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KAZ/284: Wie ernst ist die faschistische Gefahr - und wie ernsthaft ist die Auseinandersetzung darum?


KAZ - Kommunistische Arbeiterzeitung, Nr. 363, Juni 2018
Proletarier aller Länder und unterdrückte Völker vereinigt euch!

Wie ernst ist die faschistische Gefahr - und wie ernsthaft ist die Auseinandersetzung darum?

Ein Beitrag der KAZ-Fraktion: "Ausrichtung Kommunismus"


Wir gehen im Folgenden auf einen Artikel in KAZ 361 mit dem Titel: "Strategische Fragen der proletarischen Revolution unter der Bedingung der wachsenden Gefahr des Faschismus" ein. Es handelt sich in unserer Erwiderung zwar auch um einen Streit innerhalb unserer Organisation, aber dieser Streit scheint uns - zumindest innerhalb der Arbeiterbewegung - von allgemeiner Bedeutung und von allgemeinem Interesse. Zwei Fragen wollen wir dabei gründlicher behandeln:

AfD und CSU: Was sind heute die Merkmale einer faschistischen Partei?

Wo stehen wir heute oder wie ernst ist die faschistische Gefahr?


1. AfD und CSU: Was sind heute die Merkmale einer faschistischen Partei?

Wir müssen unsere Feinde kennen, um unsere Taktik und Strategie für das Herankommen an die proletarische Revolution zu schärfen, jedoch auch um im antifaschistischen Kampf siegreich sein zu können. Der besagte Artikel ist hierfür keine große Hilfe. Ein Beispiel vom Beginn des Artikels: "Wer das meint [dass keine alten Nazikader mehr im Bundestag sitzen], der vergisst entweder oder unterschätzt die CSU. Diese bayerische Staatspartei und in den meisten Jahren der BRD Bundesregierungspartei ist zugleich Zentrum der von F.J. Strauß 1970 ausgerufenen 'Sammelbewegung zur Rettung des Vaterlandes'. (...) Die AfD ist also insofern nichts Besonderes, als immer Faschisten im Bundestag waren, vor allem in ihrer gefährlichen Form der CSU. Das Besorgnis erregende Signal aber, das die Wahl der AfD gegeben hat, ist: Während sich die CSU noch als konservativ-demokratische Partei maskieren kann (und muss), ist die AfD die nicht mehr zu übertünchende Ansage, dass Faschismus wieder salonfähig ist, dass er offen einen Platz in dieser Gesellschaft beansprucht."

Seit 1949 hätten wir es also mit der CSU, der gefährlichen Form einer faschistischen Partei im Bundestag, zu tun, die zwar einerseits das Zentrum einer 'Sammlungsbewegung zur Rettung des Vaterlandes' ist, aber andererseits sich seit 69 Jahren erfolgreich konservativ-demokratisch maskiert, ja maskieren muss. Während die AfD das nicht mehr tut oder tun muss??

Die Frage "Woran erkennt man eigentlich, dass CSU und AfD faschistische Parteien sind?" wird wie folgt beantwortet: "Um dem Monopolkapital ihre Dienste anbieten zu können, müssen sie die bürgerliche Demokratie und die bürgerliche Rechtsgleichheit angreifen, sie müssen in der Lage sein, kleinbürgerliche, enttäuschte, verbitterte Massen um sich zu sammeln und aggressiv in Stellung zu bringen, sie müssen beweisen, dass sie geschworene und aggressive Feinde der Arbeiterbewegung sind, sie müssen beweisen, dass sie eine "Volksgemeinschaft" herstellen können, die sich gegen andere Völker, notfalls gegen die ganze Welt richtet. Nationalismus, Rassismus, völkischer Rückgriff auf vorbürgerliche Gesellschaftszustände, Abstammungsmythen etc. sind das Arsenal, das sie je nach Fall zum Einsatz bringen." Mehr zum Erkennen von faschistischen Parteien kommt da nicht. Mit solch einer "Charakterisierung" lassen sich auch bürgerlich-demokratische Parteien als faschistisch bezeichnen. Eine Unterscheidung von bürgerlich-demokratischen und faschistischen Parteien erreicht man dadurch gerade nicht. Diese Charakterisierung von faschistischen Parteien ist subjektivistisch und beliebig, sie lässt die jahrzehntelange Forschungsarbeit von marxistisch-leninistischen Genossen auch in den Instituten, Universitäten und Akademien der DDR beiseite, die zum Faschismus, zur faschistischen Bewegung und zu ihren Parteien geforscht haben. Sie geben uns eine Reihe von Analysen und Werkzeuge für die eigene Forschung an die Hand - wir werfen diese Werkzeuge aus der Hand, wenn wir uns nicht auf sie beziehen.

Ein Anfang für eine gründliche Untersuchung der AfD ist in der KAZ 359 gemacht worden im Artikel "AfD - Eine Alternative für das Kapital - Nicht für uns!". Die Gründung und Herkunft, die Entwicklung der AfD und ihre Kooperationen im reaktionären und faschistischen Spektrum werden darin untersucht. Dies ermöglicht bereits eine genauere Sicht auf die AfD, ihre Potentiale für die Herrschenden sowie Schwachpunkte, die wir nutzen können.

Im imperialistischen Deutschland sind alle bürgerlichen Parteien von der AfD bis zur SPD Filialen der einen großen Partei der deutschen Monopolbourgeoisie. Diese Filialen drücken dabei die verschiedenen Interessen der einzelnen Teile, der einzelnen Fraktionen und Elemente des deutschen Monopolkapitals aus. Die zahlenmäßig kleine (zahlungsfähig natürlich sehr groß) Monopolbourgeoisie braucht zu Absicherung ihrer Herrschaft staatliche Repressionsorgane, aber auch Rückhalt in der Gesellschaft. In relativ friedlichen und stabilen Zeiten der Ausbeuterordnung hat sie sich seit Ende des 19. Jahrhunderts als soziale Hauptstütze die Arbeiteraristokratie herangezogen, wie wir mit Lenin wissen. Diese soziale Hauptstütze hat sich in ihrem Sinn auch in Zeiten des Krieges und der Revolution bewährt. Dafür stehen die Namen Ebert, Scheidemann und Noske. Für den Falle, dass die staatliche Repression nicht mehr ausreicht, für den Fall, dass die Arbeiteraristokratie ihren Einfluss verlieren sollte, um die Arbeiterklasse und ihre Gewerkschaften ruhig zu halten, für den Fall, dass sie den Aggressionskurs nach Innen und Außen nicht aktiv mitmachen will, sucht die Monopolbourgeoisie im buntscheckigen Kleinbürgertum eine Alternative als soziale Hauptstütze. Das ist gegenüber der "soliden" Arbeiteraristokratie mit ihrer Verankerung in den Oberschichten der Arbeiterklasse ein riskanter Weg. Denn das Kleinbürgertum ist durch den Kapitalismus und verstärkt im Imperialismus in seiner Existenz bedroht durch das Monopolkapital selbst. Hier wird der Widerspruch eklatant, dass Teile des Volks (objektiv im Widerspruch zum Monopolkapital) zur Unterstützung ihres ärgsten Feindes herangezogen werden sollen. Demgegenüber sichert der Imperialismus ja geradezu die Existenz und das Wachstum der Arbeiteraristokratie in den Metropolen.

Wie diese soziale Stütze organisiert wird, ob in Massenbewegung, vernetzten Gruppen, Partei usw., auf welcher ideologischen und politischen Grundlage und mit welcher Taktik wird durch den Klassenkampf und durch die Auseinandersetzungen in der Monopolbourgeoisie und im Kleinbürgertum selbst, erprobt und entschieden. In diesem Kontext erst kann geklärt werden, ob eine Partei faschistisch ist.


Warum fördert das Monopolkapital eine faschistische Massenbewegung

Der Faschismus an der Macht hat mit dem Finanzkapital die gleiche Klassenbasis wie die bürgerliche Demokratie. Gleichzeitig ist dabei der Faschismus ein totaler Bruch mit dieser Demokratie, eine terroristische, konterrevolutionäre Herrschaft seiner reaktionärsten Elemente. Warum fördert die Monopolbourgeoisie eine faschistische Massenbewegung? Treffend hat das Kurt Gossweiler ausgedrückt: "Der Faschismus ist also auch die höchste Steigerung des aus der innersten Natur des Imperialismus hervorgehenden Dranges nach Beseitigung der Demokratie und Errichtung der uneingeschränkten Diktatur des Finanzkapitals. Die allgemeine Krise bringt die Demokratiefeindlichkeit des Imperialismus nicht hervor, aber sie potenziert sie, indem sie den imperialistischen Drang zu Unterdrückung der Arbeiterbewegung zum Vernichtungswillen ihr gegenüber steigert und ihr damit die faschistische Dimension verleiht.

Dafür, die Demokratie zu beseitigen und die Arbeiterbewegung zu verfolgen, hätte es jedoch noch keiner neuen politischen Bewegung faschistischen Typs bedurft, dazu hätten allenfalls die staatlichen Gewaltorgane - Armee, Polizei, Justiz, - ausgereicht. Der Faschismus zeichnet sich jedoch als eine konterrevolutionäre politische Bewegung neuen Typs vor allem dadurch aus, dass er die Eigenschaften einer extrem terroristischen Bürgerkriegstruppe gegen die Arbeiterbewegung mit denen einer Organisation zur Gewinnung und Mobilisierung von Massen in sich zu vereinigen sucht." [1]

Seit der Existenz der revolutionären Arbeiterbewegung kann das Finanzkapital nicht mehr rücksichtslos gegen die Massenpolitik im Inneren und im Äußeren betreiben. Das bringt uns zu den Funktionen einer faschistischen Massenbewegung im Imperialismus. Noch einmal Kurt Gossweiler: "Erstens braucht man sie für die Kanalisierung der vorhandenen und unvermeidlich anwachsenden Unzufriedenheit und des Protestes von unten in "rechte" Bahnen. Die potentiell systemgefährdende Sprengkraft des sozialen Protestes soll in systemstabilisierende Gewalt gegen Linke und gegen jene Minderheiten - unerwünschte Ausländer, Asylsuchende, Obdachlose - die von den staatlichen Ordnungshütern ins Visier genommen sind, umgewandelt werden. Zweitens braucht man sie für die ideologische Vorbereitung der Bevölkerung zur widerstandslosen Hinnahme der fortschreitenden Demontage der bürgerlich-demokratischen Rechte. Man braucht die lautstarken Rufe der Neonazis nach "Wiederherstellung der Ordnung und Sicherheit" und "Durchgreifen gegen die organisierte Kriminalität", nach einem starken Staat, der, wie bei Hitler, wieder "Ordnung schafft" und seine "deutschen Bürger schützt". Drittens braucht man sie zur Präparierung der öffentlichen Meinung für die Zustimmung zur zunehmend expansiven und kriegstreibenden Politik der Bundesregierung." [2]

Von den objektiven Bedingungen, unter denen es für die Monopolbourgeoisie notwendig werden kann, die faschistische Terrorherrschaft zu errichten, haben wir an anderer Stelle geschrieben, siehe z.B. KAZ 355 "Wie kriegsfähig ist der deutsche Imperialismus". Zu den subjektiven Faktoren, die gleichfalls einen wichtigen Einfluss auf Sieg oder Niederlage der Faschisten haben, hielt Georgi Dimitroff bereits vor fast 80 Jahren zum Machtantritt des Faschismus fest: "In Wirklichkeit gelangt der Faschismus gewöhnlich zur Macht im gegenseitigen, zuweilen scharfen Kampf mit den alten bürgerlichen Parteien oder mit einem bestimmten Teil dieser Parteien, im Kampf sogar innerhalb des faschistischen Lagers selbst, ..."

Da reicht es nicht, uns die Schlange zu suchen, auf die wir starren sollen. Sondern wir müssen die Bewegung, den Prozess betrachten - das Zusammenspiel von objektiven und subjektiven Faktoren, die bei den Voretappen und beim Machtantritt des Faschismus eine Rolle spielen. Das stellt uns die Aufgabe, die Einheit der Widersprüche im Kampf innerhalb der konservativen, reaktionären und faschistischen Kräfte zu untersuchen, ob es hierbei Ansätze oder Erfolge für eine faschistische Massenbewegung gibt. Das konservative Spektrum, das reaktionär-konservative Lager spielen im hier besprochenen Artikel aus der KAZ 361 keine Rolle. Historisch wird damit die wichtige Aufgabe der DNVP[3], des Zentrums etc. zur Gewinnung bürgerlicher und kleinbürgerlicher Teile für den Faschismus grob vernachlässigt.

Statt das Zusammenspiel und die Konkurrenz im rechten Lager und damit die zwei Seiten der Interessen des Monopolkapitals - Terror durch die Faschisten und Massengewinnung durch die bürgerlichen Kräfte - zu untersuchen, wird nur einseitig eine faschistische Partei gesucht. Das führt in der Frage der bewaffneten Formationen der Faschisten zu folgender eingeschränkter Fragestellung: "Sehr verbreitet ist die Ansicht, dass man faschistische Parteien und terroristische, bewaffnete Banden gar nicht trennen kann, dass der Unterhalt terroristischer Banden und Bataillone unabdingbare Bedingung für eine faschistische Partei sei. Ich meine, das ist eine sehr einseitige Anschauung, die nur die Form der NSDAP als faschistische Partei gelten lässt. Nach dieser Anschauung gibt es faktisch keine faschistischen Parteien in der BRD. Aber auch so eine Partei wie der Front National in Frankreich wäre dann keine faschistische Partei."

Es geht nicht um faschistische Parteien, davon gibt es mit NPD, Dritter Weg und Konsorten genug, es gibt derzeit in der BRD keine faschistische Massenpartei. Die braucht es auch nicht unbedingt, um in einem imperialistischen Land den Faschismus an die Macht zu bringen. Was es gibt, ist eine faschistische Bewegung, die bereits alle Elemente vom Knüppel und Messer über Sprachrohr und Zeitung bis hin zu General, Richter und Minister in sich trägt. Aus dieser Bewegung ist jedoch aus subjektiven und objektiven Gründen noch keine faschistische Massenpartei hervorgegangen, sie ist auch noch keine faschistische Massenbewegung.

Zu Recht wiesen Kommunisten und Antifaschisten darauf hin, dass F. J. Strauß eine gewisse Zeit lang tatsächlich die Leitfigur einer "Sammlungsbewegung zur Rettung des Vaterlandes" in Bayern und der BRD war. Zu Recht wiesen sie darauf hin, dass Bayern als die "deutsche Ordnungszelle" gilt, die offensiv Demokratieabbau betreibt und stets vorprescht, um auszuloten und nachzuhelfen, wie weit nach rechts dieses Land noch gerückt werden kann. Zu Recht haben wir aber selbst in Hochzeiten von Strauß' Hetze gegen Linke und Antifaschisten, trotz der Taten der bayrischen Landesregierung wie den Massenverhaftungen in Nürnberg im "Komm", kühlen Kopf bewahrt und die CSU nicht als eine faschistische Partei bezeichnet. Wohlwissend, das dies eine Verharmlosung wäre, was Faschismus in diesem Land bedeutete. Jetzt einfach den selbstgeschnitzten Stempel "faschistisch" aufdrücken und die alten Parolen (wie "CSU als Sammlungsbewegung zur Rettung des Vaterlands") den heutigen Verhältnissen überzustülpen, ohne die CSU in ihrer Entwicklung zu analysieren; das stiftet Verwirrung in der Bewegung statt Klarheit.

Untersuchen müssen wir dabei: Die Auseinandersetzungen innerhalb der CSU und die CSU-Abspaltung "Die Republikaner", die Gründung der DVU, die NPD in Bayern - die Konkurrenz und zugleich die Arbeitsteilung dieser Gruppierungen im Dienste des Kapitals. Desweiteren muss der Übergang von Strauß zu Stoiber, die Kämpfe in der CSU bis hin zum Wechsel von Stoiber zu Seehofer untersucht werden. Es gilt weiter das Verhältnis zur FDP und zu dem rechtem, reaktionär-konservativen Lager in der CDU zu analysieren. Auch angesichts der letzten fünf Jahre, angesichts von AfD und Pegida wäre die Behauptung zu prüfen, dass die CSU heute das Zentrum einer Sammlungsbewegung sei.

Zu den subjektiven Faktoren gehört dabei vor allem auch die Arbeiterklasse. Ihr obliegt es, den Faschismus zu schlagen. Ohne eine kommunistische Partei wird das nicht möglich sein. Den Fokus auf dieses Ziel zu richten sehen wir als unsere Aufgabe.


2. Wo stehen wir heute oder wie ernst ist die faschistische Gefahr?

In Deutschland besteht aufgrund der Geschichte des deutschen Imperialismus und angesichts seiner Bestrebungen für einen 3. Anlauf zur Weltmacht die Gefahr von Faschismus und Krieg.

Diese Gefahr kann abgewendet werden durch den Kampf unter Führung der Arbeiterklasse. Wer verhindert den Kampf? Der Sozialdemokratismus in seiner deutschen Form der Unterordnung der Arbeiterklasse unter die Bourgeoisie. Das "Deutsche" in "unserem" Sozialdemokratismus als Spielart des rechten Opportunismus besteht darin, dass die rechten Führer der deutschen Sozialdemokratie die deutschen Arbeiter in den 1. Weltkrieg geschickt haben gegen alle Resolutionen und Schwüre auf den Internationalen Sozialistenkongressen. Sie waren weltweit am aktivsten und brutalsten beteiligt an der Niederschlagung einer Arbeiterrevolution (1918) und haben sich so vollständig in den Dienst der deutschen Monopolbourgeoisie gestellt; auch war wohl keine andere sozialdemokratische/sozialistische Parteiführung so sehr an der Verhinderung des Kampfs gegen den Faschismus beteiligt - vor und nach seinem Machtantritt. Und es war wohl auch keine andere sozialdemokratische Parteiführung nach 1945 so engagiert im Kampf gegen die sozialistischen Länder wie die rechten Führer der SPD.

Wie behalten sie dennoch ihren Einfluss in der Arbeiterklasse? Wie Lenin aufgedeckt hat, gelangt die Arbeiterklasse von selbst, ohne Verbindung zum wissenschaftlichen Sozialismus nur zu einem trade-unionistischen Bewusstsein. Darin ist der Verkauf der Ware Arbeitskraft als gegeben akzeptiert, der Kampf dreht sich nur um den Preis dieser Ware, um den Lohn (im weitesten Sinn). Auf dieser Flöte weiß die SPD-Führung vorzüglich zu blasen. Da ist der Ruf nach "sozialer Gerechtigkeit", der um mehr Brosamen vom Tisch der Reichen bittet. Oder: "Wie sind es wert", von der Peitsche der Ausbeuter nicht geschlagen, sondern gestreichelt zu werden. Usw., usw. Das Wortegeklimper verfängt und führt zur Lähmung: Solange die SPD noch in der Regierung ist, wird es wohl nicht so schlimm kommen, hörft man oft. Oder: Die passen schon auf, dass es nicht nur gegen die Kollegen geht. ...Den Sozialdemokratismus zurückdrängen ist nicht nur die Aufgabe, um an die Revolution heranzukommen; es ist auch eine zentrale Aufgabe im antifaschistischen Kampf, um die Einheitsfront mit den sozialdemokratischen Arbeitern herzustellen. Diese Aufgabe kann erfolgreich nur eine starke Kommunistische Partei bewältigen, die fassbare Alternativen zum Kapitalismus nicht nur ideologisch sondern auch praktisch aufzeigen kann. Dazu sagt uns der Artikel (S. 30):

"Wir haben keine einheitliche kommunistische Partei. Sie wäre dringend notwendig zur Herstellung der Arbeitereinheit gegen den Faschismus. Über die Frage warum, und wieso es die kommunistische Partei nicht gibt, wird heftig gestritten. Meiner Ansicht nach geht es um die folgenden drei wichtigen Streitfragen:

- Kann die Annexion der DDR uns dazu verhelfen, dass einfach eine gesamtdeutsche kommunistische Partei gegründet werden kann? Oder müssen historisch gewachsene verschiedene Organisationsformen (z.B. die Organisierung von Kommunisten in der Linkspartei) sowie verschiedene Kampfbedingungen in Ost und West berücksichtigt werden?

- Ist es möglich, die in verschiedenen Organisationen/Parteien befindlichen Kommunisten durch Deklaration programmatischer kommunistischer Grundsätze zu vereinigen? Oder sind vor allem erstmal strategische und taktische Fragen des jetzigen konkreten Klassenkampfes zu klären?

- Ist eine antimonopolistische Strategie erforderlich, oder ist ein Herankommen an die Revolution nur möglich durch die Abwehr eines faschistischen Angriffs?

Es ist hier nicht der Platz, das weiter auszuführen, Tatsache ist, dass die kommunistische Organisierung in einem katastrophalen Zustand ist, eine gemeinsame Arbeit der Kommunisten aber sehr viel im Angesicht der Rechtsentwicklung bewirken könnte."

Seit nunmehr fünf Jahren liegt dazu unsere Broschüre: "Mit Klarheit zur Einheit" vor. Darin sind zentrale Punkte genannt, die als Grundlage für eine gemeinsame Arbeit der revolutionären Kräfte dienen können und im Zuge der Vereinigung von Kommunisten zur Kommunistischen Partei in Deutschland geklärt werden müssen. Dort wird auch die Richtung angegeben, in der aus unserer Sicht eine Einigung möglich sein müsste.

Das ist keine "Deklaration programmatischer kommunistischer Grundsätze", sondern die zentralen Punkte sind aus einer Untersuchung der Entwicklung des deutschen Imperialismus (vor allem ab 1956) und der Arbeiterbewegung (mit Schwerpunkt auf Westdeutschland) abgeleitet. Dazu haben wir eine starke und überwiegend positive Resonanz von revolutionären Kräften erhalten. Seit dem 20. Parteitag der DKP sehen wir darüber hinaus dort einen Klärungsprozess, der Grundlage für den Wiederaufbau einer KP in Deutschland - in der Tradition der KPD - sein kann. Die Fraktion "Dialektik in Organisationsfragen" war bisher nicht in der Lage, dazu eine Stellungnahme abzugeben. Immerhin erfahren wir jetzt, dass eine "kommunistische Partei dringend notwendig" wäre. Dem ist hinzuzufügen: nicht nur zur "Herstellung der Arbeitereinheit gegen den Faschismus", sondern zur Durchführung der historischen Aufgabe der Arbeiterklasse.

Diese Partei wird natürlich nicht entstehen durch Deklaration von Prinzipien - durch wen auch immer. Sondern sie wird entstehen in der Auseinandersetzung um Ziel und Weg, und das ist das Programm, das Grundsätze der Strategie und Taktik beinhalten muss, und auf das sich die Avantgarde der Arbeiterklasse einigen wird. Sie wird entstehen in gemeinsamen Kämpfen, in denen eine gegenseitige Prüfung stattfindet und das Vertrauen geschaffen wird, das zu einer Vereinigung notwendig ist. Dabei werden wir aber nicht weiterkommen, wenn wir schon die falschen Fragen stellen.

Was soll die Frage: "Kann uns die Annexion der DDR dazu verhelfen ..."? Die Einverleibung der DDR durch den deutschen Imperialismus verhilft uns nicht, sie zwingt uns, die Frage einer gesamtdeutschen KP zu stellen und zu lösen. Wenn allerdings immer noch eine Lostrennung der DDR als Vehikel zur Lösung der proletarischen Aufgaben angepeilt wird, kann eine Vereinigung auf gesamtdeutscher Grundlage sowohl auf der Ebene der Klasse als auch der Partei keine Perspektive sein. Gegen solche Abseitigkeiten in der nationalen Frage halten wir als unseren Standpunkt fest: Für ein freies, einiges und sozialistisches Deutschland!

Was soll die Frage: Antimonopolistische Strategie oder Herankommen an die Revolution nur möglich durch die Abwehr eines faschistischen Angriffs? Eine antimonopolistische Strategie wäre keine Strategie, wenn sie in Deutschland nicht die Abwehr eines faschistischen Angriffs berücksichtigen würde. Sie würde den Namen Strategie zum Herankommen an die proletarische Revolution aber auch nicht verdienen, wenn sie auf den faschistischen Angriff warten würde, um der Herrschaft des Monopolkapitals den Garaus zu machen. Eine solche Verengung erscheint uns als eine gravierende Abweichung von einer marxistisch-leninistischen Sichtweise auf das Entstehen einer revolutionären Situation.

Es sind aber nicht nur die falschen Fragen, die an diesem Beitrag verstören. Es ist die Beliebigkeit in den Aussagen. Zur Analyse der faschistischen Gefahr reicht das nicht aus. Es gilt die Gesamtsituation des Imperialismus weltweit und des deutschen Imperialismus im Besonderen zu berücksichtigen. Wir haben dazu z.B. in der KAZ 355 die Analyse vorgelegt: "Wie kriegsfähig ist der deutsche Imperialismus?" Dort wird eine kurze Bestandsaufnahme gegeben und die Tendenz sichtbar gemacht, "die den deutschen Imperialismus für das kommende Jahrzehnt erneut in der Rolle des Brandstifters sehen wird." Diese Tendenz wird zur Zeit durchgesetzt mit der verlässlichen sozialen Hauptstütze des deutschen Imperialismus, der Arbeiteraristokratie, vertreten durch die rechten sozialdemokratischen Führer. Es muss aber damit gerechnet werden, dass es im Rahmen der allgemeinen Krise des Kapitalismus, wie sie sich nach 1945 und in neuer Form nach 1989 entwickelt hat, zu einer tiefgehenden, langanhaltenden ökonomischen Krise und einer massiven Zuspitzung der zwischenimperialistischen Widersprüche kommen wird. Wann das genau sein wird und welche Form die daraus entstehende politische Krise annehmen wird, lässt sich heute nicht sagen. Wir müssen aber davon ausgehen, dass dann die faschistische Gefahr eine unmittelbare Bedrohung wird und die reaktionärsten, chauvinistischsten und am meisten imperialistischen Elemente des Finanzkapitals auf den Desperado-Weg gehen und Kurs nehmen auf den Austausch der soliden Stütze der Arbeiteraristokratie durch die wildgewordenen Kleinbürger. Das schließt natürlich nicht aus, dass die faschistischen Kräfte heute schon von Zeit zu Zeit gestärkt und losgelassen werden, um zu testen, wie weit man bereits das politische Klima nach rechts verschieben und die Arbeiteraristokratie und ihre Führung nach rechts drücken kann. Denn rechtes Klima mit der Sozialdemokratie als Feigenblatt und zur Lähmung der Arbeiterklasse, damit kann und konnte die deutsche Finanzoligarchie lange und gut leben.

Wie weit das vor 1933 ging, kann man bei Kurt Gossweiler nachlesen:

"Die rechten Führer der Sozialdemokratie waren für die Bourgeoisie deshalb gerade in dieser Periode der Vorbereitung der faschistischen Diktatur unentbehrlich, weil sie die Gewähr dafür boten, dass sie die von ihnen beherrschten Arbeiterorganisationen für die Aufrechterhaltung der Spaltung der Arbeiterklasse einsetzen würden." [4]

"Brüning führte einen Scheinkampf gegen die NSDAP (so verfügte er zum Beispiel im April 1932 die Auflösung der SA und SS), womit er drei Fliegen mit einer Klappe schlug.

Er erleichterte den SPD-Führern die Rechtfertigung ihrer Tolerierungspolitik, er verschaffte der Nazipartei den Nimbus einer verfolgten 'revolutionären' Bewegung und hatte gleichzeitig den Vorwand für die verstärkte Terrorisierung der KPD im Namen der 'ausgleichenden Gerechtigkeit.'" [5]

Mit dem Faschismus als unmittelbar drohender Gefahr zu spielen, bedeutet die rechten sozialdemokratischen Führer aus der Schusslinie zu nehmen, ihr Kungeln mit dem Kapital zu verharmlosen, wohl wissend, dass durch SPD-getragene Agenda-Gesetze, Bankenrettung, Überwachungsstaat, Kriegseinsätze, dass durch Herren wie Schröder, Hartz, Clement, Steinbrück und Gabriel mehr Leute den Rechten und Faschisten in die Arme getrieben wurden als durch faschistische Propaganda selbst.

Die Fehleinschätzung, dass der Faschismus vor der Tür stünde, führt dazu, das Wirken der rechten sozialdemokratischen Führer zu unterschätzen und den Kampf dagegen zu lähmen: gegen den Abbau demokratischer Rechte, gegen den Ausbau des staatlichen Repressionsapparats, gegen die Militarisierung der Gesellschaft und die Kriegsvorbereitungen, gegen die soziale Desorientierung durch die Propagierung des Friedens mit der Bourgeoisie, gegen die Sozialpartnerschaft, gegen den Standortchauvinismus und die dadurch wachsende Flanke zum bürgerlichen Nationalismus und Chauvinismus.

Denn für den Fall, dass der Faschismus unmittelbar droht, ist auf ein Umstellen der Taktik zu orientieren: Statt Kampf um das Herankommen an die Revolution und dementsprechend Kampf gegen die sozialdemokratische Führung als dem Haupthindernis innerhalb der Arbeiterklasse - Kampf gegen die Faschisten unter Einbeziehung der sozialdemokratischen Führer, die selbst von den Faschisten bedroht werden.

Es ist doch ein Irrglauben durch die Beschwörung der Größe der Gefahr und ihres unmittelbaren Drohens die Kräfte des Widerstands zu wecken und zu mobilisieren. Das ist Alarmismus, der einerseits durch ständiges Wiederholen abstumpft und dadurch den Faschismus letztlich verharmlost. Das ist Alarmismus, der andererseits Panik und letztlich Schockstarre hervorruft, weil die Gefahr von einem scheinbar übermächtigen Gegner ausgeht und bei der - im Vergleich dazu scheinbar fatalen Schwäche der Arbeiterbewegung und der demokratischen Kräfte - Angst erzeugt. Daraus droht dann die Theorie zu werden von der generellen Unfähigkeit der (deutschen) Arbeiterklasse, den Faschismus abzuwehren, geschweige denn den Sozialismus zu erkämpfen ("Warum sind die deutschen Arbeiter so wenig kampfbereit?" - hieß dementsprechend eine Artikelserie der Fraktion Dialektik in Organisationsfragen) [6]. Vor lauter Starren auf den großen Kladderadatsch geraten die laufenden Angriffe aus dem Blickfeld.

Im Ergebnis halten wir fest:

Haben wir den Faschismus als taktische Variante des deutschen Imperialismus bei seinem dritten Anlauf zur Weltmacht ernst zu nehmen? Ja unbedingt.

Nehmen heute bereits die führenden Kreise des Monopolkapitals Kurs auf in Richtung Faschismus? Nein, das ist nicht der Fall.

Ist das beruhigend? Nein, das ist in hohem Maß beunruhigend, da dank der Lähmung durch den Sozialdemokratismus und durch die Schwäche der revolutionären Kräfte ein wachsender Teil der Bevölkerung in politische Indifferenz getrieben wird. Das ist der Nährboden auf dem eruptiv faschistischer Massenanhang sich sammeln und formieren kann. Die Schwäche der revolutionären Kräfte kann nur durch den Aufbau der Kommunistischen Partei in Deutschland überwunden werden. Daran mitzuwirken ist heute notwendig statt mit strategischen Sandkastenspielen davon abzulenken.

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Woher kommt die faschistische Gefahr?

Beim Faschismus handelt es sich eben nicht mehr nur um eine Diktatur der Bourgeoisie im Allgemeinen oder um eine Diktatur des Finanzkapitals als Ganzes, sondern um die Diktatur des von Dimitroff genauer bezeichneten Teils des Finanzkapitals. Diese Erkenntnis zielt auch auf falsche Theorien, die behaupten, dass der Faschismus unvermeidbar sei und aus den kapitalistischen Gesetzmäßigkeiten notgedrungen hervorgehe. Faschismus ist eine Ausgeburt des Kapitalismus in seinem imperialistischen Stadium. Ob, wann und in welcher Form er in einem imperialistischen Land errichtet wird - oder eben auch nicht -, hängt von konkreten inneren und äußeren Widersprüchen im jeweiligen Land ab, die sich im Kampf um die Neuaufteilung der Welt, ihre Absatzmärkte, Rohstoffquellen und Einflusssphären unter die Monopole und imperialistischen Großmächte zuspitzen und von der Gegenwehr der Arbeiterklasse und der Völker gegen den damit drohenden Krieg. Faschismus ist vermeidbar!

Der Faschismus ist in Deutschland eine Gefahr, weil der deutsche Imperialismus unter den imperialistischen Großmächten am stärksten auf Expansion nach Außen angewiesen ist. Dies ergibt sich aus seiner Geschichte als bei der Aufteilung der Welt zu spät und zu kurz gekommener Imperialismus und aus seiner heutigen Lage bei seinem dritten Anlauf zur Weltmacht. Bei Vertiefung der zyklischen Krise und in der Folge verstärkter Ausprägung der Erscheinungsformen der allgemeinen Krise (chronische Massenerwerbslosigkeit, Unterauslastung der Produktionskapazitäten etc.) wird sich der Widerstand der konkurrierenden Monopole und Großmächte gegen eine durch die offenbar werdende Überakkumulation und Überproduktion erforderliche noch größere Expansion Deutschlands verstärken.

Die imperialistischsten Elemente heißt eben, dass diese am meisten auf die Neuaufteilung der Welt drängen. Die reaktionärsten heißt eben, dass sie auf rückwärtsgewandte Lösungen bestehen: Abschaffung der bürgerlichen Demokratie, offene Unterdrückung der andern Klassen und Zerschlagung bzw. "Gleichschaltung" ihrer Organisationen (Gewerkschaften, Parteien und Verbände), zwangsweise Einordnung der Klassen in eine halbfeudale Hülle wie den Ständestaat, Rückfall in mittelalterliche Barbarei, das Monopol auf Meinungen und Ideologien als finale Lösung der gesellschaftliche Konflikte, Entwicklung der Produktivkräfte nur nach Maßgabe der reaktionären Bedürfnisse und des Kriegs.

Am meisten chauvinistisch heißt, dass diese zur Durchsetzung der eigenen Monopolinteressen hetzerisch dazu auffordern die Rechte anderer Nationen zu verletzen und u.a. mit den bekannten Theorien des Rassismus und des Herrenmenschentums und die rücksichtsloseste Durchsetzung von vermeintlichen Volks- oder Rasseinteressen propagieren lassen, um auf die potenziell widerstrebenden Volksschichten einzuwirken durch Appell an die niedrigsten Instinkte. Das Individuum wird gleichgesetzt als Teil eines imaginären Volkskörpers ("der" Deutsche), der seine Interessen gegenüber dem größeren Ganzen zurückzustellen habe. Das größere Ganze, an dessen Stellschrauben selbstverständlich weiter Monopol und Maximalprofit stehen.


Anmerkungen

[1] Kurt Gossweiler, Ursprünge, Funktion und Erfolgsbedingungen faschistischer Bewegungen, in: Aufsätze zum Faschismus Bd. 2, Köln 1988, S. 519f, Hervorhebungen durch Kurt Gossweiler)

[2] Kurt Gossweiler: "Faschismus und herrschende Klasse gestern und heute" in kurt-gossweiler.de/?p=794

[3] Deutsch-Nationale Volkspartei

[4] Kurt Gossweiler, Die Absetzung der Preußen-Regierung Braun-Severing durch Papen, in Aufsätze zum Faschismus, Bd. 1, Köln 1988, S. 2

[5] a.a.O., S. 3

[6] s. KAZ 313, S. 24 ff. Dazu erschienen weitere Artikel "in loser Folge". Begonnen hatte die Verfestigung dieser Linie bereits in KAZ 304 mit dem Artikel: "Hartz gegen Arbeiterklasse - der Weg ins Jammertal"

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Quelle:
KAZ - Kommunistische Arbeiterzeitung, Nr. 363, Juni 2018, S. 19-24
Herausgeber und Verlag:
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veröffentlicht im Schattenblick zum 24. August 2018

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