Schattenblick →INFOPOOL →MEDIEN → ALTERNATIV-PRESSE

MARXISTISCHE BLÄTTER/401: Ursachen der linken Niederlage in Italien


Marxistische Blätter Heft 3-09

Ursachen der linken Niederlage

Von Gerhard Feldbauer


Bei den vorgezogenen Parlamentswahlen am 13./14. April 2008 in Italien erlitt das Wahlbündnis der sogenannten Sinistra Arcobalèno (Regenbogenlinke), in dem sich der Partito della Rifondazione Comunista (PRC) und der Partito dei Comunista Italiani (PdCI) mit der Sinistra Democratica (Demokratische Linke) und den Grünen zusammengeschlossen hatten, eine katastrophale Niederlage. Es erreichte nur 3,1 Prozent und fiel unter die Vier-Prozent-Hürde. Zum ersten Mal in der italienischen Nachkriegsgeschichte sind die Kommunisten, aber auch ihre Bündnispartner nicht im Parlament vertreten.


Drei Viertel der Wähler verloren

Die Parteien des Regenbogens kamen 2006 noch auf rund 12 Prozent. Fast sieben davon entfielen auf den PRC und knapp zwei auf den PdCI. Im PRC sind nach der Wahlniederlage die seit langem schwelenden aber immer unter den Teppich gekehrten Meinungsverschiedenheiten über einen revolutionären oder reformistischen Kurs offen ausgebrochen. Sie verdeutlichen, dass es im PRC, der 1991 nach der Umwandlung der IKP in die sozialdemokratische Linkspartei (PDS) gegründet wurde, kaum eine Auseinandersetzung mit dem opportunistischen Erbe der IKP und somit auch keinen Bruch mit diesem gab. Noch in jüngster Zeit trieb dieser Opportunismus schlimmste antikommunistische Blüten. Die neue Mitgliedskarte des Kommunistischen Jugendverbandes zeigt ein Bild vom Fall der Berliner Mauer, zu dem die Parteizeitung "Liberazione" schrieb: Er habe "auch uns Kommunisten befreit". Dann wurde der Sieg der Konterrevolution, unter anderem in der DDR, begrüßt, die Befreiung von der "Tyrannei der Einheitsparteien, der Staatsgewerkschaften, der Prawda, der Bürokratie und der Stasi" gefeiert (18. Dez 2008.). Das offenbarte, dass der PRC sich nie mit den Ursachen der Niederlage des Sozialismus in Europa 1989/90 auseinander setzte, keine Analyse der Komplexität des Sozialismus in seiner historischen Rolle, zum Beispiel als Friedensfaktor, seiner Erfolge und Stärken, seiner Schwächen und Defizite erfolgte.

Vertreter des reformistischen Kurses wurde schrittweise der langjährige Nationalsekretär Fausto Bertinotti. Bei der Auflösung der IKP 1991 blieb der frühere führende Gewerkschaftsfunktionär der CGIL (der IKP, danach dem PDS nahestehend) zunächst in der Linkspartei, wechselte dann 1993 zum PRC.

Der Weg Bertinottis an der Spitze des PRC zeigt beim näheren Hinsehen etwa ab 2000 immer öfter Zweideutigkeiten und gegensätzliche Gesichtspunkte. Aufschluss gibt sein 2000 erschienenes Buch "Le Idee che non muoiono" (Ideen, die nicht sterben), das den Kommunismus eben auf eine Strömung, die der Autor später in eine Linkspartei einbringen wollte, beschränkte. Noch stärker kommt seine Haltung dann in Interviews zum Ausdruck, die er 2002 beginnend bis 2005 jährlich gibt. Bertinotti sprach verbal einige soziale Fragen an thematisierte den Weltherrschaftsanspruch der USA, die Antikriegsfrage. Nach einer Erwähnung der Rolle des PRC, einem Bekenntnis zum Kommunismus oder wenigstens der sozialistischen Perspektive suchte man vergebens. Bertinotti sprach viel von einer "politischen Linken", wohl um den Begriff der revolutionären Linken, den er 2005 auf dem VI. Parteitag gebrauchte, um die Zustimmung zur Regierungsbeteiligung zu erhalten, vergessen zu machen. Nebenbei bemerkt, stellt sich die Frage: gibt es überhaupt eine unpolitische Linke? Bertinotti war sicher davon überzeugt, dass seine Regenbogenlinke 2008 wieder in Parlament und Senat einziehe und seine Interviews zur Leitlinie der von ihm geplanten nichtkommunistischen Linkspartei würden.

Zeitgleich mit Bertinottis Interviews setzten sich auf dem 5. Parteitag 2002 offen revisionistische Tendenzen durch, Der Kongress beschloss zwar ein linkes Aktionsprogramm mit einem Bekenntnis zur sozialistischen Perspektive, sagte sich in der Substanz aber gleichzeitig vom Marxismus-Leninismus los. Nicht nur Lenin, sondern auch Marx wurden nur noch im historischen Kontext und von Bedeutung nur unter bestimmten Gesichtspunkten, die Leninsche Imperialismus-Analyse als "unangemessen zur Interpretation der Form der Herrschaft des neuen Kapitalismus" gesehen. Der PRC verzichtete auf die führende Rolle der Arbeiterklasse, die der "Bewegung" (No-Global-Bewegung) zugeschrieben wurde. Das schloss selbst die Reduzierung Antonio Gramscis, des Theoretikers der Hegemonie der Arbeiterklasse, auf ebenfalls historische Aspekte ein. Aber selbst diese Gesichtspunkte fielen später der Vergessenheit anheim, darunter auch der von Gramsci fixierte Grundsatz, dass die KP in allen Bündnissen stets ihre politische und ebenso organisatorische Unabhängigkeit wahren müsse. Domenico Losurdo schätzte ein, Bertinotti war "nie Kommunist", unternehme nach der Auflösung der IKP 1991 jetzt "den zweiten Versuch, die Kommunistische Partei abzuschaffen." Diese revisionistische Linie bildete zweifelsohne die entscheidende Ursache für die Niederlage 2008.

Die marxistisch-leninistische Strömung Ernesto (die je nach der Abstimmung über verschiedene Anträge zwischen 27 und 40 Prozent Stimmen verzeichnete), zu deren Mitgliedern der Philosoph Domenico Losurdo (u. a. Präsident der Internationalen Gesellschaft für dialektisches Denken) gehört, kündigte 2002 "strategischen Dissens" an. Ihre Mitglieder gruppieren sich um die gleichnamige Zeitschrift, die jedoch darüber hinaus generell ein Organ der politisch-kulturellen Strömung des PRC ist.

Nur als pure Demagogie kann heute Bertinottis Rede auf dem VI. Parteitag 2005 gesehen werden, in der er zur Begründung der Regierungsbeteiligung eine "programmatische Regierungsalternative" vorlegte, darin einen Weg sozialer und struktureller Reformen skizzierte, eine "partizipative Demokratie" entwickelte, die dem Klassenkonflikt neue Räume für die Transformation der Gesellschaft eröffnen sollte. Diese Konzeption wurde während der Regierungsbeteiligung 2006 bis 2008 fast völlig zur Makulatur. Das führte zu einem unglaublichen Verlust an politischer Glaubwürdigkeit.


Als Regierungs- und Protestpartei gescheitert

Die Linke Mitte stellte nach ihrem Wahlsieg 2006 die Präsidenten von Senat und Parlament. Der Ex-Kommunist der damals noch existierenden Linksdemokraten, Giorgio Napolitano, wurde Staatspräsident. Der Abgeordnetenkammer stand Fausto Bertinotti vor. Noch nie hatte die Linke Mitte derart die Schlüsselpositionen des politischen Systems besetzt. Zur Einleitung eines Politikwechsels wurden sie kaum genutzt.

Berlusconi hinterließ ein katastrophales Erbe an Demokratie- und Sozialabbau, darunter eine dekretierte Verfassungsreform, welche die antifaschistischen Grundsätze beseitigen und einem Präsidialregime den Weg frei machen sollte. Unter Prodi fand dagegen ein Referendum statt, bei dem 61,7 Prozent dieses Gesetz annullierten. Verwirklicht wurde der Abzug der italienischen Truppen aus Irak, das geplante Milliarden verschlingende Projekt des Brückenbaus zwischen dem Festland und Sizilien, mit dem Berlusconi vor allem in die eigene Tasche wirtschaften wollte, eingestellt.

Die ersten Schritte weckten Hoffnungen, auf diesem Weg voranzuschreiten. Die Antikriegsbewegung erhielt Auftrieb und forderte als nächstes, die 2500 Mann aus Afghanistan abzuziehen und den von Berlusconi gewährten Ausbau der US-Militärbasis in Vincenza mit einer Truppenverstärkung um 4500 Mann zu einem Stützpunkt für Kriegseinsätze im Nahen und Mittleren Osten nicht nur zu untersagen, sondern die Basis überhaupt zu schließen, da ihre Existenz angesichts der Nutzung für Washingtons Angriffskriege gegen Artikel 11 der Verfassung verstößt, der Italien verpflichtet, für "Frieden und Gerechtigkeit zwischen den Nationen" zu wirken und "den Krieg als Mittel des Angriffs auf die Freiheit anderer Völker und zur Lösung internationaler Streitfragen" abzulehnen. Auf dieser Grundlage bestanden gute Voraussetzungen, ein Referendum einzuleiten und die Regierung zum Handeln zu zwingen. Sowohl der Staatspräsident als auch der Parlamentspräsident hätten über Möglichkeiten verfügt, den Regierungschef zum Handeln zu veranlassen. Nichts dergleichen geschah jedoch.


Die Kriegsgegner im Stich gelassen

Als im Februar 2007 vor der US-Basis 200.000 Demonstranten ihren Forderungen Nachdruck verliehen, wagten danach zwei Senatoren des PRC und des PdCI die von Bertinotti verkündete "partizipative Demokratie" und brachten einen Antrag zur Verlängerung des Afghanistaneinsatzes zu Fall. Als Berlusconi Neuwahlen forderte, brach im Regierungslager offen die Furcht vor einem neuen Wahlsieg des Mediendiktators aus. Bertinotti gab als Parlamentspräsident die Losung aus, eine neue Regierung Berlusconi müsse auf jeden Fall verhindert werden. Diese Linie wurde dann im Vertrauensvotum für Prodi mit der Zustimmung zum Afghanistaneinsatz (Bewilligung der Finanzmittel) und der Hinnahme des Ausbaus in Vincenza sowie tiefen sozialen Einschnitten verwirklicht. Wäre der PRC im Februar 2007 aus der Regierung ausgeschieden und hätte Neuwahlen in Kauf genommen, wäre zweifelsohne die Niederlage 2008 und damit wahrscheinlich auch ein Sieg Berlusconis zu vermeiden gewesen.


Faschistische Gefahr verharmlost

Der Versuch des PRC, als Regierungs- und Protestpartei zu handeln und die Regierungsachse nach links zu verschieben, misslang. Mehrfach untersagte die Parteiführung ihren Ministern und Spitzenfunktionären an Demonstrationen zur Durchsetzung sozialer Forderungen teilzunehmen. Es gelang nicht, das soziale Elend zu verringern, die Arbeitslosigkeit abzubauen oder im Gesundheitswesen etwas zu verbessern. Für die Rentner wurde das Pensionsalter heraufgesetzt, ein zugesagtes Referendum über den Stopp des Ausbaus der US-Basis in Vincenza nicht eingeleitet. Die seit über zwei Jahrzehnten existierende Mediendiktatur Berlusconis blieb unangetastet. Es hat seitens des PRC seit seiner Gründung 1991 auch nie einen Vorstoß im Parlament gegeben, diese immer wieder auch gegen gesetzliche Auflagen verstoßende Monopolstellung zu begrenzen. Ohne dass sich hier etwas im positivem Sinne verändert, werden auch in Zukunft grundlegende Veränderungen äußerst schwierig sein.

Die Koalition Berlusconis mit Faschistenführer Gianfranco Fini und dem Chef der Lega-Rassisten Umberto Bossi wurde auch vom PRC als Centro Destra (Rechtes Zentrum) verharmlost. Der PRC versäumte, eine Analyse der wachsenden faschistischen und rassistischen Gefahren, die von dieser Koalition bzw. ihren Regierungen ausgehen, vorzunehmen. Die Warnungen des Nobelpreisträgers Dario Fo, Umberto Ecos, Andrea Camilleris, Vincenzo Consolos oder Antonio Tabucchis vor den von Berlusconi, Fini und Bossi ausgehenden Gefahren der Etablierung eines neuzeitlichen faschistischen Regimes wurden nicht aufgegriffen.

Die Polizei dieser vorgeblich rechten Zentrumsregierung stürmte nach ihrem Wahlsieg 2008 Sinti- und Roma-Lager, die sich danach laut der EU-Abgeordneten Victoria Mohacsi, welche die Lager in Rom und Neapel besuchte, in "einer entsetzlichen, grauenvollen Situation" befanden. Von Berlusconi geplante Regierungsdekrete sehen heute im Geiste der 1938 von Mussolini eingeführten Rassengesetze wieder den "Begriff der Rasse" und die Nominierung eines "Sonderbeauftragten für Roma" vor. Antifaschisten erinnerten daran, dass "auch Hitler mit der Vertreibung der Roma begonnen" hat.

Bossi drohte im Wahlkampf, er werde seine Anhänger "an die Gewehre rufen", um auf die "römischen Schurken", womit die Linken gemeint sind, anzulegen. Es sei leider, so dieser Rassist weiter, "leichter, Ratten zu vernichten als Zigeuner auszurotten". Zum politischen Leitbild dieses Ministers Berlusconis gehört die faschistische Blut- und Bodenideologie. Seine Anhänger empfingen schon früher in Mailand den Fußballclub von Neapel mit Spruchbändern wie "Was Hitler mit den Juden gemacht hat, wäre auch das Richtige für Napoli". Lega-Innenminister Maroni will illegale Einwanderer in Gefangenenlager sperren. Der notorisch fremdenfeindliche Lega-Minister Roberto Calderoni forderte, die Marine solle das Feuer auf Flüchtlingsboote eröffnen.

Die Enkelin des 1945 von Partisanen hingerichteten Diktators, Alessandra Mussolini, feierte mit Tausenden Anhängern mit Führergruß und Sieg-Heil-Rufen den Wahlsieg des AN-Faschisten Giovanni Alemanno ins Bürgermeisteramt von Rom als "Befreiung" der Hauptstadt von kommunistischer Herrschaft (die nie existierte). Jüngster Auswuchs dieses Rassismus ist die Ankündigung von Apartheid-Maßnahmen in Süditalien, wo "Einheimische" und Asylbewerber separate Busse zu benutzen haben. Das alles erinnert an den Verfall bürgerlicher Demokratie, der dem "Marsch auf Rom" Mussolinis 1922 vorausging.

Es gab, auch seitens des PRC, keine Initiativen, das von Berlusconi verabschiedete und selbst nach bürgerlich-demokratischen Spielregeln undemokratische Wahlgesetz zu beseitigen. Es sichert dem Sieger in der Abgeordnetenkammer bei nur einer Stimme Mehrheit 340 der 630 Sitze.


Revisionismus half Berlusconi

In übler Weise hat die Führung der früheren Linksdemokraten mit Walter Veltroni und Massimo D'Alema an der Spitze zur Niederlage der Linken beigetragen, ja sie ganz gezielt mit der Fusion der Linksdemokraten mit der Zentrumspartei Margherita zur Demokratischen Partei herbeigeführt. Die Linksdemokraten wurde zu einem Anhängsel der bürgerlichen Mitte degradiert, zum Bestandteil einer katholisch beeinflussten Zentrumspartei, die sich erklärtermaßen in der Tradition der 1992 untergegangenen großbürgerlichen Democrazia Cristiana sieht.

DP-Vorsitzender Veltroni stellte sich während der Wahlkampagne in der "Repùbblica" als Vertreter der "authentischen produktiven Bourgeoisie" und eines "demokratischen Kapitalismus" Italiens vor und propagierte einen "demokratischen Pakt zwischen Arbeitern und Bourgeoisie".


Kommunistische Identität preisgegeben

Im Wahlkampf 2008 propagierte Bertinotti als Spitzenkandidat des Regenbogens das Parteienbündnis bereits als "eine neue Linke, die allen offen steht". Es wurde, deutlich, dass er aus dem Parteienbündnis eine Linkspartei formieren wollte, in welcher der PRC aufgehen sollte. Im PRC war bereits umstritten, dass Bertinotti 2004 die Partei in die Europäische Linkspartei eingebracht und selbst bis 2007 deren Vorsitz übernommen hatte, was die politische Linie des PRC verwässerte. Von einer "revolutionären Linken" war im Regenbogen kaum etwas zu spüren. Obwohl Veltroni ein Wahlbündnis abgelehnt hatte, bot Bertinotti ihm bereits im Wahlkampf bei einer fehlenden eigenen Mehrheit nach einem Wahlsieg die Unterstützung des Regenbogens an. Viele PRC-Wähler befürchteten, die Partei könnte dann erneut in die Regierung, dies mal eine PD-geführte, eintreten oder sie im Parlament unterstützen und so deren "demokratischen Pakt zwischen Arbeitern und Bourgeoisie" mittragen. Das Aufweichen der kommunistischen Identität führte u. a. auch dazu, dass sowohl die Kommunistische Arbeiterpartei als auch die Kritische Linke, die, bis dahin Strömungen innerhalb der Partei, 2006 aus Protest gegen die erneute Regierungsbeteiligung den PRC verließen und getrennt zur Wahl gingen. Sie erreichten 0,5 bzw. 0,4 Prozent. Das waren zirka 300.000 Wähler. Ein relativ geringes Ergebnis, aber es hätte dazu beitragen können, den PRC und damit den Regenbogen über die Vier-Prozent-Hürde zu bringen.


Abfuhr für Opportunisten

Vom 24. bis 27. Juli 2008 tagte der VII. Kongress des PRC, um die Ursachen der Niederlage bei den Parlamentswahlen zu analysieren und neue Leitungsorgane und den Nationalsekretär zu wählen. In einer Atmosphäre erbitterter innerparteilicher Auseinandersetzungen stritten fünf Strömungen unter den 650 Delegierten über die Zukunft der Partei: Die Anhänger Paolo Ferreros; die Fraktion um Fausto Bertinotti und Nicola Vendola; die Gruppe "Ernesto"; der Flügel "Essere Comunisti" (Kommunisten sein), der früher zu Ernesto" gehörte; und die kleine trotzkistisch beeinflusste Gruppe "Falce e Martello" (Hammer und Sichel).

Bei der Auseinandersetzung über die Resolutionen erreichte Vendola 47,5 Prozent für seinen Antrag. Da die Ferrero-Gruppe für ihre Resolution nur 40 Prozent erhielt, forderte er ultimativ, ihn zum Sekretär zu wählen. Das empörte nicht nur die Anhänger Ferreros, sondern auch die übrigen Fraktionen, die daraufhin gemeinsam Ferrero aufstellten und ihn mit 342 zu 304 Stimmen zum neuen Sekretär wählten. Die opportunistische Politik der Bertinotti-Fraktion erhielt eine Abfuhr.


Appell zur kommunistischen Einheit

Zugunsten von Ferrero wirkte ein Appell von über 100 kommunistischen Persönlichkeiten, unter ihnen Domenico Losurdo, zur Rettung der traditionsreichen kommunistischen Bewegung Italiens. Er richtete sich an den PRC, den PdCI und alle italienischen Kommunisten, ihre organisierten Ausdrucksformen nicht aufzugeben, sondern einen offenen, auf den Bau eines "gemeinsamen Hauses der Kommunisten" ausgerichteten Prozess der Erneuerung einzuleiten. Oliviero Diliberto, Sekretär des PdCI, begrüßte den Appell, erklärte seine Bereitschaft, sich wieder mit dem PRC zu vereinigen und sprach sich als erstes "für eine aktive Zusammenarbeit zwischen beiden Parteien" aus. Ferrero steht dem vorerst reserviert gegenüber.

Auch am Beispiel des PdCI zeigt sich die widersprüchliche Situation der kommunistischen Bewegung Italiens. Sein früherer Vorsitzender Armando Cossutta, langjähriges Politbüromitglied der IKP, stand 1991 an der Spitze der Gründer des PRC. Als der 1998 die parlamentarische Unterstützung der damals schon von Romano Prodi geführten Regierung wegen der Teilnahme an der NATO-Aggression gegen Jugoslawien und der Fortsetzung des Sozialabbaus beendete, verließ Cossutta den PRC und gründete den PdCI. Etwa ein Fünftel der damals 130.000 Mitglieder des PRC und etwa ein Drittel der Parlamentarier folgten ihm. Die Cossutta-Partei trat in die Regierung ein und übernahm zwei Ministerämtern. Es war ein deutlicher Rückfall in die Zeit des "Historischen Kompromisses" unter Berlinguer. Heute zählt der PdCI schätzungsweise 20.000 Mitglieder. Unter Diliberto hat er eine kritische Einschätzung der Regierungsbeteiligung 2006-2008 vorgenommen. Die Haltung 1998 wird dagegen öffentlich mit Stillschweigen übergangen.

Nach dem Parteitag versuchten Bertinotti/ Vendola über die Einberufung eines Sonderparteitages zur Beratung einer gemeinsamen linken Kandidatur für die EU-Wahlen, erneut ihre Konzeption, auf diesem Weg ihre Linkspartei zu schaffen, durchzusetzen. Die PRC-Leitung folgte jedoch Ferrero, lehnte einen Sonderparteitag ab und verwies auf den Parteitagsbeschluss, zur EU-Wahl auf einer eigenen Liste und unter dem Parteisymbol Hammer und Sichel anzutreten. Nachdem Bertinotti/Vendola mit ihren Manövern nicht zum Ziel kamen, ließen sie die Maske fallen und schritten, entgegen ihren vorherigen Beteuerungen, keine Spaltung zu wollen, zum Bruch mit dem PRC. Bertinotti teilte am 9. Januar mit, "ich erkenne den PRC nicht mehr an". Danach erklärte Vendola am 21. Januar, "ich verlasse den PRC", den er als eine "entartete Gemeinschaft" beschimpfte. Ferrero konterte und nannte die Entscheidung Vendolas "töricht und unbesonnen". Ein Kongress der "Rifondazione per la Sinistra" (Neugründung für Die Linke) soll im Juli 2009 stattfinden.


Gerhard Feldbauer, Dr. sc., Poppenhausen, Historiker, Publizist


*


Quelle:
Marxistische Blätter, Heft 3-09, 47. Jahrgang, S. 70-75
Redaktion: Marxistische Blätter
Hoffnungstraße 18, 45127 Essen
Tel.: 0201/23 67 57, Fax: 0201/24 86 484
E-Mail: Redaktion@Marxistische-Blaetter.de
Internet: www.marxistische-blaetter.de

Marxistische Blätter erscheinen 6mal jährlich.
Einzelheft 8,50 Euro, Jahresabonnement 45,00 Euro.


veröffentlicht im Schattenblick zum 16. Juli 2009