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GLEICHHEIT/5356: Entscheidung der OPEC befeuert Ölpreiskrieg


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Herausgegeben vom Internationalen Komitee der Vierten Internationale

Entscheidung der OPEC befeuert Ölpreiskrieg

Von Nick Beams
2. Dezember 2014



Die Entscheidung des internationalen Ölkartells OPEC, das von Saudi-Arabien angeführt wird, die Produktion angesichts fallender Ölpreise nicht zu verringern, wird weitgehende Auswirkungen auf die Energieindustrie haben. Möglich sind darüber hinaus bedeutende Konsequenzen für das Weltfinanzsystem.

Unmittelbar auf die Nachricht, dass die OPEC die Produktion auf einem Niveau von 30 Millionen Barrel täglich halten werde, fiel der Ölpreis um weitere acht Prozent auf etwa 70 Dollar pro Barrel. Damit beläuft sich der Preisverfall seit Juni auf fast 40 Prozent.

Der wankende Ölpreis geht auf zwei Faktoren zurück: auf die Zunahme der Schieferölproduktion in den Vereinigten Staaten sowie den Wachstumsrückgang und die vielerorts stattfindende Stagnation der Weltwirtschaft, die zu einem Nachfragerückgang führen. Der Schritt, der unter saudischer Führung getan wurde, wird den Preisverfall verstärken. Er hat eindeutig das Ziel, die amerikanische Schieferölindustrie zu unterbieten.

Die unmittelbarsten Konsequenzen werden Venezuela, Algerien und den Iran treffen. Dies sind alles OPEC-Mitglieder, deren Staatseinnahmen davon abhängen, dass der Ölpreis auf dem Niveau von 100 Dollar pro Barrel verbleibt. Von 2011 bis Juni 2014, als der Sturz einsetzte, war dies auch der Fall.

Venezuela und Algerien strebten Produktionsdrosselungen der OPEC von etwa zwei Millionen Barrel pro Tag an.

Auch Russland, das kein OPEC-Mitglied ist, wird aller Wahrscheinlichkeit nach heftig betroffen sein. Da die gegen die russische Wirtschaft gerichteten Sanktionen merkliche Folgen haben, ist Russland auf einen Ölpreis zwischen 80 und 100 Dollar pro Barrel angewiesen, um seinen Haushalt auszugleichen.

Die Reaktion der Saudis steht in bemerkenswertem Kontrast zu ihren Handlungen, mit denen sie auf die globale Finanzkrise 2008 antworteten, als der Ölpreis sank. Damals leiteten sie eine Produktionsdrosselung ein, die zu dem Preisanstieg auf 100 Dollar im Jahr 2011 führte.

Seit dieser Zeit fand ein bedeutender Wandel auf den Energiemärkten statt. Die Gewinnung von Schieferöl und Gas in den Vereinigten Staaten hat in großem Maße die Importe verringert. Der Anteil der Importe am Brennstoffverbrauch in den USA wird für das kommende Jahr auf nur 21 Prozent geschätzt, verglichen mit 60 Prozent im Jahr 2005.

Doch für die Ausweitung der teuren Schieferölförderindustrie müssten die Ölpreise auf einem Niveau von etwa 80 Dollar pro Barrel verbleiben. Sobald der Preis unterhalb diese Marge zu sinken beginnt, sind die Randerzeuger ernsthaft betroffen.

Laut vielen Marktbeobachtern entschieden die Saudis, die Produktion nicht zu zügeln, da sie glauben, dass eine Erhöhung des Preises lediglich die Produktion in den Vereinigten Staaten ankurbeln würde, mit der Folge, dass die OPEC weitere Marktanteile verliert.

Tatsächlich könnte die Entscheidung ohne weiteres mit dem ausdrücklichen Zweck gefällt worden sein, die Preise weiter zu senken, um die amerikanische Industrie zu treffen. Diese Taktik wird schon auf dem Eisenerzmarkt verfolgt, wo Niedrigkostenproduzenten wie BHP-Billiton und Rio Tinto selbst angesichts eines zurückgehenden Marktes das Produktionsniveau noch steigern, weil sie hoffen, kostenintensive Produzenten an die Wand zu drücken.

Die aggressiven Absichten der Saudis, die mit dieser Handlungsweise verbunden sind, waren Gegenstand zahlreicher Kommentare. Der kuwaitische Ölminister Ali Saleh al-Omair sagte, die OPEC müsse jeden Marktpreis akzeptieren, selbst wenn er lediglich 60 Dollar betrüge.

Andere äußerten sich mit weniger Umschweifen. "Wir interpretieren dies so, dass Saudi-Arabien die Vorstellung verkaufen will, dass die Ölpreise kurzfristig auf einen Unterwert von 60 Dollar pro Barrel sinken müssen, damit in den kommenden Jahren größere Stabilität auf einem Niveau von 80 Dollar und darüber hinaus erreicht werde," sagte Oliver Jakob vom Beratungsdienst Petromax Reuters. "Mit anderen Worten, es sollte im Interesse der OPEC sein, eine Weile mit niedrigen Preisen zu leben, um die Entwicklungsprojekte in den Vereinigten Staaten zu verlangsamen."

Der russische Ölmilliardär Leonid Fedun, Vizepräsident von OAO Lukoil, bemerkte, die Politik der OPEC werde zu einem Zusammenbruch der amerikanischen Schieferölindustrie führen. Bei heutigen Preise von etwa 70 Dollar pro Barrel seien Bohrungen für viele Produzenten fast unprofitabel, sagte er und fügte hinzu, dass das Ziel der OPEC "eine Säuberung des amerikanischen Marktes" sei, wo der Schieferölboom auf einer Stufe mit der Dotcomblase stehe.

Eine Untersuchung von JP Morgan Asset Management stellte fest, dass etwa 80 Prozent der zwölf größten Schieferölbecken in den USA bei Preisen unter 80 Dollar pro Barrel kaum profitabel seien.

Die Dynamik, mit der kostenintensive amerikanische Schieferölproduzenten aus dem Weg geräumt werden sollen, könnte indessen weitreichende Konsequenzen für die globalen Finanzmärkte haben. Energieprojekte in den Vereinigten Staaten wurden in großem Umfang durch die Ausgabe von Hochrisikopapieren oder Schrottanleihen finanziert. Im Jahr 2010 machten Energie- und Rohstoffunternehmen achtzehn Prozent des US-High Yield Index aus, einer Aufstellung sogenannter Kreditnehmer in Sub-Investment-Einstufung. Heute stellen sie infolge massiver Kreditnahmen der Bohrindustrie 29 Prozent.

Untersuchungen der Deutschen Bank zeigen auf, dass im Falle eines Preissturzes auf 60 Dollar pro Barrel, was ohne weiteres möglich ist, die Ausfallquote bei einigen amerikanischen Kreditnehmern bis zu dreißig Prozent betragen könnte.

Ein Bericht, der zu Beginn des Monats im britischen Telegraph veröffentlicht wurde, warnte, dass "die Eile, in den Vereinigten Staaten mehr Öl zu fördern, in einem notorisch unbeständigen Segment der Unternehmensanleihenmärkte eine gefährliche Schuldenblase erzeugt hat, die zu einem umfassenderen systemischen Risiko in der weltgrößten Wirtschaft werden könnte."

Belege für den Einfluss, den der Ölpreisverfall auf Großbanken hat, brachte ein Artikel hervor, der in der Donnerstagsausgabe der Financial Times veröffentlicht wurde. Er berichtet, dass zwei Großbanken, Barclays und Wells Fargo, vor "potenziell schweren Verlusten aus einem 850-Millionen-Dollar-Kredit an zwei Öl- und Gasunternehmen stehen; was ein Hinweis darauf ist, wie der dramatische Preissturz des Öls sich in der gesamten Wirtschaft auszuwirken beginnt."

Der Bericht bemerkt außerdem, dass von den 180 problematischen Schuldenanleihen im High Yield Index der Bank of America Merrill Lynch etwa 52, das heißt 29 Prozent, an Energieunternehmen ausgegeben wurden.

Der Schieferölboom in den Vereinigten Staaten wurde als Demonstration dafür angepriesen, wie die amerikanische Wirtschaft dank Einfallsreichtum und Innovation selbst dann vorwärts schreite, wenn der Rest der Welt in Stagnation oder Rezession steckt. Aber er könnte sich ohne weiteres als Quelle einer weiteren großen Finanzkrise in den Vereinigen Staaten und der ganzen Welt entpuppen.

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Quelle:
World Socialist Web Site, 02.12.2014
Entscheidung der OPEC befeuert Ölpreiskrieg
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veröffentlicht im Schattenblick zum 3. Dezember 2014


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