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MARXISTISCHE BLÄTTER/528: Burnout


Marxistische Blätter Heft 4-12

Burnout
Systematischer Verschleiß von Menschen(1)

Von Anne Rieger



Mir ist "am wichtigsten, dass die Menschen in diesem Land wieder lernen, dass sie in einem guten Land leben, das sie lieben können. Weil es ihnen die wunderbaren Möglichkeiten gibt, in einem erfüllten Leben Freiheit zu etwas und für etwas zu leben", ließ uns Joachim Gauck anlässlich seiner Nominierung für das Amt zum Bundespräsidenten wissen.(2)

Er lebt in einem anderen Land als die 25 Mio. AOK-Versicherten. Ihre Krankheitstage sprechen nicht im Mindesten von einem "erfüllten Leben". Psychische Erkrankungen nehmen in diesem "guten" Land rasant zu: "Fehlzeiten aufgrund psychischer Erkrankungen sind seit 1999 um nahezu 80 Prozent angestiegen", berichtet das Wissenschaftliche Institut der AOK (WIdO). 2010 wurde der Krankenstand von 10 Millionen versicherten Beschäftigten untersucht. Die Ausfallzeiten bei psychischen Erkrankungen dauerten mit 23,4 Tagen je Fall doppelt so lange wie im Durchschnitt aller Krankheiten.(3) "Psychische Störungen sind eine neue, aber verdeckte Volkskrankheit", fasst Rolf-Ulrich Schlenker, der Barmer-GEK-Vize die Situation zusammen.(4)

Allein wegen Burnout sind die Krankheitstage um das nahezu Neunfache zwischen 2004 und 2010 angestiegen. Gusy u. a. sprechen von einem arbeitsbezogenen(5) Syndrom. Als Syndrom wird eine Gruppe von gemeinsam auftretenden Krankheitszeichen bezeichnet.

Nach der von der WHO geltenden "Internationalen Klassifikation der Krankheiten" (ICD-10)(6) kann Burnout nicht als Krankheit diagnostiziert werden. Er gilt als Zustand physischer und psychischer Erschöpfung und fällt unter die Diagnosegruppe "Probleme mit Bezug auf Schwierigkeiten bei der Lebensbewältigung". Anders als die Arbeitswissenschaftlerin Gusy u. a. sieht die WHO die Ursache des Burnouts offensichtlich überwiegend beim Menschen, nicht in den Arbeitsbedingungen.


Kein individuelles Problem

Ist Burnout also ein individuelles, persönlich verursachtes Problem von vielleicht besonders labilen Menschen? Hunderte Medien, TherapeutInnen, ÄrztInnen, Sanatorien, Gewerkschaften, Krankenkassen, Wissenschaftler, Angehörige, Beschäftigte, Unternehmen, Betriebsräte beschäftigen sich mit dem Burnout betroffener Menschen. Der quantitative und qualitative Schwerpunkt liegt dabei auf der individuellen Ebene. Therapien zu Bewältigungsstrategien - teilweise verbunden mit dem Rat, sich zu outen oder dem Rat, den Arbeitsplatz zu verlassen, werden angeboten. WissenschaftlerInnen erforschen individuelle Voraussetzungen oder Dispositionen. Persönlichkeitscharakteristika wie sogenanntes "Überengagement" werden als Ursachen beschrieben. Einige diskutieren, ob es sich denn wirklich um eine Krankheit handele, andere ob es eine Form der Depression sei oder nicht. In Medien wird das Leiden der Menschen teilweise sogar als "Modekrankheit" diffamiert oder die Frage gestellt, ob wir in einer Burnout-Gesellschaft leben.

Langfristig oder fortschrittlicher Denkende schlagen individuelle Prävention vor. Es werden Tipps veröffentlicht, wie man Warnsignale bei sich selber oder nahestehenden Personen möglichst frühzeitig identifizieren kann, um gegenzusteuern, den Prozess des Ausbrennens möglichst frühzeitig zu stoppen. Häufig wird die Dualität von familiären, persönlichen Problemen in Verbindung mit den Bedingungen und Anforderungen am Arbeitsplatz als Ursache vermutet. Wieder andere untersuchen, ob es bestimmte Berufsgruppen wie Dienstleistungsberufe oder helfende Berufe gibt, in denen sich die Gefahr des Burnouts verstärkt verbirgt. Von der Entfremdung von der Arbeit, von der Kluft zwischen Unternehmen und Person wird gesprochen. Selten wird über eine kollektive Prävention - also eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen nachgedacht, wie es die IG Metall in ihrer hervorragenden Broschüre tut.(7)

Keiner dieser Herangehensweisen soll ihre Berechtigung abgesprochen werden. Aber fast alle Initiativen bleiben an der Oberfläche, befassen sich lediglich mit den Erscheinungsformen. Kaum eine dringt zum Kern des Problems vor: den inhumanen Arbeitsbedingungen und -verhältnissen, wie sie dem Kapitalismus immanent sind.


Arbeitsverhältnisse und Arbeitsbedingungen

Hohe Arbeitsintensität, lange und unplanbare Arbeitszeiten, bezahlte und unbezahlte Überstunden, Schicht- und Nachtarbeit. Arbeitsplatzunsicherheit, zu geringe Qualifikationsmöglichkeiten - also qualitative und/oder quantitative Überforderung -, Unterforderung, mangelnde Anerkennung, permanente Umstrukturierungen, ununterbrochene Ausdünnung der Belegschaften, schleichendes stückchenweises Draufpacken zusätzlicher Arbeitsaufgaben prägen den Arbeitsalltag der meisten Beschäftigten. Internet, E-Mails, Facebook, Twitter u. a., Handys und Smartphones ermöglichen den Unternehmern, die Grenze zwischen Arbeitszeit und Freizeit verschwimmen, ja verschwinden zu lassen.

Mit den perfidesten Methoden wird immer mehr Output aus den Menschen gepresst. Der Druck ist subtil, immer öfter werden sie indirekt gesteuert. Die Selbstständigkeit, der eigene Willen der Beschäftigten werden instrumentalisiert für den Unternehmenszweck. Sie sollen agieren wie Unternehmer. Mehr und mehr Verantwortung wird ihnen übertragen, ohne dass sie wirklich Handlungs- und Entscheidungsfreiheit haben. Denn Rahmenbedingungen wie Termine, Kosten, Personal, Qualität legt die Unternehmensleitung fest. Der Taktgeber für die zur Verfügung gestellte Zeit für die Erfüllung der Arbeitsaufgabe aber ist und bleibt der Unternehmer. Bezahlt wird nicht mehr nach Arbeitszeit. Was zählt, ist das Ergebnis, und Ergebnis ist nur ein anderes Wort für höheren Profit.(8)

Folge ist, dass immer mehr unbezahlte Überstunden erbracht werden. Weil das nicht reicht, um die Motivation der Beschäftigten anzutreiben, wird unverhohlen gedroht, nicht mehr in den Arbeits- bzw. Unternehmensbereich zu investieren oder das Team/die Abteilung aufzulösen. Um die Konkurrenz untereinander anzustacheln, werden nicht nur Vergleichswerte als Referenzgrößen (Benchmarks) mit anderen Unternehmen angeführt, sondern auch mit anderen Werken, anderen Abteilungen, angeblich vergleichbaren Einheiten. Systematisch vergrößern die Unternehmer und andere Verantwortliche die Kluft zwischen vorgegebenen Zielen und Arbeitsaufgaben einerseits und deren Machbarkeit in der vorgegebenen Zeiteinheit andererseits. Wer da nicht mithalten kann, weiß, dass letztlich seine berufliche Existenz auf dem Spiel steht. Zukunftsangst hat seit Hartz IV Einzug in die einstmals relativ sichere Arbeitswelt genommen. Arbeitsplatzzerstörungen wie jüngst für 10.000 Schlecker-Frauen oder andere Massenentlassungen führen durch die zunehmende Arbeitsplatzunsicherheit zu weiterem Stress.

"Die Angst vor Kurz- oder Langzeitarbeitslosigkeit als existenzielle Bedrohung für eine gesicherte Lebens- und Familienplanung, die eigene Altersabsicherung und die kostenintensive Versorgung und Pflege von Angehörigen drängt Menschen in eine Position, in der sie genötigt sind, ihre Gesundheit aufs Spiel zu setzen. Besonders für Frauen führt die schwierige Vereinbarkeit von Familie, Kindererziehung oder Pflege mit dem Beruf zu lang dauernden, oft nicht zu lösenden Konflikten", schreibt der Arzt Jürgen Hölzinger von der Ärztekammer Berlin im Deutschen Ärzteblatt.(9)

Die Belastung in den Betrieben trifft fast alle und doch sind die Folgen nicht für jeden gleich. Burnout ist eine Antwort. Wenn Menschen die systematische Überlastung durch die Anforderungen am Arbeitsplatz individuell nicht überleben können, zwingt sie ihr Körper in den Prozess des Burnouts. Gusy u. a. beschreiben Burnout als "defensiven Umgang mit empfundenen Arbeitsbelastungen ... wenn berufliche Anforderungen die verfügbaren Ressourcen übersteigen".(10)


Ausfüllung der Poren der Arbeitszeit

Wie im Brennglas wird im Burnout die verschärfte Ausbeutung der Menschen durch die Intensivierung der Arbeit im Arbeitsprozess sichtbar. Die Finanz- und Wirtschaftskrise ist angeblich beendet. Die Beschäftigten aber sind dauerhaft in der Krise in Fabrikhallen, Werkstätten, Büros, Verwaltungen, Callcentern, Forschungs- und Wissenschaftseinrichtungen, sozialen und pädagogischen Bereichen - auf allen Arbeitsplätzen gleichermaßen. Burnout kann jeden treffen.

Keineswegs handelt sich um Kollateralschäden des betriebswirtschaftlichen Effizienzsystems. Leistungs- und Konkurrenzdruck sind keine leidige Folge von Managementmethoden, sie sind gewollt. Sie sind das System. Immer mehr Beschäftigte sind überfordert, leiden unter chronischer Ermüdung bis hin zum Burnout, schreibt die IG Metall.(11)

Hier vollzieht sich, was Marx die "dichtere Ausfüllung der Poren der Arbeitszeit", d. h. wachsende Arbeitsintensität nannte, die "zugleich vergrößerte Arbeitsausgabe in derselben Zeit, erhöhte Anspannung der Arbeitskraft, dichtere Ausfüllung der Poren der Arbeitszeit, d. h. Kondensation der Arbeit dem Arbeiter zu einem Grad aufzwingt, der nur innerhalb des verkürzten Arbeitstags erreichbar ist. Diese Zusammenpressung einer größren Masse Arbeit in eine gegebne Zeitperiode zählt jetzt als was sie ist, als größres Arbeitsquantum. Neben das Maß der Arbeitszeit als 'ausgedehnter Größe' tritt jetzt das Maß ihres Verdichtungsgrad."(12) Folge ist ein erhöhter Mehrwert und damit erhöhter Profit.


Werwolfs-Heißhunger der Kapitals

"In seinem maßlos blinden Trieb, seinem Werwolfs-Heißhunger nach Mehrarbeit, überrennt das Kapital nicht nur die moralischen, sondern auch die rein physischen Maximalschranken des Arbeitstag."(13) Karl Marx schreibt das 1867. Heute, 150 Jahre später, überrennt das Kapital die psychischen Grenzen der Intensivierung der Arbeit und des verlängerten Arbeitstags durch bezahlte und nicht bezahlte Überstunden und Flexibilisierung. Der systematische Verschleiß von menschlicher Arbeitskraft erhöht den Profit.

Der Beweis zeigt sich überall: die VW Nobelmarke Audi frisst mit 860 Mio. Euro den Motorradhersteller Ducati. Es war nur ein Griff in die Portokasse: Der VW-Konzern erreichte 2011 mit 15,8 Mrd. Euro Nettoprofit (nach Steuern) den höchsten Profit aller Zeiten, doppelt soviel wie im Jahr zuvor. Auch die anderen 30 Dax-Konzerne erreichten Höchstprofite. Sie pressten aus den Beschäftigten beinahe 75 Milliarden Euro, das zweitbeste Ergebnis in der deutschen Firmengeschichte.(14) So nimmt es nicht Wunder, dass Deutschland nach der Schweiz und noch vor den USA mit 924.000 Dollarmillionären die höchste Millionärsdichte aufweist. Das sind 1,2 Prozent der Gesamtbevölkerung.(15)

In den letzten 22 Jahren wurde die Ausbeutung massiv von Jahr zu Jahr verschärft. Seit der Versuch, in Europa eine Alternative zum Kapitalismus aufzubauen, vorerst beendet wurde, hat das zu einer enormen Schwächung der Arbeiterbewegung, ihren Gewerkschaften, der Arbeiterklasse geführt. Resultat sind die faktische Verlängerung von Tages-, Wochen- und Lebensarbeitszeit mit ihrer Kehrseite, der hohen europaweiten Arbeitslosigkeit, der Ausweitung der prekären Arbeitsverhältnisse. Reallohnrückgang, die Unterlaufung von Tarifstandards durch Absenkungstarifverträge, der Ausstieg der Unternehmer aus den Tarifverträgen, die Verringerung der Einhaltung der Arbeitsschutzgesetze sind andere Folgen.

Hat der Unternehmer Arbeitskräfte bis zur Unbrauchbarkeit verschlissen - für ihn kein Problem. Vor der Tür steht das europaweite Heer der Arbeitslosen, bereit sich mit frischer Kraft in den inhumanen Arbeitsprozess zu werfen, um sein Leben zu fristen. So macht es aus Sicht der Unternehmer durchaus ökonomischen Sinn, wenn TherapeutInnen den Austritt aus dem jeweiligen konkreten Arbeitsprozess vorschlagen.


Kräfteverhältnis

Was also geändert werden muss, um Burnout zu stoppen und rückgängig zu machen, ist das Kräfteverhältnis zwischen den Klassen. Nur durch kollektive, organisierte Gegenwehr kann der Stopp des radikalen Arbeitsplatzabbaus, die zusätzliche Einstellung von Beschäftigten, die notwendige Verbesserung der Arbeitsbedingungen, die Verkürzung der Tages- und Wochenarbeitszeit bei vollem Lohn-, Gehalts- und Personalausgleich erreicht werden. Das hilft den Beschäftigten in den Betrieben um sich vor ihrem systematischen Verschleiß zu schützen. Die beinahe drei Millionen offiziell registrierten Arbeitslosen, die 8,4 Millionen Arbeitssuchenden sowie die Millionen in Teilzeit und prekäre Beschäftigung Gezwungenen profitierten ebenso davon.


Antistressverordnung - ja - aber ...

Was ist zu tun? Die IG Metall fordert die Betriebsräte auf, sich zu Experten des Burnouts zu machen. Nicht als Therapeuten, sondern als Experten im Selbstschutz, im Erkennen krankmachender Arbeitsbedingungen und gefährdeter KollegInnen. Sie sollen Burnout im Betrieb zum öffentlichen Thema machen, es aus der Tabuzone, der Stigmatisierung holen, aufklären über die Ursachen, die in den Arbeitsbedingungen liegen und ihre Mitbestimmungsrechte nutzen, um die Arbeitsbedingungen zu verbessern. Das sind richtige Notwehrmaßnahmen, die sofort eingeleitet werden müssen, um bereits kranken Kolleginnen zu helfen und alle anderen zu schützen. Als Lotse sollten sie den Kontakt zu Beratungsstellen und Therapeutinnen herstellen.

Gegen die ausufernden Arbeitszeiten schlägt die IG Metall einige unterstützende Instrumente vor, wie den Arbeitszeit TÜV, das Stress-Bürometer sowie das Stressbarometer(16). Auf der Grundlage des Arbeitsschutzgesetzes sollen sie auf die gesetzlich vorgeschriebene Gefährdungsbeurteilung der Arbeitsplätze bestehen. Ver.di schlägt für Berufe, in denen Beschäftigte Verantwortung für andere Menschen haben, eine "Überlastungsanzeige"(17) vor.

Hans-Jürgen Urban, Geschäftsführendes Vorstandsmitglied der IG Metall, fordert eine verbindliche Anti-Stress-Verordnung von der Arbeitsministerin Ursula von der Leyen. Sie soll Regeln für Lage und Verteilung von Arbeitszeiten, zum Vorgesetztenverhalten, zur Taktung von Arbeitsabläufen oder auch zu Grenzen für Belastung z. B. durch Projektarbeit enthalten. Sofort reagierte der Verband der Siegerländer Metallindustriellen e.V. (VdSM): "Die Arbeitswelt als ausschließlicher Ansatz zur Erklärung psychischer Störungen ist nicht ausreichend und zweckmäßig", so der Arbeitspsychologe Stephan Sandrock auf der Webseite des Arbeitgeberverbandes. Die Gründe psychischer Störungen liegen seiner Meinung nach häufig in einem schwer entflechtbaren Mix aus Person, Entwicklung, privatem Umfeld, der genetischen Prägung und im Arbeitsverhältnis/Arbeitsumfeld. Eine Unternehmenskultur, die auf Wertschätzung und Gesundheit abziele, hängt vom betrieblichen Umfeld ab und könne nicht verordnet werden (Hervorhebung durch die Autorin).(18)

Das Vorschicken von Unternehmern bezahlter Arbeitspsychologen zeigt, der Stellvertreterpolitik durch Betriebsräte und Gewerkschaften sind spätestens hier Grenzen gesetzt. Der ideologische Verweis, bei Burnout handele es sich um Fälle von wenig belastbaren Menschen oder um individuelles Fehlverhalten, dient der Verschleierung der wahren Ursachen. Je öfter verbreitet, je wissenschaftlicher verbrämt, umso tiefer frisst sie sich in den Köpfen fest. Kollektive organisierte Aufklärung ist die Voraussetzung, um mit den KollegInnen gemeinsam im kollektiv organisierten Streit und langfristig auch Kampf den Unternehmern eine Barriere zu setzen gegen die Vernutzung unserer Arbeitskraft, gegen den Verschleiß unserer Gesundheit, unserer Lebenskraft und Lebensfreude.


"Die Arbeit ist das Für-Sich-Werden des Menschen"

­... schrieb Hegel. Heute, wo Arbeit, wie wir sie unter kapitalistischen Verhältnissen vorfinden, physisch und psychisch krank macht, ist das nur schwer vorstellbar. Und doch ist richtig, was Wilhelm von Humboldt vor 200 Jahren feststellte: "Nie ist das menschliche Gemüt heiterer gestimmt, als wenn es seine richtige Arbeit gefunden hat." Wir sollten uns wieder stärker mit dem Gedanken vertraut machen, dass Widerstand gegen das herrschende ausbeuterische, unsere Lebensgrundlagen und unsere Gesundheit zerstörende System eine Form von Arbeit ist, die unser Gemüt heiter stimmen kann.

Unser Ziel kann dabei nicht sein, die Arbeit abzuschaffen, etwa ein bedingungsloses Grundeinkommen zu fordern, damit wir wieder gesund leben können. "Die Arbeit ist die Quelle alles Reichtums, sagen die politischen Ökonomen. Sie ist dies - neben der Natur, die ihr den Stoff liefert, den sie in Reichtum verwandelt. Aber sie ist noch unendlich mehr als dies. Sie ist die erste Grundbedingung alles menschlichen Lebens, und zwar in einem solchen Grade, dass wir in gewissem Sinn sagen müssen: Sie hat den Menschen selbst geschaffen"(19), erläuterte Engels. Also muss der Kampf um menschliche Arbeitsbedingungen, um Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohn- und Personalausgleich gehen - auch wenn das augenblicklich noch als Traum erscheint. In Wirklichkeit haben wir keine andere Wahl, wenn wir nicht in der zivilgesellschaftlichen Barbarei enden wollen. Um sich gegen Burnout zu wehren, schreibt Claus Leggewie, müssen Menschen nicht nur "widerstandsfähiger, sondern auch widerständiger gemacht werden, gegen Verhältnisse, die sie immer wieder krank machen werden".(20)

"Gesundheit ist ein Zustand des vollständigen körperlichen, geistigen und sozialen Wohlergehens und nicht nur das Fehlen von Krankheit oder Gebrechen", legte die WHO schon 1946 fest. Eine Vision, für die es sich auf dem Weg in Richtung Sozialismus zu kämpfen lohnt. Vielleicht gelingt es uns dabei, aus unserem Land ein gutes Land für uns und unsere Kinder zu entwickeln, in dem der Mensch dem Mensch nicht sein Wolf ist.


Anne Rieger, Graz, ehem. 2. Bevollmächtigte der IG Metall Waiblingen


Bibliographie

(1) IG Metall: Burnout - Ausgebrannt - Betriebsräte als Lotsen für Burnout-Betroffene, 2011
(2) FAZ 19.2.2012
(3) http://www.wido.de/meldungakt+M5876222a488.html 19.04.11
(4) Kölner Stadtanzeiger 7.2011
(5) Gusy, B. & Kleiber, D.: Burnout in Handbuch Betriebliche Gesundheitsförderung, Göttingen 1998
(6) International Statistical Classification of Diseases and Related Health Problems herausgegeben von der WHO
(7) IG Metall ebd.
(8) IG Metall ebd.
(9) http://www.aerzteblatt.de/archiv/86860 , 21.4.2012
(10) Gusy ebd.
(11) IG Metall ebd.
(12) K. Marx, Kapital I, 432.
(13) K. Marx. Kapital I, 280.
(14) Handelsblatt 13.3.2012
(15) Schmid, F., Schuhler, C.: Bilanz 2011 - Ausblick 2012, isw Wirtschaftsinfo 2012
(16) IG Metall ebd.
(17) https://www.verdi-bub.de/service/praxistipps/archiv/ueberlastungsanzeige/#c3240 22.4.2012
(18) http://www.arbeitgeberverbaende.de/index.php?option=com_content&view=article&id=103:anti-stress-verordnung-nicht-zielfuehrend-
(19) Engels. F. Anteil der Arbeit an der Menschwerdung des Affen, 1876, MEW 20, 444
(20) http://hugendubelverdi.blogspot.com/2012/02/blo-nicht-absaufen-33.html , 21.4.2012

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Quelle:
Marxistische Blätter, Heft 4-12, 50. Jahrgang, S. 102-106
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veröffentlicht im Schattenblick zum 25. September 2012