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GLEICHHEIT/6739: 40.000 Menschen protestieren gegen Rassismus in München


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Herausgegeben vom Internationalen Komitee der Vierten Internationale

40.000 Menschen protestieren gegen Rassismus in München

Von Markus Salzmann
5. Oktober 2018


Am Tag der deutschen Einheit demonstrierten erneut 40.000 Menschen in der bayerischen Landeshauptstadt gegen Rassismus und das neue Polizeiaufgabengesetz (PAG) mit dem die CSU-Landesregierung die Befugnisse von Sicherheitsbehörden massiv ausweiten und Bürgerrechte beschneiden will. Es ist bereits die vierte Großdemonstration in den letzten Monaten in München.

Der Protest stand unter dem Motto: "Jetzt gilt's! - Gemeinsam gegen eine Politik der Angst". Zur Demonstration hatten das Bündnis gegen das bayerische Polizeiaufgabengesetz (noPAG) und die Organisatoren der #ausgehetzt-Demonstration, die im Juli diesen Jahres stattfand [1], aufgerufen.

Unter den Teilnehmern waren diverse Bürgerrechtsverbände und Flüchtlingshelfer. Wie schon bei den letzten Demonstrationen beteiligten sich deutlich mehr Menschen als Veranstalter und Polizei erwartet hatten. Zahlreiche Schüler und Studenten, aber auch viele Familien waren unter den Anwesenden. Auf selbst gemachten Plakaten waren Sprüche gegen die AfD und die rechte Politik der CSU-Regierung zu sehen. Mit der rigiden Abschiebepolitik und der Einrichtung von so genannten AnKer-Zentren, hat die CSU längst die Politik der AfD übernommen. Viele brachten den Unmut über die weitreichenden Möglichkeiten der Polizei durch das neue PAG zum Ausdruck.

Tatsächlich ist das PAG ein Schritt auf dem Weg zum Polizeistaat. Während die Polizei früher tätig werden konnte, wenn sie Hinweise auf eine "konkrete Gefahr" hatte, reicht nun die "drohende" Gefahr um gegen "Verdächtige" auch mit verdeckten Ermittlungen, dem Abhören von Telefonen oder Onlinedurchsuchungen vorzugehen. Ebenso wurde das Postgeheimnis außer Kraft gesetzt, denn die Polizei kann nun auf bloßen Verdacht hin Briefe und Pakete durchsuchen.

Schon im Juli 2017 führte die Staatsregierung eine neue Regelung zur Präventivhaft ein. Demnach können Verdächtige bis zu drei Monate in Haft genommen werden, danach muss ein Richter entscheiden, ob die Haft verlängert wird. Eine Höchstfrist gibt es nicht mehr. Dabei muss keine tatsächliche Straftat vorliegen.

Die Bayerische Landesregierung machte aus ihrer Verachtung demokratischer Rechte keinen Hehl. Innenminister Joachim Herrmann (CSU) verteidigte das PAG und bezeichnete den Protest in einer Pressemitteilung dagegen als "üble Stimmungsmache". Den Teilnehmern unterstellte er, sie würden gemeinsame Sache mit Linksextremisten machen. Darunter versteht die Regierung jeden, der ihre rechte Politik ablehnt. "Das Recht zu demonstrieren hat jeder. Aber es war schon sehr viel links unterwegs", erklärte der bayerische Ministerpräsident Markus Söder am Donnerstag im Bayerischen Rundfunk.

Die Großdemonstration, die in den Medien wenig Beachtung fand, unterstrich erneut, dass die Mehrheit der Bevölkerung Rassismus, Militarismus und Polizeistaatsaufrüstung ablehnt. Die "Opposition" der anwesenden Politiker von SPD, Linkspartei und Grünen hat damit nichts zu tun. Während sie in Redebeiträgen auf der Abschlusskundgebung Unterstützung für die Demonstrierenden heuchelten und sich in Worten gegen das PAG aussprachen, haben die Parteien längst deutlich gemacht, dass sie überall dort, wo sie selbst regieren, im Grunde die gleiche Politik verfolgen.

In Berlin bilden SPD und Union eine Große Koalition, in der die CSU den Ton in der Flüchtlingspolitik angibt. Mit der Entscheidung, die Große Koalition fortzusetzen, hat die SPD die AfD zur offiziellen Oppositionsführerin gemacht. In den parlamentarischen Ausschüssen arbeiten alle Parteien eng mit der AfD zusammen. Der Auftritt der SPD-Spitzenkandidatin für die Landtagswahl am 14. Oktober, Natascha Kohnen, auf der Demonstration war ein verzweifelter Versuch Stimmen zu gewinnen. Wegen ihrer rechten Politik ist die SPD auch in Bayern verhasst. Die jüngsten Umfragen sehen die Sozialdemokraten bei nur noch 11 Prozent.

Bei den bayerischen Grünen werden die Stimmen lauter, die sich für eine mögliche Koalition mit der CSU nach den Wahlen stark machen. Der grüne Landrat Wolfgang Rzehak ist einer von zahlreichen Grünen-Politikern, die eine Koalition für "möglich" halten. Beide Parteien seien "wertkonservativ" und es gäbe "viele vernünftige Leute" in der CSU.

Im angrenzenden Baden-Württemberg ist seit 2016 eine schwarz-grüne Koalition im Amt. Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) hält eine Koalition seiner Partei mit der CSU in Bayern für möglich. Sicher gäben die bayerischen Grünen im Landtagswahlkampf offiziell keine Koalitionsaussage zugunsten der CSU. Aber die bayerischen Grünen wollten auch nicht in der Opposition bleiben, sondern strebten danach, das Land mitzuregieren, sagte Kretschmann am Dienstag in Stuttgart.

Für die Linkspartei trat neben dem bayerischen Kandidaten Ates Gürpinar der ehemalige Linken-Chef Gregor Gysi auf. Auch die Linkspartei steht den Unionsparteien bei der inneren Aufrüstung in nichts nach und beteiligt sich an der Flüchtlingshetze. In Brandenburg will die rot-rote Landesregierung noch in diesem Jahr das dortige Polizeigesetz [2] massiv verschärfen. Weite Teile des bayerischen PAG finden sich darin wieder. So hat sich die Linke dafür ausgesprochen, der Polizei unbegrenzten Zugang zu Nachrichten aus Messenger-Diensten zu ermöglichen. Wie in Bayern sollen Polizisten mit Körperkameras ausgestattet werden, um "Verdächtige" direkt zu filmen.

Darüber hinaus plant die Regierung, umfangreiche Online-Durchsuchungen auch "präventiv" zu ermöglichen und Polizei und Verfassungsschutz für verdeckte Ermittlungen personell aufzustocken. Zudem soll die elektronische Fußfessel eingeführt werden. Für großes Aufsehen hatte Innenminister Karl-Heinz Schröters Plan gesorgt, den Einsatz von Sprengmitteln gegen Personen zu erlauben.

Auch in der Flüchtlingspolitik übernimmt die Linke die Politik der extremen Rechten. Nach einer Auseinandersetzung in einem Club in Frankfurt (Oder) hat Oberbürgermeister Réné Wilke gegen sieben Flüchtlinge aus Syrien, Pakistan und den Palästinensergebieten ein Ausweisungsverfahren eingeleitet. Gefeiert wurde er dafür prompt von der AfD. Der brandenburgische Landesvorsitzende Andreas Kalbitz, der zum völkisch-nationalistischen Höcke-Flügel gehört, erklärte: "Wir fühlen uns in unseren Forderungen bestätigt."


Anmerkungen:
[1] https://www.wsws.org/de/articles/2018/07/23/demo-j23.html
[2] http://www.wsws.org/de/articles/2018/08/27/brand-a27.html

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Quelle:
World Socialist Web Site, 05.10.2018
40.000 Menschen protestieren gegen Rassismus in München
www.wsws.org/de/articles/2018/10/05/muen-o05.html
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veröffentlicht im Schattenblick zum 6. Oktober 2018

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