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IZ3W/343: Kohle für Urangeschäfte - Sind deutsche Banken beteiligt?


iz3w - informationszentrum 3. Welt - Ausgabe 344 - September/Oktober 2014

Kohle für Urangeschäfte
Sind deutsche Banken beteiligt?

von Regine Richter



So unterschiedlich die verschiedenen Urankonzerne sind: Sofern sie neue Projekte erschließen wollen, brauchen sie Geld. Dieses wird nicht nur von Banken zur Verfügung gestellt. Auch im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit fließt gelegentlich Geld in den Uranabbau.

Investitionsmittel erhalten Urankonzerne in der Regel in Form von Krediten oder durch die Ausgabe von Anleihen oder Aktien. Für die Unternehmen Areva, BHP Biliton und Rio Tinto, die zum Beispiel im Niger oder in Namibia und Australien Uran abbauen, ließ urgewald 2013 recherchieren, welche deutschen Banken sie finanziell unterstützt haben. Um zu sehen, ob Banken sich nach dem Unfall in Fukushima bei Atomfinanzierungen zurückhielten, wurden Unternehmenskredite sowie die Ausgabe von Aktien und Anleihen zwischen März 2011 und Januar 2013 untersucht.

Treffer gab es dabei für zwei Banken: die HypoVereinsbank/UniCredit Bank AG und die Deutsche Bank. Die Deutsche Bank verhalf Areva und Rio Tinto im genannten Zeitraum zu über 1,1 Milliarden Euro. Diese Summe setzt sich zusammen aus Unternehmenskrediten über 50 Millionen Euro für Areva sowie die Ausgabe von Anleihen für Areva (100 Millionen Euro) und Rio Tinto (999 Millionen Euro). Die HVB/UniCredit versorgte im gleichen Zeitraum Areva und BHP Billiton mit 944 Millionen Euro. Dazu zählen Unternehmenskredite über 93,75 Millionen Euro für Areva und über 369,63 für BHP Billiton sowie die Ausgabe von Anleihen in Höhe von 481 Millionen Euro für BHP Billiton. Keines der drei Unternehmen gab im Untersuchungszeitraum neue Aktien aus.


Geschäfte mit Brückentechnologie

Das Ergebnis überrascht nicht, gerade die Deutsche Bank setzt ungeachtet der Katastrophe von Fukushima nach wie vor auf die Atomenergie als Brückentechnologie. Sie prüft zwar genauer, schließt Atomenergie - oder Uranfinanzierung aber keineswegs aus. UniCredit/HVB ist vorsichtiger, schließt solche Finanzierungen aber ebenfalls nicht aus. Keine Finanzierung von Uranminen betreibt die Commerzbank. Die Bayern LB finanziert ebenfalls keine Projekte zum Abbau bzw. der Gewinnung von Kernbrennstoffen. Wie diese Regeln ausgelegt werden, also ob dies nur konkrete Uranminenprojekte umfasst oder sich auch auf Uranfirmen bezieht, müssen zukünftige Projekte und Finanzrecherchen zeigen.

Selbstverpflichtungen sind zuallererst einmal eine Botschaft an die Öffentlichkeit. Wie sie gelebt und umgesetzt werden, hängt von vielen Faktoren ab: von engagierten MitarbeiterInnen in den Banken, die sich für die Umsetzung einsetzen und sie intern überwachen, von öffentlicher Aufmerksamkeit für brisante Themen und von unabhängigen Finanzrecherchen, die überprüfen, ob die Versprechen eingehalten werden.


»Grünes« Uran

Eine ganz eigene Unterstützung hat übrigens der Uranexporteur Namibia erfahren: Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) hat das namibische Ministerium für Minen und Energie von 2009 bis 2011 dabei unterstützt, die negativen Auswirkungen des Uranbergbaus in der Region Erongo durch eine strategische Umweltprüfung zu verringern. (1) Die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe hat mit dem namibischen Ministerium zusammen gearbeitet, die gutachterlichen Leistungen beliefen sich auf etwa eine Million Euro.

Das erklärte Ziel des Projektes, die negativen Auswirkungen des Uranbergbaus zu reduzieren, ist sicher positiv. Der Bericht des namibischen Bergbau- und Energieministeriums enthält jedoch originelle Ideen: Namibia solle sich im internationalen Wettbewerb einen Vorteil verschaffen, indem es sein Uran als »grünes« Uran vermarktet. Unvermeidbare Auswirkungen auf die biologische Vielfalt durch den Uranabbau sollen durch »Biodiversitätsmaßnahmen in anderen Gegenden ersetzt werden (die jedoch tatsächlich bereits eine hohe biologische Vielfalt aufweisen). Beim Tourismus soll der Verlust von Wüstenlandschaft etwa durch Bergbau-Touren ersetzt werden. (2) Noch absurder als die Idee vom »grünen« Uran ist aus atomkritischer Sicht eigentlich nur die Tatsache, dass sie mit Unterstützung aus dem Atomausstiegsland Deutschland entwickelt wurde.

Regine Richter arbeitet bei urgewald.


Anmerkungen

(1) www.dip21.bundestag.de/dip21/btp/18/18025.pdf, S. 1991, Anlage 8

(2) »After the green rush? Biodiversity offsets, uranium power and the 'calculus of casualties' in greening growth« Sian Sullivan, April 2012

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Inhaltsverzeichnis iz3w Nr. 344 - September/Oktober 2014

Globale Geschäfte mit Uran
Angereicherte Gefahr

Uran - ist das ein Thema, das ausreicht für einen Schwerpunkt in der iz3w? Das fragte ein Jahr vor der Veröffentlichung die iz3w-Redaktion. In Kooperation mit der AG uranium-network.org sammelten wir Fragen. Die AG uranium-network.org arbeitet innerhalb des Freiburger Vereins Menschenrechte 3000. In verschiedenen Ländern unterstützt sie KritikerInnen des Uranabbaus in ihrer politischen Arbeit und ermöglicht Betroffenen, ihre Argumente und Fragen in einen gesellschaftlichen Aushandlungsprozess einzubringen. Die Zusammenarbeit mit der AG hat es erleichtert, Perspektiven aus Nord und Süd zusammen zu denken. Das hat auch zum Umfang des Schwerpunktes beigetragen.

Übrigens: weitere Aspekte sind im südnordfunk - der Magazinsendung des iz3w - zu finden. Ob das Thema Uran über nunmehr 24 Heftseiten spannend aufgezogen werden kann, das können die geneigten LeserInnen nach der Lektüre nun selber beantworten.

Über Feedback freut sich
die redaktion


Inhaltsübersicht aus dem Themenschwerpunkt:

Unbeherrschbar
Die Verwertung des Urans geht mit der Vervielfältigung von Gewalt einher
von Martina Backes

In den Händen von Kriegsherren
Die Geschichte einer Mine in der DR Kongo
von Golden Misabiko

Freigesetzte Übel
Der Uranabbau hinterlässt irreversible Langzeitfolgen
von Günter Wippel

»Dem Schweigen verpflichtet«
von Hilma Shindondola-Mote

Nebenan
Tagebau in Sichtweite der Dörfer
von Thomas Bauer und Christian Russau

Geheimniskrämerei
Rund um den internationalen Handel mit Uran
von Benjamin Paaßen

Strahlendes Material auf Reisen
von Dieter Kaufmann

Gefahrenanreicherung
Auf Uranabbau folgen Risiken bis hin zum Atommülldesaster
von Udo Buchholz

Aufgeflogen
Die malische Regierung übergeht lokale Verantwortliche
von Olaf Bernau

Wer gewinnt?
Abbaupläne und Gesetze in der Mongolei
von Eike Seidel

Im Zeichen der Unabhängigkeit
Das Förderverbot in Grönland ist aufgehoben
von Stefan Brocza und Andreas Brocza

»Indien wurde für sein Atomprogramm belohnt«
Interview mit dem Aktivisten Kumar Sundaram

Nur Online:

Rückenwind für die Atombranche?
Zahlreiche Länder bleiben bei der Atompolitik auf
von Harald Möller

Kohle für Urangeschäfte
Sind deutsche Banken beteiligt?
von Regine Richter

Große Spieler
Areva kontrolliert die vollständige Verarbeitungskette
von Benjamin Paaßen


POLITIK UND ÖKONOMIE

Hefteditorial: Geliebt werden wollen

Kolumbien: Schleichkatze auf Hochtouren
Der Friedensprozess stößt weiter auf große Hindernisse
(Langfassung nur im Netz)
von Matthias Schreiber

Migration: Verhängnisvolle Flucht
Im Sinai finden grausame Gewalttaten gegen Flüchtlinge statt
von Eva-Maria Bruchhaus

China: Gratulation zum Armutsgebiet
Die schwierige Rolle von NGOs bei der Armutsbekämpfung
von Dirk Reetlandt

Chile: Nach dem Feuer von Valparaíso
Die sozialen Folgen von Naturkatastrophen
von Jürgen Schübelin

Antiziganismus I: Was heißt denn hier 'Roma'?
Aktuelle Formen des medialen Antiziganismus
von Markus End

Antiziganismus II: Angenommen und abgestempelt
Ein Sinto in Deutschland
von Sebastian Lotto-Kusche


KULTUR UND DEBATTE

Literatur: Dissidenten für die Freiheit
In seinem Roman »Ketzer« lobt Leonardo Paduradie Andersdenkende
von Klaus Jetz

Fotografie I: Aufklärerische Begierde
Auch kritische Bücher sind nicht vor dem kolonialen Blick gefeit
von Heike Kanter und Jörn Hagenloch

Fotografie II: »Wie lesen wir Bilder?«
Interview mit Thomas Allen Harris über fotografische Repräsentationen des Afroamerikanischen

Film I: »Auf der Suche nach dem besseren Leben«
Interview mit dem Dokumentarfilmer David Fedele

Film II: Queer Africa
Ein Schwerpunkt des Kölner Afrika Film Festivals widmet sich LGBTIs
von Karl Rössel

Rezensionen

Szene / Tagungen

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Quelle:
iz3w Nr. 344 - September/Oktober 2014
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veröffentlicht im Schattenblick zum 25. September 2014