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MARXISTISCHE BLÄTTER/548: Jean Paul - Der Sänger der Armen


Marxistische Blätter Heft 2-13

Der Sänger der Armen

von Wolfgang Beutin



Am 21. März 2013 jährt sich zum 250. Mal der Geburtstag von Jean Paul (geboren 1763 in Wunsiedel). "Er sang nicht in den Palästen der Großen, er scherzte nicht mit seiner Leier an den Tischen der Reichen. Er war der Dichter der Niedergeborenen, er war der Sänger der Armen."

Dies grandiose Lob erteilte Ludwig Börne, der brillante Vormärz-Publizist, dem deutschen Erzähler und Romancier nach dessen Tod (in Bayreuth) in einem Nekrolog, der zu den besten seines Genres zählt. Damit hob er die Einzigartigkeit des Dichters in seiner Epoche hervor, der darin nicht seinesgleichen hatte, obschon ja eine soziale Komponente in Dichtungen anderer seiner älteren Zeitgenossen - wie Lessing und Gottfried August Bürger - nicht fehlte. Sie fehlte ebenso wenig in den Schriften der deutschen 'Jakobiner' der Ära und in denjenigen von Autoren der nachfolgenden Generation, denen Jean Paul die Bahn brach, als er - so erkannte Heinrich Heine - "in seiner Hauptrichtung dem Jungen Deutschland voranging". Allerdings standen seit Jean Pauls Lebzeiten rühmenden Urteilen, wie demjenigen Börnes, missfällige gegenüber. Sie galten abwechselnd der Gedankenwelt des Dichters sowie der Form, in der er sich mit seinen Dichtungen bewegte, oder beidem. Friedrich Schlegel behauptete in der Zeitschrift der Romantiker, dem "Athenäum", "der strenge Künstler" hasse ihn "als das blutrote Himmelszeichen der vollendeten Unpoesie der Nation und des Zeitalters", sei er doch ein Autor, "der die Anfangsgründe der Kunst nicht in der Gewalt hat". Von hier führte die Linie bis hin zur gänzlichen Verwerfung der Lebensleistung Jean Pauls durch Nietzsche, der ihm noch einmal das Künstlertum abstritt und zur Kennzeichnung nur das verdammende Wort "Verhängnis" erübrigte, er wäre "ein Verhängnis im Schlafrock". Positive Urteile hingegen, von verständnisvollen bis zu enthusiasmierten, stammen von Schriftstellern wie Adalbert Stifter und Gottfried Keller, in späteren Jahrzehnten von Stefan George und Hofmannsthal.

Zum gegenwärtigen Zeitpunkt würden literarisch Interessierte gern wissen, welcher Linie von Einschätzungen sie recht geben sollten, der ablehnenden oder der anerkennenden, und ob der Dichter im Jahre der 250. Wiederkehr seines Geburtstages mit Börne zu den unschätzbaren Unvergesslichen in der Literaturgeschichte zu zählen wäre, oder ob es berechtigt sei, ihn mit Schlegel und Nietzsche hinabzustufen, um ihn fortan dem Orkus der Vergessenheit zu überliefern. Als Maßstab der Rühmung oder Verwerfung dienten und dienen, wie leicht festzustellen, unter den Experten allgemein entweder die Gedankenwelt, die der Autor in seinem Werk entfaltet, oder der Gesichtspunkt der Form (Poesie oder "Unpoesie"?), manchmal beides. Es geschieht auch, dass ein Kritiker den Dichter unter dem einen Aspekt den Lorbeerkranz windet, unter dem zweiten indes ihm den Preis versagt.

Die Gedankenwelt Jean Pauls ist unschwer zu rubrizieren. Sehr präzis definierte der Dichter Eichendorff "Jean Paul war der eigentliche Dichter der Humanitätsreligion." Es ist wahr, sie verbarg der Erzähler an keiner Stelle, und so gelangte ein Autor aus der George-Schule, Karl Wolfskehl, zu dem Ergebnis: "Alle Werke ruhen auf dem nämlichen philosophischen Unterbau, alle atmen unter dem nämlichen religiösen Überbau, alle sind von dem gleichen moralischen Äther umströmt." Das ist eine Feststellung über den einheitlichen Charakters des Werks und seiner weltanschaulichen Grundlegung, aber noch nicht über die Art der Weltanschauung, keine Aussage über deren geistesgeschichtliche Zuordnung. Als die drei Grundkonstanten seiner Gedankenwelt benannte Jean Paul selber einmal: "Gott, die Schöpfung, die Tugend". Aber auch mit dieser Dreizahl kommt man nicht weiter, sie wäre vielleicht von vielen anderen der Zeitgenossen ebenso zu beanspruchen gewesen. Hinter den Stichwörtern "Gott" und "Schöpfung" verbirgt sich jedoch eine spezifische Auffassung, steckt eine Variante von Philosophie und Religion unter den Auspizien der Aufklärung, dazu eine Denkform oder -methodologie, die in der Aufklärung entwickelt wurde. Unter "Tugend" (anderer Terminus dafür damals häufig: "Sittlichkeit") verbergen sich gedankliche Elemente, die sich wiederum strikt mit der Aufklärung verbinden: erstens ein antifeudales, antidynastisches, beharrlich gegen die Ausbeutung der Volksmassen gerichtetes, oder positiv: ein demokratisches und soziales, zweitens die Absage an den Krieg, positiv: das eindringliche pazifistische Bekenntnis.

Wenig verwunderlich, dass Urteiler, denen Jean Pauls Humanitätsreligion ein Ärgernis bedeutete darunter die Protagonisten der Gegenaufklärung -, an seinem OEuvre kein gutes Haar lassen wollten. Kompliziert wird es erst dann, wenn ein mit ihm stark sympathisierender Nachfahr wie Heinrich Heine zu dem Schluss kommt: "Jean Paul ist ein großer Dichter und Philosoph", doch sich genötigt sieht hinzuzusetzen: "aber man kann nicht unkünstlerischer sein als eben er im Schaffen und Denken." Dies war von je die Crux jedes der sich unterfing, das Schaffen Jean Pauls unter beiden Gesichtspunkten zu würdigen, dem des Gehalts wie dem der Form, musste doch die bejahende Rezeption der Gedankenwelt des "großen Dichters und Philosophen", des "Sängers der Armen" nicht zugleich heißen, die formale Beschaffenheit des Gesamtwerks zu akzeptieren.

Das Unkünstlerische im Werk Jean Pauls müsste vor allem einmal des Dichters Denkstil sein, zusammen mit einer spezifischen Sprachgestalt, die fast überall zu Tage tritt. Er prangert die Ausbeutung der "Fronbauern" an. Des Erzählers Vater, ein Geistlicher, nimmt zu diesen eine besondere Haltung ein, die nicht mit derjenigen der sonstigen Autoritäten übereinstimmt. Der Sohn reflektiert: "Wenn ich andere Geistliche und Rittergutbesitzer und Geizige (= 'Gierige') so reichlich vom Kopf bis zum Fuße ausgerüstet sehe mit Saugerüsseln, Saugestacheln und allen Einsauggefäßen, so dass sie immer an sich ziehen Die ausbeuterische Aktivität der Ausbeuterklassen erscheint hier als eine aussaugende, die Gesamtheit der Ausbeuter - Klerus und Adel - als aussaugendes Bestiarium, welches mit den entsprechenden Werkzeugen ausgestattet ist; doch erhält es durch die Benennung der Organe des Aussaugens ein Plus an Konkretion, ein ästhetisch die Schönheitslinie überschreitendes Maß an Verdeutlichung. Den Sachverhalt der kontinuierlichen Exploitation in der Epoche klagt er Dichter immer wieder an. Er schildert die Qual, wenn ein aufmerksamer Mensch mit anschauen müsse, "wie zahllose Blut- und Schweinsigel, Kirchenfalken und Staatsfalken (= Klerus und Feudalaristokratie) - in allen Ländern, Departements und den drei Zeit-Dimensionen (= Vergangenheit, Gegenwart, Zukunft) - ungestraft saugen, stechen, stoßen und rupfen ..." Es scheint, als dränge sich dem Autor die Notwendigkeit auf, die Anklage in die Sphäre der Zoologie, räuberischer Egel und Vögel, zu versetzen.

Unkünstlerisch wird zudem überdies wirken - und für heutige Leserinnen und Leser kaum noch aufschlüsselbar sein -, wo inmitten eines erzählenden Texts (eines autobiographischen) ein Passus erscheint, in dem sich vermengen: die entmythologisierende Denkform einer theologischen Schule der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts (in der Theologiegeschichtsschreibung gern mit dem Begriff "Neuprotestantismus" bezeichnet), eine übersteigerte, überquellende Metaphorik sowie ein spezifisch aufklärerisches methodologisches Element. Die Jahreszeit ist das Weihnachtsfest, die Perspektive ist die kindliche eines kleinen Sohns: "Bedurfte doch damals sogar der kindliche Honig und Wein der Freude des idealen Ätherzusatzes von dem Glauben an ein darreichendes Christkindchen. Denn sobald er zufällig sich mit Augen überzeugt hatte, dass nur Menschen, nicht Überirdische, die Freudenblüten und Früchte bringen und auf die Tafel legen, so war diesen der Edenduft und Edenglanz ausgegangen und abgewischt und das alltägliche Gartenbeet da. Indes unglaublich ist, wie er gleich allen Kindern sich gegen die Himmelstürmer seines himmlischen Glaubens gewehrt und wie lange er seine übernatürliche Offenbarung festgehalten gegen alle Einsichten seiner Jahre, gegen alle Winke des Zufalls, bis er endlich sah und siegte weniger als besiegt wurde. So schwer lässt sich der Mensch in allen Religionen zu den Menschen herunterziehen, welche oben im Lufthimmel die gebenden Götter spielen." Die gedankliche Achse ist das dem Neuprotestantismus (wie ihn u. a. Lessing promulgierte) angehörige Axiom, antithetisch seien die übernatürliche (sonst auch: positive, weil mit Zusätzen verunreinigte) Offenbarungsreligion, die es zu überwinden gelte (d. h. auch, himmlische Allegorien aufs menschliche Maß "herunterziehen") und die Vernunft- oder Naturreligion. Ein solch "idealer Ätherzusatz" ist am Weihnachtage die - nach Meinung der "Himmelstürmer" unnötige - Einführung eines schenkenden "Christkindchens" (wenn doch Menschen Menschen beschenken). Das Kind aber klammert sich stets noch an die Elemente der Offenbarungsreligion, es sträubt sich gegen die Aufklärer. Eingemischt wird die dreifache Bildlichkeit: Genussmittel (Honig, Wein der Freude), die Paradiesvorstellung (Eden), zuletzt noch - schon erdnäher: Gartenfrüchte, Gartenbeet. Als Bestandteil aufklärerischer Methodologie enthüllt sich das Autopsie-Prinzip (ebenfalls von Lessing betont): man soll die Welt der Gegenstände und Lebewesen "mit (eigenen) Augen" wahrnehmen; "Einsichten" gewinnen; bis der Mensch "endlich" sieht. Einem heutigen Lesepublikum, einmal die Spezialisten der Philosophie, Theologie und Geschichte des 18. Jahrhunderts ausgenommen, dürfte die Zumutung zu groß sein, sich eine Prosa wie die voranstehende aneignen zu sollen, es wird nicht die erforderlichen Voraussetzungen mitbringen und meist, ohne die Tiefe des Gedankens zu erfassen, über ihn hinweggehen, und so allzu häufig beim Versuch des Eindringens in das Erzählwerk Jean Pauls.

Wer sich jedoch diesem trotz der Größe der Zumutung energisch zu widmen wagt, tritt in den "Zauberkreis" (das ist eine von Goethe im Gedicht verwendete, von Jean Paul öfter aufgegriffene Vokabel) einer phantastisch buntfarbigen Welt, der jeanpaulischen mit ihren vielfach überraschenden, stetig an- und aufregenden Facetten. Aus der sich im Gesamtwerk darstellenden Gedankenwelt nur noch der Hinweis auf zwei von deren dominanten Motiven: die Kritik am Feudalismus und seinen Erscheinungsformen sowie das pazifistische.

Die Kritik am Feudalismus basiert bei Jean Paul auf seinem demokratischen Empfinden und der entsprechenden politischen Anschauung. Man wird nicht oft eine ausgearbeitete demokratische Konfession bei ihm finden, sondern eher - auch unerwartet - Einsprengsel der folgenden Art, bezeichnenderweise beim Beobachten eines ihm verdächtigen Teils der Zeitgenossenschaft, als er nämlich auf "das gekrümmte Schwarzen-Volk von Dresdnern" (Pfaffen oder devote Kirchengläubige) stößt: "Ich habe dabei meine demokratischen Zähne geknirscht ..." Eine ausführlichere demokratische Konfession kann bei ihm so aussehen: "Solange unsere Regierungsform sich nicht so ändert, aus Egoisten Freunde des Vaterlandes werden, solange uns nicht der Staat und der Ruhm darin ein Motiv wird, groß zu handeln, solange der Reichtum geachtet wird ...: so lange bleibt die Menschheit ein elender, niedriger, ängstlicher Schwarm Man sieht, neben dem Angriff auf den Feudalismus unternimmt Jean Paul keinen minder scharfen auf den Reichtum. So auch in grobianischer Stilistik: "die güldnen Philister-Ärse der Kapitalisten" (ältere Bedeutung: 'der Reichen'; "Ärse": altdeutsche Form, die Vorgängerin der gegenwärtigen mit "sch"). Und wie wird mit den Fürsten umzugehen sein? Im Alumneum (Schülerheim) heizt man wegen Mangels anderer Feuerung mit den Rahmen von einer Menge "Potentaten"-Porträts ein, dazu sogar auch mit den Gemälden einer russischen Kaiserin sowie einer Vielzahl der Konterfeis von Kronprinzen - die Symbolik darin ist unverkennbar. Dazu zieht sich durchs Werk des Dichters eine ironisch-höhnische Kritik der "Höfe"; z. B: denn da, wo noch alte deutsche Sitten sind, wird kein Versprechen gehalten; denn weil nach Möser die alten Deutschen nur Versprechen hielten, die sie vormittags gegeben - nachmittags waren sie schon besoffen -, so halten Hof-Deutsche auch keine nachmittägigen; - vormittägige würden sie halten, wenn sie sie gäben, welches aber der Fall nie sein kann, weil sie da noch - schlafen." Antifeudale Satire dieser Art erwächst bei dem Dichter aus dem Umstand, dass er stets die Autopsie à la Lessing favorisiert: sämtliche Gegenstände und Menschen der Realität (dafür auch: die Realien) erfasst der Aufklärer mit wachem Auge. Von Menschen selbst die Berühmtheiten unter den Zeitgenossen, samt ihren Vorzügen und Fehlern. Über Goethe: "Auch frisset er entsetzlich." Jean Paul nimmt alle Sinne in die Pflicht, um die Wirklichkeit des Daseins zu begreifen. Im Unterricht, den er als junger Lehrer gab, stützte er sich bevorzugt auf die Realwissenschaften. Den spekulativen Philosophen des Zeitalters misstraute er sehr, mahnend: "Und gehe besonders nie unter Philosophen, ohne eine Kronwache von Physikern, Geschichtsschreibern und Dichtern um dich zu haben."

Zur Emanzipation von den Zwängen einer barbarischen Vergangenheit zählt für den Dichter auch eine Verbesserung der Stellung der Frau. Er tadelt so z. B. einen Haustyrannen, der "nichts einer Frau" erlaubte, "als dass der Körper ein Koch wurde und die Seele eine Köchin". Auf der anderen Seite die Vision der befreiten Frau: "Welch eine schöpferische, gerüstete Zeit zieht daher, welche das große, dumpfe Nonnenkloster des weiblichen Geschlechts abbrechen und die finstern Mönchsschleier von den schönsten Augen reißen wird." (Zur Erinnerung: Die US-amerikanische Psychologin Louise J. Kaplan beschrieb die Rolle, die das Patriarchat im Zeitalter des Bourgeoisieherrschaft der Oberschichtenfrau aufnötigte, als die einer "Haushaltsnonne".)

Wie ein Immanuel Kant mit seiner Schrift "Zum ewigen Frieden" (1795) in Deutschland die theoretische Grundlage zum Pazifismus legte, der sich dann im 19. und 20. Jahrhundert in der Praxis als Friedensbewegung etablierte, so schuf Jean Paul in den zwei Jahrzehnten von 1795 bis 1815 zwei große philosophische, zugleich politologische und dichterische Schriften, in denen sich sein Friedensdenken entfaltete. Freilich steht in dem berüchtigten Buch "Händler und Helden" von Werner Sombart (1863-1941) zu lesen: "Die traurige Schrift des alten Kant über den 'Ewigen Frieden' ... bildet die einzige, unrühmliche Ausnahme. Sonst sind mir von repräsentativen Deutschen pazifistische Äußerungen zu keiner Zeit bekannt geworden. Sie würden ja auch immer eine Versündigung gegen den heiligen Geist des Deutschtums bedeuten." Das ist eine Äußerung, in der sich die in Deutschland während des 1. Weltkriegs gültige gesellschaftliche Mentalität abmalt; eine Äußerung, deren Richtigkeit nach vielen Bekundungen der Maßgeblichen bei Anzettelung des Angriffskriegs gegen die Bundesrepublik Jugoslawien 1999 und nach dem von einem Obersten Klein begangenen Genozidverbrechen in Afghanistan wieder diskutabel erscheinen kann: "Deutschtum" heißt Kriegsfuror, ist Mordsmentalität. Etwas anderes bleibt an dem Diktum Sombarts peinlich, bildet eine Selbstanklage: Unbekannt blieben dem Urheber also - nicht nur - auch die pazifistischen Bekundungen des Mannes, der ein Jahrhundert vor ihm geboren worden war, die Überlegungen Jean Pauls, der so angestrengt wie keiner, wie niemals ein anderer deutscher Schriftsteller - so zeigte Jürgen Kuczynski - "gegen die Ideologie des Krieges gekämpft hat". Ja, Kuczynski wollte ihn als den überragendsten "Kämpfer gegen den Krieg und die Kriegsinteressenten" überhaupt bewerten, ihn sogar "auch weit über Kant" rangieren sehen. Jean Paul setzte gegen den Zustand eines ewigen Krieges, gegen die ewige Kriegs-Erklärung, wie sie von den Fürsten vermittels ihrer stehenden Heere wider alle Lebenden organisiert worden sei, mit Kant den ewigen Frieden. Und wie Kant verband er ihn ebenfalls nicht mit der Universalmonarchie (bei Kant ist das: die allgemeine Diktatur eines einzelnen Staats über die gesamte Menschheit), sondern mit einer "Universalrepublik" (universellen Demokratie). In seiner Gegenwart, so registriert er, wächst die "Einsicht" in die "Unrechtmäßigkeit" des Kriegs, dieses "ältesten Barbarismus der Menschheit". Jedoch der Tapferkeit im Kriege sei "die Tapferkeit des Friedens und der Freiheit, der Mut zu Hause" überlegen, und das "recht- und frei-mutige Volk" führe "zu Hause seinen Freiheit-Krieg, ... den längsten und besten", und überdies den einzigen, "der keinen Waffenstillstand haben soll". Ein Gedanke des Dichters der Niedergeborenen, der wirkt wie für heute gedacht: den Freiheitskrieg soll man nicht exportieren wollen, man soll ihn ausschließlich zu Hause führen, man manifestiere - den "Mut zu Hause".

Unter Jean Pauls politischen Schriften sind so bedeutende Beiträge zur Bekämpfung des Kriegs wie die "Friedens-Predigt an Deutschland" (1808) und "Dämmerungen für Deutschland" (1809). In der letztgenannten steht u. a. die "Kriegs-Erklärung gegen den Krieg". Zu den Ahnungen, die den Autor bewegten, gehört schließlich die von furchtbaren Erfindungen und Neuerungen der Waffentechnik. "Und wer bürgt unter den unermesslichen Entwicklungen der Chemie und Physik dagegen, dass nicht endlich eine Mordmaschine erfunden werde, welche wie eine Mine mit einem Schusse eine Schlacht liefert und schließt ...?"

Wolfgang Beutin, Dr., Köthel/Stormarn, Literaturwissenschaftler

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Quelle:
Marxistische Blätter, Heft 2-13, 51. Jahrgang, S. 89-92
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veröffentlicht im Schattenblick zum 25. Juni 2013