariat nennen? Es ist klar, dass man es nicht kann. Marx hat gesagt: Um sich zu befreien, muss das Proletariat die Klasse der Kapitalisten zerschmettern, den Kapitalisten die Produktionsmittel und -instrumente wegnehmen und jene Produktionsverhältnisse abschaffen, die das Proletariat erzeugen. Kann man sagen, dass die Arbeiterklasse der Sowjetunion diese Bedingungen ihrer Befreiung schon verwirklicht hat? Das kann man und muss man unbedingt sagen. Was bedeutet das aber? Das bedeutet, dass das Proletariat der Sowjetunion zu einer völlig neuen Klasse, zu der Arbeiterklasse der Sowjetunion geworden ist, die das kapitalistische Wirtschaftssystem abgeschafft, das sozialistische Eigentum an den Produktionsmitteln und -instrumenten verankert hat und die Sowjetgesellschaft auf den Weg zum Kommunismus leitet." - Anm. d. Ü.

[28] James William Fulbright (1905-1995), stimmte als einziger Senator gegen das Mc-Carthy-Komitee. Er ist eher bekannt durch das nach ihm benannte Fulbright-Programm (internationaler Austausch im Hochschulbereich)

[29] "Ein Axiom ist ein grundlegender Satz, der die unhintergehbare Basis für Folgesätze bildet, der nicht beweisbar, aber unmittelbar einleuchtend ist." So formulierte es Thomas Metscher populärwissenschaftlich. Aus: Vorabdruck "Logos und Wirklichkeit", JW v. 14.6.2010

[30] MWD, zwischendurch NKWD = Ministerium des Innern. Der Staatssicherheitsdienst, zeitweise dem MWD unterstellt = GPU, OGPU, NKGB, ab 1954 KGB. Bei Chruschtschow Trennung der Institutionen: (Anm. d. Ü.)


QUELLENANGABEN

(251) Karl Marx, Zur Kritik des Gothaer Programmentwurfs, AW, Teil I, S. 184, Sofia, 1977 oder auch in: AW in 6 Bänden, Dietz Verlag Berlin 1978, IV. S. 397, oder: Dietz Verlag ME Werke, Bd. 19, S. 15-32
(252) Friedrich Engels, in: Einleitung zu "Der Bürgerkrieg in Frankreich" von Karl Marx (Ausgabe 1891), Werke. (Karl) Dietz Verlag, Berlin. Band 22, 3. Auflage 1972, unveränderter Nachdruck der 1. Auflage 1963, Berlin/DDR. S. 199.
(253) T. K. Belaschtschenko, USA: 200 Jahre - 200 Kriege, S. 4, Moskau, 1976
(254) a. a. O., S. 4
(255) siehe (252)
(256) Zbigniew Brzezinski, Out of Control, Sofia 1994, S. 110, 111 u. 136 (deutscher Titel: Macht und Moral, 1. Aufl. 1994, Hamburg, Hoffmann u. Campe.) Zitat a. d. Frz. übersetzt.
(257) siehe Anm. (251) - AW in 6 Bd. IV, S. 389
(258) Roy Medwedew, in : Zeitschrift Studentschesky Meridian, Nr. 3, S. 34, 1983
(259) N.S. Chruschtschow, in: Literaturnaja Gaseta, v. 24.02.1988
(260) L. Kaganowitsch, in: Tribuna, Nr. 3, 1994
(261) Emission des Moskauer Fernsehens v. 8.1.1995 um 14 Uhr
(262) W.M. Molotow, Souvenirs, in: Tribuna, Nr. 15, 1994
(263) a. a. O., Nr. 21, 1994
(264) B.T. Baglikow, Die große Zusammenarbeit von Lenin und Stalin, S. 16, Moskau, 1953
(265) T. Hiroke, in: Duma, v. 3.4.1993
(266) Duma v. 17.10.1994
(267) A.I. Benediktow, in: Tribuna, Nr. 19, 1992
(268) Ludo Martens, Der Aufbau des Sozialismus unter Stalin, in: Tribuna, Nr. 38-39, 1993
(269) Stalin, Ausgewählte Werke, Bd. 2, S. 195, Sofia, 1949, oder: Stalin, Werke, Band 11, S. 22/23, Über die Arbeiten des Vereinigten Aprilplenums des ZK und der ZKK, Referat in der Versammlung des Aktivs der Moskauer Organisation der KPdSU(B), 13. April 1928
(270) Stalin, AW, Bd. 13, S. 146 oder: Stalinwerke.de, Bd. 13, S. 93: Herr Campbell schneidet auf und S. 94 die Niederschrift
(271) Stalin, Ausgewählte Werke, Bd. 8, S. 348
(272) H. Wels, Diskussion mit Stalin, in: Moskowskije Nowosti, Nr. 42, 1989
(273) Lenin, Werke, Sofia, Bd. 23, S. 47; oder: AW in 6 Bdn, Bd. 2, Drei Quellen und drei Bestandteile des Marxismus, S. 333 oder: Werke, Dietz Verlag Berlin, Bd. 19, S. 9
(274) A. Zinowjew, in: Duma, 11.01.1990
(275) W.I. Lenin, Staat und Revolution, S. 95, Sofia 1949, oder: Dietz Verlag Berlin, AW in 6 Bd., Bd. 3, S. 578; oder: Werke, Bd. 25, S. 505-7
(276) L. Schebarschin, Balgarsko Woinstwo, Nr. 12, 1995
(277) Lenin, Werke, 2. Ausgabe, Bd. 21, S. 355, Sofia 1981
(278) J.W. Stalin, Werke, 2. Ausgabe, Band 21, S. 355, Sofia, 1981; oder: Stalinwerke.de: Band 13, Vereinigtes Plenum des ZK und der ZKK der KPdSU(B),7.-12. Januar 1933, Kapitel 8, Allgemeine Schlussfolgerungen
(279) G. Andreotti, Russland von Nahem gesehen, S. 28, Milano 1989
(280) Gus Hall, in: Prawda, 5.7.1990
(281) M. Gorbatschow, in: Moskowskije Nowosti, Nr. 44, 1991
(282) Georgi Dimitroff, Sammlung von Artikeln, Edition der Union der bulgarisch-sowjetischen Gesellschaften, S. 10, Sofia, 1949
(283) Michel Sayers und Albert Kahn: Das große Komplott gegen Russland, London 1946, Sofia 1996, S. 377-378


Anm. d. Ü.: Die auf den beiden letzten Seiten dieses Abschnittes genutzten Zitate sind z. T. ohne weitere Herkunftsangaben.

Raute

Kapitel 9, Teil 2: Zweite Hauptursache - Die Generaloffensive der imperialistischen Kräfte gegen die UdSSR

Es ist bekannt, dass die Vereinigten Staaten den Sieg der Großen Sozialistischen Oktoberrevolution mit Wut und Hass begrüßt haben. Es folgten die Nichtanerkennung der neuen sowjetischen Macht und das Embargo. Die Vereinigten Staaten gehörten zu den treibenden imperialistischen Mächten, die ihre Armeen nach Russland in den Bürgerkrieg von 1918-1921 geschickt hatten, um die Sowjetmacht zu schlagen. Nachdem sie aus Russland hinausgeworfen worden waren, haben die USA ihre Nichtanerkennungs- und Embargopolitik fortgesetzt und eine Verleumdungskampagne nach der anderen gegen das erste sozialistische Land der Welt geführt. Die diplomatische Anerkennung der UdSSR durch die Vereinigten Staaten fand dann unter Präsident Roosevelt im Jahre 1933 statt.

Die Vereinigten Staaten haben im Bündnis mit den anderen imperialistischen Ländern, insbesondere England und Frankreich, und ungeachtet der diplomatischen Anerkennung der UdSSR Hitlerdeutschland in Bezug auf dessen Angriffsziel Sowjetunion finanziell aktiv unterstützt. Eine weltweite antisowjetische Front wurde errichtet. Zur gleichen Zeit haben Deutschland, Italien und Japan den Anti-Komintern-Pakt gegen die Kommunistische Internationale und die UdSSR begründet.

Dank einer geschickten Politik Stalins und der sowjetischen Regierung wurde die anti-sowjetische Front gebrochen. Die Feinde der Sowjetunion fanden sich im Verlaufe des Zweiten Weltkrieges im Kampf gegeneinander, und der Anti-Komintern-Pakt wurde praktisch entschärft.

Mit den Vereinigten Staaten an der Spitze wurde am Ende des Zweiten Weltkrieges die neue Generaloffensive der imperialistischen Kräfte gegen die UdSSR eröffnet. Es handelt sich hierbei um die Offensive gegen das sowjetische Volk, das die Welt von der faschistischen Barbarei befreit hatte. Anstatt ihm den Frieden und eine fruchtbare Zusammenarbeit zu sichern, haben die imperialistischen Kräfte am Tage nach dem Kriege die Generaloffensive gegen die UdSSR begonnen.

Wir wollen uns die drei Hauptrichtungen dieser Generaloffensive näher ansehen.


2. 1. Auf ökonomischem Gebiet

Man muss daran erinnern, dass Roosevelt 1943 auf der Konferenz von Teheran seine Bereitschaft erklärt hatte, der UdSSR zur Beseitigung der Kriegsschäden Unterstützung zu leisten. Der Dolmetscher Stalins bei dieser Konferenz, W. M. Bereshkow, schrieb: "Roosevelt sprach indessen von den umfassenden Möglichkeiten, die sich nach dem Krieg für den Ausbau der wirtschaftlichen Beziehungen zwischen den Vereinigten Staaten und der Sowjetunion bieten würden.

'Gewiss', fuhr der Präsident fort, der Krieg hat Rußland gewaltige Zerstörungen zugefügt. Ihnen, Marschall Stalin, stehen große Wiederaufbauarbeiten bevor. Und dabei können die Vereinigten Staaten mit ihrem großen Wirtschaftspotential Ihrem Lande eine beträchtliche Hilfe leisten. Ich nehme an, wir können der Sowjetunion nach unserem gemeinsamen Sieg über die Achsenmächte einen Kredit von mehreren Milliarden Dollar gewähren. Natürlich ist das vorerst nur ein ganz allgemeiner Ausblick. All das muss noch in den entsprechenden Sphären erörtert werden, aber im großen und ganzen halte ich es für völlig real.''

'Ich bin Ihnen sehr dankbar für dieses Angebot, Herr Präsident', sagte Stalin. 'Unser Volk hat unter großen Entbehrungen zu leiden. Sie können sich kaum die Verheerungen in den Gebieten vorstellen, in denen der Feind gehaust hat. Der durch den Krieg angerichtete Schaden ist gewaltig, und gewiss begrüßen wir die Hilfe eines so reichen Landes wie der Vereinigten Staaten, natürlich, wenn sie zu annehmbaren Bedingungen gewährt wird.'

'Ich bin sicher, wir werden uns darüber einigen können. Jedenfalls werde ich mich persönlich darum kümmern', antwortete Roosevelt."(284)

Bleibt zu unterstreichen, dass es Roosevelt war, der den Hilfsvorschlag an Stalin machte und letzterer darauf verwies, dass die Hilfe zu akzeptablen Bedingungen stattfinden müsse. Roosevelt ist ein Jahr und vier Monate später verstorben, und mit seinem Tod ist das "persönliche Kümmern" um Hilfe für die UdSSR nach dem Kriege erloschen. Diese Hilfe ist niemals erfolgt.

Nicht zu übersehen ist allerdings, dass mit oder ohne Roosevelt die imperialistischen Kräfte der Vereinigten Staaten im Begriff waren, eine allgemeine Offensive gegen die UdSSR anzubahnen. Grund genug war, dass die Autorität und der Einfluss der UdSSR nach dem Krieg in der gesamten Welt wesentlich zugenommen hatte, denn die Völker hatten mit Kriegsende weltweit die Stärke und die große Lebensfähigkeit des sozialistischen sowjetischen Systems beobachten können. Dieser Einfluss stellte für die Interessen der imperialistischen Kräfte eine große Gefahr dar. Im Wissen um diese Gefahr wurden unmittelbar nach dem Krieg Programme erarbeitet und ohne Bedenken und Zögern offensiv umgesetzt.

Als wichtig hervorzuheben bleibt, dass Roosevelt einen Kredit von mehreren Milliarden Dollar vorsah für den Wiederaufbau der UdSSR, während die imperialistischen Kräfte der USA nach dem Tode Roosevelts fünf Trillionen Dollar für ihre Zerstörung ausgaben, das heißt, tausend Mal mehr für die Zerstörung als für den Wiederaufbau.

Allgemein bekannt ist, dass die Vereinigten Staaten aus dem Krieg gestärkt hervorgingen. Sie produzierten unwahrscheinliche Mengen an Waffen, die sie an die kriegführenden Mächte verkauften, was ihnen enorme Profite einbrachte, genauer gesagt, dem militärisch-industriellen Komplex der USA natürlich. Außerdem gab es auf dem Territorium der USA keine Zerstörungen; keine Bombe, keine Mine, keine Granate ist dort gefallen. Es gab nichts wieder aufzubauen. Reich geworden am Krieg, mit einem unwahrscheinlichen wissenschaftlichen und industriellen Potential, das eine fundierte Basis für die beschleunigte ökonomische Entwicklung der Vereinigten Staaten nach dem Kriege darstellte, haben sie den wissenschaftlich-technischen Fortschritt als Druckmittel gegen die UdSSR nutzen können.

Im Übrigen haben die USA nach dem Krieg ihre Plünderung und Ausbeutung der unterentwickelten Länder fortgesetzt, aus denen sie immense Profite zogen: Milliarden Dollar jährlich, von denen ein Teil für die Zerstörung der UdSSR genutzt wurde.

Die USA haben nach dem Kriege allerlei Organisationen und Klubs gegründet, die ihnen einen entscheidenden Einfluss auf die Entwicklung anderer Länder sicherten, die UdSSR eingeschlossen. Indem sie Organisationen wie die Weltbank, den Internationalen Währungsfond und andere Vereinigungen gezielt als Vermittler nutzten, haben die Vereinigten Staaten ihre Interessen in der gesamten Welt erfolgreich durchsetzen können.

Die Vereinigung Cocom[31] wurde gegründet, die so genannte "sensible" Exporte u. a. in die UdSSR verbot, um ihr den Zugang zu den neuesten Technologien der USA und anderer kapitalistischer Staaten zu verweigern. Es wurden Verbotslisten mit mehr als 300 Produkten aufgestellt, die nicht in die UdSSR zu liefern waren. Zielstellung war die Verzögerung der Entwicklung der UdSSR und die Störung der Erfüllung ihrer sozialen Pläne. Damit sollte in der Bevölkerung der UdSSR Unzufriedenheit geschürt und das sozialistische System als unsozial diffamiert werden.

Die von den USA provozierte gewollte Beschleunigung des Wettrüstens hat die Sowjetunion zu enormen Ausgaben für ihre Verteidigung und ihre Sicherheit gezwungen. Selbst wenn diese nicht immer der realen Verhältnismäßigkeit für ihre Verteidigung entsprachen, führte das Wettrüsten doch unausweichlich zur Reduzierung ziviler Produktionsgüter und verminderte die Möglichkeiten zur Anhebung des Lebensniveaus der Bevölkerung.

Das Konzept der Schaufenster-Strategie wurde umfangreich angewandt. Es beinhaltete die Demonstration von neuesten Waren insbesondere im Bereich der häuslichen Gebrauchsgegenstände wie Autos, Fernseher, Kühlschränke, Waschmaschinen usw., die mit dem Zurückbleiben der UdSSR in diesem Bereich verglichen werden sollten. Das Ziel war durchsichtig: Der Vorteil der kapitalistischen Ökonomie der USA sollte in den Köpfen verankert und die Unzufriedenheit der Sowjetbürger mit ihrem System geschürt werden.

Man muss zugeben, dass diese ökonomische Demonstration keine schlechten Ergebnisse erzielte.


2. 2. Offensive im ideologischen Bereich

Vor allem unter den Bedingungen des chruschtschowschen "Tauwetters" hat der US-amerikanische Imperialismus die ihm günstigen Möglichkeiten im ideologischen Bereich offensiv genutzt. In erster Linie haben die USA zu diesem Zwecke Dutzende an Instituten und Zentren gegründet, die sich mit der Auswertung von Formen und Methoden und Einflussmöglichkeiten auf das Bewusstsein des Einzelnen beschäftigen.

Die Medien wurden zum hauptsächlichen Mittel der "Gehirnwäsche", deren Ziel die Manipulation, das Verbreiten von Lügen und das Abschaffen des historischen Gedächtnisses der Bevölkerung ist. Eine wichtige Rolle hat dabei die Funktion von Bildern übernommen - Fernsehen, Kino, aber auch Presse, Literatur, Radio, Sport, Unterhaltungssendungen usw. Sie dienen als Mechanismen der psychologischen Guillotine des Imperialismus, die Gewissen und Moral vieler Leute beschädigt. In vorderster Linie ist die Jugend und die Intelligenz betroffen.

Auf solche Weise hat das Radio Liberty, das vom US-amerikanischen Kongress finanziert wird und Tag und Nacht in den Sprachen der Völker der sowjetischen Republiken lief, Dutzende Rubriken entwickelt und lieferte "objektive Analysen". Heute noch erfüllt dieser Sender Hauptaufgaben als psychologisches Instrument des US-amerikanischen Imperialismus. Sein Hauptsitz wurde von München nach Prag verlegt und näherte sich so den Territorien der ehemaligen sowjetischen Republiken. In der Epoche Gorbatschows wurde die Störung des Senders aufgehoben als Zeichen des "Ausdrucks von Demokratie und Glasnost und Meinungsfreiheit". Heute werden die "freien Worte" ohne Unterlass durch Dutzende von Sendern in mehreren Städten auf dem Territorium der ehemaligen UdSSR verbreitet.

Es ist schwierig einzuschätzen, was gefährlicher ist für das Land und das russische Volk: Die Betätigung des Radios Liberty in Prag oder die Stationierung neuer Raketen auf dem Territorium der Tschechischen Republik nach seinem Eintritt in die NATO. Es ist kein Zufall, wenn der Staatssekretär der Vereinigten Staaten, W. Christopher, vor einem Besuch Moskaus dem Radio Liberty einen Besuch abstattete und seine Zufriedenheit über dessen Aktionen ausdrückte.

Eine vergleichbare Rolle spielen das Radio Freies Europa, Die Stimme Amerikas und eine ganze Reihe anderer ähnlicher Sender.

Die Informationen und Sendungen sind bei ihnen umtriebig emotional vorbereitet und künstlerisch verbrämt. Sie dürfen schockieren, handlungsstark sein, Zweifel hervorrufen, den Geist vernebeln. Scheinbar unpolitisch, unparteiisch und ohne Ideologie, stellen sie ein ganzes ideologisches System dar, nämlich das des bürgerlich einseitigen Denkens und der Verdummung der Leute.

Die Unterhaltungssendungen und die Musikgruppen, in den USA hergestellt und in der ganzen Welt verbreitet, gehören zu den erschreckendsten Bildern des Niedergangs und der Geistesarmut, die öffentlich und direkt dem Empfänger eingetrichtert werden. Und tausende junge Leute nehmen sie mit offenen Armen auf. In diesen "musikalischen Sendungen" gibt es weder Musik noch Kultur. Der russische Schriftsteller und Dramaturg Viktor Rozow schrieb: "Die Massen in den USA haben nicht diese kulturellen Bedürfnisse, die wir brauchen. Sie suchen nur nach Unterhaltung und Zerstreuung."(285)

Die Rolle der Subkultur besteht im Heranziehen von nicht handlungsfähigen Menschen und zielt vor allem auf junge Leute. Sie werden gesellschaftlich und politisch behindert und in einem Zustand mentaler Trunkenheit gehalten. Und warum? Die politische Herrschaft der imperialistischen Kräfte soll ohne Konfliktgefahr aufrecht erhalten werden. Das erlaubt ihnen die ungehinderte Ausbeutung der Werktätigen bei der Verfolgung ihres ewigen Strebens nach Maximalprofit.

Das Kino wird als starkes Mittel der ideologischen Behandlung der Massen genutzt. Der Großteil der in den USA hergestellten Filme enthält Gewalt, Verfolgungsjagden, Morde, Massenverhaftungen, Sex. Diese Geisel hat sich nach der Konterrevolution auch auf die ehemaligen sozialistischen Länder gelegt, unmittelbar begleitet vom Auftreten und der ständigen Steigerung der Kriminalität, auch der sexuellen Kriminalität.

Kunst und Sport, religiöse Sekten, verschiedene "offene" Wohltätigkeits-Vereine und die verschiedensten Stiftungen existieren alle zoll- und steuerfrei. Finanziert von den ideologischen Zentralen und dem Generalstab der CIA, unterliegen sie deren Einflüssen und Kontrolle. Auch hier steht die Verdummung der Jugend im Vordergrund.

Nehmen wir zum Beispiel die Stiftungen von George Soros[32] oder genauer sein amerikanisches Open Society Institute zur Zeit Gorbatschows, dessen erklärtes Ziel der "Sturz der Sowjetmacht" war. Vom Oktober 1989 an und bis zum Frühjahr 1991 hat dieses Institut mehr als 40 Konferenzen in verschiedenen Städten der Sowjetunion abgehalten. Im Frühjahr 1991 ist die Führung des Instituts in Moskau von Jelzin empfangen worden.(286)

Diese Fakten haben es nötig, analysiert zu werden.

Es ist ein großes Unglück, dass die mit aller Kraft gegen die UdSSR und die sozialistischen Länder geführte ideologische Offensive auf keinerlei Widerstand gestoßen ist. Die kriminelle Tätigkeit der geistigen Manipulation durch den US-amerikanischen Imperialismus wird heute mit einer unerhörten Stärke und in einem riesigen Umfang fortgesetzt und sie erreicht nicht zu unterschätzende Ergebnisse. Sie ist einer der bedeutendsten Faktoren bei der Beschleunigung des Niedergangsprozesses sowohl in der UdSSR als auch in den sozialistischen Ländern.

Festzuhalten bleibt der traurige Fakt, dass sich viele Intellektuelle und Schriftsteller des Westens bei der Ausführung des erschreckenden Planes zur Manipulation des Bewusstseins in den Dienst der imperialistischen Kräfte gestellt haben. Sie halfen so dem amerikanischen Imperialismus bei der Installation seiner "neuen Ordnung" und der Festigung seiner weltweiten Herrschaft. Leider haben auch Intellektuelle und Schriftsteller der sozialistischen Länder ihr moralisches Bewusstsein für grüne Dollars verkauft. Sind sich diese Bürger eigentlich der schweren Verantwortung bewusst, die sie gegenüber ihren Völkern und vor der Geschichte tragen?


2. 3. Die Offensive der Fünften Kolonne

Die Rolle der ökonomischen und ideologischen Offensive gegen die UdSSR ist nicht zu unterschätzen. Unabhängig davon aber hat die Tätigkeit der Fünften Kolonne der USA die entscheidende Rolle bei der Zerschlagung der UdSSR gespielt.

Die in der UdSSR als Folge der revisionistischen Linie der KPdSU aufgetretenen Probleme hätten ebenso überwunden werden können wie die Ergebnisse der ideologischen und ökonomischen Offensive des US-amerikanischen Imperialismus, wenn die KPdSU die marxistisch-leninistische Linie wieder hergestellt hätte. Aber das geschah nicht.

Die schlimmste Folge der Einführung der revisionistischen Linie in der UdSSR war das Sinken der Wachsamkeit im Volk, in den Organen des Staates und der Partei. Unter den Bedingungen des chruschtschowschen "Tauwetters" hat eben das in bedeutender Weise die Tätigkeit der Fünften Kolonne vereinfacht. Ihre Arbeit wurde von der Hauptzentrale der Central Intelligence Agency (CIA) in den Vereinigten Staaten geleitet. Unter ihrer Führung haben Institute, Zentralen und Ausschüsse wissenschaftliche Methoden, Mittel und Formen der Anwerbung, der Vorbereitung und der Nutzung von Agenten der Fünften Kolonne in der UdSSR ausgearbeitet. Die CIA achtete besonders darauf, dass ihre Agenten in die Entscheidungszentren des Staates und der Partei und in die vertraulichen und der Geheimhaltung unterliegenden wissenschaftlich-technischen Institute der Verteidigung und der Sicherheit der UdSSR eingeschleust wurden. Eine wahre wissenschaftliche Strategie und Taktik des Verrates ist entwickelt worden. Der Inhalt dieser Wissenschaft kann kurz wie folgt beschrieben werden:

Erarbeitung von zeitgemäßer Technik, von Anleitungen, Mitteln, Ausrüstungen und Formen, um "einflussreiche Agenten" zu interessieren und anzuwerben;

Erarbeitung und Indienststellung von zeitgemäßen Ratgebern, die unter den führenden Personen der UdSSR und der Partei die Übernahme von Theorien und Praktiken der westlichen Marktwirtschaft und der bürgerlichen Demokratie beeinflussten;

Entwicklung von Anleitungen, Formen und Hilfsmitteln zur Stabilisierung der Macht der Verräter der UdSSR, die die Unumkehrbarkeit des Prozesses der Restaurierung des Kapitalismus in Russland, den ehemaligen Ländern der UdSSR und den Ländern des sozialistischen Lagers Europas absichern sollen.

Das Auftauchen von Verrätern wie Gorbatschow und Jelzin war unter den Bedingungen des "Tauwetters" möglich geworden. Das Eindringen von Agenten mit Einfluss an die Spitze der Macht hat sich als sehr effektiv und gefährlich für den Sozialismus erwiesen. Molotow schrieb in seinen Memoiren: "Solange der Imperialismus existieren wird, wird er nicht an Mitteln zur Destruktion des Sozialismus und unserer sozialistischen Gesellschaft sparen. Und die Menschen sind weit davon entfernt, alle unkäuflich zu sein."(287)

Nach dem Zerfall der UdSSR hat der bekannte sowjetische Dissident Alexander Zinowjew geschrieben: "Ich denke, dass man unser Land getötet hat. Das ist die größte Tragödie meines Lebens. Ja, sie haben es ganz einfach getötet. Ich protestiere nachdrücklich gegen die westliche Propaganda, die da schreit, eine solche Entwicklung der Ereignisse stelle einen natürlichen Prozess eines sich erschöpfenden Systems (des sozialistischen Systems) dar. Nichts dergleichen! Der Mord ist unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg programmiert und genau und methodisch ausgeführt worden. Die Mordstrategie ist in den geringsten Details erarbeitet worden. Dieser Mordplan ist von außerhalb aufgedrückt worden und fand seine Mitarbeiter innerhalb des Landes. Ganz oben angesiedelte Führer des Landes, eine gewisse Schicht der oberen Sphäre der sowjetischen Gesellschaft und der intellektuellen Elite sind zu Mördern geworden. Sie haben ganz einfach die Interessen ihres Volkes verraten. Ich nutze das Wort "Verrat" im wissenschaftlichen und nicht im moralischen Sinn. (...) Sie haben das staatliche System zerstört. Sie haben die Ideen, die Kultur, den moralischen und ideologischen Zustand der Bevölkerung zerstört, die Jugend demoralisiert. Unser Land hat eine solche umfangreiche Zerstörung nicht einmal während des Vaterländischen Krieges erdulden müssen, als uns Deutschland vernichten wollte. Meine Position ist die folgende: Wir sind verdammt, und ich als Russe werde mich bis zuletzt schlagen, selbst, wenn ich allein bleibe im Angesicht von sechs Milliarden."(288)

Selbstverständlich wird A. Zinowjew sich nicht allein gegen sechs Milliarden schlagen müssen. Diejenigen, welche die UdSSR verkauft und diejenigen von außerhalb, die zum Zerfall der UdSSR beigetragen haben, sind keine sechs Milliarden. Sie und ihre schmierig bezahlten Agenten sind eine unbedeutende Minderheit. Und Zinowjew wird sich nicht allein schlagen. Es wird sechs Milliarden Ausgebeutete an seiner Seite geben.


2. 4. Schlussfolgerung aus der Generaloffensive des Imperialismus

1) Die Notwendigkeit des Imperialismus, auszubeuten, um einen Maximalprofit zu erzielen, ist nicht zu trennen von seiner Gendarmen-Grausamkeit. Beides hat keine Grenzen. Marx hatte zu seiner Zeit den Quarterly reviewer zitiert, der bereits schrieb: "Das Kapital hat einen horror vor Abwesenheit von Profit oder sehr kleinem Profit, wie die Natur vor der Leere. Mit entsprechendem Profit wird Kapital kühn. Zehn Prozent sicher, und man kann es überall anwenden; 20 Prozent, es wird lebhaft; 50 Prozent, positiv waghalsig, für 100 Prozent stampft es alle menschlichen Gesetze unter seinen Fuß; 300 Prozent, und es existiert kein Verbrechen, das es nicht riskiert, selbst auf Gefahr des Galgens. Wenn Tumult und Streit Profit bringen, wird es sie beide encouragieren."(289)

Der Imperialismus plündert vor allem die Entwicklungsländer auf der Basis ungleicher ökonomischer und kommerzieller Beziehungen aus. Dabei geht es um Hunderte Milliarden Dollar jährlich. Das haben selbst Verräter wie M. Gorbatschow und E. Schewardnadse anerkannt, wenn auch aus demagogischen Gründen. 1987 hat Gorbatschow geschrieben: "Die Völker der unterentwickelten Länder wollen leben wie die der reichen Länder und nicht schlechter. Aber man terrorisiert sie mittels Hunger und Krankheiten. Ihre Reichtümer ergießen sich in die entwickelten Länder und durch die Winkelzüge des ungleichen Austausches werden sie Bestandteil des Nationaleinkommens der reichen Länder."(290)

In seiner Rede vor der UNO im September 1989 hat Schewardnadse erklärt: "Im Jahre 1988 hat sich die Gesamtsumme der von den reichen Ländern an die unterentwickelten Länder gezahlten Hilfen auf nahezu 90 Milliarden Dollar erhöht. Aber im gleichen Jahr 1988 haben die reichen Länder in Form von Schulden und Zinsen 50 Milliarden mehr als diese Summe erhalten. Das ist der größte Kapitalfluss der Geschichte aus den Taschen der Armen in die Taschen der Reichen."(291)

Die folgenden Jahre haben eine noch bedeutendere Ausplünderung gesehen. Ein Bericht der Weltbank von 1991 stellt fest: "Für 1991 betragen die Verluste der armen Länder auf Grund der von den ökonomisch starken Ländern eingeführten Bedingungen 500 Milliarden Dollar. Die reichen Länder haben ihnen im gleichen Jahr eine Summe von 50 Milliarden Dollars gewährt, das heißt, zehn mal weniger als sie ihnen auf Grund der Einschränkungen abverlangt haben."(292)

Es existiert kein "freier Markt" auf der Welt. Es gibt nur Weltmärkte, die den Gesetzen der reichen Länder unterliegen und deren ureigenste Interessen widerspiegeln.

Zu Beginn des Jahres 1996 haben die Staatsoberhäupter von Ägypten, Zimbabwe und Malaysia während der Konferenz der Länder der Dritten Welt in Harare "die westlichen Länder beschuldigt, sie mit gefesselten Händen und Füßen in Handelsverträge zu schleppen, die sie versklaven und ihre Souveränität einschränken."(293)

Auf dem Welternährungsgipfel im November 1996 in Rom ist die Zahl von 840 Millionen Menschen in der Welt genannt worden, die unter Hunger leiden. Der Generaldirektor der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (engl.: Food and Agricultural Organization of the United Nations, FAO), der Senegalese Jacques Diouf, hat in seiner Eröffnungsrede erklärt: "Die FAO verfügt über ein jährlich niedrigeres Budget als für die Nahrung von Hunden und Katzen innerhalb von sechs Tagen in den neun reichsten Ländern der Welt ausgegeben wird und nur über 5 % der jährlichen Ausgaben der Bürger eines reichen Landes für den Kauf von Produkten zur Abmagerung und gegen andere Überernährungsprobleme."(294)

Die gemeinsame Erklärung der Repräsentanten von 194 am Treffen teilnehmenden Ländern sah vor, die Zahl der Unterernährten bis 2015 um die Hälfte zu verringern. Das war ein Appell an die reichen Länder. Die Vereinigten Staaten haben auf diesen Appell mit nachfolgendem schriftlichen Vorbehalt reagiert: "Die Erlangung des Rechts auf ausreichende Nahrung kann keine internationale Verpflichtung der Regierungen sein." (295) Oder anders gesagt: Der Appell der 194 Länder blieb die Stimme eines Rufers in der Wüste.

Unter diesen Bedingungen ist es notwendig, dass die ausgebeuteten Menschen der ganzen Welt verstehen: Wenn sie ihre Arbeit verlieren, ihre Familie nicht satt wird, sie keine Absicherung für den nächsten Tag haben, dann ist der Hauptschuldige an ihrem Unglück der Kapitalismus und der Imperialismus.

Die Intelligenz hat angesichts dieser Lage die humanistische Aufgabe, diese schreckliche Wahrheit aufzudecken und sie den Ausgebeuteten der Erde bewusst zu machen. Das betrifft besonders die Intelligenz der USA und der anderen imperialistischen Länder.

Der US-amerikanische Imperialismus breitet sich auf der ganzen Welt aus. Es genügt, sich die Reihe der Militärbasen anzusehen, die Nordkorea, China, die arabischen Länder und Europa umschließen. Die Reihe beginnt in Japan, passiert Südkorea, Saudi-Arabien, Kuweit, die Türkei, Griechenland, Italien, Spanien, Großbritannien und Deutschland. Seit der Konterrevolution in den Ländern Osteuropas, der sich der Krieg in Jugoslawien anschloss, wurden Militärbasen in Polen, Tschechien, Ungarn, Rumänien, Bulgarien, Slowenien, Bosnien, Albanien, Mazedonien und im Kosovo eingerichtet (und in den südlichen ehemaligen Ländern der UdSSR, d. Ü.). Ein halbes Jahrhundert nach dem Zweiten Weltkrieg haben sich die USA die Rolle des Weltgendarmen unter dem Vorwand der Demokratie und der Sicherheit der Völker angeeignet. Die Vereinigten Staaten haben sich selbst zum Urheber der "neuen Weltordnung" erklärt, um das sterbende kapitalistische System zu konservieren und wieder zu beleben. Dieses Ziel kann nicht ohne militärische Interventionen, ausgehend von den Militärbasen der NATO, verwirklicht werden.

Die Imperialisten und ihre Mitarbeiter fahren fort, die "Wunder" ihrer Marktwirtschaft und ihrer Demokratiefassade zu rühmen, die bürgerliche Demokratie, welche die aggressive Natur des Imperialismus mehr schlecht als recht versteckt.

2) Nach dem Untergang der UdSSR wird sich die Generaloffensive des amerikanischen Imperialismus gegen die demokratischen und fortschrittlichen Kräfte in der Welt immer mehr verstärken und aktiv fortsetzen. Das läuft nach dem Projekt der "neuen Weltordnung" ab, das von den Zentralen des ideologischen Kampfes auf der Basis "ihrer universellen Werte" und ihrer "strategischen Interessen" erarbeitet wurde. Das heißt, die USA werden weiterhin die Rolle des Weltgendarmen spielen.

Die USA maßen sich das Recht an, die Ökonomie der ehemaligen sozialistischen Länder zu bestimmen und ihren Nutzen daraus zu ziehen und um ihre Jugend in ihren zukünftigen Kriegen zu benutzen. Dabei stützen sie sich auf die volksfeindlichen und konterrevolutionären Kräfte, auf die neonazistischen Organisationen und die neugegründeten Parteien der Restauratoren des Kapitalismus.

Aber der Widerstand der progressiven und demokratischen Kräfte in der Welt gegen die Verwirklichung dieser Pläne der USA wird zunehmen. Das wird die imperialistischen Kräfte und ihre Marionetten dazu treiben, mit faschistischen Methoden gegen die Völker im Kampf um ihre Souveränität vorzugehen.

Schon vor 27 Jahren hat General Schtschemenko geschrieben: "Die Wurzeln des Faschismus leben tief verankert in der Natur des Imperialismus. Mit dem Lärm der Bombardements und dem Rauch der Brände bringen sie sich oft und überall in der Welt in Erinnerung." (296) Dieser Lärm war und ist zu hören bei "Vergeltungsangriffen" in Jugoslawien, in Irak, [in Gaza, Afghanistan ....Zusatz d. Ü.] und bleibt latent mit der Anwesenheit der Flugzeugträger, die die Meere nahe Taiwans und der adriatischen Küsten kreuzen.

Die "neue Weltordnung" lässt den Widerstand wachsen und von neuem werden Vietnam, Somalia, Libanon u. a. im 21. Jahrhundert mit der Devise aufstehen: "Yankee go home".

Die Restaurierung des Kapitalismus in den ehemaligen sozialistischen Ländern und die Nichtrückkehr des Sozialismus müssen "mit Hilfe" der NATO abgesichert werden, wenn es sein muss, auch unter Verwandlung der Länder des Ostens in einen Exerzierplatz für zukünftige militärische Operationen gegen Russland.

Die Vereinigten Staaten zählen sehr auf die Formel: "Teile und herrsche", indem sie regionale Konflikte auf der Basis von territorialen, ethnischen, nationalen und religiösen Streitigkeiten anfachen. Die Heranziehung der USA als "Friedensmacht" in Albanien und nach der Aufteilung Jugoslawiens in Bosnien, Mazedonien und Kosovo ist eine direkte und reale Bedrohung für die Völker des Balkans. Die Zerstörung menschlicher Leben ist das Hauptanliegen dieser Aggression, welche die USA am 24. März 1999 gegen Jugoslawien ohne eine Entscheidung des Sicherheitsrates der UNO und selbst unter Verletzung des NATO-Vertrages begonnen haben. Damit hat die NATO angefangen, ihr Modell neuen Types regionaler Kriege für eine "neue Weltordnung" mittels Gewalt durchzusetzen.

Die verschiedensten konterrevolutionären Organisationen, Sekten und Vereinigungen, aber auch die sozialdemokratischen Parteien unterschiedlichster Typen und Farben leisten den USA große Unterstützung. Viele an der Macht befindliche sozialdemokratische Parteien sind treue und unersetzbare Partner des Imperialismus bei seinen Bestrebungen zur Errichtung der "neuen Weltordnung". So sind die sozialdemokratischen Regierungen von Deutschland (G. Schröder), Frankreich (L. Jospin) und Großbritannien (T. Blair) unter Führung des Generals der NATO, des Sozialdemokraten X. Solana, in den Krieg gegen die Völker Jugoslawiens eingetreten.

Im Übrigen haben die USA viel Erfahrung bei der Anwendung von Sanktionen-Embargos, direkte Drohungen und beispiellose Einmischungen in die inneren Angelegenheiten der verschiedenen Länder als Bestrafung für ihre Nichtunterordnung unter das US-amerikanische Diktat. Nehmen wir zum Beispiel Bulgarien:

Was bedeutet die offene Anwesenheit des Botschafters der Vereinigten Staaten in Bulgarien, Sol Polanski, auf der Tribüne eines Wahlmeetings für die Rechte?

Was stellt die finanzielle und logistische Hilfe der USA für die Rechten dar?

Und was bedeutet es, wenn der Botschaft der USA in Bulgarien die Aufgabe anvertraut wird, an der Veränderung der Verfassung der Bulgarischen Republik zu arbeiten?

Alles das stellt eine Einmischung der Staatsorgane der Vereinigten Staaten in die inneren Angelegenheiten des souveränen Landes Bulgariens dar. Das ist nur ein kleines Beispiel der offenen Einmischung in die inneren Angelegenheiten unseres Landes. Man kann nur ahnen, wie viele andere Interventionen der CIA in Bulgarien stattfinden, die vor den großen Massen geheim und unbekannt bleiben.

Die Vereinigten Staaten mischen sich in so manche Region dieser Welt ein, indem sie auf ihr Recht der strategischen Interessen in allen Ecken der Welt pochen. Sie zählen auf die von ihnen erfundenen ideologischen Konzepte, um ihre strategischen Ziele der Vormachtstellung und Beherrschung der Welt zu erreichen. Solche Instrumente, die zur Deformierung des Bewusstseins und des Verhaltens der Menschen erarbeitet werden, haben das Ziel, das von den Völkern abgelehnte kapitalistische System der Ausbeutung zu konservieren und zu verstärken und ihnen eine "neue Weltordnung" aufzuzwingen. Hierbei handelt es sich um keine einfache rückschrittliche Erscheinung. SIE STELLT EIN HISTORISCHES VERBRECHEN DES IMPERIALISMUS GEGEN DIE MENSCHLICHKEIT DAR, DAS NICHT OHNE VERURTEILUNG BLEIBEN DARF.

Unglücklicherweise begreifen nicht alle Menschen, wie viel "Mini-Bomben" allein die in den Auslagen verkaufte Literatur enthält. Man hatte in der Presse veröffentlicht, dass der Senat der USA den Budget-Vorschlag für 1998 angenommen hat. Er enthielt allein 30 Milliarden Dollar für die Strukturen des Geheimdienstes. Diese Summe, zwei Mal höher als das Militärbudget Russlands im Jahre 1998, wird ausgegeben, um die Hegemonie des US-amerikanischen Imperialismus abzusichern.

3) Wenn wir ein wenig mit der Möglichkeitsform spielen, die in der Geschichtswissenschaft nicht zugelassen ist, können wir mit Sicherheit sagen: WENN die Vereinigten Staaten nur die Hälfte der 5 Trillionen Dollar [die sie für die Zerstörung der UdSSR ausgegeben haben] genutzt hätten, um die sozialen und ökologischen Probleme in der Welt zu lösen und um der UdSSR beim Wiederaufbau der Kriegszerstörungen zu helfen, wie es Präsident Roosevelt vorgeschlagen hatte, würde die Menschheit heute anders dastehen.

Aber die Völker dürfen nicht vergessen, dass eine solche Möglichkeit eine große Illusion darstellt, weil der Kapitalismus von Natur aus eine solche Variante nicht zulässt.

4) Der Widerstand und der Kampf gegen die globale Offensive der imperialistischen Kräfte kann unter folgenden Bedingungen zum Erfolg führen:

Vereinigung aller Völker, die für ihre Unabhängigkeit kämpfen, in einem antiimperialistischen Lager.

Aufrechterhaltung der Wachsamkeit der Völker gegen die Aktionen des Imperialismus, der seine Hegemonie festigen will. "MENSCHEN, SEID WACHSAM!" hatte Julius Fuèik in seiner Reportage "Unter dem Strang geschrieben" aufgerufen.

Alle legalen Formen des Kampfes gegen die imperialistischen Provokationen nutzen.

Auf der Basis täglicher Argumente ständig die ausbeuterische Natur des Imperialismus und seine Weltgendarmenrolle anprangern.

Ständige Anprangerung der Rolle der NATO beim Schüren regionaler und internationaler Konflikte.

Ständige Anprangerung der Rolle des amerikanischen Imperialismus, der die Zukunft der Menschheit bedroht durch seine Versuche, die Menschheit ihrer Geschichte, ihrer Kultur, ihrer Moral und ihres Bewusstseins zu berauben.

Diese Anprangerung muss wissenschaftlich argumentiert und überzeugend dargestellt werden und die Gefahren für die Zukunft der Völker aufzeigen, die sich aus ihrem Elend, dem Hunger, den in den Labors des bakteriologischen Krieges fabrizierten Krankheiten und allen Formen des durch die imperialistischen Kräfte provozierten Genozids ergeben.

Es ist die Pflicht der progressiven, objektiven und ehrlichen Intelligenz, sich aktiv an diesem historischen Kampf zu beteiligen.

5) Es ist unbedingt notwendig, ein internationales Tribunal zu organisieren und abzuhalten, das den Imperialismus und seine Helfershelfer, die nicht anhalten, gegen die Menschheit und ihren Fortschritt zu agieren, für ihre Verbrechen verurteilt:

Für den Genozid von nahezu 3 Millionen Indianern während dreier Jahrhunderte auf dem aktuellen Territorium der USA.

Für die Teilnahme am Bürgerkrieg in Russland von 1918-1921.

Für die enorme finanzielle und materielle Hilfe des faschistischen Deutschland in den dreißiger Jahren zur Vorbereitung der Intervention der Sowjetunion.

Für den Abwurf der Atombombe gegen die Zivilbevölkerung von Hiroshima und Nagasaki im August 1945 in Japan.

Für den Genozid des vietnamesischen Volkes während der Jahre 1960 bis 1970.

Für die kriminelle Anwendung uranhaltiger und krebserzeugender Waffen in den Jahren der Kriege in Jugoslawien und im Irak.

Für die Auslösung lokaler ethnischer und religiöser Kriege.

Für die in Afrika provozierten Genozide.

Für das Aushungern von Millionen Menschen durch gnadenlose und sklavenhalterische Verschuldungen.

Für die Einmischung in innere Angelegenheiten souveräner Staaten, den Umsturz gewählter Regierungen zum Zwecke des Einsatzes von hörigen und ihren Interessen dienenden Leuten.

Für die Schaffung, die Aufrechterhaltung und Erweiterung der NATO, einer aggressiven Militärorganisation des Imperialismus, die die Welt mit dem Dritten Weltkrieg bedroht.

Ganz sicher werden manche sagen, dass diese Verurteilung nicht sehr realistisch ist. Vielleicht ist sie heute nicht realistisch, aber morgen wird sie möglich sein. Morgen, das ist vielleicht in 20 oder 50 Jahren, also 2046: 100 Jahre nach dem Nürnberger Prozess gegen die faschistischen Verbrechen.

Der Wissenschaftler Albert Einstein hat über Lenin und die leninistischen Kommunisten geschrieben: "Solche Menschen hüten und erneuern das Gewissen der Menschheit."(297)

Ohne Zweifel gibt es und wird es auch in zukünftigen Generationen Marxisten-Leninisten geben, die trotz aller Schwierigkeiten und vorläufiger Niederlagen die Führung der ausgebeuteten Massen im Kampf übernehmen, das Bewusstsein der Menschheit erneuern und das kapitalistische System ausrotten werden.

Die neue Gesellschaft ohne Klassen und ohne erniedrigende Ausbeutung des Menschen durch den Menschen wird geboren werden. Die Rede ist vom Kommunismus.

Der bulgarische Poet und Revolutionär Nikolai Wapzarow hat das Bild dieser Gesellschaft in seinen Versen künstlerisch so gezeichnet:

Wie die Vögel über den Weizenfeldern singen werden
Voller Freude in die Weite des Raumes fliegen
Wie werden die Menschen glücklich arbeiten
Und sich lieben im Schoße der Geborgenheit.



Anmerkungen

[31] Cocom: Coordinating Committee for East-West Trade Policy (Koordinierungskomitee für Ost-West-Handelspolitik), gegr. 1951 unter Vorsitz d. USA. Komitee zur Durchsetzung von Embargos, ursprünglich für die Lieferung von Waren u. Technologien in alle sozialistischen Länder. Nach wie vor aktuell für China, VR Korea, Kuba, Iran u. a. (Anm. d. Ü.)

[32] George Soros, geb. 1930 in Ungarn, Milliardär, seit 1947 in GB, 1956 USA, wird als Finanzier und Philanthrop dargestellt. Hauptgesellschaft: Quantum Fund (ansässig zuerst im Steuerparadies der Niederländischen Antillen, dann Curacao). Ursprünglich ist Quantum Fund repräsentiert worden von Lord Jacob Rothschild, (aktuell Michail Chodorkowski), von Sir James Goldsmith (der europäischer Abgeordneter wurde an der Seite von Philippe de Villiers) und von Edmond Safra (größter Waffenhändler Israels).

George Soros ist Mitinhaber der Carlyle Group seit 1992. Bedeutendste Vermögensverwaltungsgesellschaft der Welt (Bush-Familie u. Ben Laden) und steht mittels der von ihr kontrollierten Gruppen an 11. Stelle der Pentagon-Dienstleister.

Das von Soros gegründete Open Society Institute (OSI) ist in mehr als 50 Ländern präsent. Unterstützung der Solidarnosc in Polen, der Charta 77 in der CSSR, von Andrej Sacharow. Zentrale in New York, für Eurasischen Kontinent heute in Budapest; aus Russland 2003 ausgewiesen. Neben dem OSI hat Soros mehrere Gesellschaften und Stiftungen gegründet oder finanziert, wie z.B. das Human Rights Watch (HRW) und die International Crisis Group (ICG). Letztere 1994 als diplomatische Nicht-Regierungsorganisation gegründet und der NATO nahestehend. Ihr Leitungsgremium: Richard Allen u. Zbigniew Brzezinski, der kuwaitische Prinz Saud Nasir Al-Sabah, die ehem. Vorsitzende des Internat. Gerichtshofes für Ex-Jugoslawien Louise Arbour, NATO-General im Jugoslawien-Krieg Wesley Clark; Finanzbeziehungen zum Ex-Präsidenten der Philippinen, Ramos, Michail Chodorkowski (beide Carlyle-Group), Persönlichkeiten wie Simone Veil, Präsidentin der Shoah-Gedenkgesellschaft u. die Journalistin Christine Ockrent, Ehefrau des frz. Außenministers Bernard Kouchner (Ex-Gouverneur des Kosovo).

Ebenfalls durch Soros gegründet ein Network Media Programm, das die Archive von Radio Freies Europa aufgekauft hat (ehem. Leiter Herbert Okun, im Leitungsgremium des ICG). Kontrolliert Project Syndicate, das als Vertriebs-Agentur politischer Beiträge für 181 internationale Zeitschriften dient. (Quelle: voltairenet.org ,- d. Ü.)


QUELLENANGABEN

(284) W. M. Bereschkow, Seiten der diplomatischen Geschichte, S. 324, Sofia, 1988, oder in: W. M. Bereschkow, Jahre im diplomatischen Dienst, Dietz Verlag Berlin, 1976, S. 214-215
(285) Viktor Rozow, in: Zeitschrift Zora, Nr. 32, 1995
(286) Tribuna Nr. 2, 1993
(287) W. M. Molotow, Souvenirs, in: Tribuna, Nr. 15, 1994
(288) A. Zinowjew, in: Balgarski Pissatjel, Nr. 3, 1996
(289) Karl Marx, Das Kapital, Teil 1, S. 279, Sofia oder in: Werke, Dietz Verlag Berlin, Band 23, S. 788
(290) M. S. Gorbatschow, Die Perestroika und das neue politische Denken, S. 224, Sofia, 1987
(291) E. A. Schewardnadse, Rede vor der UNO, September 1989, in: Rabotnitscheskoje Djelo vom 28.09.1989
(292) Duma vom 23.10.1992
(293) Duma vom 04.11.1996
(294) Duma vom 14.11.1996
(295) Duma vom 18.11.1996
(296) S. M. Schtschemenko, Der Generalstab während des Krieges, Bd. 2, S. 425
(297) Rabotschij Class, Nr. 6, 1979, S. 3

Raute

Kapitel 9, Teil 3: Dritte Hauptursache - Die spezifischen historischen Bedingungen der Oktoberrevolution und der sozialistischen Gesellschaft

Der Sieg der Oktoberrevolution im Jahre 1917, der Aufbau des Sozialismus in den Dreißiger Jahren, der Große Vaterländische Krieg von 1941 bis 1945 und Wiederherstellung und Wiederaufbau des Landes nach dem Kriege fanden unter sehr komplizierten und extrem ungünstigen Bedingungen statt.

Marx und Engels haben über die Möglichkeit, die sozialistische Revolution in einigen entwickelten kapitalistischen Ländern erfolgreich durchzuführen, theoretisiert.

Lenin hat die neu entstandenen historischen Bedingungen seit Marx und Engels analysiert und theoretisch die Möglichkeit des Erfolges einer sozialistischen Revolution in einem einzelnen, selbst so zurückgebliebenen Land wie Russland, nachgewiesen.

Er hat es auch praktisch bewiesen.

Aber die Bedingungen für die Durchführung der Revolution und den sozialistischen Aufbau in Russland waren in dieser Situation sehr schwierig: Das lag zum Einen an den Realitäten eines dermaßen unterentwickelten Landes, wie es Russland im Jahre 1917 war, und zum Anderen an der starken kapitalistischen Einkreisung Russlands als einzelnem sozialistischem Staat.

Nach der Oktoberrevolution 1917 fanden sich die russischen Kommunisten im Angesicht eines ökonomisch zurückgebliebenen riesigen Landes mit 150 Millionen Einwohnern, von denen 70 % Analphabeten waren. Der Erste Weltkrieg hatte viele Zerstörungen hinterlassen. Die ungünstigen Bedingungen des Friedens von Brest-Litowsk beinhalteten die Okkupation bedeutender russischer Gebiete und außerdem die Verpflichtung zu hohen Reparationszahlungen.

Obendrein verschlimmerte der nur ein Jahre nach dem Sieg der Oktoberrevolution ausbrechende Bürgerkrieg die Situation. Er wurde aufrecht erhalten durch die Intervention von 14 kapitalistischen Staaten. Der Bürgerkrieg hat zu erneuten großen Zerstörungen und Verlusten für das Land geführt.

Nach dem Bürgerkrieg hat sich Lenin für die Neue Ökonomische Politik (NÖP) ausgesprochen. Sie wurde unter den Bedingungen des von den kapitalistischen Ländern organisierten ökonomischen Embargos durchgeführt. Außerdem fanden ständig Sabotageakte konterrevolutionärer Kräfte im Inneren des Landes statt.

Nachdem die Möglichkeiten der NÖP Ende der zwanziger Jahre erschöpft waren, ist unter Stalins Führung der sozialistische Aufbau auf der Grundlage von Fünfjahrplänen in Angriff genommen worden. Dank dem Enthusiasmus der Sowjetmenschen bei der Arbeit und der Stachanow-Bewegung [Übererfüllung der Produktionsnormen, d. Ü.] ist die Sowjetunion in zwei bis drei Fünfjahrplänen in ein entwickeltes Industrie- und Agrarland mit einer starken sozialistischen Industrie verwandelt worden.

Die großartigen Erfolge beim sozialistischen Aufbau wurden selbst von den Feinden des Sozialismus anerkannt. Zitieren wir beispielsweise die Ansicht eines englischen Kapitalisten, des Präsident der United Dominion Bank aus dem Jahre 1932:

"Ich möchte erklären, dass ich weder Kommunist noch Bolschewik bin, ich bin vorbehaltlos ein Kapitalist und Individualist. (...) Russland schreitet voran, auch wenn bei uns ein gut Teil der Fabriken nicht arbeitet und 3 Millionen unserer Mitbürger hoffnungslos nach Arbeit suchen.

Man machte sich über den Fünfjahrplan lustig und sagte seinen Reinfall voraus. Aber Sie können die Übererfüllung des Fünfjahrplanes als unbestreitbaren Fakt feststellen. (...)

In allen Industriestädten, die ich besucht habe, wachsen neue Gebiete, die nach den modernsten städtebaulichen Plänen errichtet werden - mit breiten baumbepflanzten Straßen, modernen Bauten, Schulen, Krankenhäusern, Arbeiterklubs und den unbedingt nötigen Krippen und Kindergärten, in denen man sich mit den Kindern der arbeitenden Frauen beschäftigt. (...) Versuchen Sie nicht, die russischen Pläne zu unterschätzen und die irrtümliche Hoffnung zu haben, dass die Sowjetmacht stürzen werde. (...)

Das Russland von heute hat ein Ideal und eine Seele. Russland ist ein überaus aktives Land. Ich glaube, dass sie dort unverrückbare Ziele haben. (...)

Das wichtigste ist vielleicht, dass die Jugend und alle Arbeiter in Russland etwas besitzen, das heute leider in den kapitalistischen Ländern fehlt - die Hoffnung."(298)

Trotz der Notwendigkeit, das Land auf einen Krieg vorzubereiten und der Sabotageaktionen konterrevolutionärer Kräfte im Land und auch außerhalb, hat die Sowjetunion in 10-12 Jahren erreicht, wofür die westlichen kapitalistischen Länder 50-100 Jahre nötig hatten. So also stand die Sowjetunion in der Stunde der Invasion Nazideutschlands bereit. Der Vaterländische Krieg ist ein unbestreitbarer Beweis für die Festigkeit und Lebenskraft des sozialistischen sowjetischen Systems gewesen.

Trotz der unglaublichen Schwierigkeiten, der anhaltenden Prüfungen, Zerstörungen und Opfer hat die Sowjetunion unter der Führung der KPdSU und mit Joseph Stalin an der Spitze den Faschismus geschlagen und den grausamen Angreifer außerhalb des sowjetischen Territoriums bis an seinen Ausgangspunkt gejagt. Zwanzig Millionen sowjetische Menschen sind gefallen: Wissenschaftler, Ingenieure, Mediziner, Spezialisten aller Lebensbereiche. Welch ein großer Verlust für das Land!

Während des Krieges haben die faschistischen Armeen in der UdSSR 1.700 Städte zerstört, 70.000 Dörfer, tausende Fabriken, Kolchosen, Straßen, Flugplätze und Häfen. Diese Zerstörungen haben die Entwicklung der UdSSR um mehrere Jahre zurück geworfen. Man musste noch ein Mal von vorn beginnen.

Trotz dieser Verluste hat das sowjetische Volk unter Führung der KPdSU und mit Stalin an seiner Spitze nach dem Krieg sehr schnell seine Wunden geheilt. Schon 1947 konnte das System der Rationierung auf Bezugsmarken abgeschafft werden, während es in Frankreich und England noch bestand.

Von 1945 bis 1953 ist der Preis der Basisprodukte für den täglichen Bedarf auf ein Drittel reduziert worden. Das war ein überzeugender Beweis für die unerschöpflichen Möglichkeiten des sozialistischen Systems unter der richtigen Führung der Partei und der Regierung.

Der sozialistische sowjetische Aufbau hat bei den Völkern der ganzen Welt Begeisterung und Bewunderung ausgelöst.

Wenn Stalin noch 5 oder 10 Jahre gelebt hätte, hätte die UdSSR unter der richtigen Politik der Regierung und seiner Leitung grandiose Erfolge erreicht. Wir wollen hier die Worte eines sowjetischen Bürgers, der auf der Straße befragt worden ist, wiederholen: "Wenn Stalin noch lebte, wäre unser Land hinsichtlich des Lebensniveaus des einfachen Volkes seit langem an erster Stelle in der Welt. Stalin hätte kurz und bündig gesagt: 'Mitbürger, als Siegervolk des Krieges können wir nicht an zweiter oder dritter Stelle sein. - Stehen wir auf, um erste zu sein.' Und wir wären aufgestanden."(299)

Indes, die extrem schwierigen Bedingungen von 1917 bis zum Untergang im Jahre 1991 haben sich sehr negativ ausgewirkt. Das Land aber hätte weiterhin einen vorausschauenden klugen Führer, der der marxistisch-leninistischen Linie folgte, gebraucht.


QUELLENANGABEN

(298) J. W. Stalin, Werke, Sofia 1952, Teil 13, S. 141-142
(299) in: Moskowskije Nowosti, Nr. 18, 1988

Raute

Kapitel 10: Schlussfolgerung

In der griechischen Mythologie hatte König Augias seine Pferdeställe seit 30 Jahren nicht gereinigt, und ein Riesenhaufen an Mist hatte sich aufgetürmt. Als Herkules mit seiner außerordentlichen Stärke diesen ganzen Dreck in den Pferdeställen des Augias sah, hat er das Wasser eines Flusses in Richtung Pferdeställe umgeleitet. Innerhalb eines Tages hat er sie gereinigt.

Heute kann man sagen, dass sich infolge der Verleumdungskampagne der Revisionisten und der Feinde des Sozialismus Haufen von Lügen über die Person und das Werk Stalins aufgetürmt haben. Die Erfahrungen der letzten Jahrzehnte zeigen, dass sich diese Lügen auch gegen den Namen und das Werk Lenins richten. Da Werk und Namen nicht getrennt werden können, richten sie sich gegen den Marxismus-Leninismus und den Sozialismus. In vierzig Jahren hat die polit-ideologische Diversion die Erinnerung an die siegreiche Sowjetunion in ein Diktatur-Symbol verwandelt. Es wird nur noch geredet von Entstellungen, Verbrechen und einem vorgeblichen Mangel an Demokratie im Sozialismus. Diese traurigen Tatsachen dürfen nicht unterschätzt werden.

Man braucht viele Leute vom Schlage eines Herkules und die Umleitung mehrerer Flüsse, um die Geschichte der sozialistischen Revolution und des sozialistischen Aufbaus, damit also die Namen und das Werk Lenins und Stalins von den Bergen an Lügen und Verleumdungen zu reinigen. Nur mittels einer solchen gewaltigen Anstrengung wird die Wahrheit über ihr revolutionäres Werk, das Wesen und den Inhalt der Errichtung des ersten sozialistischen Staates auf der Welt zum Vorschein kommen - und nur so können diese Erfahrungen dem internationalen Proletariat und der vom Imperialismus geknechteten Menschheit eine Zukunftsperspektive bieten.

Deshalb ist diese Arbeit absolut wichtig und unumgänglich.

Ohne Zweifel werden die dem Marxismus-Leninismus treuen Kommunisten die Quellen der Wissenschaft sprudeln lassen, um die Haufen an Lügen abzuräumen. Nur so werden sie ihrer historischen Aufgabe gerecht. Vor allem aber wird ihre gigantische Arbeit den Völkern erlauben, die Erfahrungen und das revolutionäre Schöpfertum der sowjetischen Völker kennen zu lernen und zu nutzen. Manche unterschätzen diese Erfahrungen und das Schöpfertum noch, andere wissen nichts davon. Deshalb muss man immer wieder daran erinnern:

Es waren Arbeiter und Bauern in der Uniform des Soldaten, die 1917 der Oktoberrevolution zum Sieg verhalfen und dafür sorgten, die Sowjetmacht zu errichten.

Die russischen Arbeiter und Bauern kämpften siegreich in der Roten Armee während des Bürgerkrieges 1918-1921.

Die sowjetischen Völker sammelten ihre Erfahrungen in mehreren Jahren kreativer Arbeit bei der Errichtung des Sozialismus, bei der Industrialisierung des Landes und das alles, ohne sich bei den imperialistischen Haifischen zu verschulden (Hervorhebung: der Hrsg.).

Die neue revolutionäre Stachanow-Bewegung beschleunigte den Rhythmus des sozialistischen Aufbaus.

Die Kollektivierung der Landwirtschaft durch die Bauern in der UdSSR wurde zum Grundstein des sozialistischen Aufbaus.

Die neue Gesellschaft mit dem weittragenden Ziel des Aufbaus einer Gesellschaft ohne Klassen wandelte den Charakter der Arbeit, die ohne Ausbeutung des Menschen durch den Menschen vonstatten ging, beseitigte die Arbeitslosigkeit, trug zur kreativen Umformung der Arbeit zur Quelle von Freude und Zufriedenheit bei.

Es wurden neue Wege beschritten bei der Eroberung der Wissenschaft, der Kultur, der Erziehung, im Gesundheitswesen und der Sozialversicherung des sowjetischen Volkes.

Die sowjetischen Völker verteidigten das sozialistische Vaterland angesichts des Faschismus.

Sie bauten ihr Land nach dem Krieg, der dem sozialistischen Aufbauwerk große materielle Schäden zugefügt hatte, wieder auf.

Natürlich müssen die Völker auch die Lektionen über die negativen Erfahrungen, die Fehler und unvermeidlichen Irrtümer bei der Errichtung der sozialistischen Gesellschaft erfahren.

Am Ende seiner Rede auf dem V. Parteitag der Bulgarischen Kommunistischen Partei am 19. Dezember 1948 hat Georgi Dimitroff unter großem Beifall erklärt: "Alle Erfahrungen der internationalen kommunistischen Bewegung bestätigen, dass der ein wahrhafter Marxist ist, der ein wahrhafter Leninist ist, und ein wahrhafter Leninist kann nichts anderes sein als ein wahrhafter Stalinist."(300)


QUELLENANGABE

(300) Georgi Dimitroff, Rede auf dem V. Parteitag der BKP, in: Werke, Band 14, S. 340, Sofia 1948

Raute

Ein wahrhafter Marxist - Leninist - Stalinist ist heute:

- Derjenige, der auf der Basis des historischen Materialismus erkennt, dass das aktuelle kapitalistische System vorübergehenden Charakter trägt und den Weg bahnt für eine Gesellschaft ohne Klassen, den Kommunismus. Die Klassenfeinde unternehmen alles, um zu beweisen, dass das kapitalistische System ewig und unersetzbar ist. Aber man darf nicht vergessen, dass sich die kapitalistische Gesellschaft trotz ihres Reichtums erschöpft und zersetzt. Denn die Armen werden in ihr immer zahlreicher und immer ärmer, während die Reichen immer mehr Reichtum auf sich vereinen. Der Kapitalismus ist nicht in der Lage, die Arbeitslosigkeit zu bremsen, die Armut, die kulturelle Leere, die Kriminalität, die Prostitution und viele andere Plagen. Der Ausweg aus dieser Realität kann nur in der Entwicklung des politischen Bewusstseins der Massen liegen, damit sie sich organisieren und sich im Kampf für die Abschaffung der kapitalistischen Gesellschaft vereinigen. Die marxistisch-leninistische Theorie ist eine Quelle großer sozialer Energie. Sie erklärt, wie der Kapitalismus funktioniert und warum er zur Barbarei führt, sie eröffnet die Perspektive seiner Zberwindung und sie bestimmt die Grundlagen des sozialistischen Aufbaus - dies alles nicht als Utopie, sondern als Wissenschaft. Damit hält sie die Hoffnung und den Optimismus in den endgültigen Sieg des Sozialismus aufrecht.

- Derjenige, der den dialektischen Materialismus bei der Beurteilung sozialer Erscheinungen anwendet und die Strategie und Taktik der Kommunisten wissenschaftlich entwickelt.

- Derjenige, der die Existenz des Klassenkampfes auf nationalem und internationalem Niveau und seine ständige Verschärfung anerkennt.

- Derjenige, der anerkennt, dass die Arbeiterklasse alle Formen des Kampfes nutzen muss gemäß den Bedingungen eines jeden Landes.

- Derjenige, der die Existenz der Nord-Süd-Widersprüche und der regionalen Widersprüche als Widersprüche zwischen den imperialistischen Ländern anerkennt.

- Derjenige, der anerkennt, dass die proletarische Revolution die DIKTATUR DES PROLETARIATS einführen muss, weil sie für die Errichtung des Sozialismus notwendig ist, und dass ihr Ziel die VERGESELLSCHAFTUNG DER PRODUKTIONSMITTEL ist, damit sie Eigentum der Werktätigen werden, eine grundsätzliche Bedingung für schöpferische und befriedigende Arbeit.

- Derjenige, der als wesentlichen Charakter des Sozialismus anerkennt: Die Notwendigkeit der gesellschaftlichen Planung der Produktion, der ständigen Entwicklung und Modernisierung der Produktivkräfte, die Erziehung der Werktätigen zum Kollektivismus und zum sozialistischen Patriotismus und die maximale Befriedigung der steigenden Bedürfnisse der Massen.

- Derjenige, der anerkennt, dass die Kommunistische Partei die Interessen der ausgebeuteten Massen in den Städten und auf dem Land vertritt. Sie ist die Partei der die sozialistische Gesellschaft aufbauenden Menschen und Organisator ihrer Arbeit.

- Derjenige, der den DEMOKRATISCHEN ZENTRALISMUS als höchstes demokratisches Prinzip in der Arbeit und der Führung der Partei und des Staates anerkennt.

- Derjenige, der begreift, dass die ideologische Bildung der Mitglieder der Partei die Garantie ihres Klassenbewusstseins und ihrer Wachsamkeit ist und dass sie notwendig ist, um die bürgerliche Ideologie und die Feinde im Innern der Partei sowie den Revisionismus aller Spielarten zu bekämpfen.

- Derjenige, der die internationale Solidarität unter Kommunisten als einen der Hauptfaktoren für den erfolgreichen Kampf gegen den Imperialismus begreift.

- Derjenige, der die Notwendigkeit revolutionärer Kompromisse akzeptiert, um die Kommunisten mit den Verbündeten der Arbeiterklasse zu vereinen.

- Derjenige, der fähig ist, ein persönliches Beispiel zu geben durch seine Art zu leben und zu arbeiten und unlösbare Verbindungen mit den Werktätigen zu unterhalten. Marx bewunderte die Kommunarden von Paris, die das Prinzip eines Durchschnittsgehalts für leitende Funktionäre eingeführt haben - ein heute wenig verbreitetes revolutionäres Prinzip.


DIE KOMMUNISTEN DÜRFEN NICHT VERGESSEN, DASS SIE VEREINT UNSCHLAGBAR SIND.

Raute

Nachwort

Soweit die Analysen und Schlussfolgerungen, zu denen uns die Rede Chruschtschows "Über den Personenkult und seine Folgen" auf der Geheimsitzung des XX. Parteitages der KPdSU vom 25. Februar 1956 veranlasst hat.

Mehr als 45 Jahre sind seitdem vergangen, in denen sich schwerwiegende historische Ereignisse ereignet haben.

Es ist notwendig, dass die Kommunisten heute ohne zu zögern eine gründliche marxistisch-leninistische und schöpferische Diskussion entwickeln. Diese ernsthafte Arbeit ist nötig,

um die tiefliegenden Gründe der Niederlage der UdSSR und des sozialistischen Lagers aufzudecken. Diese schmerzhafte Niederlage ist nichtsdestotrotz eine vorübergehende historische Erscheinung. Sie ist umkehrbar, und der Sozialismus wird in einer historisch relativ kurzen Frist einen neuen welthistorischen Anlauf erleben;

um den Marxismus-Leninismus von allen seit mehr als einem halben Jahrhundert aufgetürmten Schichten des Revisionismus zu säubern;

um den wissenschaftlichen Sozialismus zu rehabilitieren, indem er von Deformationen und durch den Revisionismus hineingetragenen Umdeutungen befreit wird und damit die Perspektive auf den Kommunismus als realistische Zukunft des Volkes wieder hergestellt wird;

um aktuelle internationale Widersprüche wissenschaftlich zu analysieren und die Tendenzen ihrer Entwicklung aufzuzeigen, denn nur solche Analysen erlauben die Erarbeitung einer adäquaten Strategie und Taktik jeder kommunistischen Partei auf der Grundlage der konkreten Bedingungen jedes einzelnen Landes.

um das Bild Joseph Wissarionowitsch Stalins der Dämonisierung zu entreißen. Stalin hat das Werk der Klassiker in Fragen des konkreten Aufbaus der sozialistischen Gesellschaft praktisch angewandt. Stalins Werk zeigt dem internationalen Proletariat und den unterdrückten Völker beispielhaft den Weg zur Befreiung.

Michail Kilew, Doktor der Militärwissenschaften, Sofia 1997


*


Literaturverzeichnis

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2. Nachschlagewerke

Große Sowjetische Enzyklopädie, Teil 7, 3. Ausgabe, Moskau 1972 Bulgarisches Fremdwörterbuch, Sofia 1970

3. Zahlreiche russische, bulgarische und tschechische Zeitungen / Zeitschriften

Raute

ANHANG

Kurt Gossweiler: Kritische Einschätzung und Würdigung

Eines Tages schrieb mir meine Briefpartnerin Gudrun Stelmaszewski - eine nach der Konterrevolution aus dem "vereinten Deutschland" nach Frankreich ausgewanderte DDR-Bürgerin und Genossin -, sie sei dabei, das Buch eines bulgarischen Autors Michail Kilew mit dem Titel: "Chruschtschow und der Zerfall der UdSSR", das ihr in einer französischen Ausgabe vorliege, ins Deutsche zu übersetzen, - wenn ich daran interessiert sei, würde sie mir jedes fertige Kapitel per Mail senden.

Natürlich schrieb ich ihr, dass ich daran brennend interessiert sei.

Ich empfinde es in der Tat als besonders schmerzlich, dass ich aus dem kapitalistischen Europa mehr Autoren kenne, die sich mit der revisionistischen Konterrevolution in der Sowjetunion und in den sozialistischen Ländern auseinandersetzen, als aus eben diesen Ländern.

Und nun liegt da auf einmal ein Buch vor, das genau dieses Thema behandelt - ein Buch, das in vielerlei Hinsicht Überraschendes bietet:

zum einen, dass es nicht aus dem Lande Chruschtschows, aus Rußland kommt, sondern aus Bulgarien;
zum anderen, dass der Autor nicht etwa ein illegaler Kommunist ist, sondern. - wie aus der Autorenangabe hervorgeht - ein "Doktor der Militärwissenschaft an der Militärakademie Sofia".

Welch ein Kontrastbild: während der russische Präsident Medwedjew am 9. Mai 2010, dem Tag des Sieges, in seiner Rede Stalin als Verbrecher bezeichnet, (ND v. 8./9.5.10, S.7) schreibt der Lehrer an der bulgarischen Militärakademie Sofia in seinem Buch: "Heute kann man sagen, dass sich infolge der Verleumdungskampagne der Revisionisten und der Feinde des Sozialismus Haufen von Lügen über die Person und das Werk Stalins aufgetürmt haben. Die Erfahrungen der letzten Jahrzehnte zeigen, dass sich diese Lügen auch gegen den Namen und das Werk Lenins richten.

Man braucht viele Leute vom Schlage eines Herkules und die Umleitung mehrerer Flüsse, um den Namen und das Werk Stalins und Lenins von den Bergen an Lügen und Verleumdungen zu reinigen, denn nur mittels einer solchen gewaltigen Anstrengung wird die Wahrheit über ihr revolutionäres Werk, das Wesen und der Inhalt der Errichtung des ersten sozialistischen Staates auf der Welt zum Vorschein kommen."

Michail Kilew hat mit seinem Buch einen großen Beitrag zu dieser Riesenaufgabe geleistet. Sein Buch hat viele Vorzüge. An erster Stelle ist zu nennen, dass er klar ausspricht, dass der Revisionismus als Bundesgenosse der imperialistischen Feinde des Sozialismus die Sowjetunion und die sozialistischen Länder Europas zugrunde gerichtet hat, und dass der Prozess dieser Zerstörung des Sozialismus nicht erst bei Breshnew und Gorbatschow begann, sondern mit Chruschtschow.

Deshalb sei die Lektüre dieses Buches besonders den Verfassern des Heftes 56 des Marxistischen Forums mit dem Titel "Die Legende von der revisionistischen Wende" - Ingo Wagner, Ekkehard Lieberam, Herbert Münchow und Robert Steigerwald - empfohlen, zur Behebung ihrer beschämend mangelhaften Geschichtskenntnisse.

Die Besonderheit von Kilews Herangehen an sein Thema besteht darin, dass er sich sehr wenig mit Chruschtschows Rolle und Taten in seiner Zeit an der Spitze der KPdSU beschäftigt. Sein Ausgangspunkt ist die "Geheimrede" Chruschtschows auf dem XX. Parteitag, und der Hauptinhalt von rund zwei Dritteln des Buches, der Kapitel 1-8, besteht darin, die Lügen und Verleumdungen Chruschtschows über Stalin gründlich durch die Darstellung der historischen Wahrheit und den Nachweis zu widerlegen, dass Stalin bei allen entscheidenden Fragen den Grundsätzen von Marx, Engels und natürlich ganz besonders von Lenin folgte. Kilews Buch wird dadurch vielfach, besonders aber in den Kapiteln 7 und 8, zu einem Lehrstück vertieften Klassikerstudiums.

Das umfangreichste Kapitel 9 umfasst ein Drittel des Buches und hat zum Gegenstand: "Die Ursachen der Zerstörung der UdSSR."

Im ersten Unterabschnitt des Hauptabschnittes 1, "Erste Hauptursache - die revisionistische Linie der KPdSU", beschäftigt sich der Verfasser mit der "Revision des Marxismus-Leninismus durch Chruschtschow". Im zweiten Unterabschnitt versucht er (sich) zu erklären, wie Chruschtschow dazu kam, eine solche Rolle zu spielen. Dieser Unterabschnitt 1.2. trägt die Überschrift: "Die Ursachen der ideologischen Metamorphose Chruschtschows".

Der zweite Hauptabschnitt benennt als zweite Hauptursache des Zerfalls der Sowjetunion "Die Generaloffensive der imperialistischen Kräfte gegen die UdSSR", und der dritte Hauptabschnitt die von Kilew als dritte Hauptursache angesehenen "spezifischen historischen Bedingungen der Oktoberrevolution und der sozialistischen Gesellschaft.

In einem zehnten Kapitel und einem Nachwort fasst Michail Kilew seine Schlussfolgerungen zusammen. Da dieses Kapitel nur vier Seiten umfasst, wäre es unsinnig, sie in diesem Vorwort aufzuführen. Erwähnt sei nur, dass das auf Seite 2 angeführte Zitat aus Kilews Buch den Schlussfolgerungen des Kapitels zehn entnommen ist.

Kilews Konzeption, nicht Chruschtschows gesamte Tätigkeit als Spitzenmann der KPdSU zum Gegenstand seiner Untersuchung zu machen, sondern nur seine Rede auf dem XX. Parteitag und deren Widerlegung hat einen großen Nachteil: in seinem Buch fehlen die wichtigsten Tatsachen, die zu einer umfassenden und zutreffenden Beurteilung Chruschtschows unverzichtbar sind. Hätte er sie berücksichtigt, dann hätte er nicht anders urteilen können, als dass Chruschtschows Handlungen genau den CIA-Planungen bezüglich der Sowjetunion entsprechen, die in dem von ihm in seinem Vorwort auf S. 5 angeführten Bericht Andropows enthüllt werden.

Stattdessen schreibt er in diesem Vorwort zwei Seiten vorher: "Dieser Plan hatte vorgesehen, Kollaborateure und Verbündete im Inneren der UdSSR zu finden. Sie wurden in den Personen von Gorbatschow, Jakowlew, Schewardnadse, Jelzin und deren Umgebung gefunden." Chruschtschow gehört also bei ihm nicht in diese Reihe - obwohl der doch der Stammvater der Breshnjew, Gorbatschow, Jelzin usw. ist, die nur zu Ende geführt haben, was er vorsätzlich begonnen hat. Diese Verharmlosung Chruschtschows, dieses Oberhauptes der 5. Kolonne in der Nachkriegs-Sowjetunion, erreicht einen Höhepunkt im Kapitel 6, wenn Kilew schreibt: "Chruschtschow hat ... die Tätigkeit der Fünften Kolonne und des Klassenfeindes als Mitglied der Partei unterschätzt, (!) deren Gefahr für die Partei und das Land enorm war. Er hatte vergessen (!), dass Lenin von den ersten Jahren der Sowjetmacht an vor der Unterwanderung der Partei durch feindliche Elemente, durch Karrieristen und anpassungsfähige Menschen warnte. Genau deswegen maß Lenin den Säuberungen der Partei große Bedeutung zu ­... Nur so konnte die Partei die als Parteimitglieder eingetragenen Feinde beseitigen, sei es unter Lenin oder unter Stalin. Aber nach dem XX. Parteitag ist diese Richtschnur für das Parteileben vergessen (!) worden, woran das "Tauwetter" Chruschtschows maßgeblich beteiligt war. Und so fanden sich in den Reihen der Partei Verräter wie Gorbatschow, Jelzin, Jakowlew, Schewardnadse und mancher andere."

Nur eben Chruschtschow vermag Kilew als solchen nicht zu erkennen. Der bleibt bei ihm - was schwer verständlich ist - ein Irrender, ein Vergesslicher, einer, der ungenügend geschult in Marxismus-Leninismus ist. Diese Fehleinschätzung zieht sich durch das ganze Buch.

Das Äußerste an Verurteilung Chruschtschows durch Kilew findet sich im Kapitel 9: "Es gibt Menschen, die überlegen folgendermaßen: Chruschtschow hatte die Abschaffung des Sozialismus in der UdSSR weder geplant noch gewollt und erst recht nicht die Zerstörung der UdSSR. Kann sein, dass er es nicht gewollt hat. Aber er hat wissentlich die fundamentalen Positionen des Marxismus-Leninismus verfälscht und folglich die objektiven Bedingungen für den Beginn des Niederganges in der UdSSR geschaffen, die unter Breshnew weiter entwickelt wurden und sich logischerweise in den Prozess des Zerfalls der UdSSR unter Gorbatschow und Jelzin umgewandelt haben. Die subjektiven Wünsche und Vorhaben eines Chruschtschow unterliegen keiner historischen Wertung. Das, was zählt, sind die historisch objektiven Ergebnisse seines Handelns."

Wir führen im Folgenden einige historische Tatsachen des Handelns von Chruschtschow an und stellen zugleich die Frage, ob bei Berücksichtigung dieser Fakten Kilew dem Chruschtschow noch hätte zugestehen können: "Kann sein, dass er das nicht gewollt hat."


I. Chruschtschows Verhalten zu Tito und dem Tito-Revisionismus

Das ZK der KPdSU, also Chruschtschow eingeschlossen, und das Informationsbüro der Kommunistischen und Arbeiterparteien verurteilen im Juni 1948 die revisionistischen und nationalistischen Abweichungen der Führung der Kommunistischen Partei Jugoslawiens. Die Tito-Führung nimmt das zum Anlass zum Bruch mit dem Informbüro und der KPdSU und zur Entfesselung einer Hetz-Kampagne gegen die SU und Stalin. Sie wird dafür von den USA mit Krediten und Waffenlieferungen belohnt.

Juli 1953: ein Plenum des ZK der neuen Führung mit Chruschtschow und Malenkow an der Spitze der KPdSU nach Stalins Tod schließt L. Berija, bisher Innenminister und Leiter des KGB, aus der Partei aus und übergibt ihn dem Gericht. Er wird im Dezember des gleichen Jahres zum Tode verurteilt und hingerichtet. Zu den todeswürdigen Verbrechen, die ihm zur Last gelegt werden, gehört auch, dass er die Beziehungen zu Tito und dessen Partei wieder normalisieren und "über sein Agentennetz persönlichen Kontakt zu Tito und Rankovic" aufnehmen wollte.

26. Mai 1955: Chruschtschow erteilt ohne Absprache mit dem ZK der KPdSU bei der Ankunft einer sowjetischen Delegation auf dem Flugplatz in Belgrad: dem "teuren Genossen Tito" eine Totalrehabilitation mit der verlogenen Behauptung: "Wir haben eingehend die Materialien überprüft, auf denen die schweren Anschuldigungen und Beleidigungen beruhten, die damals gegen die Führer Jugoslawiens erhoben wurden. Die Tatsachen zeigen, dass diese Materialien von Volksfeinden, niederträchtigen Agenten des Imperialismus fabriziert waren, die sich durch Betrug in die Reihen unserer Partei eingeschlichen hatten." (Zitat aus "Taubenfußchronik, Bd: I; S.47).

Nach seinem offenkundigen Zusammenspiel mit Tito bei der Entfesselung der Konterrevolution in Ungarn im Herbst 1956 war Chruschtschows Verbleiben an der Spitze der Partei sehr gefährdet;. um einer Absetzung zu entgehen, unternahm er erneut eine schroffe, prinzipienlose Wendung, diesmal zurück - vom Bundesgenossen Titos zu dessen scharfem Ankläger - dies u.a. auch auf dem VII. Parteitag der KP Bulgariens im Juli 1958. Dort strafte er seine Belgrader Flugplatzrede von 1955 Lügen, indem er ausführte: "Im Jahre 1948 nahm die Konferenz des Informationsbüros eine Resolution über die Lage in der KP Jugoslawiens an, die eine berechtigte Kritik an der Tätigkeit der KP Jugoslawiens in einer Reihe von Fragen enthielt. Diese Resolution war im wesentlichen richtig und entsprach den Interessen der revolutionären Bewegung". In dieser Rede erklärte er weiter: "Die kommunistischen Parteien ... führen einen unversöhnlichen Kampf gegen Revisionismus und Dogmatismus. In diesem Kampf richtet sich das Hauptfeuer der kommunistischen Parteien naturgemäß gegen die Revisionisten als die Kundschafter des imperialistischen Lagers. ... Der moderne Revisionismus ist eine Art trojanisches Pferd. Die Revisionisten versuchen, die revolutionären Parteien von innen zu zersetzen, die Einheit zu unterminieren und Verwirrung und Durcheinander in die marxistisch-leninistische Ideologie zu tragen."

Chruschtschow hat damit sehr genau den Inhalt seines eigenen Wirkens als Führer der KPdSU beschrieben!

Als letztes Chruschtschow-Zitat auf dem Parteitag der KP Bulgariens noch eine Kennzeichnung der Rolle der Tito-Partei, die über deren Rolle als Agentur der Konterrevolution und des Imperialismus für Zweifel keinen Raum läßt: "Einen besonders großen Schaden fügten die jugoslawischen Führer der Sache des Sozialismus durch ihre öffentlichen Reden und ihre Handlungen in der Zeit der Ereignisse in Ungarn zu. Während des konterrevolutionären Aufstands in Budapest wurde die jugoslawische Botschaft im Grunde genommen ein Zentrum für diejenigen, die den Kampf gegen die volksdemokratische Ordnung in Ungarn aufnahmen und ein Zufluchtsort für die verräterische Kapitulantengruppe Nagy-Losinski." (Die Zitate sind dem Bericht des ND v. 5. Juni 1958 über den Parteitag der KP Bulgariens entnommen.)

Trotz dieser unmissverständlichen Kennzeichnung Titos als eines bewussten Feindes des Sozialismus auf dem Parteitag der KP Bulgariens ist für Kilew nicht nur Chruschtschow, sondern sogar Tito kein bewusster Feind, sondern "ein Irrender": Kilew schreibt auf der ersten Seite des Kapitels V: "Es fällt auf, dass Chruschtschow die revisionistischen Positionen Titos und die Gefahr für den Sozialismus in Jugoslawien unterschätzte... Heute ist klar, dass Chruschtschow höchstselbst den Revisionismus in den Marxismus-Leninismus hereinholte. Die Irrtümer und Fehler eines Tito haben sich als die Fehler und Irrtümer erwiesen, die den Sozialismus in Jugoslawien gefährdeten."

Es ist möglich, dass diese "zurückhaltende" Behandlung Titos durch Kilew ihren Grund - wie Gudrun Stelmaszewski vermutet - in "diplomatischen Rücksichten" wegen der seinerzeit schwierigen Beziehungen zwischen Bulgarien und Jugoslawien hat.

Aber was auch immer: es ist einfach notwendig, die Tatsachen der Tätigkeit Chruschtschows, die bei Kilew fehlen, die man aber kennen muss für seine stimmige Beurteilung, nachzutragen, wenn auch nur in groben Umrissen.

Dazu gehört auch Chruschtschows bewusste Täuschung über das Wesen des US-Imperialismus und seines obersten Repräsentanten Eisenhower, die ausgesprochene Vertrauenswerbung Chruschtschows beim Sowjetvolk für den USA-Imperialismus. Als Chruschtschow 1959 von seinem auf Einladung des USA-Präsidenten Eisenhower erfolgten USA-Besuch zurückkam, hielt er auf einer Großkundgebung in Moskau eine Rede, die von Lobhudelei für Eisenhower strotzte - (für den Mann also, der Ethel und Julius Rosenberg auf den elektrischen Stuhl geschickt hatte!). Er ließ sich dort folgendermaßen vernehmen: "Von dieser hohen Tribüne aus muss ich vor den Moskauern, vor meinem ganzen Volk, vor der Regierung und der Partei sagen, dass der Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika, Dwight Eisenhower, staatsmännische Klugheit bei der Einschätzung der gegenwärtigen internationalen Lage gezeigt, dass er Mut und Willen bewiesen hat. Ungeachtet der komplizierten Lage, die in den Vereinigten Staaten zu beobachten ist, machte er, der Mann, der das absolute Vertrauen seine Volkes genießt, den Vorschlag, dass die Regierungschefs unserer Länder Besuche austauschen. Wir zollen dieser wichtigen Initiative, die die Festigung des Friedens zum Ziele hatte, alle Anerkennung. ... Ich möchte Ihnen, liebe Genossen, sagen, dass ich nicht an der Bereitschaft des Präsidenten zweifle, seinen Willen und seine Bemühungen geltend zu machen, um eine Verständigung zwischen unseren Ländern herbeizuführen, freundschaftliche Beziehungen zwischen unseren Völkern zu schaffen und eine Lösung der herangereiften Fragen im Interesse der Festigung des Friedens herbeizuführen."

Zwischen beiden Staaten wurde für den 16. Mai 1960 eine Gipfelkonferenz verabredet, die in Paris stattfinden sollte. Am 1. Mai 1960 schickten aber - wie schon des öfteren vorher - die USA ein Spionageflugzeug über das sowjetische Territorium. Diesmal endete der Flug aber mit dem Abschuss der von dem Piloten Powers gesteuerten U2-Maschine und der Gefangennahme von Powers. Peinlich für Chruschtschow, der doch seinem Volk eingeredet hatte, die USA seien von Eisenhower auf den Weg der friedlichen Koexistenz mit der Sowjetunion gebracht worden.

Was also tun, um das Gesicht zu wahren? Natürlich musste er protestieren und die Teilnahme an der geplanten Gipfelkonferenz absagen. Er hielt aber dreist daran fest, dass seine positive Einschätzung Eisenhowers richtig gewesen sei und behauptete, dass Eisenhower von dem Flug nichts gewusst habe, sondern sich "hinter seinem Rücken Leute zu schaffen machen, die die Verwirklichung friedlicher Vorsätze stören."

Aber Eisenhower dachte nicht daran, ihm mit der Bestätigung, er habe von diesem Spionageflug nichts gewusst, aus der Verlegenheit zu helfen. Er zeigte vielmehr Unverständnis dafür, dass Chruschtschow wegen des U2-Fluges, von dem er, Eisenhower, selbstverständlich gewusst habe, die Gipfelkonferenz platzen ließ, denn das sei doch, wie Chruschtschow ja gut wisse, nicht der erste solcher Flüge, und bisher habe Chruschtschow dagegen nie Einspruch erhoben.

In einer Rede im Kreml am 26. Mai 1960 hörte sich Chruschtschows Version der Ereignisse so an: "Als ich in den Vereinigten Staaten mit Präsident Eisenhower und anderen amerikanischen Staatsmännern zusammenkam und Meinungen austauschte, gewann ich den Eindruck, dass Präsident Eisenhower wirklich Frieden und eine Verbesserung der internationalen Situation wünscht. Ich muss sagen, ich glaube nach wie vor daran, dass der Präsident auch jetzt den Frieden wünscht. Aber in den Vereinigten Staaten befindet sich der Präsident in einer komplizierten Lage ... es machen sich hinter seinem Rücken Leute zu schaffen, die die Verwirklichung friedlicher Vorsätze stören. ... Die Reden von Herter, Dillon und Nixon waren sozusagen ein Vorspiel. Noch mehr verwundert und, man kann sagen, betrübt waren wir darüber, dass der Präsident der USA diese provokatorischen Reden auf seiner Pressekonferenz billigte. ... Ich halte auch jetzt an dem Standpunkt fest: Der Präsident wusste von diesem Flug nichts, aber es war ihm als Präsident unangenehm, einzugestehen, dass er das nicht weiß ... Sonst würden die Völker Amerikas, die ganze Welt denken: Was ist das schon für ein Präsident." ...

Als wir die Aggressoren am Arm packten, erklärte der Präsident Eisenhower, dass die USA in den Luftraum der Sowjetunion im Interesse der freien Welt eingedrungen seien ... Nach Torpedierung der Pariser Konferenz bekräftigte der Präsident der USA, Eisenhower, in seiner Rede am 24. Mai vor den Amerikanern aufs Neue den von seiner Regierung bezogenen frechen Standpunkt. Er suchte die Spionageflüge über dem Territorium der Sowjetunion zu rechtfertigen und sprach das Bedauern darüber aus, dass der Spionageflug von Powers nicht gelang. Eisenhower gab sich den Anschein, als verstünde er nicht, weshalb Chruschtschow in Paris so scharf gegen die Spionage, gegen die Flüge der amerikanischen Aufklärungsflugzeuge Stellung nahm. Chruschtschow habe ja auch vorher gewusst, dass solche Flüge durchgeführt werden, und sogar mit ihm, dem Präsidenten, darüber sprechen wollen, habe es aber nicht getan. ...

Ja, Genossen, ich habe bereits gesagt, dass ich mich anschickte, mit dem Präsidenten bei unserer Zusammenkunft in Camp David über diese Flüge zu sprechen, als er sich an mich mit den Worten wandte: 'My friend' - mein Freund. Seht, was für einen Freund ich gewonnen habe!".

Der Ärger über diesen "Freund", der aus den letzten Worten Chruschtschows spricht, ist nur zu verständlich - hat doch dieser Freund Eisenhower die so hingebungsvolle und geradezu leidenschaftliche Vertrauenswerbung Chruschtschows für den USA-Imperialismus als das entlarvt, was sie war: die Vertrauenswerbung für einen Todfeind der Sowjetunion und des Sozialismus!

(Alle Zitate aus Reden Chruschtschows habe ich der in der DDR erschienenen Zeitschrift "Presse der Sowjetunion" entnommen und in mein Buch "Wider den Revisionismus", - S. 116, 122-125 -, aufgenommen.)

Dass diese Episode in unseren Tagen eine aktuelle Pointe erhielt, verdanken wir dem Chruschtschow-Verteidiger Robert Steigerwald. 1925 geboren und seit 1948 Mitglied der Kommunistischen Partei Deutschlands gehört er einer Generation an, die ein solches Ereignis wie den sensationellen Abschuss der U2, die Verhaftung ihres Piloten Powers und die daraufhin unvermeidliche Absage der Sowjetunion an der Teilnahme an dem Pariser Gipfeltreffen bewusst erlebte. Er kennt überdies meine Schilderung dieses Zusammenhanges in meinem Buch "Wider den Revisionismus", hat er dieses doch in den "Marxistischen Blättern" Heft 4/1999, S.89-94, besprochen. Außerdem habe ich ihm in einem Brief vom 10. Dezember 2005 - abgedruckt in dem offen-siv-Heft7/2006: "Brief an Robert Steigerwald" - all die oben zitierten Lobpreisungen Chrustschows für Eisenhower vorgeführt. Er kennt also alle Fakten, auf denen meine Feststellung beruht, Chruschtschow habe eine Vertrauenswerbung für den USA-Imperialismus betrieben. Das hat ihn aber nicht gehindert, mich in einem Artikel in der "junge Welt", der dann in das bereits erwähnte berüchtigte Heft 56 des "Marxistischen Forum" "Die Legende von der revisionistischen Wende" übernommen wurde, als Geschichtsfälscher hinzustellen: "Die Kritik an der Politik der friedlichen Koexistenz wird durch Kurt Gossweiler, Geschichte verfälschend, geteilt.... Was Michail Gorbatschow bewerkstelligte, dichtet er Chruschtschow an. Der habe die USA für einen vertrauensvollen Partner gehalten. Aber warum hat er dann in nicht gerade sehr diplomatischer Art 1960 ein Treffen mit dem damaligen US-Präsidenten Dwight Eisenhower platzen lassen?"

Solcherart "Beweisführung" ist eines Chruschtschow-Verteidigers würdig!

Zu den beiden genannten wichtigen Tatsachen des Wirkens Chruschtschows, die bei Kilew fehlen - erstens das Hereinholen Titos, des Trojanischen Pferdes des Imperialismus, in die eigene Festung, zweitens die Abstumpfung des Klassenbewusstseins durch die Vertrauenswerbung für den USA-Imperialismus, - sind noch etliche andere Fakten zu nennen, die jedoch nur kurz genannt sein sollen, um dieses Nachwort nicht zu lang werden zu lassen, ergänzt durch Hinweise darauf, wo umfassendere Angaben zu diesen Fakten zu finden sind.

1.) Kilew setzt den Beginn der revisionistischen Schädlingstätigkeit Chruschtschows auf den XX. Parteitag an. In Wahrheit begann sie aber sofort nach Stalins Tod mit der Übernahme der Funktion des Ersten Sekretärs der KPdSU. Er ging - anfangs gemeinsam mit Berija - mit unterschiedlichem Erfolg daran, in verschiedenen Bruderparteien die führenden marxistisch-leninistischen Persönlichkeiten, Mai-Juni 1953 Walter Ulbricht in der DDR, 1955 und 1956 Mathias Rakosi in Ungarn, 1956 Nikos Zachariadis in Griechenland, von der Führung zu verdrängen und durch rechte Kräfte zu ersetzen: 1956 Wladislaw Gomulka in Polen und Imre Nagy in Ungarn, und den weiteren Aufbau des Sozialismus zu ver-, mindestens aber zu behindern. (Kurt Gossweiler, Brief an Robert Steigerwald, S.41. - Ausführlich zur DDR: Kurt Gossweiler, Hintergründe des 17. Juni 1953, in: Wider den Revisionismus, S.47 ff, - auch zu finden im Internet unter Kurt Gossweiler, Politisches Archiv, Artikel.; ferner: Taubenfußchronik, Bd. II, S.47 ff. und S.244 ff. - Zu Ungarn in: Auferstanden aus Ruinen., Herausgeber Offensiv, Hannover 2000, s. Artikel von K. Gossweiler: Die Entfaltung des Revisionismus in der Kommunistischen Weltbewegung und in der DDR., S.163-174.)

Gorbatschow sagte in seiner bekannten Rede an der Amerikanischen Universität in Ankara: "Ich musste auch die Führung in allen sozialistischen Staaten beseitigen."

Ja, das ist ein Muss für alle Konterrevolutionäre, deshalb war Chruschtschow auch in diesem Punkt der Vorgänger Gorbatschows und Gorbatschow der Vollender dessen, was Chruschtschow begonnen hatte, aber nicht vollenden konnte.


II. Chruschtschow und die Berlin-Krise 1958-61 und die Kuba-Krise 1962

Diese beiden Krisen, gewöhnlich dargestellt als solche, von denen der Ausbruch eines Atomkrieges drohte, der "in letzter Minute" durch Chruschtschow verhindert worden sei, sind beide dem äußeren Anschein nach durch einen Vorstoß Chruschtschows zugunsten der sozialistischen Seite - DDR und Kuba - ausgelöst und dank Chruschtschows mit einer Lösung zu deren Gunsten beendet worden: Mauerbau in Berlin und Abzug der sowjetischen Raketen aus Kuba gegen den Verzicht der USA auf eine Intervention gegen Kuba.

In Wirklichkeit ging beiden Krisen"lösungen" ein Treffen Chruschtschows mit der amerikanische Seite voraus und brachten beide dem Westen Vorteile, unserer Seite dagegen erhebliche Nachteile:

Im Falle der Berlin-Krise half die "Drohung" Chruschtschows mit dem einseitigen Abschluss eines Friedensvertrag mit der DDR und der Erklärung Westberlins zur "Freien Stadt" - was gleichbedeutend sein würde mit der Schließung der noch immer offenen Grenze zwischen Ost- und Westberlin - zum einen den USA, in der durch Frankreichs Eigenmächtigkeiten vom Zerfall bedrohten NATO ihre unangefochtene Führung wieder durchzusetzen, zum anderen fachten die bis 1961 periodisch von Chruschtschow genannten, aber dann immer wieder verschobenen Termine der Verwirklichung des Friedensvertragsabschlusses jedesmal von neuem eine Fluchtwelle von Bürgern Ostberlins in den reichen Westen an. (S. dazu: Taubenfußchronik II, S.258 ff.).

Im Falle Kubas lieferte die von Kuba nicht verlangte, sondern von Chruschtschow aufgedrängte Stationierung sowjetischer Raketen auf Kuba33 den USA den Vorwand, den Abbau dieser Raketen und die Kontrolle ihres Abbaus durch eine US-amerikanische Kontrollkommission zu verlangen, eine Forderung, deren Erfüllung Chruschtschow - ohne die kubanische Regierung zu fragen - zusagte.

Fidel Castro durchkreuzte jedoch diese Intrige, indem er seine Zustimmung an die Bedingung knüpfte, dass im Gegenzug einer kubanischen Kontrollkommission gestattet wird, in Miami die Machenschaften der dort tätigen antikubanischen Kräfte zu untersuchen, worauf die USA-Seite natürlich nicht einging. (S. dazu meinen Artikel "Chruschtschow und die Kuba-Krise" in: offen-siv Heft 4/2006. Ebenfalls im Internet, im "Politischen Archiv".)


III. Chruschtschows Bruch mit China, 1960

vorsätzlich herbeigeführt, sollte nach seinem Plan 1964 auf einer Konferenz aller kommunistischen Parteien zur vollen und endgültigen Exkommunizierung der KP China aus ihrer Gemeinschaft gebracht werden. Dagegen hat sich bekanntlich Palmiro Togliatti in einem Memorandum gewandt, das als sein Vermächtnis in die Geschichte eingegangen ist. (S. Brief an Robert Steigerwald, S.34 f.)

Wenn man gegenüberstellt Chruschtschows Verhalten gegenüber Tito-Jugoslawien und Volkschina: ständiges Bemühen darum, Tito-Jugoslawien, das Mitglied des mit der NATO verbundenen Balkan-Paktes, also einen Verbündeten des USA-Imperialismus, immer wieder in die Gemeinschaft der Kommunistischen Parteien hereinzuholen, und setzt man dagegen sein nicht geringeres Bemühen, das größte und nach der Sowjetunion wichtigste sozialistische Land, Volkschina, aus der Gemeinschaft der sozialistischen Länder endgültig und für immer auszustoßen - wie kann man dann noch daran zweifeln, dass man es in ihm mit einem Handlanger des Imperialismus, mit einem Feind des Kommunismus und Sozialismus zu tun hat? (S. dazu: Brief an Robert Steigerwald, S.34 f., 37-39.)

Soweit Hinweise auf wichtige Tatsachen, die mir in der - ich betone das hier ausdrücklich noch einmal - wichtigen und in vieler Hinsicht hervorragenden Arbeit Michail Kilews fehlen.


Abschließend noch einige Bemerkungen zu Meinungen und Betrachtungen Kilews, die unzutreffend sind und solchen, denen ich nicht zuzustimmen vermag.

1.) Die Schilderung der Geheimsitzung des XX. Parteitages, bei der er der Chruschtschow-Biographie Roy Medwedjews folgt, steht im Widerspruch zu dem, was Lasar Kaganowitsch, ein Teilnehmer an dieser Geheimsitzung, in seinen in Russland erschienenen Erinnerungen über deren Verlauf berichtet. (Ich habe die entsprechende Passage aus Kaganowitsch übersetzt und in Bd. I der Taubenfußchronik, S. 18, zitiert.)

2.) Wie eingangs berichtet, spricht Kilew in seinem Kapitel 9 von drei Hauptursachen der Zerstörung der UdSSR:

a) Die revisionistische Linie der KPdSU.
b) Die Generaloffensive der imperialistischen Kräfte gegen die UdSSR.
c) Die spezifischen historischen Bedingungen der Oktoberrevolution und der sozialistischen Gesellschaft.

Ich gebe zu bedenken: die unter Punkt b) und c) genannten Fakten bestanden vom ersten Tage an, an dem Sowjetrußland, die spätere Sowjetunion, ins Leben trat. Gab es für die Sowjetunion in den 80er Jahren eine lebensbedrohendere imperialistische Offensive, als es die Intervention von 1918-1922 und der Überfall des faschistischen Deutschland 1941-1945 waren? Ganz gewiss nicht!

Und waren die Existenzbedingungen der Sowjetunion in den 80er Jahren etwa schwieriger als nach der Oktoberrevolution? Nein, so übermächtig die feindliche imperialistische Umkreisung auch war, und so schwierig die historischen Bedingungen wegen der gewaltigen Rückständigkeit Rußlands auch waren - sie haben nicht verhindert, dass die Sowjetunion zu einer ökonomischen und politischen Großmacht wurde und dem weltrevolutionären Prozess so starke Impulse gab, dass ein sozialistisches Weltsystem entstand, dessen fast kleinstes Mitglied Nordvietnam 1975 sogar imstande war, dank der Unterstützung durch die Bruderländer der größten imperialistischen Macht, den USA, eine militärische Niederlage beizubringen, und das - mit Ausnahme Australiens - schon in allen Erdteilen Wurzeln gefasst hatte - in Afrika in Gestalt von Ländern sozialistischer Orientierung wie Angola, Mosambik, Sansibar.

Nein, die beiden Punkte b) und c) können nicht als "Hauptursachen" der Zerstörung der Sowjetunion anerkannt werden. Sie sind Faktoren, die die Entwicklung der Sowjetunion gehemmt haben, aber nicht verhindern konnten und deshalb auch keine Hauptursachen ihres Unterganges sein können.

Es gibt nur eine Ursache für den Aufstieg der Sowjetmacht zum Zentrum eines sozialistischen Weltsystems trotz aller Schwierigkeiten und Hindernisse: Die Führung durch die KPdSU auf der festen Grundlage des wissenschaftlichen Sozialismus, des Marxismus-Leninismus.

Und es gibt zwar viele begünstigenden Umstände, die noch einer genaueren Klärung bedürfen, aber nur eine Ursache für den Absturz der Sowjetunion von den erreichten Höhen in den Abgrund: das Abgehen einer revisionistisch entarteten Führung der KPdSU von der Bahn des wissenschaftlichen Sozialismus, des Marxismus-Leninismus.

3.) Im Abschnitt über die erste Hauptursache gibt es den Abschnitt 1.2, überschrieben: "Die Ursachen der ideologischen Metamorphose Chruschtschows" Es geht Kilew dabei um die Frage, die sich natürlich jedem aufdrängt: wie ist Chruschtschow zu dem geworden, als was er sich an der Spitze der Partei gezeigt hat? War er schon immer ein Gegner, oder wodurch ist er es geworden? Die Frage ist von mäßiger Bedeutung. Beantworten könnte man sie nur durch eine genaue Kenntnis seiner Biographie, anders bleibt man zwangsläufig im unfruchtbaren, nutzlosen Spekulativen.

Entscheidend ist und bleibt die richtige Beurteilung dessen, was er tat.

Kilew widmet der Frage nach der Metamorphose, also der Wandlung Chruschtschows, nicht weniger als fünf Unterabschnitte und vier Seiten. Dabei kommt er ohne spekulative Vermutungen nicht aus. Einen Grund für "die ideologische Metamorphose" Chruschtschows vermutet er in dem "steigenden Druck der 'unschuldig' Verurteilten, die rehabilitiert und befreit worden waren", und kommt zu dem Schluss: "Chruschtschow wurde zur Marionette dieser Umgebung." Das Oberhaupt der revisionistischen Zerstörer der Sowjetunion - eine Marionette derer die er ge- und missbrauchte für seine Verteufelung Stalins? Das ist nicht zu akzeptieren!

Ehrlich gesagt: ich wäre froh, wenn es diesen Abschnitt "1.2. Die ideologischen Metamorphose Chruschtschows" in Kilews Buch nicht gäbe. Der trägt zu einer Beurteilung Chruschtschows und einer Kenntnis dessen, wie er das wurde, als was er sich seit 1953 zeigte, überhaupt nichts bei, sondern führt nur auf Abwege. Das erkennt Kilew am Schluss dieses Abschnitts wohl selbst, wenn er schreibt: "Es ist übrigens weniger wichtig, für wen er gearbeitet hat, das, was zählt, sind die Konsequenzen der offenen revisionistischen Linie, die durch den XX. Parteitag der KPdSU eingeleitet wurde." Diese Feststellung ist eingerahmt von folgenden Feststellungen Kilews: "Man gibt also zu verstehen, dass Chruschtschow ein Agent des Westens gewesen sei. Aber für diese Version gibt es weder schriftlich niedergelegte Beweise, noch durch Chruschtschow unterzeichnete Dokumente, die ihn den Diensten irgendeines westlich Staates verpflichten. ... Es gibt gleichermaßen auch keine Dokumente, die Gorbatschow als Agenten des Imperialismus ausweisen. Aber sein Verrat ist augenscheinlich."

Die erste, Chruschtschow betreffende Feststellung, lässt fragen: Ja und? Soll das ein Beweis dafür sein, dass er kein Agent war?

Einen solchen Einwand, dass es keinerlei dokumentarische Beweise gäbe, bekam ich gewöhnlich zu hören und zu lesen, wenn ich mündlich oder schriftlich meinen Genossen gegenüber meine Ansicht äußerte, in Chruschtschow hätten wir es mit einem Handlanger der Imperialisten zu tun. Einem dieser Genossen habe ich deshalb geschrieben: "Euch überzeugt wohl nur ein Dokument, in dem Chruschtschow mit seiner Unterschrift bestätigt, ein Agent des Imperialismus zu sein!" (Nachzulesen in 'Brief an Robert Steigerwald', S.25.)

Was Kilews Aussage zu Gorbatschow betrifft so kannte er, als er sein Buch schrieb, offenbar noch nicht Gorbatschows bereits erwähnten Ankara-Vortrag, in dem er sich rühmt: "Mein Lebensziel war die Zerschlagung des Kommunismus, der eine unerträgliche Diktatur über das Volk ist."

Von Chruschtschow-Verteidigern lässt sich nun argumentieren, dass dies eben den wesentlichen Unterschied zwischen Chruschtschow und Gorbatschow ausmache: Chruschtschow habe zwar Stalin angegriffen, aber den Sozialismus verteidigt, Gorbatschow dagegen habe den Sozialismus verraten und verkauft.

Wer so argumentiert, vergisst nur eines: solange Gorbatschow noch nicht am Ziel war, hat er nicht anders als Chruschtschow sich immer als Kommunist und Verteidiger der Sowjetmacht aufgespielt, der durch die Perestroika das Land noch stärker und wohlhabender machen werde. Erst nachdem sein Ziel, die Zerschlagung der Sowjetunion und die Auslöschung der sozialistischen Länder in Europa erreicht war, konnte er sein wahres Gesicht und seine wahren Absichten offenbaren. Anders als durch Betrug der Massen war das Ziel nicht zu erreichen. Das hat Gorbatschow schon 1993 in einem Spiegel-Interview offen ausgesprochen. Der Spiegel-Reporter gab ihm das Stichwort: "Den einen ging es zu langsam, den anderen war alles zu radikal", worauf Gorbatschow ergänzte: "Und Gorbatschow mußte das Schiff der Perestroika durch die Klippen steuern. Dabei konnte man noch nicht Dinge ankündigen, für die das Volk noch nicht reif war. Man hätte mich für verrückt erklärt, das Volk wäre zerrissen worden, es hätte zum Bürgerkrieg kommen können. Man mußte Geduld zeigen, bis die Parteibürokratie so entmachtet war, dass sie das Rad der Geschichte nicht mehr zurückdrehen konnte."

So weit hatte es Chruschtschow noch nicht gebracht, die Widerstandskräfte waren noch zu stark; mit dem Versuch, alle kommunistischen Parteien zum totalen Bruch mit China zu drängen, hatte er sich übernommen, das war der Tropfen, der das Fass des Misstrauens und des Unmutes zum Überlaufen brachte; er wurde weit vor dem Ziel gestürzt. Aber er hatte die Vorarbeit so weit voran gebracht, dass ein Gorbatschow ihre gemeinsame Sache erfolgreich zu Ende bringen konnte.

Gorbatschow war der Chruschtschow der Endphase der revisionistischen Konterrevolution, wie Chruschtschow der Gorbatschow ihrer Anfangsphase war.

Kurt Gossweiler, Ende August 2010

Anmerkung

[33] "Der kubanische Revolutionsführer Fidel Castro hat 1962 der Stationierung sowjetischer Atomraketen auf Kuba aus sozialistischer Solidarität zugestimmt. Dies sagte Castro bei einem Treffen mit Wissenschaftlern in Havanna." .... Wir hatten kein Interesse, Raketen hier zu haben." (ND v. 26.8.2010, S.8)

Raute

Michael Opperskalski: Sowjetische Sicherheitsdienste, Revisionismus und Konterrevolution

Die Rolle der Sicherheitskräfte in den sozialistischen Staaten, insbesondere in der Sowjetunion, bei der Ausbreitung des Revisionismus als notwendiger Basis für die zeitweilig siegreiche Konterrevolution, ist noch sehr wenig untersucht worden. Sicherlich ist die Materiallage hiefür noch ungenügend. Dennoch ist es politisch gefährlich, diese Rolle entweder auszuklammern oder gar eine allgemein positive Rolle zu unterstellen. Letzteres könnte man annehmen, wenn man folgenden Absatz des Genossen Kilew liest:

"Im Jahre 1977, zwei Jahrzehnte nach dem XX. Parteitag der KPdSU, ist im Zentralkomitee der KPdSU der Bericht von Andropow erschienen, in dem es heißt: "Nach den vom KGB überprüften Fakten arbeitet die CIA, indem sie die Prognosen ihrer Spezialisten bezüglich der Entwicklung der UdSSR studiert, zuletzt über Plänen zur Vertiefung ihrer feindlichen Aktivitäten, die auf die Zerstörung der sowjetischen Gesellschaft und die Desorganisierung der sowjetischen Ökonomie gerichtet sind. Zu diesem Zwecke stellt sich der amerikanische Nachrichtendienst die Aufgabe, einflussreiche Agenten unter den sowjetischen Bürgern zu rekrutieren, um sie auszubilden und auf die Posten politischer, ökonomischer und wissenschaftlicher Entscheidungsträgern in der UdSSR zu lancieren. Die CIA hat ein Programm der individuellen Ausbildung der Agenten erarbeitet, das ihre aktive Spionagetätigkeit vorsieht und ihre politische und ideologische Ausbildung verstärkt. Einen herausragenden Aspekt in der Vorbereitung dieser Agenten nimmt ihre Ausbildung in den Methoden der Leitung von Grundlagenzweigen der sozialistischen Ökonomie ein. Mit Hartnäckigkeit an ihren Zielen arbeitend, zeigt sich die Leitung des amerikanischen Nachrichtendienstes nicht kleinlich hinsichtlich der Ausgaben bei der Suche von Personen, die durch ihre persönlichen und methodischen Qualitäten leitende Posten im Führungsapparat einnehmen und die durch den Feind vorgegebenen Aufgaben erfüllen könnten. Die CIA erwägt, die Aktivität dieser Einzelagenten durch ein Zentrum, das dem Nachrichtendienst angeschlossen ist, zu koordinieren und zu leiten, um sie lebensnah die Politik der Sabotage der sozialistischen Wirtschaft anwenden zu lassen.

Die CIA ist der Meinung, dass eine koordinierte Aktivität der Agenten zur Schaffung von bestimmten Schwierigkeiten in der Innenpolitik der Sowjetunion führen werde, die unsere Entwicklung verzögern. Die CIA werde die wissenschaftlichen Forschungen in Sackgassen führen. Sie stützt sich auf die günstigen Bedingungen zur Realisierung dieses Planes, die im Rahmen der Erweiterung der Beziehungen zwischen der UdSSR und dem Westen geschaffen wurden.

Die gemeinsam mit ihren inländischen Agenten direkt mit der Arbeit beauftragten Verantwortlichen des amerikanischen Nachrichtendienstes schätzen ein, dass dieses in der Verwirklichung befindliche Programm in bedeutender Weise die Qualität der verschiedensten Lebensbereiche unserer Gesellschaft verändern werde, vor allem in der Wirtschaft, dass es zur Annahme westlicher Werte in der UdSSR führen werde.

Der KGB protokolliert die erhaltene Information. Für die Aufklärung und Abwehr der Pläne des amerikanischen Nachrichtendienstes. Gezeichnet - Juri Andropow, Präsident des KGB."[34]


Chrustschowistische Säuberungen der Sicherheitskräfte

Der XX. Parteitag der KPdSU brachte auch für die sowjetischen Sicherheitskräfte eine Zeitenwende. Mit der Machtübernahme Chrustschows und seiner Anhänger einher ging eine Säuberungswelle gegen konsequente Marxisten-Leninisten in den sowjetischen Sicherheitskräften. Dies geschah unter den demagogischen Parolen der "Überwindung des Stalinismus", der "Rehabilitierung unschuldig Repressierter" oder des "Kampfes gegen den Personenkult".

Zum Teil wurden von der Chrustschow-Gruppe wegen kontetrrevolutionärer Verbrechen Verurteilte direkt aus den Gefängnissen geholt, um diesen Verantwortung für so genannte Rehabilitierungen sowie die Säuberungen der sowjetischen Sicherheitskräfte zu übertragen.

Sergej Chrustschow beschreibt dies in seinem Buch über seinen Vater Nikita Chrustschow sehr anschaulich: "Nach ihrer Freilassung aus dem Lager wurde Olga Schatunowskaja damit betraut, in der Parteikontrollkommission an den Rehabilitierungen zu arbeiten. Snegow wurde 'Kommissar' im Ministerium für innere Angelegenheiten, das die Umerziehungslager des Gulag kontrollierte. Wir haben ihnen und anderen Menschen mit einem ähnlichen Schicksal viel zu verdanken. Sie waren mitverantwortlich dafür, dass die Opfer rehabilitiert und erste Schritte in Richtung auf eine Umstrukturierung der Strafverfolgungsorgane unternommen wurden."[35]

Konsequenz dieser Säuberungen war das massive Eindringen revisionistischer Positionen in die sowjetischen Sicherheitsorgane, ja sogar konterrevolutionären Personals. Das erklärt, warum gerade Gorbatschow vom KGB im Allgemeinen und seinem Chef Juri Andropow im Besonderen an die Macht geschoben und als Generalsekretär der KPdSU weiter abgesichert wurde. Mit Gorbatschow als Chef der sowjetischen Kommunisten begann eine weitere Säuberung der sowjetischen Sicherheitsorgane und ihre Ausrichtung auf die Perestroika.


Vom Revisionismus zur Konterrevolution

Die Nachhaltigkeit des konterrevolutionär-revisionistischen Einflusses sowjetischer Sicherheitsorgane lässt sich bereits heute anhand der Entwicklung und Rolle einer Sondereinheit des UdSSR-Geheimdienstes KGB nachweisen, obwohl noch nicht alle Fakten offengelegt werden konnten.

Der Name dieser Einheit: "Luch" (Strahl). Sie operierte in allen sozialistischen Staaten, mit besonderem Schwerpunkt jedoch in der DDR: "Im Frühjahr 1992 - inzwischen war nicht nur die DDR, sondern auch die Sowjetunion untergegangen - informierte das Bundesamt für Verfassungsschutz eine kleine Zahl ausgewählter Verantwortungsträger der Bundesrepublik Aber eine geheime KGB-Struktur in Deutschland. In dem streng geheimen Papier heißt es, dass außerhalb der bekannten KGB-Residentur in Karlshorst, dem für die Aufklärung der Bundesrepublik zuständigen 'Führungskopf', dem so genannten 'Berliner Apparat', eine weitere geheime KGB-Residentur existierte, die sogenannte Gruppe 'Luch' (russisch für Strahl).

Während die 'normalen' Vertretungen des KGB wegen der historischen Entwicklung und wegen der überwiegend identischen Aufklärungsschwerpunkte eng mit dem MfS zusammengearbeitet hätten, sei die Gruppe 'Luch' ein völlig abgeschotteter Bereich gewesen, der keinerlei Arbeitskontakte zum MfS der ehemaligen DDR unterhalten habe. Auch innerhalb des KGB sei die Gruppe 'Luch' einer besonderen Geheimhaltung unterworfen gewesen. Es heißt dazu, 'Luch' war aus dem regulären Hierarchiegefüge der offiziellen Residentur herausgelöst und nur den direkt befassten Mitarbeitern der 4. Abteilung (der so genannten Deutschlandabteilung im Moskauer Hauptquartier, d. Verf.) sowie der Leitungsebene der 1. H(aupt)V(erwaltung) des ehemaligen KGB insgesamt bekannt und entsprechend unterstellt'."[36]

Diese Sondertruppe "Luch" war zu Beginn der 80er Jahre aus handverlesenen Geheimdienstkadern zusammengestellt worden, um eine offen revisionistische Wende zunächst in der Sowjetunion, aber auch in anderen sozialistischen Ländern einleiten zu helfen. Damit ist ihr entscheidender Aufgabenbereich im weitesten Sinne umschrieben.

Neben bestimmten Kreisen von Intellektuellen innerhalb und außerhalb der Partei, waren es vor allem hoch organisierte Kader innerhalb der bewaffneten Organe der Sowjetunion, insbesondere im Geheimdienst KGB, die Träger und Motoren revisionistischer Gedanken, Theorien und Konzeptionen waren bzw. wurden.

Hiermit hatte der Revisionismus eine organisierte Machtbasis, von der aus die KPdSU systematisch von innen her zersetzt werden konnte.

Dieser in sich widersprüchliche, aber kontinuierliche Prozess, für den der XX. Parteitag der KPdSU zur Wende und Basis geworden war, belegt auch auf dieser Ebene, wie eng verzahnt Revisionismus und Konterrevolution sind, dass der Revisionismus die notwendige Basis für konterrevolutionäre Entwicklungen bildet.

Neben dem XX. und vor allem auch dem XXI. wie XXII. Parteitag der sowjetischen Kommunisten hatte unter Führung des Renegaten Chrustschow vor allem innerhalb der bewaffneten Organe, so an erster Stelle innerhalb des KGB, eine massive, wenig wahrgenommene und bisher noch viel zu wenig wissenschaftlich untersuchte Säuberungswelle eingesetzt, der wichtige marxistisch-leninistische Kader zum Opfer fielen und durch Anhänger Chrustschows ersetzt wurden.

Schließlich war die Zeit für den Generalangriff auf das Führungszentrum gekommen, um damit die revisionistische Entwicklung unumkehrbar zu machen. Für seinen Erfolg steht ein Name: Michail Gorbatschow.

"Gorbatschows steile Karriere wäre ohne einflussreiche Förderer nicht möglich geworden. (...)

Hinzu kam als Gönner vor allem aber der langjährige KGB-Chef Andropow, der den Nordkaukasier (gemeint ist Gorbatschow, d. Verf,) unter seine Fittiche genommen hatte. Auch der hatte schon früh sein Interesse an dem mächtigen KGB bekundet. Seine praktische journalistische Ausbildung leistete er wohl nicht bei einem Gericht oder einer Staatsanwaltschaft ab, sondern beim Geheimdienst.

Andropow setzte seinen gelehrigen Zögling für seine Politik ein. Um diese in Angriff nehmen zu können, galt es zunächst, Parteiapparat den Widerstand der orthodoxen Kommunisten zu brechen.

Gorbatschow war es, der nun zahlreiche Partei- und Staatsfunktionäre des Machtmissbrauchs und der Korruption bezichtigte und damit aus ihren Ämtern entfernen ließ."[37]

In der ersten Phase ihrer Existenz lassen sich die Aufgaben der revisionistisch-konterrevolutionären KGB-Einheit "Luch" in zwei wichtigen Bereichen zusammenfassen:

Durchsetzung des Machtantritts Gorbatschows sowie seiner Absicherung;

Zersetzung und Zerschlagung des Parteiapparates der KPdSU durch interne Operationen sowie externe Aktionen (z. B. Organisierung revisionistischer Propaganda, Unterstützung sich im Rahmen von "Perestrojka" und "Glasnost" entwickelnder, sich im Rahmen der Zersetzungsstrategie als nützlich erweisender Organisationen, Vereine, Publikationen etc. oder der Gründung derselben).

In der zweiten Phase (etwa ab Beginn 1987) weiteten sich die Aufgabenfelder von "Luch" aus:

Schwächung und Zerschlagung von Gegnern der sowjetischen, revisionistischen "Perestrojka"- und "Glasnost"-Politik innerhalb des sozialistischen Lagers, insbesondere die Zersetzung der dort regierenden kommunistischen Parteien durch Gorbatschow-Anhänger

Spaltung kommunistischer Parteien und auch anderer revolutionärer Kräfte "im Westen" bzw. dem Trikont (so genannte "Dritte Welt") mit dem Ziel, die Anhänger revisionistischen Gedankenguts à la Gorbatschow dominant werden zu lassen

Propagierung und Durchsetzung der Politik der Versöhnung mit dem Imperialismus im Trikont (so geschehen zum Beispiel in Geheimverhandlungen mit der konterrevolutionären Banditenorganisation UNITA seit 1986 und entsprechenden geheimdienstlichen Kontakten mit dem Apartheid-Regime Südafrikas)

Das war nichts anderes als Konterrevolution global, eingehüllt in den Mantel des Revisionismus!

Im sozialistischen Lager Osteuropas kann Widerstand gegen diesen offenen Ausverkauf des Sozialismus vor allem aus der DDR, der Tschechoslowakei und Rumänien.

"Auch für die kommunistischen Führer in der Tschechoslowakei wurde das Jahr 1989 zum Schicksalsjahr. (...) Später wurde von einer gemeinsamen Verschwörung des KGB und des tschechoslowakischen Geheimdienstes berichtet. Die Aktivitäten, die mit dem Sturz der Regierung endeten, sollen demnach unter dem Decknamen 'Operation Keil' durchgeführt worden sein - Behauptungen, deren Kern kein Geringerer als Staatspräsident Havel bestätigte. Am 31. Mai zitierten ihn Zeitungen dahin gehend, dass das KGB ein Komplott zur Ablösung des orthodoxen Systems unterstützt habe."[38]

Zu präzisieren sei an dieser Stelle nur, dass es sich beim KGB nicht um das gesamte Organ, sondern um Spezialeinheit "Luch" handelte und in der CSSR um einige "Luch"-Kollaborateure innerhalb der der tschechoslowakischen Sicherheitsdienste, nicht den gesamten Dienst. Auch gegen die kubanische Revolution im Allgemeinen und Genossen Fidel Castro im Besonderen entfaltete "Luch" eine Regie von Aktivitäten, die jedoch scheiterten. Seit 1988 sondierten Agenten aus Moskau in Kontakt mit nahezu allen kubanischen Contra-Fraktionen Möglichkeiten, die revolutionäre Führung der KP Kubas abzulösen, um einen gorbatschowistischen Wechsel auch auf der sozialistischen Karibikinsel vor der Haustür des US-Imperialismus herbeizuführen.


Besondere Aufmerksamkeit auf die DDR

Im besonderen Maße richtete "Luch" jedoch seine Aufmerksamkeit auf die DDR, nicht nur sozialistische Nahtstelle mit dem Imperialismus in Europa, sondern zugleich auch das fortgeschrittenste sozialistische Land (neben der Sowjetunion). Auch an der DDR war der XX. Parteitag nicht spurlos vorübergezogen, hatte sich revisionistisches Gedankengut herausgebildet, zum Teil widersprüchlich verfestigt, zu bereits beschriebenen, immer bedenklicher werdenden Entwicklungen geführt, die konsequent zur Entwicklung revisionistischer Leitfiguren und der Bildung von revisionistischen Organisationskernen innerhalb der SED bzw. ihrem unmittelbaren "Umfeld" führen mussten.

In diesem Zusammenhang fallen Namen wie Hans Modrow, Markus (Mischa) Wolf oder die der Brié-Brüder. Das bot auch für "Luch" genügend Ansätze, um einen offen revisionistischen "Wandel" der SED herbeizuführen.

Seit Mitte der 80er Jahre hatte "Luch" mit einer strategischen Regierungsoffensive in der DDR begonnen, wobei Bürger der DDR, vor allem Mitglieder der SED und ihrer Massenorganisationen auf verschiedenen Ebenen, zum Teil direkt als Agenten verpflichtet wurden oder aber, ohne ihr Wissen, abgeschöpft oder benutzt wurden.

"Bei den von 'Luch' rekrutierten Personenkreisen soll es sich, der Analyse des Verfassungsschutzes zufolge, neben Kadern aus der Staatsführung um Entscheidungsträger aus der FDJ, aus Bildungseinrichtungen, aber auch aus den Reihen der Kirche gehandelt haben.

In den Jahren 1988/1989 sei die Arbeitsweise von 'Luch' modifiziert worden. 'Fortan waren nicht mehr Verpflichtungen von hochrangigen DDR-Führungskadern vorrangig (...), sondern vielmehr die Suche nach Fachleuten der mittleren Managementebene.' Man habe sich 'auf Mitglieder der Blockparteien der ehemaligen DDR, solcher neugegründeter Parteien im Zuge der Wende und Angehörige von Jugendorganisationen konzentriert'."[39]

In dieser Situation spitzte sich die Lage innerhalb der SED zu. Es kam zum Parteiputsch der "DDR-Gorbatschowisten" und zur schrittweisen Mutation der SED in die PDS (heute "Die Linke").

Es sollte dann nur noch wenige Monate dauern, bis der BRD-Imperialismus endgültig am lang gehegten Ziel seiner Begierden und Diversionsstrategien war: der Liquidierung des Sozialismus in der DDR und der Annexion des ersten Arbeiter-und-Bauern-Staates auf deutschem Boden.

Michael Opperskalski, Köln, Ende September 2010


Anmerkungen

[34] Juri Andropow, Zeitschrift Den, 15./21. Dezember 1991
[35] Sergej Chrustschow: "Nikita Chrustschow - Marionette des KGB oder Vater der Perestroika", München 1991, S. 19 ff.
[36] zitiert nach und ausführlicher in: Reuth/Bönte, "Das Komplott", München/Zürich, 1993
[37] ebenda
[38] ebenda
[39] ebenda

Raute

Persönlicher Brief Kurt Gossweilers an die Übersetzerin

Liebe Genossin Gudrun,

seit Deiner umfangreichen Sendung vom 3. Mai (2010; d.Red.) habe ich jeden Tag in meinem Tagesprogramm zu stehen: Dank und Antwort an Gudrun. Und das musste ich jeden Tag von neuem ins Programm schreiben, weil ich es am Ende des Tages noch immer nicht geschafft hatte. Und nun ist Deine Sendung des Kapitels auch schon 15 Tage hier, unbedankt und unbeantwortet! Es ist wohl so: je länger das Leben - sagen wir mal ab 90 - desto kürzer die Tage, genauer, die Stunden, in denen man aktiv sein kann.

Deinem Brief habe ich mit Freude entnommen, dass Du schon länger Kontakt zu Frank Flegel hast und mit ihm einig bist, dass er Deine Kilew-Übersetzung druckt. Großartig!

Der Krenz ist wirklich ein sonderbarer Mann: er ist voll auf den Gorbatschow reingefallen, und weil er das nicht einfach zugeben will, sagt er ihm immer noch auch ein paar gute Seiten nach.

Du erwähnst immer wieder Deinen Artikel an den Rotfuchs - aber die Originalfassung kenne ich nicht. Der Hillebrenner-Artikel sprach mir aus der Seele - und von offen-siv aus haben wir ja von Anfang an auf Zusammenarbeit und gemeinsame Veranstaltungen gedrängt. Mit welchen Begründungen Klaus Steiniger das ablehnt, weißt Du ja sicher.

Übrigens schreibst Du, von der RotFuchs-Seite habe eine Niederlagenanalyse nie stattgefunden. Das stimmt nicht; es ist viel schlimmer: In der Januar-Ausgabe von 2007 begann der RotFuchs seine Diskussion über die Ursachen der Niederlage mit zwei Artikeln, in denen die Ursachen einzig und allein in Fehlern der SED-Führung und der DDR-Regierung gesehen wurde. In allen weiteren Artikeln zu diesem Thema in den folgenden Nummern wurde diese Linie beibehalten.

Ausdrücklich wurde in einem der beiden Artikel gesagt, man solle aufhören, die Ursachen außerhalb zu suchen, sie müssten bei den eigenen Fehlern gesucht werden. Damit hat der RotFuchs eine 180-Grad Wendung gegen seine Anfänge vollzogen.

Ich habe damals einen Leserbrief zu den beiden Artikeln an Klaus Steiniger geschrieben. Sie wurde aber nicht abgedruckt; weil, wie mir Rolf Berthold sagte, die beiden Autoren von mir zu scharf attackiert würden, es sich aber bei beiden um sehr gute Leute handele. Das habe ich, nachdem ich noch andere Sachen von einem der beiden, - Wolfgang Mäder, in der DDR ein sehr fortschrittlicher Blockfreund in der CDU -, gelesen habe, auch verstanden.

Der RotFuchs entstand als DKP-Zeitschrift der Gruppe Berlin Nord-Ost der DKP, die in scharfer Opposition stand gegen den revisionistischen Kurs der Stehr-Führung, was zur Folge hatte, dass Bruni Steiniger aus dem PV, zu dessen Mitglied sie nach dem "Anschluss" der DDR und ihrem Eintritt in die DKP gewählt worden war, wieder hinausbefördert wurde.

Damals war ich - obwohl nicht Mitglied der DKP - in ihren Versammlungen regelmäßiger Teilnehmer und wurde auch als Referent geladen zu Referaten über den Chruschtschow- und Gorbatschow-Revisionismus. Damals gab es keinen Zweifel bei Klaus und Bruni darüber, dass der Chruschtschow-Revisionismus die Sowjetunion in den Niedergang geführt hat und Gorbatschow uns an die BRD verkauft hat. In der Gruppe gab es allerdings geharnischte Anti-Stalinisten, und nachdem der RotFuchs aufgehört hatte, Parteizeitung der Berliner DKP zu sein und sich zum Zentralorgan von Klaus Steiniger "zur Sammlung von Kommunisten und Sozialisten" entwickelte, hörte allmählich die klare Frontstellung gegen den Parteivorstand der DKP in Essen auf und endete parallel dazu die Bereitschaft zur Zusammenarbeit mit offen-siv.

Ich selbst bin noch immer Mitglied der Trägervereine beider Zeitschriften.

Nun zu unserem bulgarischen Genossen Kilew. Es wäre sehr gut, wenn möglich gemacht werden könnte, zu ihm einen persönlichern Kontakt herzustellen, denn nötig ist jetzt der Ruf - und seine Befolgung: "Antirevisionisten aller Länder, vereinigt Euch zur Wiederherstellung der Grundlagen für eine weltumspannende marxistisch-leninistische Kommunistische Partei!"

Bevor ich zum Kapitel 7 von Kilew komme, noch einige Worte zu den Punkten bei ihm, denen ich nicht zustimmen kann.

Auf einen Nenner gebracht: Für ihn sind Chruschtschow und sogar Tito nicht Feinde des Kommunismus und Agenten des Klassenfeindes, sondern Irrende, die den Marxismus-Leninismus nicht richtig begriffen haben.

So schreibt er in Kapitel 5: "Es fällt auf dass Chruschtschow die revisionistischen Positionen Titos und die Gefahr für den Sozialismus in Jugoslawien unterschätzte ... Die Irrtümer und Fehler eines Tito haben sich als Irrtümer und Fehler erwiesen, die den Sozialismus in Jugoslawien gefährdeten."

Ich frage mich an der Stelle, ob Genosse Kilew die Einschätzungen des Revisionismus, insbesondere des Tito-Revisionismus nicht kennt, die auf den beiden Moskauer Beratungen von 1957 und 1960 der kommunistischen und Arbeiterparteien gegeben worden sind, und wenn er sie kennt, warum er mit seinen Bemerkungen zu "Irrtümern und Fehlern Titos" so weit hinter diesen Einschätzungen zurückgeblieben ist?


Die Beratung von 1957:

"Der moderne Revisionismus ist bemüht, die große Lehre des Marxismus-Leninismus in Verruf zu bringen, er erklärt sie für 'veraltet', behauptet, sie habe heute ihre Bedeutung für die gesellschaftliche Entwicklung verloren. Die Revisionisten sind bestrebt, die revolutionäre Seele des Marxismus auszumerzen und den Glauben der Arbeiterklasse und des werktätigen Volkes an den Sozialismus zu erschüttern. Sie wenden sich gegen die historische Notwendigkeit der proletarischen Revolution und der Diktatur des Proletariats beim Übergang vom Kapitalismus zum Sozialismus, sie leugnen die führende Rolle der marxistisch-leninistischen Partei, sie lehnen die Prinzipien des proletarischen Internationalismus ab, sie fordern Verzicht auf die grundlegenden Leninschen Prinzipien des Parteiaufbaus und vor allem auf den demokratischen Zentralismus, sie fordern, dass die kommunistische Partei aus einer revolutionären Kampforganisation in eine Art Diskutierklub verwandelt wird."

(Erklärung der Beratung von Vertretern der kommunistischen und Arbeiterparteien der sozialistischen Länder, (Moskau, 14.-16. November 1957, Berlin 1957, S.16 f.)


Die Beratung von 1960:

"Die kommunistischen Parteien haben der jugoslawischen Spielart des internationalen Opportunismus, die einen konsequenten Ausdruck der "Theorien" des modernen Revisionismus darstellt, einmütig verurteilt. Die Führer des Bundes der Kommunisten Jugoslawiens, die den Marxismus-Leninismus verrieten, indem sie ihn für veraltet erklärten, haben der Erklärung von 1957 ihr antileninistisches Programm entgegengestellt. Sie haben den BdKJ der gesamten kommunistischen Weltbewegung entgegengestellt, ihr Land vom sozialistischen Lager losgerissen, es von der so genannten Hilfe der amerikanischen und anderen Imperialisten abhängig gemacht und damit die Gefahr heraufbeschworen, dass das jugoslawische Volk seiner im heroischen Kampf erzielten revolutionären Errungenschaften verlustig geht. Die jugoslawischen Revisionisten betreiben eine Wühlarbeit gegen das sozialistische Lager und die kommunistische Weltbewegung. Unter dem Vorwand einer blockfreien Politik entfalten sie eine Tätigkeit, die der Einheit aller friedliebenden Kräfte und Staaten Abbruch tut. Die weitere Entlarvung der Führer der jugoslawischen Revisionisten und der aktive Kampf dafür, die kommunistische Bewegung wie auch die Arbeiterbewegung gegen die antileninistischen Ideen der jugoslawischen Revisionisten abzuschirmen, ist nach wie vor eine unerläßliche Aufgabe der marxistisch-leninistischen Parteien."

(Erklärung der Beratung von Vertretern der kommunistischen und Arbeiterparteien, November 1960, Dietz Verlag Berlin, S. 61).


Liebe Gudrun,

ich setze den Brief fort mit der letzten kritischen Bemerkung zu Kilews mir bisher bekanntem Chruschtschow-Text. Sie betrifft seine Äußerungen zur "Geheimsitzung" im Kapitel I. Was er hier über deren Vorbereitung und Durchführung und kritisch zum Verhalten der Veteranen schreibt, steht in völligem Widerspruch zu dem, was Lasar Kaganowitsch - ein Delegierter des Parteitages und Teilnehmer der Geheimsitzung - in seinen Erinnerungen (Pamjatnie Sapiski, Verlag Wagrius, Moskau 1996, S. 508 f.) darüber schreibt. Offenbar kennt Kilew dieses Buch nicht, es ist erst ein Jahr vor dem Druck seines Buches erschienen, aber man muss es kennen, wenn man wissen und beschreiben will, wie es zur "Geheimsitzung" kam und wie sich die Delegierten dazu verhielten.

Im Band I meiner Taubenfuß-Chronik habe ich auf S. 18 die entsprechende Passage aus Kaganowitschs Buch - von mir übersetzt - zitiert. Sie ist ziemlich umfangreich, deshalb werde ich sie jetzt nicht zitieren. Vielleicht ist es Dir möglich, das Buch selbst zu beschaffen, Du hast vielleicht sogar meine Taubenfuß-Chronik schon. Falls keines von beidem, lass' es mich bitte wissen. Wenn Du mir Deine Adresse gibst, wäre es mir eine Freude, Dir die Taubenfußchronik als Dankesgabe zu schicken.

Jetzt nur soviel: Molotow, Kaganowitsch, Woroschilow u.a. sind vor Chruschtschow nicht zurückgewichen, sondern haben dem Verlangen Chruschtschows widersprochen. Chruschtschow hatte die Mitglieder des Präsidiums des ZK nach Erledigung der Tagesordnung des Parteitages in einen Nebenraum gerufen und dort mit der Forderung überrumpelt, der Parteitag solle fortgesetzt werden, er wolle den Delegierten eine von ihm vorbereitete Stellungnahme zum Personenkult Stalins vortragen.

Der umfangreiche Entwurf des Vortrages wurde gleichzeitig jedem übergeben. Molotow und andere erklärten, es sei unmöglich, in kurzer Zeit dies durchzulesen und zu beraten, aber schon ein flüchtiger Blick darauf zeige, dass das Dokument einseitig und falsch sei, die Tätigkeit Stalins könne auf keinen Fall so einseitig beleuchtet werden.

Sie verlangten, dass nach den Beschlüssen der Partei vorgegangen wird. Schon vor dem Parteitag war vom Präsidium des ZK eine Kommission gebildet worden mit dem Auftrag, Angelegenheiten von Repressionen an Ort und Stelle zu untersuchen, sie im Präsidium zu beraten und nach dem Parteitag ein ZK-Plenum einzuberufen, um den Vortrag der Kommission und ihre Vorschläge anzuhören.

In seinem Bericht schreibt Kaganowitsch über den weiteren Fortgang: "Die Sitzung zog sich hin und die Delegierten (im Saal) erregten sich, und deshalb wurde ohne jede Abstimmung die Sitzung beendet und wir begaben uns in den Saal. Dort wurde die Ergänzung der Tagesordnung verkündet: den Vortrag Chruschtschows über den Persönlichkeitskult Stalins anzuhören. Nach dem Vortrag fand keinerlei Aussprache statt, der Parteitag beendete seine Arbeit."

Man kann also sagen: die "Geheimrede" wurde von Chruschtschow und seinen Leuten dem XX. Parteitag durch eine Art Staatsstreich aufgezwungen.

Es wäre schon wichtig, den Genossen Kilew auf die Kaganowitsch-Erinnerungen hinzuweisen.

Damit kann ich nun endlich zum Kapitel 7 kommen, zu Kilews gründlicher Bloßstellung der absolut unwissenschaftlichen, demagogischen Ausführungen Chruschtschows zum "Personenkult Stalins"

Das ist ein Kapitel, für das ich sehr dankbar bin, weil Kilew mit seinem Erinnern an die Ausführungen der Klassiker über den Unterschied zwischen "Personenkult" und notwendiger Führungsautorität wunderbar gezeigt hat, wie nötig und hilfreich das ständige Studium der Klassiker gerade auch zur Lösung unserer Gegenwartsprobleme ist.

Ich freue mich schon auf alles, was noch folgen wird und danke Dir sehr, dass Du uns mit Deiner Übersetzung so bereicherst.

Mit herzlichen Grüßen,

Dein Genosse Kurt, Berlin, Ende Mai 2010

Raute

IMPRESSUM

offen-siv, Zeitschrift für Sozialismus und Frieden

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Druck: Lange und Haak, Orsingen-Neuzingen.

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Quelle:
Offensiv Nr. 7/2010 - Zeitschrift für Sozialismus und Frieden
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veröffentlicht im Schattenblick zum 10. Dezember 2010