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GLEICHHEIT/5432: Obama schließt Waffenlieferung an Kiew nach Gesprächen mit Merkel nicht aus


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Herausgegeben vom Internationalen Komitee der Vierten Internationale

Obama schließt Waffenlieferung an Kiew nach Gesprächen mit Merkel nicht aus

Von Patrick Martin und Barry Grey
11. Februar 2015


In einer gemeinsamen Pressekonferenz des Weißen Hauses mit Kanzlerin Angela Merkel am Montag machte Präsident Barack Obama klar, dass er in Betracht ziehe, die Lieferung moderner Waffen an das von den USA und der Nato unterstützte Regime in Kiew zu befehlen. Die Waffen sind für den Kampf gegen die pro-russischen Separatisten in der Ostukraine bestimmt.

Er erklärte, er werde die Ergebnisse der Gespräche am Mittwoch in der weißrussischen Hauptstadt Minsk zwischen dem russischen Präsidenten Wladimir Putin, dem ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko, dem französischen Präsidenten Francois Hollande und Merkel abwarten, bevor er eine Entscheidung über die Lieferung von Waffen an Kiew fälle. Bei den Gesprächen in Minsk soll ein neues Waffenstillstandsabkommen zwischen den ukrainischen Regierungstruppen und prorussischen Separatisten vereinbart werden, nachdem das Übereinkommen vom letzten September gescheitert war.

Auf der Pressekonferenz nach Gesprächen mit Merkel sagte Obama: "Für den Fall, dass die Diplomatie scheitern sollte, habe ich mein Team gebeten, alle Optionen zu prüfen. Mit welchen anderen Mitteln, können wir Putins Überlegungen beeinflussen? Die Möglichkeit tödlicher Defensivwaffen ist eine der Optionen, die untersucht werden."

Dann fügte Obama hinzu: "Ich möchte betonen, dass noch keine Entscheidung getroffen worden ist."

Der Präsident ließ die Lieferung von Waffen wie Panzerabwehrgeschossen und gepanzerten Fahrzeugen an das Regime in Kiew offen. In den letzten Wochen hat die Ukraine im Osten des Landes Gebiete an die Rebellen verloren. Prominente Politiker und einige internationale Zeitungen haben gewarnt, dass ein solcher Kurs den Konflikt dramatisch eskalieren und zu einem militärischen Konflikt zwischen der Nato und Russland mit der Möglichkeit eines atomaren dritten Weltkriegs führen könnte.

Merkel und die Führer Großbritanniens und Frankreichs haben in den letzten Tagen klar gemacht, dass sie gegen eine direkte Bewaffnung der Ukraine durch die USA sind. Stattdessen schlagen sie härtere Wirtschaftssanktionen und eine Aufstockung der Nato-Truppen in den baltischen Staaten und Osteuropa vor, um Moskau zu zwingen, die Verwandlung der Ukraine, einer früheren Sowjetrepublik, in einen Außenposten für amerikanische und europäische imperialistische Manöver zu akzeptieren, die Russland auf einen semikolonialen Status reduzieren sollen.

Merkel machte in ihren Bemerkungen ihre Opposition gegen die Lieferung amerikanischer Waffen an die Ukraine deutlich. Sie sagte: "Ich kann keine militärische Lösung für diesen Konflikt erkennen." Aber sie betonte, dass Europa und die USA das ukrainische Regime gemeinsam unterstützten. Dieses Regime wurde im Februar letzten Jahres mittels eines von den USA und Deutschland inszenierten Putsches unter der Führung faschistischer Milizen an die Macht gebracht. Sie fügte hinzu, dass sie gemeinsam Russland zwingen wollten, seine Unterstützung für die prorussischen Separatisten in Donetzk, Lugansk und anderen russisch sprechenden Regionen zu beenden

"Wir stimmen vielleicht nicht in allen Fragen immer überein", sagte sie. Damit deutete sie an, dass Deutschland die von den USA geführte Offensive gegen Russland weiter unterstützen könnte, auch wenn Washington entscheiden sollte, die Regierung in Kiew zu bewaffnen.

Obama schien den gleichen Ton anzuschlagen als er sagte: "Es mag Themen geben, in denen wir taktische Differenzen haben", aber in der grundlegenden Strategie und den Zielen gehen die USA und Europa weiterhin konform.

Zivile und militärische Vertreter der USA, darunter auch einige innerhalb der Obama-Regierung, drängen auf die Lieferung schwerer Waffen an Kiew. Auf der Münchener Sicherheitskonferenz am vergangenen Samstag sagte der Nato-Militärkommandeur, General Philip Breedlove, Waffen an die Kiewer Regierung zu liefern, um die Separatisten zu zerschlagen, sollte nicht von vorneherein ausgeschlossen werden.

Bei einer Senatsanhörung vergangene Woche sagte Ashton Carter, Obamas Favorit für den Posten des nächsten Verteidigungsministers, er neige dazu, die Ukraine mit amerikanischen Waffen zu unterstützen.

Der ukrainische Präsident löste die jüngste Krise in der Ostukraine aus, als er seinen Truppen eine Offensive befahl, an der auch einige Bataillone neofaschistischer "Freiwilliger" teilnahmen. Es ist nicht vorstellbar, dass er das ohne Billigung Washingtons getan hat.

Die von Russland unterstützten Truppen haben die Invasoren beim Flughafen von Donetzk in die Flucht geschlagen und führen eine Gegenoffensive. Sie haben weitere 500 Quadratkilometer unter ihre Kontrolle gebracht und bedrohen den Verkehrsknotenpunkt Devaltsewe, der die Kontrolle über die Hauptstraße von Donetzk nach Lugansk ermöglicht. Bis zu 3.000 ukrainische Soldaten (andere Quellen sprechen von bis zu 9.000 Soldaten sitzen dort in der Falle und könnten gezwungen sein, sich zu ergeben.

Washington, die Nato, die europäische Union und die Medien stellen die Kämpfe in der Ostukraine als eine russische Invasion dar, obwohl der allergrößte Teil der Kämpfer aus der Region Donbass stammt, wo die meisten Menschen russisch sprechen und die Regierung in Kiew total verhasst ist.

Obama wiederholte zu Beginn der gemeinsamen Pressekonferenz mit Merkel die Behauptung von der "russischen Aggression". Er sagte: "Russische Truppen operieren in der Ukraine, bilden Separatisten aus und helfen, ihre Angriffe zu koordinieren.

Die plötzliche Reise von Hollande und Merkel in der vergangenen Woche nach Kiew und Moskau, die den für Mittwoch geplanten Gipfel in Minsk vorbereitet hat, schien von der Besorgnis geleitet zu sein, dass eine Entscheidung der USA, Waffen im Wert von Milliarden Dollar an die Ukraine zu liefern, unmittelbar bevorstehe und die Krise enorm verschärfen könne. Hollande hatte am Montag vor der Gefahr eines "totalen Kriegs" gewarnt, der sich aus der Ukrainekrise entwickeln könne. "Sind wir schon an dem Punkt angelangt, an dem es keine Umkehr mehr gibt?" fragte er.

Ein hoher Vertreter der OSZE sagte Journalisten auf der Münchener Sicherheitskonferenz, er befürchte, Waffenlieferungen verwandelten die Krise in einen "existentiellen Konflikt Russlands mit der Nato".

Ähnliche Sorgen wurden in mehreren amerikanischen Medien geäußert, aber nur in einem kleinen Ausschnitt des nationalen Sicherheitsestablishments der USA. Die New York Times veröffentlichte am Montag einen Kommentar von Professor John Mearsheimer unter der Überschrift "Bewaffnet die Ukraine nicht". Er stellte in dem Artikel die rhetorische Frage, ob die Vereinigten Staaten akzeptieren würden, wenn Kanada oder Mexiko sich einem feindlichen Militärbündnis anschließen würden.

Selbst die scharf antirussische Publizistin Anne Applebaum, eine Kolumnistin der Washington Post, äußerte sich besorgt über "einen neuen Weltkrieg", der sich aus der Ukrainekrise entwickeln könne. Sie bot als Alternative das geringere Übel "eines neuen Kalten Kriegs", in dem die Nato eine Berliner Mauer in Form einer entmilitarisierten Zone um Donetzk bauen und die übrige Ukraine wie Westdeutschland behandeln werde."

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Quelle:
World Socialist Web Site, 11.02.2015
Obama schließt Waffenlieferung an Kiew nach Gesprächen mit Merkel nicht aus
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veröffentlicht im Schattenblick zum 12. Februar 2015

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