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GRASWURZELREVOLUTION/1440: Kaffeekrise in Chiapas


graswurzelrevolution 394, Dezember 2014
für eine gewaltfreie, herrschaftslose gesellschaft

Kaffeekrise in Chiapas
Der Pflanzenpilz La Roya zerstört große Teile der Kaffee-Ernte und bedroht die alternative Ökonomie der zapatistischen Gemeinden in Mexiko

Dorit Siemers arbeitet im solidarischen Handel beim Kaffeekollektiv Aroma Zapatista eG in Hamburg. Für die Graswurzelrevolution sprach Nina Nadig mit ihr. (GWR-Red.)



GRASWURZELREVOLUTION: Aroma Zapatista ist Anfang Oktober 2014 aus Chiapas zurück gekommen. Wieso seid Ihr dorthin gereist?

DORIT SIEMERS: Wir wurden von einem der fünf zapatistischen Räte der Guten Regierung zu einem Treffen eingeladen.

Wir waren mit vier Personen vom europäischen Soli-Kaffeenetz RedProZapa in Chiapas: je eine Person von Syn Allois aus Griechenland, von Tatawelo aus Italien, von Echange Solidaire aus Frankreich und wir von Aroma Zapatista. Alle Gruppen importieren zapatistischen Kaffee. Den Aufenthalt haben wir genutzt, um auch Gespräche mit den anderen zapatistischen Kooperativen und Räten zu führen. Dabei erfuhren wir vom Ausmaß der Kaffeekrankheit La Roya, die sich in Chiapas leider sehr stark ausgebreitet hat.

GRASWURZELREVOLUTION: Kannst du etwas zu der Krankheit La Roya sagen?

DORIT SIEMERS: Roya ist ein Pilz, der vor einigen Jahren in Mittelamerika anfing, weite Teile der Kaffeefelder zu zerstören und sich dann Richtung Mexiko ausgebreitet hat.

Die Blätter fallen ab, die Pflanze ist geschwächt und die Früchte sind Sonne, Regen und Wind viel schutzloser ausgesetzt. Die Kaffeekooperativen haben ihre Ernteschätzung für nächstes Jahr vorgenommen und sie rechnen mit sehr starken Einbußen. Im Vergleich zu "normalen" Jahren verlieren sie bis zu 75%! Leider gehen auch viele Kaffeebäume ein, was wiederum bedeutet, dass neue angepflanzt und drei bis fünf Jahre gepflegt werden müssen, bis es eine erste Ernte und somit Einnahmen gibt.

Da der Kaffeebereich oft die einzigen monetären Einkommen für die Familien erwirtschaftet, ist dies eine fatale Situation.

GRASWURZELREVOLUTION: Wie kann der Pilz bekämpft werden?

DORIT SIEMERS: Es ist schwer, etwas gegen den Pilz zu machen. Der Pilz an sich ist nicht neu oder unbekannt. Uns wurde gesagt, dass er immer mal an einigen Pflanzen vorkommt, sich dann aber nicht weiter verbreitet oder die Pflanze nicht groß schädigt. Aber der jetzige Pilz scheint eine neue Sorte zu sein, die viel schneller andere Pflanzen ansteckt.

Es wird auch vermutet, dass es mit dem Klimawandel und den dadurch ansteigenden Temperaturen zu tun hat. Leider gibt es nicht das eine Mittel gegen den Pilz. Wichtig ist eine intensive Pflege der Kaffeepflanzen.

Dazu gehören verstärktes Düngen mit natürlichen Mitteln, auf eine Beschattung der Pflanzen achten und ggf. neue Bäume in die Kaffeefelder pflanzen oder auch die kranken Blätter entfernen. Es können Mikroorganismen eingesetzt werden, die Pflanzen und Boden stärken und es gibt einen Pilz, der wiederum den Roya-Pilz isst. Das alles kostet viel Zeit und Geld.

GRASWURZELREVOLUTION: Was hat die Krankheit für mögliche Konsequenzen?

DORIT SIEMERS: Viele Auswirkungen sind vorstellbar. Zum Beispiel wirbt die mexikanische Regierung gerade groß damit, Kaffee-, Kakao-, Mais-, Ölpalmen-Pflanzen und vieles mehr zu verschenken. Was bedeutet dies für die zapatistischen Kaffeeanbauenden, die gerade ihre Ernten verlieren? Können sie diesem Angebot standhalten oder ist die Situation so belastend, dass sie Regierungsgeschenke annehmen und aus der zapatistischen Bewegung aussteigen?

Geschenke sind eine Methode, die die Regierung schon seit vielen Jahren neben Repression und Desinformation anwendet, um die Bewegung zu spalten und anzugreifen. Auch die coyotes, die Zwischenhändler, wittern ihre Chance, sie fahren bis vor die Haustür der Kaffeebäuerinnen und "winken" quasi mit dem Geld. Auch wenn sie selbst unter dem Kaffeemangel leiden, investieren sie nun Einiges, um die Kooperativen zu schwächen. Sie wollen die Leute aus dem Widerstand "herauskaufen".

Ein anderer Punkt ist, dass Nestlé schon seit Jahren plant, gentechnisch veränderten Kaffee in Mexiko anzubauen. Bisher wurde das nicht genehmigt. Aber wie sieht es in dieser Situation aus? Womöglich ist der Befall der Kaffeefelder durch den Pilz eine willkommene Gelegenheit, dass die Pläne des Nestlé-Konzerns doch genehmigt werden? Abgesehen von den nicht vorhersehbaren Konsequenzen für Mensch und Natur könnte es langfristig das Aus für den Bio-Anbau in Mexiko bedeuten.

Bisher ist Mexiko weltweit auf Platz eins, was den Anbau von Bio-Kaffee angeht.

Für die Kooperativen bedeutet die Krankheit konkret weniger oder keine Einnahmen und viel mehr Arbeit.

Wahrscheinlich müssen viele Zapatistas zudem nun auch anderweitig arbeiten gehen, um etwas Geld zu verdienen. Die Krankheit könnte schlimmstenfalls sogar die selbstverwalteten Strukturen schwächen, da viele Ämter in der zapatistischen Bewegung - z.B. im Bereich Bildung, Gesundheit oder Rechtsprechung - auf unbezahlter Kollektivarbeit basieren, für die nun definitiv weniger Zeit da ist.

GRASWURZELREVOLUTION: Ihr habt aufgrund der Situation eine Spendenkampagne ins Leben gerufen...

DORIT SIEMERS: Ja! Wir hoffen, dass wir durch die finanzielle Unterstützung möglichst vieler solidarischer Menschen dazu beitragen können, dass die Krise in Chiapas etwas erträglicher wird und die Zapatistas ihre Kaffeefelder gesundpflegen bzw. neu aufforsten können. Wir werden als Aroma Zapatista natürlich auch einen Teil spenden, aber darüber hinaus hoffen wir auf weitere Solidarität mit den Compas!

Interview: Nina Nadig


Weitere Infos:
www.aroma-zapatista.de

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Quelle:
graswurzelrevolution, 43. Jahrgang, Nr. 394, Dezember 2014, S. 7
Herausgeber: Verlag Graswurzelrevolution e.V.
Koordinationsredaktion Graswurzelrevolution:
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Telefon: 0251/482 90-57, Fax: 0251/482 90-32
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Internet: www.graswurzel.net
 
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veröffentlicht im Schattenblick zum 23. Dezember 2014


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