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GLEICHHEIT/6834: Politische Instabilität nach der Wahl in Moldau


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Herausgegeben vom Internationalen Komitee der Vierten Internationale

Politische Instabilität nach der Wahl in Moldau

Von Andrei Tudora und Tina Zamfir
7. März 2019


Am 24. Februar fand die Parlamentswahl in der Republik Moldau statt. Diese Wahl war der Höhepunkt eines langwierigen Zerfallsprozesses der Kräfte, die das politische Establishment des Landes in den letzten 20 Jahren geprägt haben.

Die Liberaldemokratische Partei Moldaus, die im Jahr 2009 nach der "Farbrevolution" gegen die pro-russische Partei der Kommunisten an die Macht kam und von der EU unterstützt wird, hat angesichts der zunehmenden geopolitischen Spannungen und der Feindschaft der Bevölkerung praktisch jede politische Bedeutung verloren. Die Partei der Kommunisten, die direkte Nachfolgepartei der stalinistischen Kommunistischen Partei Moldaus, erlitt eine schwere Niederlage und wird zum ersten Mal seit 1998 mit keinem einzigen Abgeordneten im Parlament vertreten sein.

Der Wahlsieger war mit 31 Prozent der Stimmen und den meisten Abgeordneten die pro-russische Partei der Sozialisten der Republik Moldau (PSRM). An zweiter Stelle kommt die neu gegründete, von der EU unterstützte Koalition ACUM mit 27 Prozent, an dritter Stelle die amtierende Demokratische Partei Moldaus (PDM) mit 24 Prozent. Aufgrund der Eigenarten des Wahlsystems wird die PDM jedoch die zweitgrößte Zahl an Abgeordneten haben.

Die Wahlbeteiligung in dem 3,5-Millionen-Einwohner-Staat lag bei etwa 49 Prozent. Bei der letzten Wahl im Jahr 2014 waren es fast 56 Prozent.

Die EU-nahe Opposition legte sofort Einspruch gegen dieses Ergebnis ein, dabei konzentrierte sie sich vor allem auf die Stimmen aus der abtrünnigen russischsprachigen Provinz Transnistrien, in denen PDM und PSRM hohe Ergebnisse erzielten. In der Woche vor der Wahl hatten EU-freundliche Kräfte in einer konzertierten Aktion versucht, die Wahl als von Russland beeinflusst darzustellen. Facebook löschte in einem Akt der Zensur 200 Seiten und Accounts aus Moldau, die vorgeblich mit der moldauischen Regierung in Verbindung standen. Laut Nathaniel Gleicher, dem Verantwortlichen für Cybersicherheit bei Facebook, haben diese Accounts, die "typischerweise lokale Nachrichten und politische Themen posten, manipulierte Fotos, aufwieglerische Narrative und Satire geteilt".

Die amtierende Demokratische Partei Moldaus wird in der nächsten Legislaturperiode der wichtigste politische Entscheidungsträger bleiben. Bei der Wahl 2014 war sie ein Juniormitglied in der prowestlichen Koalition und erhielt die wenigsten Stimmen. Als die arbeitende Bevölkerung immer feindseliger gegenüber der vom IWF diktierten marktwirtschaftlichen Politik, der weit verbreiteten Korruption und der Unterstützung für die militärischen Provokationen der Nato gegen Russland wurde, löste sich die Koalition auf. Die PDM konnte daraufhin ihre Rivalen ausmanövrieren und ihre Macht festigen.

Die Funktionäre der PDM zollten der verfassungsgemäßen Neutralität Moldaus Lippenbekenntnisse und führten minimale Sozialprogramme ein. Sie brachen außerdem mit den radikaleren Elementen, die einen Anschluss an den benachbarten EU-Staat Rumänien forderten, das historisch und sprachlich mit Moldau verbunden ist. Deutschland und andere europäische Mächte feindeten die PDM offen an, unterstützten gewaltsame Proteste gegen die Partei und stellten die Zahlung von wichtigen Hilfsgeldern an das Land ein. Die Organisationen, aus denen sich die ACUM-Koalition zusammensetzt, entstanden im Verlauf dieser Proteste.

Ein ständiges Thema in den Medien ist der Oligarchn Vladimir Plahotniuc, der Vorsitzende der PDM und das faktische Oberhaupt der Regierung. Sie versuchen, ihn durch reißerische Schilderungen seiner kriminellen Geschäftstätigkeiten als politische Verirrung darzustellen, der den moldauischen Staat "gekapert" hat. Tatsächlich ist Plahotniuc eindeutig das politische Produkt der letzten 30 Jahre kapitalistischer Restauration in Osteuropa.

Plahotniucs Karriere begann im quasi-kriminellen Milieu der ehemaligen stalinistischen Bürokraten nach der Auflösung der Sowjetunion. Sein Aufstieg war verknüpft mit der Partei der Kommunisten Moldaus und der Sozialdemokratischen Partei, der ehemaligen stalinistischen Regierungspartei in Rumänien.

Im Jahr 2001 wurde Plahotniuc zum Chef von Petrom Moldova, dem größten rumänischen Unternehmen in Moldau. Er schloss sich der Demokratischen Partei an, die den Kommunisten nahestand, aber zu einer schnelleren Integration in die EU und zu Marktreformen tendierte, nachdem Letztere im Jahr 2009 Teil der pro-westlichen Regierung wurde. Durch seine Kontrolle über einen großen Teil der moldauischen Medien und seine Rolle als Vermittler zwischen verschiedenen Fraktionen der Regierungskoalition wurde Plahotniuc schnell unverzichtbar für die Funktionsfähigkeit des Systems und deren Hintermänner in Washington und Brüssel.

Im Jahr 2015 verschlechterten sich die Beziehungen zu Deutschland und der EU, nachdem Plahotniuc die pro-rumänischen Fraktionen an den Rand gedrängt hatte, die Angela Merkel bevorzugte. Er hatte jedoch die Unterstützung von mehreren aufeinander folgenden US-Regierungen. Er genießt außerdem die Unterstützung der derzeitigen rumänischen Regierung unter Führung der Sozialdemokratischen Partei und ihres Vorsitzenden Liviu Dragnea. Dragnea und die PSD, die von der Trump-Regierung favorisiert wird, befinden sich seit langer Zeit in einem Tauziehen mit der EU.

Rumänien unterstützt die moldauische Regierung weiterhin mit Geldern, die die verlorenen EU-Mittel ausgleichen sollen und unterhält zahlreiche lokale Hilfs- und Infrastrukturprojekte in Moldau. Rumänische Nachrichtenagenturen berichteten außerdem, dass Rumänien und Viktor Orbans Ungarn die Verabschiedung eines EU-Außenpolitikdokuments abgelehnt haben, in dem der moldauischen Regierung vorgeworfen wird, sie habe keinen Respekt vor "demokratischen Prinzipien, Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechten". Diese Vorwürfe wurden durch die Annullierung der Wahl in der Hauptstadt Kischinau befeuert, die von einem pro-europäischen ACUM-Kandidaten gewonnen wurde.

Vermutlich wird Plahotniuc es schaffen, genug Überläufer aus den anderen Parteien zusammenzutrommeln, um weiterhin mit der PDM regieren zu können, egal ob mit oder ohne den ACUM-Block. Die Sozialistische Partei von Präsident Dodon hat bereits erklärt, sie sei einer Neuwahl nicht abgeneigt. Eine weitere Möglichkeit ist, dass die Sozialistische Partei von Dodon, der mehrfach seine Absicht erklärt hat, Moldaus Assoziierungsabkommen mit der EU aufrechtzuerhalten, eine Regierung mit Plahotniuc bildet. Als Aufhänger würde dabei die "Unabhängigkeit" Moldaus dienen.

Ungeachtet der Schachzüge der lokalen Bourgeoisie werden die Interessen der verarmten Arbeiter von Moldau nicht vertreten sein. Viele von ihnen arbeiten außerhalb des Landes in Rumänien, der EU oder Russland.

Die Republik Moldau, eins der ärmsten Länder Europas, liegt laut IWF beim Pro-Kopf-Einkommen im weltweiten Vergleich auf Rang 137. Das Wirtschaftswachstum ist von sechs auf etwas mehr als zwei Prozent gefallen, die Auslandsinvestitionen sind in den vergangenen Jahren massiv von 500 auf 40 Millionen Dollar zurückgegangen.

Laut einer Studie des Institute for Public Policy würde die Hälfte aller Moldauer gerne das Land verlassen, wenn sie Gelegenheit dazu hätten. Gründe dafür sind Armut und Perspektivlosigkeit. Bereits jetzt sinkt die Bevölkerungszahl rapide. In den vergangenen Jahren verließen rund eine Million Menschen das Land. Die durchschnittliche Rente liegt bei 90 Euro, das Durchschnittseinkommen bei rund 230 Euro. Ein Bankenskandal vernichtete vor vier Jahren eine Milliarde Euro - das entspricht einem Achtel des moldauischen Bruttoinlandsprodukts.

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Quelle:
World Socialist Web Site, 07.03.2019
Politische Instabilität nach der Wahl in Moldau
https://www.wsws.org/de/articles/2019/03/07/mold-m07.html
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veröffentlicht im Schattenblick zum 8. März 2019

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