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GLEICHHEIT/6300: Medien und politisches Establishment behandeln Einsatz der größten Bombe seit Hiroshima als Nebensache


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Herausgegeben vom Internationalen Komitee der Vierten Internationale

Medien und politisches Establishment behandeln Einsatz der größten Bombe seit Hiroshima als Nebensache

von Barry Grey
18. April 2017


Am letzten Donnerstag warf das US-Militär die größte Bombe ab, die jemals seit dem Atomwaffenangriff auf Hiroshima und Nagasaki am Ende des Zweiten Weltkriegs zum Einsatz kam. Obwohl diese Entwicklung in jeder Hinsicht ein wichtiges internationales Ereignis ist, betrachteten es die Medien nur vierundzwanzig Stunden später schon als unbedeutend.

Ebenso wenig wurden Bedenken über die ungewöhnliche Art geäußert, in der die Entscheidung zum Einsatz der etwa 10 Tonnen schweren Bombe des Typs GBU-43 Massive Ordnance Air Blast (MOAB) gefällt wurde. Am Donnerstag deutete Präsident Trump an, man habe ihn nicht um Erlaubnis gebeten, die Bombe im entlegenen Grenzgebiet zwischen Afghanistan und Pakistan einzusetzen. Am Freitag erklärte der Befehlshaber der US-Truppen in Afghanistan, er habe die Entscheidung zum Einsatz der Waffe getroffen.

Bevor die US-Nachrichtensender am Freitagabend über den Einsatz der "Mutter aller Bomben" berichteten, wurde er fast nirgendwo erwähnt. Dass ein solches Ereignis entweder gelobt oder mit Gleichgültigkeit behandelt wird, ist ein sicheres Anzeichen dafür, dass der Einsatz solcher und schlimmerer Waffen als die "neue Normalität" gilt. Er soll als üblicher Teil der weltweiten Operationen des US-Imperialismus betrachtet werden.

Am Freitag äußerten sich die großen amerikanischen Zeitungen entweder zustimmend über den Angriff oder wahrten Schweigen. Auch in der europäischen Presse gab es keinen Protest. Weder die deutsche, noch die französische oder britische Regierung äußerten sich zu dem Angriff. Auch die sogenannten "linken" politischen Führer und Parteien, darunter Jeremy Corbyn von der Labour Party und die deutsche Linkspartei, schwiegen.

Ebenso verlor keiner der führenden Demokraten in den USA ein Wort - von den Minderheitsführern Charles Schumer (Senat) und Nancy Pelosi (Repräsentantenhaus) bis hin zum Anführer des angeblich linken Flügels Bernie Sanders.

Die Zerstörungskraft der Moab-Bombe ist so gewaltig, dass das Pentagon sie selbst während des Einmarschs im Irak 2003 nicht eingesetzt hat. Doch am Freitag erklärte der Oberbefehlshaber der US-Truppen in Afghanistan, General John Nicholson, die Entscheidung zu ihrem Einsatz sei lediglich eine taktische Frage gewesen und habe auf unmittelbaren militärischen Erwägungen basiert: "Es war die richtige Zeit, sie taktisch im Kampf gegen das richtige Ziel einzusetzen."

Diese Behauptung ist absurd. Rein vom militärischen Standpunkt gibt es keine rationale Rechtfertigung für den Einsatz dieser Waffe gegen ein paar hundert bewaffnete Guerillas, die sich in Höhlen im Osten Afghanistans versteckt halten. Vor dem Hintergrund der Raketenangriffe auf Syrien, Außenminister Rex Tillersons Ultimatum an den russischen Präsidenten Wladimir Putin, seine Unterstützung für das syrische Regime einzustellen, und angesichts des drohenden US-Präventivschlags gegen Nordkorea ist die Entscheidung eindeutig politisch motiviert.

Der Einsatz der Bombe sollte Syrien, dem Iran, Nordkorea, Russland, China und allen anderen aktuellen oder potenziellen Gegnern zeigen, dass das US-Militär jedes Mittel einsetzen wird, um die globalen Interessen des amerikanischen Imperialismus zu vertreten. Die nächste Stufe nach der Moab ist der Einsatz von Atomwaffen. Das Pentagon wollte deutlich machen, dass es zu diesem Schritt bereit ist.

Das Wall Street Journal fasste diese politischen Motive am Freitag in einem Leitartikel zusammen und lobte den Einsatz der Bombe:

"Wir können auch annehmen, dass die Verantwortlichen für Raketentests in Pjöngjang den Einsatz der GBU-43 bemerkt haben. Wir wollen nicht andeuten, dass die USA eine davon auf eine nordkoreanische Atomanlage werfen werden. Allerdings haben Kim Jong-un, Wladimir Putin, Baschar al-Assad, Xi Jinping und der IS-Führer Abu Bakr al-Baghdadi, wo auch immer er sich versteckt, in nur einer Woche gelernt, dass die USA es für angemessen halten, hart gegen die Aggressionen ihrer Gegner zurückzuschlagen."

Die Washington Post ging in ihrem Leitartikel nicht direkt auf den Einsatz der Bombe ein. Allerdings formulierte sie unter dem Titel "Wenn Kehrtwenden willkommen sind" die allgemeine Zustimmung des politischen Establishments zu Trumps außenpolitischem Kurswechsel der letzten zwei Wochen.

Mit Bezug auf Trumps neue harte Haltung gegenüber Syrien und Russland sowie seine Äußerung vom Mittwoch, die Nato sei "nicht mehr irrelevant", schreibt die Post: "Wenn ein Präsident bei so wichtigen Fragen von einer so falschen zu einer so richtigen Haltung wechselt, ist nicht Meckern angesagt, sondern Feiern, wenn auch vorsichtig."

Die Zeitung lobte das "hervorragende nationale Sicherheitsteam", das Trump zusammengestellt hat. Besonders hob sie die Entlassung des ehemaligen nationalen Sicherheitsberaters Michael Flynn und die Abberufung von Stephen Bannon aus dem Nationalen Sicherheitsrat hervor. Begeistert zeigte sich die Post außerdem von dem neuen nationalen Sicherheitsberater H.R. McMaster und von Verteidigungsminister James Mattis. Dabei erwähnte sie nicht, dass ersterer ein aktiver General und letzterer ein ehemaliger General ist, sodass die amerikanische Außen- und Sicherheitspolitik nun fest in den Händen des Militärs liegt.

David Ignatius äußerte sich in einer Kolumne mit dem Titel "Trumps außenpolitisches Erfolgserlebnis" ähnlich: "In den letzten zwei Wochen hat Präsident Trump nach den überwiegend katastrophalen ersten zwei Monaten seiner Amtszeit einige Erfolge vorzuweisen. Er hat in Syrien entschlossen gehandelt, China als möglichen Partner für den Umgang mit Nordkorea gewonnen, die Beziehungen mit der Nato gekittet und begonnen, sich mit den scharfen Spannungen mit Russland zu befassen."

Die New York Times veröffentlichte keinen Leitartikel oder Kommentar zu dem Abwurf der Bombe. Auf diese Weise entlarvte sie ihren angeblichen Einsatz für "Menschenrechte", mit dem sie ihre Unterstützung der amerikanischen Aggressionen rechtfertigt, als Farce.

Auf der Website Vox die für den angeblich linken Flügel der Demokraten spricht, erschien ein Kommentar von Zack Beauchamp. Darin wiederholte er unkritisch die Position des Pentagon ("Das US-Militär hat keine Beweise für zivile Todesopfer gefunden.") und betonte mehrfach, der Einsatz der Moab sei völlig in Ordnung gewesen.

Beauchamp schrieb: "Auch wenn die Bombe größer war als diejenigen, die das US-Militär normalerweise verwendet, besteht kein Grund zur Annahme, dass daran etwas ungewöhnlich war." Er fügte hinzu: "Irgendwie ist es sogar sinnvoll, diese Bombe einzusetzen." Er kam zu dem Schluss: "Kurz gesagt, die Spekulationen waren stark übertrieben."

Aus den bedrohlichen Ereignissen der letzten zwei Wochen, deren Höhepunkt der Einsatz der größten nicht-nuklearen Bombe des US-Militärs mit allgemeiner Zustimmung und Wohlwollen der Medien und des politischen Establishments war, müssen grundlegende politische Lehren gezogen werden. Bei dem erbitterten Konflikt innerhalb des amerikanischen Staats und des politischen Establishments, in dem Trump als zu "nachsichtig" gegenüber dem syrischen Präsidenten Assad und als Schoßhund Putins angegriffen wurde, ging es um nichts Anderes als um imperialistische Außenpolitik.

Die Demokratische Partei spricht für die dominanten Teile des Militär- und Geheimdienstapparats. Diese wollten Trumps Versuch, den Konflikt mit dem syrischen Regime und Moskau zurückzustufen und sich auf die Konfrontation mit China zu konzentrieren, nicht tolerieren. Die Demokraten benutzten die erfundenen Vorwürfe, Russland habe durch Hackerangriffe die Präsidentschaftswahl 2016 manipuliert, um Trump unter Druck zu setzen und ihn zu einer Umbildung seines nationalen Sicherheitsteams zu zwingen.

Ihre Meinungsverschiedenheiten mit Trump in innen- und sozialpolitischen Fragen sind bedeutungslos im Vergleich zu ihrer uneingeschränkten Unterstützung für die härtesten und militaristischsten Fraktionen des Militär- und Geheimdienstapparats.

Die kleinbürgerlich-liberalen und pseudolinken politischen Kräfte in der Führung der Massenproteste vom Januar und Februar gegen Trumps Angriffe auf Immigranten und seine Pläne für den Abbau grundlegender Sozialprogramme haben den Widerstand systematisch vor den Karren der Demokraten gespannt. Auf diese Weise haben sie es dieser Partei der Wall Street und des amerikanischen Imperialismus ermöglicht, den Widerstand gegen Trump für ihre Kampagne für militärische Eskalation im Nahen Osten und die Kriegsvorbereitungen gegen die Atommacht Russland auszunutzen.

Die Demokraten haben fast alle Kritik an Trumps Krieg gegen Immigranten und Sozialprogramme aufgegeben. Nachdem Trump ihre außenpolitische Linie übernommen hat, werden sie ihn direkter bei seinen sozialen Angriffen unterstützen.

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Quelle:
World Socialist Web Site, 18.04.2017
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veröffentlicht im Schattenblick zum 19. April 2017

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