Schattenblick →INFOPOOL →MEDIEN → ALTERNATIV-PRESSE

KAZ/153: 66. Jahrestag der Ermordung E. Thälmanns - Keine Ruhe den Schändern, Abreißern und Fälschern


KAZ - Kommunistische Arbeiterzeitung, Nr. 332, Oktober 2010
Proletarier aller Länder und unterdrückte Völker vereinigt euch!

Keine Ruhe den Schändern, Abreißern und Fälschern


Anlässlich des 66. Jahrestags der Ermordung Ernst Thälmanns veranstaltete der Freundeskreis "Ernst-Thälmann-Gedenkstätte" e.V., Ziegenhals am 22. August eine Gedenkfeier, die wie oftmals in den letzten Jahre außerhalb des Grundstücks stattfinden musste, diesmal aber mit der gespenstischen Kulisse der zerstörten, verödeten Gedenkstätte. Umso wichtiger die zahlreichen Teilnehmer, umso wichtiger die Reden und Grußbotschaften, von denen wir hier einige wiedergeben.


Rede von Vera Dehle-Thälmann, Tochter von Irma Gabel-Thälmann, Enkelin von Rosa und Ernst Thälmann

Liebe Freunde, liebe Sympathisanten!

Ich bin hier um meine tiefe Bestürzung und meinen energischen Protest über den Abriss der Gedenkstätte durch den jetzigen Eigentümer und die vorherige Behandlung dieser Thematik durch die Verwaltung zum Ausdruck zu bringen. Eigentum verpflichtet, heißt es im Grundgesetz dieses Staates.

Im April dieses Jahres versprach uns der Ministerpräsident dieses Landes, Herr Platzeck, bei einer Gedenkveranstaltung in Ravensbrück jede Hilfe gegen das Vergessen von Faschismus und zum Erhalt von Gedenkstätten. Sind Kommunisten, die durch das Nazireich geknechtet und ermordet wurden, an ihren geschichtsträchtigen Wirkungsstätten nicht gedenkwürdig?

Ich erwarte auch vom Ministerpräsidenten, im Namen aller Freunde und Sympathisanten der Gedenkstätte Ziegenhals, nicht zu schweigen, sondern Farbe zu bekennen, Stellung zu nehmen und mit uns in das Gespräch einzutreten.

Wir können und wollen nicht davon ablassen, für das Gedenken an die Ziegenhals-Tagung und diese Gedenkstätte zu kämpfen.

Dies kann nur geschehen, wenn vereinte Kräfte mit allen friedlichen Menschen gegen Faschismus und Krieg, wie es mein Großvater damals mit der Einheitsfront aller proletarischen Kräfte forderte, handeln.

Nur gemeinsam sind wir stark. Packen wir es weiter an.

Auf diesem gemeinsamen Weg wünsche ich uns Kraft und Erfolg.


Rede der Pastorin i. R. Renate Schönfeld

Liebe Freunde, die Ihr Antiimperialisten, Antifaschisten, Kommunisten, Sozialisten und vielleicht auch Christen seid, liebe Genossinnen und Genossen.

Seit Jahren schon müssen wir uns meistens vor den Toren des Geländes treffen, auf dem das denkmalgeschützte Sporthaus hier in Ziegenhals stand.

Wir stehen heute wieder davor, um der Ermordung von Ernst Thälmann zu gedenken und den Schwur von Buchenwald zu wiederholen: Nie wieder Krieg, nie wieder Faschismus.

Wir sind hergekommen, um gegen den Abriss dieses für die Geschichte der Arbeiterbewegung bedeutsamen Ortes zu protestieren. Damit stellen wir klar, dass wir unseren Kampf zur Wiedererrichtung der Stätte weiterführen werden.

Es sind noch immer - für viele von uns seit erst 1989 - dieselben Kräfte des Kapitals am Werk, die Ernst Thälmann und viele andere Kommunisten, Sozialdemokraten und im besten Sinn liberal und demokratisch denkende Menschen in Gefängnissen und Konzentrationslagern gefangen hielten und nicht wenige von ihnen ermordet haben. Aber ihre Rechnung ging damals nicht auf.

Die Oktoberrevolution, die mit dem Überfall auf die Sowjetunion ausgelöscht werden sollte, setzte trotz, nein wegen der großen Verluste durch Faschismus und Krieg revolutionäre Bewegungen in der Welt in Gang. Es folgten 40 Jahre, in denen dem Kapital die Macht in Teilen Europas und in der Welt entzogen wurde. Was das konkret heißt, wissen wir, die wir in der DDR gelebt und die sozialistische Entwicklung mitgestaltet haben. Es waren Jahre, in denen die Menschlichkeit im Mittelpunkt stand - die Menschlichkeit mit Arbeit für alle und einem ausgefüllten Leben. In diesem Zusammenhang wird auch immer gern eingefügt "trotz aller Fehler und Probleme". Selbstverständlich haben wir Fehler gemacht. Aber es war kein Fehler, dem Kapital 40 Jahre die Macht entzogen zu haben.

Aber Leute wie der Herr Gröger meinen, und ich denke, er ist ein kleines Licht, ein Vollstreckungsgehilfe der Vertreter des Kapitals, dass sie den Sozialismus in der Welt nun endlich weitgehend beseitigt haben. Die Konterrevolution hat uns, hat die Menschen in der Welt hart getroffen, auch deshalb, weil diese Vorgänge durch Verräter aus den eigenen Reihen erst möglich wurden.

Die Zahl der Opfer seit 1989 wird die des zweiten Weltkrieges weltweit übersteigen. Die Opfer - und das sind in erster Linie die vielen Menschen, die mit deutscher Beteiligung unter Kriegen leiden und getötet werden. Und die Kriege - das sind die, die bereits geführt wurden und werden - Irak, Afghanistan, Serbien und die Zerschlagung Jugoslawiens und die, die in Planung sind - Iran und Nordkorea. Die jüngsten Manöver sind kein Zeitvertreib. Zu den Opfern gehören auch die weltweiten Verlierer der "friedlichen, orangenen und anderen bunten und sanften Revolutionen". Aus meiner Praxis als Pastorin weiß ich, wovon ich rede.

Seit 1989 hat der Antikommunismus an Stärke zugenommen. Wir erkennen es unter anderem an der Hexenjagd auf uns, die wir zu den Erkenntnissen über den Imperialismus und über die Notwendigkeit einer erneuten gesellschaftlichen Alternative stehen. Herr Knabe bekommt für den Umbau in Hohenschönhausen mehr als 16 Millionen Euro. Für solche Zwecke sind Gelder da.

Dem Freundeskreis sind lumpige 10.000 Euro in Aussicht gestellt.

Der Antikommunismus ist dem Kapitalismus systemimmanent. Er ist deshalb besonders gefährlich, weil er eine der Säulen des Faschismus ist. Aber die Geschichte geht weiter. Mit der französischen Revolution, der Oktoberrevolution und also den 70 Jahren Sozialismus hat unwiderruflich eine neue Epoche in der Menschheitsgeschichte begonnen. Als dialektisch denkende Menschen wissen wir, dass sich Fortschritte nicht ohne Widersprüche Und Rückschläge vollziehen und durchsetzen. Auf die Reformation folgte die zum Teil sehr blutige Gegenreformation.

Wir haben also keinen Grund, den Sozialismus als Utopie zu bezeichnen und damit abzuschreiben. Er muss unser konkretes Ziel bleiben, das sind wir uns selbst, vor allem aber den kommenden Generationen schuldig.

Dass die Geschichte weitergeht, macht die heute Herrschenden, die Vertreter des Kapitals unruhig. Zur Zeit sind wir ihnen - leider - nicht gefährlich, aber sie wissen, weshalb sie sich weiterhin und zunehmend verstärkt des Antikommunismus mit seinen Lügen, aber auch mit Repressalien von, wie sie sagen, gegen "Stalinisten" bedienen. Erst am 6. Juli dieses Jahres beschloss das Bundesverfassungsgericht, dass die Rentenkürzung für leitende Partei- und Staatsfunktionäre der DDR mit dem Grundgesetz vereinbar ist. Die GBM, die GRH, das 0KV und ISOR, aber auch Genossen der DKP, KPD und der Linkspartei kämpfen gegen diese Rache an uns allen. Nicht zuletzt die Themen "Stasi", DDR und "SED-Diktatur" sind neben "Brot und Spielen" das dritte Element zur Ablenkung der Massen von Sozialabbau und Kriegseinsätzen.

Offensichtlich sind die Widersprüche noch nicht scharf genug, dass die Menschen trotz aller Unzufriedenheit noch immer darauf reinfallen.

Ich nenne nur einige Gründe für die Unzufriedenheit: Die erneute so genannte Gesundheitsreform, die ja nicht neu ist, denn schon lange müssen wir für Medikamente, Untersuchungen und die Praxisgebühr zahlen, und schon lange ist die Behandlung von Kranken, sogar von Schwerkranken nicht selten unzureichend und schlecht, wenn sie in der falschen Kasse sind. Medizin muss sich rechnen, folglich sind Krankenhäuser Wirtschaftsunternehmen. Das alles wird sich verschärfen. Das Sagen hat in diesem Bereich die Pharmaindustrie.

Ein weiterer Grund ist die beabsichtigte Streichung des Elterngeldes für Hartz IV-Empfänger. Ein gleicher Skandal ist die ebenfalls geplante Streichung der bisherigen Praxis der Einzahlung für die Rente bei den Ausgegrenzten. Dazu gehört die beabsichtigte Chipkarte für Kinder, die den Charakter von Almosen trägt.

Die Willkür gegenüber denen, die Arbeit haben und das Auspressen ihrer Kräfte bis zur physischen und psychischen Erschöpfung, möchte ich unbedingt noch erwähnen.

Ich kann das alles nur andeuten. Die Probleme, die sich aus Arbeitslosigkeit einerseits und Überlastung andererseits ergeben, sind uns bekannt.

Während die Gedenkstätte Ziegenhals Symbol für ein Leben in Frieden, Gerechtigkeit und Sicherheit war, steht dieser Ort seit seiner Schändung und dem Abriss für Zerstörung von gerechten Strukturen und für Krieg. Diesen Widerspruch gilt es, in unserem Sinne aufzuheben.

Ich möchte meine Ausführung mit dem letzten Absatz aus August Bebels Buch "Die Frau und der Sozialismus" schließen. Das Buch hatte 1895 seine 25. Auflage, wurde also Jahrzehnte vor der Oktoberrevolution 1917 und der Novemberrevolution 1918 geschrieben.

"Die Morgendämmerung zu einem schönen Tage zieht mit Macht herauf.
Kämpfen und streben wir also immer voran, unbekümmert darum, "wo" und
"wann" die Grenzpfähle für eine neue, eine bessere Zeit für die Menschheit
eingeschlagen werden. Und fallen wir im Laufe dieses großen, die Menschheit
befreienden Kampfes, so treten die uns Nachstrebenden für uns ein. Wir fallen
in dem Bewusstsein, unsere Schuldigkeit als Mensch getan zu haben, und in
der Überzeugung, dass das Ziel erreicht wird, wie immer die dem Fortschritt der
Menschheit feindlichen Mächte sich dagegen wehren und sträuben mögen.


Dem Sozialismus gehört die Zukunft.


Redebeitrag von Günter Pappenheim, Lagerarbeitsgemeinschaft Buchenwald-Dora e.V.

Liebe Freundinnen und Freunde, Kameradinnen und Kameraden,

liebe Genossinnen und Genossen, verehrte Anwesende,

Ich möchte dieser Kundgebung die solidarischen Grüße der in der Lagerarbeitsgemeinschaft Buchenwald-Dora vereinten ehemaligen Häftlinge, deren Angehöriger und Antifaschisten, die sich dem Schwur und dem Vermächtnis der Buchenwalder verpflichtet fühlen, übermitteln.

Aufgewachsen in einem sozialdemokratisch geprägten Elternhaus, mein Vater wurde 1933 als einer der ersten Antifaschisten von den Nazis ergriffen und im KZ Börgermoor im Januar 1934 bestialisch ermordet, war ich zu der Zeit, als der Kommunist Ernst Thälmann im Konzentrationslager Buchenwald ermordet wurde, in diesem KZ der politische Häftling Nummer 22.514. Und als Thälmann ermordet wurde, fiel auch der Sozialdemokrat Rudolf Breitscheid in Buchenwald. Meinen Auftrag, zu ihm Kontakt herzustellen, konnte ich nicht mehr erfüllen, nach dem Bombenangriff vom 24. August 1944, bei dem er getötet wurde.

Thälmann und Breitscheid waren der Überzeugung, dass die Aktionseinheit der Arbeiterparteien den Faschismus hätte in die Schranken verweisen können. Diese Überzeugung versuchten Thälmann in der KPD und Breitscheid in der SPD in politisches Wirken umzusetzen. Deshalb gerieten sie ins Visier der Gestapo, deshalb mussten beide als erklärte Faschismusgegner ermordet werden.

Hier in Ziegenhals begründete Thälmann die Notwendigkeit des Zusammengehens aller Antifaschisten und rief zur Aktion auf. Das bleibt sein Verdienst! Im Februar 1933 waren es nun mal die Kommunisten, die in der Einheitsfront gegen die Nazis die einzige Möglichkeit sahen, Krieg und Verbrechen an der Menschheit Widerstand entgegenzusetzen.

Um dieses Verdienst wach zu halten, entstand in Ziegenhals am authentischen Ort die für die Arbeiterbewegung bedeutsame historische Gedenkstätte.

Politvandalismus mit knallhartem ökonomischen Hintergrund, ausgeübt von einem hohen Regierungsbeamten in der von Sozialdemokraten geführten, duldenden Brandenburger Landesregierung führten zur Liquidierung der Gedenkstätte.

"Ist zu liquidieren", hatte Himmler nach einer Beratung bei Hitler an den Namen Ernst Thälmann geschrieben.

Thälmann wurde auftragsgemäß in Buchenwald ermordet und ein zweites Mal jetzt in Ziegenhals - so groß ist die Angst vor seiner Wirkung.

Nicht zufällig kommt der, der die Gedenkstätte vernichten ließ, aus dem Teil Deutschlands, in dem der Mörder Thälmanns nahezu unbehelligt als Lehrer tätig sein und seine üppige Pension genießen durfte. Ebenso wenig zufällig ist es, dass im Brandenburgischen künftig ab der siebten Klasse in der Schule DDR-Geschichte Unterrichtsfach sein soll - dazu wird es u. a. eine Arbeitsmappe "Opposition und Repression in der DDR" geben. Das, was bis heute versäumt wird, fundierte Kenntnisse über die Zeit des Faschismus zu vermitteln, möchten die Herrschenden mit so genannter DDR-Geschichte kaschieren. Und sie werden nachzuweisen versuchen, dass die, die sich den Ideen von Thälmann und Breitscheid verpflichtet fühlen, die Verbrecher sind, während die Globke, Kiesinger, Lübke, Speidel, Heusinger usw. als Demokraten wirkten.

Damit lässt sich dann auch rechtfertigen, dass zwanzig Jahre nach Liquidierung der DDR im Pflegebereich für West und Ost unterschiedliche Mindestlöhne bis in die ferne Zukunft festgelegt wurden. Diese eine kleine charakterisiert die grundsätzliche Ungleichbehandlung von West und Ost.

Es könnte sein, dass es Auflehnung dagegen gibt und dass die Aufbegehrenden sich auf Thälmann besinnen, seine Gedanken zur Beseitigung von Ungleichheiten aufgreifen. Um diese Möglichkeit auszuschließen, wird Thälmann getilgt. Es gibt allerdings kein Beispiel aus der Geschichte, dass sich Ideen tilgen ließen.

Wir sind verpflichtet, mit unseren Kenntnissen, Fähigkeiten und Fertigkeiten der Geschichtsfälschung gegenzusteuern.

Günter Pappenheim zum 22. August 2010 in Ziegenhals


Grußwort von Gustav-Adolf "Täve" Schur, hervorragender Radsportler der DDR und Kommunist:

Ich war zwei Jahre alt, als Ernst Thälmann in Ziegenhals seine Rede hielt. Als ich zwanzig war, erfuhr ich, wer Ernst Thälmann war. Später fand ich in einem Buch den Hinweis, dass die Busse, die die Teilnehmer der Sitzung von der Treptower Sternwarte nach Ziegenhals gebracht hatten, zur Sicherheit die Aufschrift eines Sportvereins trugen. Das ist die einzige Verbindung zum Sport, die sich entdecken ließ. Begreiflich, denn bei jener Sitzung war es um Krieg oder Frieden gegangen, um die Zukunft Deutschlands, um die Entscheidung: Ein friedliches Land oder ein Schlachtfeld? Auch die brutale Verfolgung der Teilnehmer dieser Tagung, die für viele mit ihrer Ermordung endete, trug dann dazu bei, dass Deutschland zum Schlachtfeld verkam und Europa noch dazu. Schon deshalb ist es so wichtig, die Erinnerung an Ziegenhals wachzuhalten und eines Tages an die weiterzugeben, die heute zwei Jahre sind und nach unserem Willen nicht in Soldatengräbern enden sollen. Wer diese Mahnung für eine Übertreibung hält, muss sich fragen lassen, für wen und warum Deutsche derzeit am Hindukusch sterben? Was immer da geantwortet werden mag, es ist eine Antwort auf die Frage, die Ernst Thälmann in Ziegenhals gestellt hatte.

Damals, als ich erst zwei Jahre alt war. Einer, der vor Jahren in Ziegenhals sprach, war Peter Florin, Sohn eines der Teilnehmer dieser Tagung und später derjenige, der im Auftrag der DDR den Antrag in der UNO einbrachte, den weltweiten Kampf gegen den Faschismus zu unterstützen, ein Antrag, dem die Mehrzahl der in der UNO vereinten Länder zustimmte. Dass die BRD nicht unter dieser Mehrzahl war, mahnt uns alle ganz besonders, Thälmanns Worte nie zu vergessen! Sie sind so aktuell wie damals.


*


Quelle:
KAZ - Kommunistische Arbeiterzeitung, Nr. 332, Oktober 2010, S. 43-45
Herausgeber und Verlag: Gruppe Kommunistische Arbeiterzeitung,
Selbstverlag
Anschrift: KAZ-Redaktion, Reichstraße 8, 90408 Nürnberg
Tel.: 0911/356 913, Fax: 0911/356 913
E-Mail: gruppeKAZ@aol.com
Internet: www.kaz-online.de

KAZ erscheint viermal jährlich.
Einzelpreis: 1,50 Euro
Normalabo: 10,00 Euro, Sozialabo: 7,70 Euro.
Förderabo: mindestens 20,00 Euro.


veröffentlicht im Schattenblick zum 15. Dezember 2010