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MARXISTISCHE BLÄTTER/418: Erfahrungen aus der Frauenpolitik der DKP


Marxistische Blätter Heft 6-09

Erfahrungen aus der Frauenpolitik der DKP

Von Marianne Konze


Redaktionelle Vorbemerkung:
Marianne Konze ist langjährige ehemalige Leiterin des Frauenarbeitskreises beim Parteivorstand der DKP Im Zusammenhang mit dem Schwerpunktthema des Heftes haben wir sie gebeten ihre umfangreichen Erfahrungen in Form eines persönlichen Rückblicks zusammenzufassen.

Eine frühere von ihr erstellte Analyse ist in dem Buch erschienen:
"25 Jahre DKP. Eine Geschichte ohne Ende", Neue Impulse Verlag, 1993


Ein Rückblick auf geleistete Arbeit ist gut, wenn er nicht nur Erreichtes, sondern auch Fehler bzw. Fragen widerspiegelt. "Kleinreden" dessen, was geschaffen wurde, bringt niemanden weiter, aber auch kein "Schönreden".

Doch für Neuanfänge junger Kommunistinnen kann ein Rückblick schon eine Hilfe sein, um zukünftig wieder eine erfolgreiche Frauenpolitik aufzubauen.

Natürlich hat sich zu Gunsten der Frauen in den letzten 40 Jahren so manches verändert. Denken wir an das Erziehungsgeld, die geschaffenen Kindereinrichtungen, die Selbstständigkeit vieler Frauen durch qualifizierte Ausbildung und so manches mehr.

Das ist das eine.

Das andere und nicht zu vergessen sind die zunehmende Brutalität in Familien, die furchtbare, ständig wachsende Kinderarmut, die massenhafte Betroffenheit durch Arbeitslosigkeit, die Hartz-IV-Empfängerinnen, alleinerziehende Mütter. Sicher trifft es auch zu, dass mit Beginn der 70er Jahre Frauen aktiver waren als in den letzten Jahren. Sie haben mehr gestreikt, demonstriert, in Gewerkschaften und Betrieben offensiver ihre Forderungen aufgestellt.

Heute gibt es das zum Glück und im Prinzip aber auch: die "Hertie-Frauen", die Erzieherinnen in der ganzen Bundesrepublik - und sie finden auch Unterstützung von Kunden und Eltern.

"Damals" - in den 70er Jahren - lernte unsere Generation zu kämpfen, als sie begriffen hatte, dass man für seine Rechte als Frau selber aktiv werden muss. Meine Frauengeneration hatte nach dem furchtbaren faschistischen Krieg das Land mit aufgebaut. Heute meint das Kapital, in der Weltwirtschaftskrise müsse der "soziale Ballast" verschwinden. Heute geht es deshalb für viele Frauen ums Überleben.

"Damals" bildeten vor allem die Frauen die industrielle Reservearmee - mit 1/3 weniger Lohn als die Männer. Heute bekommen sie "nur" noch 27 Prozent weniger. Und das wird heute als "Fortschritt" gefeiert!

25 Jahre Gleichstellungsstellen bzw. Frauenbüros - das wird mit Recht als Erfolg gelobt. Sie haben wirklich geholfen und unterstützt, nicht nur die Frauenhäuser, die gegenwärtig viel zu tun haben. Die Parteien haben aber gerade ihren Wahlkampf gemacht, ohne auch nur ein bisschen darauf einzugehen.

Ich wurde in den letzten Jahren oft gefragt: "Wie hat die DKP-Frauenpolitik es geschafft auch andere Parteien zu Aktivitäten für die Frauen zu bewegen?"

Auf dem letzten UZ-Pressefest kam ein Frau mit ihrem Mann auf mich zu, die beide in unterschiedlichen Stiftungen tätig sind und überraschend gut über die Entwicklung der Frauenpolitik der DKP informiert waren. Sie stellten fünf Fragen, die ich für so wichtig halte, dass ich sie an dieser Stelle wiederholen möchte:

1. Wie hat es die DKP 1970 geschafft, den 8. März wiederzubeleben, der heute eine allgemeine politische Bedeutung hat?

2. Wie kam es, dass Ihre Partei als erste in der BRD ein Frauenprogramm erarbeitete und mehrfach aktualisierte?

3. Die DKP-Frauen haben soziale mit den großen politischen Fragen wie Frieden, Abrüstung, "Keine Frauen zur Bundeswehr" verbunden und damit viele Frauen auf die Straßen bekommen, die eigentlich mit der DKP nichts zu tun haben wollten. Wie gelang euch das?

4. Die DKP hatte zu Beginn der Neukonstituierung im Jahr 1968 keine 20 Prozent weibliche Mitglieder. 1985 wurde aber bekannt gegeben, dass der Frauenanteil der DKP bei 43,4 Prozent lag. Wie kam das zustande?

5. Hatten die Frauen in der DKP mit den männlichen Parteigenossen auch solche Schwierigkeiten wie in den anderen Parteien? Dadurch kam es damals ja überall zu der Forderung nach der 50-%-Quote.

Das sind, so denke, ich tolle Fragen. Ich will sie beantworten.


Zur ersten Frage: Wie hat es die DKP 1970 geschafft, den 8. März wiederzubeleben?

Ja, bezüglich des Internationalen Frauentags mit seiner langen Tradition in der Arbeiterbewegung haben wir leider sogar erst einmal die Gewerkschaft in Verlegenheit bringen müssen. Auf den Gewerkschaftskongressen wurde die Forderung immer wieder gestellt, aber leider wurde erst 1980 dem Wunsch der Kolleginnen - mit Einschränkungen - Rechnung getragen.

Die DKP hat die Aktivitäten zum 8. März jährlich unter ein bestimmtes Motto gestellt; z. B. war 1970 die Losung "Freiheit für Angela Davis". Die junge schwarze US-amerikanische Wissenschaftlerin sollte wegen ihrer Unterstützung für die "Black Panther" Bewegung und für ihre angebliche Beteiligung an einer zur Befreiung Aktion von angeklagten Black Panthers inhaftiert werden. Davis wurde vorgeworfen, die Waffe für diesen Überfall geliefert zu haben. Sie war aber lediglich auf ihren Namen gekauft worden. Das FBI setzte Angela Davis daraufhin auf die Liste der 10 am meisten gesuchten Verbrecher. Ihr drohte die Todesstrafe. Die internationalen Proteste und die weltweite Solidarität verhalfen der tapferen Frau schließlich zur Freiheit. Weitere wichtige Themen des Internationalen Frauentags waren Forderungen gegen Apartheid und Rassismus und für die Freilassung von Nelson Mandela. In anderen Jahren ging es um die Forderung nach besserer Bildung für die Frauen und nach mehr Kindereinrichtungen und besserem Mutterschutz.

Über die Internationale Demokratische Frauenföderation IDFF oder die sozialistischen Länder bekamen wir Frauendelegationen zum 8. März zu Besuch. Ihnen wurde viel Solidarität, politisch, menschlich und materiell, entgegengebracht. Die erste Kosmonautin der Welt, Valentina Tereschkowa, war drei Mal bei der DKP zu Gast. Nicht nur zum 8. März sondern auch zum Pressefest der UZ in Düsseldorf. 1982 sollte sie keine Einreiserlaubnis erhalten. Die sozialdemokratische Ministerin Renate Schmidt setzte sich dafür ein, dass sie schließlich doch zur DKP kommen konnte. Dafür möchte ich hier noch heute danken.

1975 wurde von der UNO das "Jahr der Frau" ausgerufen. Unsere Forderung war: "Beseitigung aller Formen der Diskriminierung gegen Frauen. Internationale Solidarität insbesondere mit den Frauen in Kriegsgebieten."

Mit der Gründung der Demokratischen Fraueninitiative (DFI) Mitte der 70er Jahre gab es um den 8. März noch mehr Aktivitäten. Das Motto war: "Brot und Rosen wollen wir - nicht nur zum Muttertag - jeden Tag - und noch viel mehr!" Heute sind wir froh darüber und stolz darauf, dass der Internationale Frauentag wiederbelebt wurde.


Zur zweiten Frage: Wie habt ihr es geschafft ein eigenes Frauenprogramm zu entwickeln und zu aktualisieren?

Auf dem DKP-Parteitag 1970 wurde beschlossen ein Frauenprogramm zu erstellen unter der Leitung des AK Frauenpolitik beim Parteivorstand. Alle Bezirke und Genossinnen und Genossen waren aufgefordert daran mitzuarbeiten. Vor allem die Mitglieder, die in Betrieben arbeiteten. Wir wollten besonders die berufstätigen Frauen unterstützen und uns an sie wenden.

Diskussionsseiten in der UZ wurden jede Woche veröffentlicht und mit Beiträgen und Vorschlägen gefüllt. Es war beeindruckend, wie viele sich zu Wort meldeten und ganz glücklich waren, dass sie einen Beitrag zustande brachten. Damals war noch klar, dass der Kampf um gleiche Rechte Teil der Klassenauseinandersetzungen ist, dass Arbeiterklasse und Frauenbewegung zusammengehören, um erfolgreich kämpfen zu können. 20 Jahre später wurde gerade dieser Grundsatz in den Auseinandersetzungen mit den "Erneuerern" bestritten. Diese Frage, aber auch das Selbstbestimmungsrecht der Frau über ihre Schwangerschaft und ihre Sexualität, veranlassten uns zu Ergänzungen und Neuaussagen im Frauenprogramm.

Dabei wurden auch Künstler aktiv; z. B. Dieter Süverkrüp mit seinem Lied "Wozu hat der Herrgott die Frauensleut gemacht?" "Das ist mein Geschenk an dich, Marianne, und mein Beitrag zu Frauenprogramm," erklärte er mir damals.


Zur dritten Frage: Wie habt ihr die Verbindung von Krieg, Hochrüstung, Soziales mit der Frauen-Frage geschafft?

Die Verbindung von Krieg, Hochrüstung, Kalter Krieg, Frieden mit den sozialen Forderungen drängte sich damals geradezu auf. Das Ruhrgebiet, die industrielle Hochburg der BRD, starb vor sich hin. Zechen, Stahlwerke, Kokereien - eine nach dem anderen gaben auf. Nicht nur in Hattingen auf der Henrichshütte entschlossen sich Frauen zum Hungerstreik. Die DKP unterstützte sie. Ärzte stellten sich zur Verfügung, auch Rechtsanwälte, denn oftmals sollten die Frauen als "Unruhestifterinnen" vom Betriebsgelände verjagt werden. Doch das Feuer sprang über zu den Werften, die immer weniger Aufträge bekamen.

Bei vielen DKP-Demos waren Frauen dabei, die Angst um die Arbeitsplätze ihrer Männer hatten. Dann wurden in verschiedenen Ruhr-Städten Textilbetriebe angesiedelt, damit wenigstens die Frauen zum Familienunterhalt beitragen konnten. In Gelsenkirchen wurden Betriebsgelände und Fabrikhallen für "Envovia" bereit gestellt. Hunderte Frauen fanden Arbeit. Vorarbeiter und Chefs waren die vorher arbeitslos gewordenen Männer. Aber nach fünf Jahren siedelte "Envovia" nach Italien über, denn da waren die Arbeitskräfte billiger. Da war klar, dass die Kolleginnen mit uns auf die Straße gingen und zum Teil auch Mitglied der DKP wurden.

Als die Heinze-Frauen in Gelsenkirchen den Kampf um gleichen Lohn für gleichwertige Arbeit vor den Gerichte austrugen, erhielten sie vorbildliche Unterstützung der Gewerkschaft Druck und Papier, der Frauenorganisationen, der VHS.

Als einzige Partei war die DKP dabei. Die Verbindungen zu diesen Kolleginnen sind bis heute bestehen geblieben. Zum 1. Mai, den Ostermärschen, dem Antikriegstag oder den Aktionen gegen Neo-Nazis sehen wir uns. Ihre Frage ist: "Was machen wir bloß, wenn das noch schlimmer wird?"

Heute gilt ihre Sorge den Kindern, Enkelinnen und Enkeln. Es geht um den Einsatz deutscher Soldaten in Afghanistan, um das alte und neue Thema "Frauen zur Bundeswehr". Alle haben Angst um ihre Angehörigen, um Ausbildungs- und Arbeitsplätze. Wir helfen als DKP, wenn es geht auch materiell, aber das reicht nicht.

Nach neuesten Untersuchungen des DGB betreffen die ungerechten Lohnunterschiede auch die weiblichen "Azubis". Der "Ausbildungsreport 2009" des DGB weist aus, dass die Ausbildungsvergütung für Männer um etwa 100 Euro höher als in den von Frauen besetzten Jobs ist. Meist müssen Frauen mit drei Urlaubstagen weniger auskommen als junge Männer. Und nicht nur das, Sie bekommen auch weniger Geld für Überstunden und müssen mehr davon ableisten. Unfairer kann die Realität nicht sein. Wie ist das zu ändern? Wie kommt es zu einem Bewusstseinswandel?

Da hilft nur: sich wehren - Kampf ist angesagt.
Das meint auch die Gewerkschaft. Hoffentlich bald!


Zur vierten Frage: Wie habt ihr es geschafft so viele weibliche Mitglieder zu gewinnen?

Durch die Aktionen.

Wir haben zu vielen Fragen Flugblätter erarbeitet, Frauenfestivals veranstaltet, zu Diskussionen eingeladen, gezielt Frauen geworben. Die Berufsverbote haben so manche abgehalten. Lehrerinnen, Frauen aus Sozialberufen, Ärztinnen waren besonders betroffen. Viele hatten einfach nur Angst.

Große Zustimmung hatte wir beim Thema Selbstbestimmung der Frauen und bei den Aktionen zur Streichung des Paragraphen 218 aus dem Strafgesetzbuch. Wir waren in Memmingen, als der Arzt Dr. Horst Theissen und viele Frauen verurteilt wurden. "Klar", meinte damals ein Anwalt, "die Kommunisten sind immer da, die anderen, die 'Sozialen', kommen wie immer zu spät."

Trotzdem, auch wir taten uns schwer. Zu Beginn der Massenbewegung gegen den Paragraph 218 haben wir die Selbstanzeigeaktion von Alice Schwarzer abgelehnt. Sie war bei uns im Parteivorstand und bat darum, an den Betrieben Flugblätter mit der Aufforderung zur Unterschrift zu verteilen. Bis dahin hatten Schauspielerinnen, Wissenschaftlerinnen, Selbstständige sich offen zum Abbruch erklärt. Das war gut so. Die DKP hat auch die Losung "Mein Bauch gehört mir!" nicht übernommen.

Später haben Betriebsrätinnen von uns eine Aktion gestartet: "Weg mit dem Paragraphen 218! Her mit Ganztags-Kindereinrichtungen!"

1001 Unterschriften von Betriebsrätinnen konnten wir in Bonn der Familienministerin übergeben. Wir verbanden die Selbstentscheidung mit den Forderungen: "Schul- und Betriebsküchen mit gesundem, schmackhaftem Essen!" und bekamen von berufstätigen Frauen große Zustimmung.

Die DKP stand in diesem Kampf in der Tradition der 20er Jahre. Der Stuttgarter Arzt Friedrich Wolf (KPD) und die Ärztin Dr. Else Kienle hatten damals die Frauen unterstützt, auch der berühmte Schriftsteller und Journalist Kurt Tucholsky.


Zur fünften Frage: Hattet ihr auch so Ärger mit den Männern?

Na klar, hatten wir! Schon 1970 wollten wir als Frauen-AK kein "Ausschuss" sein, sondern ein offizieller "Arbeitskreis" des Parteivorstandes. Wir wollten auch nicht zur Abteilung Organisation gehören sondern zur Abteilung "Wirtschafts- und Sozialpolitik", weil unser Aufgabengebiet hauptsächlich bei den berufstätigen Frauen lag. Aber da waren vor allem Männer. Das war soweit gut, obwohl die Spezifik der Frauen wenig berücksichtigt wurde. Bei den einen Genossen ja, bei anderen kaum. Das gab Ärger. Da hörten wir dann Sprüche wie: "Ihr tickt verkehrt. Meine Frau arbeitet auch, wir haben zwei Kinder und wir teilen uns die Hausarbeit. Die Kinder übernehmen auch einiges. Das ist Erziehungsarbeit und damit Basta!"

Gegenseitige Achtung und Toleranz war zwar angesagt, aber sie war längst nicht bei allen Männern vorhanden. Schlimm wurde es dann, wenn "feministische" Forderungen gestellt wurden. Wir haben dabei so manches gelernt. Der Feminismus hat auf theoretischem und sprachlichem Gebiet Verdienste. Er hat Untersuchungen über einzelne Aspekte der Frauenunterdrückung in Erziehung, Kultur, Wissenschaft, in familiären Beziehungen und auf dem Gebiet der Sexualität vorgelegt, die wertvoll waren, auch wenn sie manchmal belacht wurden. Nicht zuletzt von Politikern.

Die große DGB-Frauendemonstration Mitte der 80er Jahre hat gezeigt "Frauen wehren sich", sie haben kein "Brett vor dem Kopf", sie denken selbst und lassen sich nicht mehr vorsagen, was sie zu tun und zu lassen haben.


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Quelle:
Marxistische Blätter, Heft 6-09, 47. Jahrgang, S. 24-27
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veröffentlicht im Schattenblick zum 25. Dezember 2009