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GRASWURZELREVOLUTION/1110: Bericht von der ersten anarchistischen Buchmesse in Stockholm


graswurzelrevolution 351, September 2010
für eine gewaltfreie, herrschaftslose gesellschaft

Die Messen der AnarchistInnen
Ein Bericht von der ersten anarchistischen Buchmesse in Stockholm

Von Sebastian Kalicha


Buchmessen sind in der anarchistischen Bewegung zu einem wichtigen Fixpunkt geworden, um sich zu vernetzen, kennen zu lernen und um libertäre Publikationen präsentieren und diskutieren zu können.


Manche dieser Messen wie jene in London - haben eine lange Geschichte, andere gibt es erst seit wenigen Jahren - zum Beispiel jene in der Schweiz. Dieses Jahr fand erstmals eine anarchistische Buchmesse in Stockholm statt - und diese konnte sich sehen lassen! Dass es trotz der Größe des Veranstaltungsortes nicht leer wirkte, ist nicht nur auf die vielen Stände zum Beispiel von AK Press, PM Press, Verlag Graswurzelrevolution, CIRA, Workers Solidarity Movement, Industrial Workers of the World (IWW), Brand, etc. zurückzuführen, sondern auch auf den relativ großen BesucherInnenandrang. Bis zu 1000 Interessierte fanden sich Schätzungen zufolge im. Laufe des 5. Juni 2010 auf dem Buchmessegelände und bei Veranstaltungen und Treffen an den Tagen vor und nach der Messe ein.

Neben dem umfangreichen Angebot libertärer Literatur und Infomaterial hatten die BesucherInnen auch die Möglichkeit, vier Podiumsdiskussionen zu besuchen und mitzudiskutieren. Die erste am Vormittag diskutierte die Perspektiven des Anarchosyndikalismus in Zeiten der Wirtschaftskrise. Neben einem britischen Wobbly und Holger Marcks (FAU Berlin) diskutierten auch GewerkschaftsaktivistInnen der schwedischen Sveriges Arbetares Gentralorganisation (SAC) mit, die, im Gegensatz zu vielen anarchosyndikalistischen Gewerkschaften anderswo, mit ihren rund 7000 Mitgliedern tatsächlich ein einflussreicher Faktor in Arbeitskämpfen in Schweden ist. Die zweite Podiumsdiskussion beschäftigte sich mit der Frage, was Anarchismus heute bedeutet und warum diese von Relevanz ist. Um dies zu diskutieren wurden GenossInnen der Workers Solidarity Alliance/Institute for Anarchist Studies und CrimethInc. aus den USA, die Anarchistin Johanna Asp aus Malmö, sowie der Autor dieses Berichts als Vertreter der Graswurzelrevolution eingeladen. Ging es beim Anarchosyndikalismus-Podium noch recht harmonisch zu, waren die DiskutantInnen dieser zweiten Runde zumindest bei der Gewaltfrage keineswegs einer Meinung, hob der Aktivist von CrimethInc. doch vor allem das Beispiel. Griechenland als vermeintlich gelungenes und zur Nachahmung prädestiniertes Beispiel anarchistischen Aktivismus' hervor, was zu einer kontroversen Debatte über Sinn und Unsinn diverser Taktiken und Maximen der anarchistischen Bewegung führte. Ein drittes Plenum beschäftigte - sich mit der Frage, warum Buchmessen für AnarchistInnen wichtig sind und welche Bedeutung "anarchist publishing" zukommt. Diskutiert wurde dies u.a. von Marianne Enckell vom CIRA und einer Mitarbeiterin des wohl bekanntesten englischsprachigen anarchistischen Verlages AK Press. Zuletzt gab es noch eine Diskussion zu anarchistischen Bewegungen in Osteuropa.

Was anhand der Diskussionen schon deutlich wird ist der stark internationale Charakter, der die Buchmesse prägte. Sie war bei weitem kein schwedisches Lokalereignis, sondern ein fruchtbares Treffen der internationalen anarchistischen Bewegung. Auch als GWR-Mitherausgeber gab es einige nette Begegnungen. So: besuchte eine Gruppe gewaltfreier AnarchistInnen aus Schweden den GWR-Stand und war sehr angetan davon, dass der Anarchopazifismus hier ein eigenes und noch dazu relativ weit verbreitetes Publikationsorgan hat. Ein älterer Herr aus Finnland outete sich gar als langjähriger GWR-Abonnent. Und der Tisch, den der Autor sich mit einem Genossen des Catholic Worker Movement teilte, war so etwas wie der "gewaltfreie Tisch" der Buchmesse, an dem noch einige interessante Debatten zum Thema abseits der Podiumsdiskussionen geführt wurden.

Nach dem Erfolg waren die OrganisatorInnen sichtlich motiviert auch nächstes Jahr wieder eine Buchmesse in Stockholm zu organisieren. Eine gute Idee!


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Quelle:
graswurzelrevolution, 39. Jahrgang, 351, September 2010, S. 4
Herausgeber: Verlag Graswurzelrevolution e.V.
Koordinationsredaktion Graswurzelrevolution:
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Tel.: 0251/482 90-57, Fax: 0251/482 90-32
E-Mail: redaktion@graswurzel.net
Internet: www.graswurzel.net

Die "graswurzelrevolution" erscheint monatlich mit
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Ein GWR-Jahresabo kostet 30 Euro.


veröffentlicht im Schattenblick zum 2. September 2010