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MARXISTISCHE BLÄTTER/392: Das Krebsgeschwür NATO und die Antwort der Menschheit


Marxistische Blätter Heft 2-09

Das Krebsgeschwür NATO und die Antwort der Menschheit

Von Emile Schepers, USA


Die NATO gegen die Demokratie

2009 ist der sechzigste Jahrestag der Gründung der Nordatlantischen Vertragsorganisation, der NATO. Und auch der zweihundertste Jahrestag der Geburt Abraham Lincolns, der oft mit den Worten zitiert wird:

"Man kann alle Leute einige Zeit hereinlegen, man kann manche Leute die ganze Zeit hereinlegen, aber man kann nicht alle Leute die ganze Zeit hereinlegen." Unglücklicherweise ist dieser berühmte Ausspruch vielleicht nicht echt, aber er stimmt trotzdem.

Den vielen Menschen, die Proteste in Straßburg, Frankreich und Baden-Baden organisieren, wo in diesem Frühjahr die NATO-Festlichkeiten zum Jubiläum stattfinden sollen, geht es um die Gültigkeit des Ausspruchs von Lincoln. Denn die NATO war während der gesamten Dauer ihrer Existenz eine Organisation, die versucht hat, die Welt zu betrügen, indem sie unter der falschen Flagge, die Freiheit ihrer Mitgliedstaaten gegen eine imaginäre "rote Gefahr" zu "beschützen", operierte, während sie in Wirklichkeit dazu diente, die Freiheit nicht nur der Menschen in den Ländern außerhalb der NATO zu zerstören, sondern auch die der Menschen in den NATO-Mitgliedstaaten.

Der erste NATO-Generalsekretär war der britische General Lord Hastings Ismay, der einer der engsten militärischen Berater von Winston Churchill während des Zweiten Weltkrieges gewesen war. Als er 1952 sein Amt antrat, beschrieb er ganz offen den Sinn der NATO so: Sie sei ein Mechanismus, "die Russen draußen, die Amerikaner drinnen und die Deutschen unten zu halten".

Egal ob Ismay klar war, wie schnell die Bundesrepublik Deutschland eine Schlüsselrolle in der NATO spielen würde, oder nicht seine grundsätzliche Beobachtung war richtig: In der NATO geht es um Macht und Geopolitik, nicht darum, Demokratie und Freiheit zu schützen. Die führenden Denker in der NATO waren nicht so sehr darüber besorgt, sowjetische Panzer könnten in Richtung Paris, Bonn und Den Haag rollen; sie fürchteten, kommunistische und linke Parteien könnten in Westeuropa erstarken und die Position des internationalen Monopolkapitals in der internationalen Nachkriegsordnung bedrohen. Der defensive Warschauer Pakt wurde als das große menschenfressende Ungeheuer dargestellt, das den Menschen in Europa die demokratischen Freiheiten zu nehmen plante, während in Wirklichkeit die Macher innerhalb der NATO, der sie finanzierenden Regierungen und militärischen Establishments diese Freiheit nur verachteten.

Dies wurde durch die Tatsache klar, dass sich nach kurzer Zeit die NATO-Strukturen an Aktivitäten in vielen ihrer Mitgliedsländer und auch in europäischen und außereuropäischen Ländern außerhalb der NATO beteiligten, die absolut nichts mit jeglicher sinnvollen Vorstellung von Demokratie und Freiheit zu tun hatten. Unter dem Deckmantel, geheime "zurückgebliebene" Strukturen zu gründen, die eine (vollständig imaginäre) sowjetische Invasion bekämpfen sollten, sorgte die NATO für ein Schutzschild für neue und alte Faschisten, unter dem sie gegen Arbeiter- und Volksbewegungen in den Mitgliedstaaten agierten und linksgerichtete und bürgerlich-demokratische Regierungen zu destabilisieren suchten, indem sie Sabotage- und Terroraktionen ausführten, die dann den Linken zur Last gelegt wurden.

Einige der berüchtigtsten terroristischen Operationen, die mit den zurückgebliebenen NATO-Strukturen verbunden waren, fanden in Italien statt. Die entsprechende NATO-Organisation in diesem Land, die in Form der berühmten "Gladio"-Operation Gestalt annahm, ist dafür bekannt, Verbindungen zu faschistischen und kriminellen Organisationen aufgenommen und gemeinsam mit der CIA und dem britischen Geheimdienst eine "Strategie der Spannung" entwickelt zu haben, die den Zweck hatte, zu verhindern, dass die Italienische Kommunistische Partei in der Regierung des Landes Fuß fassen konnte. Zum Ergebnis gehörten Bombenattentate, Kidnappings und Terrorismus mit Hunderten von Opfern, die der extremen Linken angelastet wurden.

Italien war keinesfalls das einzige NATO-Land, in dem für solche Zwecke illegale und gewalttätige Mittel angewandt wurden. Wenn irgendwann alle NATO-Akten für entsprechende Untersuchungen geöffnet werden, wird es sehr interessant werden, genau herauszufinden, wie die Verbindungen zwischen NATO-Strukturen und dem faschistischen Militärputsch in Griechenland, den Grauen Wölfen in der Türkei und ähnlichen im Dunkeln agierenden Gruppierungen in den NATO-Staaten liefen.

Ein Thema für zukünftige Historiker wird auch die Rolle sein, die NATO-Strukturen beim Anstacheln ethnischer oder nationaler Spannungen innerhalb der UdSSR und in Osteuropa spielten. In den Vereinigten Staaten wurden große Mengen an Steuergeldern in das sogenannte Projekt für "in Gefangenschaft gehaltene Völker" geleitet. Dieses Geld wurde verschiedenen im Exil lebenden Figuren des rechten Lagers aus nationalen Minderheiten in der UdSSR, der CSSR, Jugoslawien und den anderen sozialistischen Ländern übergeben, damit sie ethnische Spannungen anstacheln konnten, um die Einheit und Integrität dieser Länder zu bedrohen. Das Ausmaß und die genauen Methoden der Beteiligung von NATO-Strukturen an diesen jahrzehntelangen Aktivitäten müssen noch genau bestimmt werden, aber höchstwahrscheinlich war die Beteiligung beträchtlich.


Die NATO setzt den Kalten Krieg fort

Und als die UdSSR und die sozialistische Regierung zusammenbrach, sicherte der Imperialismus, dass die NATO in der Lage war, das so entstandene politische Vakuum zu füllen. Die Vorstellung, die NATO sei eine defensive Allianz gegen die UdSSR und den Warschauer Pakt, wurde sofort als Lüge entlarvt, als die die NATO finanzierenden Staaten diese nicht auflösten oder verkleinerten, als der Warschauer Pakt verschwand, sondern sie erheblich vergrößerten und ihre geografische Reichweite ausdehnten. Die US-amerikanischen und europäischen Sponsoren der NATO begannen sehr schnell, neue Mitgliedsstaaten aus früheren Republiken der Sowjetunion und aus früheren sozialistischen osteuropäischen Staaten zu rekrutieren. Im Jahre 2008 hatte die NATO 26 Mitgliedstaaten, obwohl Frankreich schon vor langer Zeit entschieden hatte, aus den militärischen Strukturen der NATO auszuscheiden. Im Moment wird über die Aufnahme der Ukraine und Georgiens in die NATO debattiert. Die Aufnahme dieser beiden Staaten, insbesondere angesichts des kürzliche Konflikts zwischen Georgien und Russland wegen der Situation ins Südossetien, wäre ein provokative Eskalation der NATO-Ausdehnung und würde sicherlich den Konflikt mit Moskau intensivieren.

So wurde die NATO aus einem Instrument des Kalten Krieges von 1949 bis 1991 zu einem Mechanismus, diesen Kalten Krieg danach fortzuführen - obwohl doch die angebliche Grundlage der Existenz der NATO verschwunden war.

Das schreckliche Ergebnis dieser aggressiven NATO-Expansion wurde mit der NATO-Intervention auf dem Balkan deutlich, besonders im Falle des Kosovo-Krieges. In einem Artikel in "People's Voice", der Zeitung der KP Kanadas, erinnert uns Rick Rozoff an die Rolle, die die NATO dabei gespielt hat, das sozialistische und multiethnische Jugoslawien zu zerstören; und besonders auch an die Bereitschaft des US-Imperialismus und der NATO, Hand in Hand mit offen faschistischen und kriminellen Elementen des albanischen Kosovo-Separatismus zu arbeiten. Der Schaden war riesig. Wie Rozoff sagt, war Jugoslawien "Anfang 1991 ein vereintes Land, ein Gründungsmitglied der Nichtpaktgebundenbewegung, ohne fremde Truppen im Land und ohne eigene Truppen außerhalb. In den folgenden achtzehn Jahren ist es in Stücke zerrissen worden und seine Einzelteile wurden zu wenig mehr als zu NATO-Besatzungszonen und Aufmarschgebieten für weitere Kriege - zu Prototypen für das, was den größten Teil der Welt erwartet, wenn die Entwicklungen seit 1991 nicht bald gestoppt und zurückgedreht werden."

Der Imperialismus fand auch schnell heraus, dass die NATO auch brauchbar wäre, um die Regeln und Vorgehensweisen der Vereinten Nationen und auch zahlreiche Aspekte internationalen Rechts, die nach dem Zweiten Weltkrieg in Kraft getreten waren, zu umgehen. Die UNO ist kaum eine perfekte Einheit, da sie strukturell den Interessen der großen kapitalistischen Mächte den Vorzug gibt, insbesondere durch die undemokratische Struktur des Sicherheitsrates. Aber indem sie die NATO als eine Art Ersatz-UNO einsetzte, war die US-Regierung in der Lage, vor vielen ihrer eigenen Bürger zu verbergen, dass ihre Aktionen auf dem Balkan, im Irak und in Afghanistan von "Schurkenstaat"-Kaliber sind und gegen internationales Recht verstoßen. Besonders Präsident Bush wurde sehr fingerfertig darin, wenigstens "manche Leute hereinzulegen" und zu suggerieren, er handle nicht auf eigene Faust, sondern, wie er sagte "in Partnerschaft mit unseren NATO-Partnern", um den falschen Eindruck von international abgestimmtem Handeln zu erwecken. Dies war für die Administration notwendig, weil trotz allem die Meinungsumfragen in den USA ein hohes Maß an Unterstützung für die Vereinten Nationen zeigen - und eine Besorgnis darüber, die USA könnten sich ohne internationale Unterstützung und Sanktionierung durch internationales Recht in andere Länder einmischen und in sie hereinplatzen.

Auch wenn die USA die NATO dominierten, erweckt das Einstreuen der Phrase "unsere NATO-Partner" den Eindruck, die USA handelen verantwortlich, auch wenn das in Wirklichkeit nicht der Fall ist.

Unter der Führung der Bush-Administration entwickelten die USA ein wirklich grandioses Konzept der Zukunft der NATO, eines, das ihre geografische Rolle auf den gesamten Planeten ausgedehnt hätte und ihre Mission verändert hätte: weg von Abwehr fremder Invasoren, hin zur Sicherung der imperialistischen Kontrolle über die größten Vorräte der Welt an lebenswichtigen Ressourcen, besonders den Energieressourcen Naturgas und Öl. Conn Hallinan zitiert in einem Artikel, der ursprünglich auf der Focus-Webseite über Außenpolitik veröffentlicht (www.fpif.org) und dann im letzten Jahr in der Zeitung der KPUSA "Peoples Weekly World" nachgedruckt wurde, Bush vom Jahrestreffen der NATO in Bukarest im April letzten Jahres:

"Die NATO ist keine statische Allianz mehr, die sich darauf konzentriert, Europa vor einer sowjetischen Panzerinvasion zu beschützen. Sie ist jetzt eine Expeditions-Allianz, die ihre Truppen in die ganze Welt schickt, um zu helfen, eine Zukunft der Freiheit und des Friedens für Millionen zu sichern." Diese die Vision von NATO-Truppen in Kriegsaktionen auf dem ganzen Erdball beschwörende Stellungnahme sollte in jedem friedliebenden Land Alarm auslösen.

Daher umwarben und bedrohten die USA unter Bush all die früheren sowjetischen Republiken und osteuropäischen Länder, damit sie in die NATO eintreten oder mit ihr zusammenarbeiten, mit unter anderem dem Hintergedanken, Militärbasen der NATO-Länder auf diesen Territorien einrichten zu können. Das bisher provokativste Beispiel dafür ist die vorgeschlagene Stationierung von ABM-Basen in Polen und der Tschechischen Republik. Es wird sogar davon gesprochen, die NATO-Operationen in den Südpazifik und die westliche Hemisphäre auszudehnen; was ironischerweise aus der sogenannten "Monroe-Doktrin" einen Witz macht, die ja festlegt, dass die USA mit aller Gewalt verhindern werden, dass irgendeine ausländische Regierung sich in die westliche Hemisphäre einmischt.


Die NATO in Afghanistan

Der US-Öffentlichkeit und zweifellos auch der in den anderen NATO-Mitgliedstaaten wird erzählt, dass der Grund dafür, dass die Vereinigten Staaten daran interessiert sind, mehr US- und NATO-Truppen nach Afghanistan zu schicken, der Schutz des afghanischen Volkes vor einer Rückkehr der reaktionären und mittelalterlich denkenden Taliban-Kräfte an die Macht sei. Und Al-Kaida davon abzuhalten, sich durch seine soziale Basis in den Paschtun-sprechenden Gebieten von Afghanistan und Pakistan zu stärken.

Die Taliban- und Al-Kaida-Phänomene sind wirklich ein Problem. Es stimmt, dass ihr Aufstieg zur Macht durch die Unterstützung der USA und ihrer saudischen und pakistanischen Alliierten erst möglich gemacht wurde, aber das bietet den Menschen wenig Trost, die ihren rauen Methoden ausgesetzt sind, ob in den moslemischen Ländern oder in denen, die Zielscheibe terroristischer Angriffe waren. Aber sie zu besiegen, war ganz bestimmt nicht der wirkliche, einzige oder wichtigste Grund, warum die Bush-Administration die NATO-Operationen nach Zentralasien ausgedehnt hat. Es geht eher um die lebenswichtige Bedeutung der Ölvorkommen des Gebietes um das Kaspische Meer und um Pipeline-Projekte, dieses Öl über die Türkei auf die westlichen Märkte zu bringen. Die Bemühungen Bushs, den Iran durch die Blockierung iranisch-indischer Zusammenarbeit bei der Pipeline-Entwicklung zu isolieren, machen dies deutlich.


Die Geschichte ist nicht am Ende angelangt

Glücklicherweise gelten die grundlegenden Gesetze der Dialektik immer noch, wie der wachsende Widerstand in der Bevölkerung gegen die NATO und die Kräfte hinter ihr, insbesondere das internationale Monopolkapital und den US-westeuropäischen Imperialismus, zeigt. Die Idee, die NATO solle zur Expeditions-Seeräuberarmee der Europäischen Union werden, wird zurückgewiesen, sowohl durch die nicht der NATO angehörigen Länder als auch durch immer größer werdende Bevölkerungsschichten innerhalb der NATO-Länder, einschließlich der USA.

Außerdem organisieren Länder, die von der NATO-Expansion bedroht werden, Antworten. Hallinan berichtet uns, dass die Shanghaier Kooperativorganisation unter anderem eine Gegenorganisation ist, die Russland und China zusammenbringt, und auch die früheren Sowjetrepubliken Kasachstan, Kirgisien, Tadschikistan und Usbekistan. Die Vertragsorganisation Gemeinsamer Sicherheit ist damit verbunden und fügt einer möglichen Allianz Armenien und Belarus hinzu. Obwohl diese miteinander verbundenen Blöcke nicht ausdrücklich anti-NATO-orientiert sind, versperren sie einer weiteren NATO-Ausdehnung in Zentralasien effektiv den Weg.


Die NATO und die Arbeiterklasse und Linke in den USA

Die zwei Fragen über die NATO, die sich der Linken und der Arbeiterklasse in den USA stellen, sind:

* Wie wird die Politik der Obama-Administration gegenüber der aggressiven Ausdehnung der NATO und der NATO-Verstrickungen in Afghanistan und anderen akuten Konfliktschauplätzen sein?

* Was ist die beste Strategie, um den neuen auf der NATO basierenden Imperialismus zu bekämpfen?

Barack Obama übernahm die Präsidentschaft der USA am 20. Januar 2009. Seine Wahl wurde möglich durch die starke Ablehnung, die Bushs Innen- und Außenpolitik bei der Mehrheit der Arbeiterklasse und der Bevölkerung der USA erfuhr. Die allgemeine Wut über die explodierende Finanzkrise und der Widerwille gegenüber Bushs Kriegspolitik im Irak waren wichtige Faktoren, die Obamas Sieg möglich machten. Obamas Demokratische Partei konnte auch ihre Mehrheiten in beiden Häusern des Kongresses stark ausbauen. Aber die Republikanische Partei wurde nicht beiseite gewischt, und die kriegslüsterne Ultrarechte ist immer noch eine starke Kraft im Lande.

Obama sieht sich einer drohenden wirtschaftlichen Katastrophe gegenüber, und seine ersten Schritte waren, die Finanzmacht der US-Regierung zu nutzen, um Betriebe, Besitzer kleiner Vermögen und Arbeiter vor den enormen ineinander verwobenen Krisen der Hypotheken, Finanzen, Aktienmärkte und der allgemeinen Wirtschaftskrise zu retten. Zu diesem Zweck hat er die Unterstützung für ein Konjunkturprogramm von noch nie dagewesenem Ausmaß bekommen. Dies bedeutet einen scharfen Kurswechsel weg von der neoliberalen Politik von Ronald Reagan und Margaret Thatcher; in mancher Hinsicht ist es eine Rückkehr zur Politik von Franklin Roosevelt in den 1930er und 1940er Jahren. Bevor sich der Staub legt, wird sich die US-Regierung möglicherweise zu der Not geschuldeten zusätzlichen inländischen Ausgaben in Höhe von über einer Billion Dollar verpflichtet haben, in einer Zeit zurückgehender Steuereinnahmen. Um dies auszugleichen, entwickelt Obama ein ausgleichendes Programm von Steuererhöhungen für die Ultrareichen und Konzerne sowie Budgetkürzungen bei "unnötigen" Regierungsprogrammen. Es bleibt abzuwarten, ob Programme des Militärs und der NATO-Expansion auch den Weg zur Schlachtbank finden werden.

Obama findet sich in einem klassischen "Kanonen-oder-Butter-"Dilemma, und dies eröffnet der Linken Möglichkeiten, drastische Kürzungen im Militärbudget zu verlangen, auch bei den Teilen, die für NATO-Seeräuberaktionen ausgegeben werden sollen, um Mittel für die Bedürfnisse der Arbeiterklasse und der Armen in den USA frei zu machen. Die parallele politische Forderung wäre, die NATO aufzulösen. Der Anfang wäre das Ende ihrer Ausdehnung und der schnelle Rückzug aus den Ländern, in die sie seit 1991 getrieben wurde, insbesondere aus dem Irak und aus Afghanistan.

Zur Militärpolitik hat Obama einen Rückzug der meisten Truppen aus dem Irak im Jahre 2010 und fast des ganzen Restes im folgenden Jahr angekündigt. Die weit rechts stehenden Kräfte in den USA sind gegen diesen Rückzug, aber die klare Mehrheit der öffentlichen Meinung ist schon längst gegen den Krieg. Das Ausmaß und das Tempo des Rückzugs ist heute ein Thema intensiver öffentlicher Debatte in den USA.

Zu Afghanistan haben die Generale sofort nach Obamas Machtantritt verlangt, dass er sich zur Stationierung von 30.000 neuen Soldaten verpflichten müsse. Bis jetzt hat er zu 17.000 neuen Soldaten ja gesagt, aber viele Menschen in den USA wollen, dass er gar keine schickt. Gerade jetzt hat Obama erklärt, dass er keine lang anhaltende Besetzung wolle. Es ist klar, dass es eine weitgehende Überdenkung der Afghanistan-Pakistan-Strategie geben wird, wobei sowohl die Linke als auch die Rechte auf die Obama-Administration Druck ausüben wird.

Während des Wahlkampfes haben große Teile der Linken in den USA, einschließlich der KPUSA, zwar Obama als einen großen Fortschritt gegenüber Bush unterstützt, seine Idee einer auszuweitenden Intervention der USA und der NATO in Afghanistan und Pakistan aber entschieden abgelehnt. Wie ein Leitartikel in der Wochenzeitung der KPUSA "People's Weekly World" formulierte, gleicht "die Entsendung von mehr US-Truppen dem Löschen eines Feuers mit mehr Benzin. Vor drei Jahrzehnten gründete Washington quasi Al-Kaida und die Taliban, als es Afghanistans rückständigste, gewalttätigste Elemente aufbaute und eine progressive Regierung zerstörte, um den sowjetischen Einfluss in dieser strategischen Region einzudämmen. Der folgende Bürgerkrieg spielte Extremisten gegen Extremisten aus und verbrannte die zarten grünen Hälmchen von Demokratie, Frauenrechten und wirtschaftlicher sowie sozialer Entwicklung ... Ein sofortiger Rückzug der Truppen der USA und der NATO, ein Ende der Luftangriffe auf afghanische und pakistanische Ziele wäre ein guter Start (auf dem Weg zu Frieden in Afghanistan)."

Die Obama-Administration hat den "Unilateralismus" von Bush widerrufen und sagt, sie wolle sich in Richtung einer multilateralen Herangehensweise zur Lösung der Weltprobleme bewegen. Aber der Teufel liegt im Detail, beziehungsweise in der Definition dessen, was ein wirksamer Multilateralismus wirklich ist. Aus dem bisher gesagten ergibt sich, dass "Zusammenarbeit mit unseren NATO-Partnern" überhaupt keine Form des Multilateralismus ist, sondern eher ein ausgeweiteter Unilateralismus, umso gefährlicher, weil verfeinerter und besser versteckt als Bushs polterndes Herangehen. Die Linke in den USA steht für einen Multilateralismus, der alle Nationen beinhaltet und die Vereinten Nationen und andere echt internationalen Organisationen eher stärkt als schwächt.

Eine zweite Initiative der Bush-Administration, die im Rahmen der NATO ausgeführt werden sollte, ist die Stationierung von angeblich defensiven ABM-Basen in der Tschechischen Republik und in Polen. Das wurde durch Bush und die tschechischen und polnischen Regierungen trotz der russischen Proteste und über die Köpfe der tschechischen und polnischen Völker hinweg vorangetrieben. Zumindest in der Tschechischen Republik ist die öffentliche Meinung klar gegen diese Projekte. Bush und die zwei osteuropäischen Regierungen behaupteten, die Basen dienten dem Zweck, die Region gegen einen möglichen iranischen Atomschlag zu schützen. Aber der Iran hat keine solchen Drohungen ausgestoßen, und im Lichte der oben genannten Informationen über die NATO-Ausweitungen nach Osteuropa und Zentralasien ist es klar, dass diese Basen ein weiter Teil des allgemeinen geopolitischen Planes sind. Deshalb ist es eine dringliche Forderung der US-amerikanischen und europäischen Linken, diese Pläne fallen zu lassen. Der neueste Stand ist, dass die Obama-Administration das Projekt, die ABM-Basen aufzubauen, hinauszögert und stattdessen mit Russland in Gespräche zu diesem Thema eintritt. Die ersten Nachrichten über die Gespräche zwischen Obama und Putin zu diesem Thema stimmen zumindest etwas optimistisch.

Wie immer wir unsere Strategie und Taktik gegen die NATO auch entwickeln, uns muss immer klar sein, dass die NATO nur ein Instrument des internationalen Monopolkapitals und des Imperialismus ist und weder eine selbstständige Einheit noch der wirkliche Grund und Ursprung reaktionärer Politik. Aber sie ist ein mächtiges und gefährliches Werkzeug.

Die Weltlage ist heute ganz anders als 1991, als die Sowjetunion und die sozialistischen Staaten Osteuropas in der Agonie des Zusammenbruchs lagen und die reaktionäre ultrakapitalistische Ideologie von Ronald Reagan und Margaret Thatcher fast unwidersprochen regierte. Damals war es akademischen Apologeten des Kapitalismus und Imperialismus wie Professor Francis Fukuyama möglich, zu behaupten, dass die "Geschichte an ihrem Ende angelangt" sei und der Kapitalismus für immer regieren würde. Es ist auch eine andere Welt als die zwischen 1999 und etwa 2007, als die NATO als ein Mechanismus gesehen wurde, die Welt unter der Führung der USA zu beherrschen.

Der Unterschied besteht darin, dass unabhängig von den Aussagen Fukuyamas (die er mittlerweile widerrufen hat) die Geschichte nicht geendet hat und der Klassenkampf weiterhin der Motor der Geschichte ist. Im "Hinterhof" der USA selbst gibt es eine großangelegte Rebellion gegen den Imperialismus, die die Volksmassen - Arbeiter, Bauern, Urbevölkerungen, städtische Arme und Intellektuelle - in jedem lateinamerikanischen Land erfasst hat (und Kuba ist immer noch sozialistisch!).

Die Menschheit schreibt, wie immer, ein neues Kapitel ihrer Geschichte, und die NATO wird schließlich als eine kleine Fußnote enden.


Emile Schepers, Kommunistische Partei der USA

Übersetzung: Jürgen Köster


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Quelle:
Marxistische Blätter, Heft 2-09, 47. Jahrgang, S. 48-53
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veröffentlicht im Schattenblick zum 15. Mai 2009