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GLEICHHEIT/4849: USA und Iran treffen sich zu Gesprächen über Atomprogramm


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Herausgegeben vom Internationalen Komitee der Vierten Internationale

USA und Iran treffen sich zu Gesprächen über Atomprogramm

Von Bill Van Auken
28. September 2013



US-Außenminister John Kerry und der iranische Außenminister Dschavad Sarif trafen sich am Donnerstag zu Gesprächen auf der höchsten Ebene, die die beiden Länder seit der Revolution von 1979 hatten.

Das persönliche Treffen fand im Rahmen eines gemeinsamen Treffens der Außenminister der P5+1-Staaten statt (die fünf ständigen Mitglieder des UN-Sicherheitsrates - USA, Russland, China, Großbritannien und Frankreich sowie Deutschland), die Gruppe war im Jahr 2006 gegründet worden, um mit dem Iran diplomatische Verhandlungen über sein Atomprogramm zu führen. Das Treffen fand am Rande der Sitzung der UN-Vollversammlung in New York statt und war von der außenpolitischen Repräsentantin der EU, Catherine Ashton, einberufen worden.

Sowohl die Vertreter der USA als auch des Iran äußerten vor dem Treffen ihre Zuversicht, dass Fortschritte hin zu einer Einigung über das iranische Atomprogramm möglich seien.

Kerry erklärte am Donnerstag: "Wir werden ein gutes Gespräch haben." Sarif bezeichnete das Treffen auf seinem Twitter-Account als "eine historische Gelegenheit, die Atomfrage zu lösen", sofern die Westmächte die "neue Herangehensweise" des Iran akzeptierten.

Ein Sprecher des US-Außenministeriums erklärte: "Wir rechnen zwar nicht damit, dass auf dem heutigen P5+1-Treffen irgendwelche Fragen gelöst werden, hoffen jedoch, dass wir weiter an einem Weg vorwärts arbeiten können."

Im Vorfeld des Treffens herrschte eine gespannte Atmosphäre, die durch jahrzehntelange Wirtschaftssanktionen und andauernde Provokationen der USA bedingt ist - z.B. die Ermordung iranischer Wissenschaftler - die das Land angeblich am Bau von Atomwaffen hindern sollen.

Der Iran hat stets geleugnet, Atomtechnologie für etwas anderes als zivile Zwecke zu nutzen, und betont, seine Aktivitäten befänden sich im Rahmen des Atomwaffensperrvertrages. Einschätzungen amerikanischer Geheimdienste sind zu dem Schluss gekommen, dass das Land kein Atomwaffenprogramm besitzt.

Der neugewählte iranische Präsident Hassan Ruhani wies bei einem Treffen zur nuklearen Abrüstung in seiner Position als Vorsitzender der Bewegung Blockfreier Staaten auf die Heuchelei der USA und des Westens hin, die den Iran wegen nicht vorhandener Atomwaffen kritisieren, während sie Israel verteidigen, das hunderte von Atomwaffen produziert hat und im Gegensatz zum Iran weder den Atomwaffensperrvertrag unterzeichnet hat, noch Inspektionen seiner Anlagen zulässt.

Ruhani erklärte: "Fast vier Jahrzehnte dauernde internationale Bemühungen, im Nahen Osten eine atomwaffenfreie Zone einzurichten, sind tragisch gescheitert" und fügte hinzu, Israel müsse sofort dem Atomwaffensperrvertrag beitreten und seine Atomarsenale demontieren. Früher hatte Ruhani bereits erklärt, er glaube, dass man in nur drei Monaten ein Abkommen über das iranische Atomprogramm treffen könnte.

Am Donnerstag veröffentlichte der Iran außerdem eine zwanzigseitige "Erklärung," die auf der Webseite der UN-Atomaufsichtsbehörde erschien, in der er die Vorwürfe, der Iran würde Atomwaffen entwickeln, als "unbegründete Anschuldigungen" zurückwies und "unprofessionell, ungerecht, illegal und politisiert" nannte.

Das Dokument war scheinbar eine Reaktion auf die vierteljährlichen Berichte der Internationalen Atomenergiebehörde, die Besorgnis über die militärischen Anwendungen des iranischen Atomprogrammes äußerten. Dazu hieß es, diese Stellungnahmen basierten auf "gefälschten, konstruierten und falschen Informationen der westlichen Geheimdienste und dem Iran feindlich gesonner Quellen."

Vertreter des Iran werden sich am Freitag zum ersten Mal seit Beginn von Ruhanis Amtszeit als Präsident mit der IAEA in Wien treffen.

In Washington wurden derweil Zweifel an der Fähigkeit von Präsident Obama laut, bei einem Abkommen zum Abbau der verheerenden Wirtschaftssanktionen, die dem Iran auferlegt wurden, sein Wort zu halten, sofern die Regierung den Forderungen der USA bezüglich ihres Atomprogramms nachgibt. Die wichtigsten Sanktionen wurden durch Gesetze des Kongresses verhängt und müssen vom Kongress zurückgenommen werden, wo die Israel-Lobby mit ihrer unnachgiebigen Haltung zu jedem Abkommen mit dem Iran großen Einfluss ausübt.

Eine Gruppe von zehn republikanischen Senatoren hat Obama in einem offenen Brief aufgefordert, den Druck auf den Iran zu verschärfen und keine "halbherzigen diplomatischen Manöver" anzustreben. Der Brief betont, dass der US-Präsident zwar nicht die Unterstützung des Kongresses für einen Militärschlag gegen Syrien bekommen konnte, dass "wir aber in unserer Entschlossenheit vereint sind, den Iran daran zu hindern, Atomwaffen zu erhalten."

Der Brief deutet an, dass kein anderes Abkommen akzeptabel sei, als die völlige Beseitigung der Fähigkeit des Iran zur Urananreicherung- und Weiterverarbeitung, was im wesentlichen nur durch einen Regimewechsel erreicht werden kann.

Nur einen Monat vor ihrer taktischen Wende zu Verhandlungen mit dem Iran hatte die Obama-Regierung noch einen Militärschlag gegen Syrien vorbereitet, war jedoch angesichts des überwältigenden Widerstandes der Bevölkerung zu einem Rückzieher gezwungen.

Dieser Widerstand zeigte sich zuerst in der Ablehnung einer Kriegsresolution im britischen Unterhaus Ende August, und danach in dem heftigen und weitverbreiteten Widerstand in den USA gegen eine weitere Militärintervention im Nahen Osten. Obama stand vor der Gefahr, dass der amerikanische Kongress sein Gesuch für die Ermächtigung zum Einsatz militärischer Gewalt ablehnen würde.

Unter diesen Bedingungen klammerte sich die US-Regierung an den Vorschlag Russlands, Syriens Chemiewaffen abzurüsten.

Jetzt überschatten die Verhandlungen mit dem Iran die diplomatischen Manöver mit Syrien. Es könnte sein, dass beides Versuche der US-Regierung sind, auf Zeit zu spielen und das Argument einzusetzen, man habe es auf diplomatischem Wege versucht und sei gescheitert, um einen Militärschlag zu rechtfertigen.

Allerdings steckt hinter den Versuchen der USA, sich dem Iran anzunähern, der bis zur Revolution von 1979 ein wichtiger amerikanischer Vasallenstaat und eine Säule der Reaktion in der Region war, eine definitive Logik.

Die iranische Regierung versucht eindeutig, eine Lockerung der Sanktionen zu erreichen, da sie fürchtet, dass die steigende Inflation und Arbeitslosigkeit - vor allem unter jungen Arbeitern - zu sozialen Kämpfen führen könnte, die das islamische Regime und seine Hauptbasis unter den iranischen Kapitalisten und Geschäftsleuten gefährden könnte.

Die taktischen Erwägungen der USA wurden in einem Artikel mit dem Titel "Verhandlungen mit dem Iran: Das strategische Argument für Pragmatismus und echten Fortschritt" von Anthony Cordesman dargelegt, dem Analysten des Center for Strategic and International Studies für den Nahen Osten und Fragen der nationalen Sicherheit.

Cordesman rät der US-Regierung zwar "in ihrem Umgang mit dem Iran besonders vorsichtig" zu sein und warnt, dass Verhandlungen eine "Hinhaltetaktik" sein könnten, die es dem Land erleichtern könnten, Atomwaffen zu entwickeln. Allerdings liefert er auch eine düstere Einschätzung der unbeabsichtigten Folgen eines Militärschlages gegen das Land.

Er schreibt: "Dem Iran droht möglicherweise eine Reihe von Präventivschlägen - ausgelöst von Israel oder geplant von den USA - die weit mehr als nur seine Atomanlagen zerstören könnten. Das könnte die iranischen Atomprojekte stoppen, vielleicht aber auch nicht."

Er warnt, Syrien habe gezeigt, dass "niemand vorhersagen kann, wie viel Unterstützung die Vereinigten Staaten wirklich von ihren Verbündeten bekommen würden," ganz abgesehen von der amerikanischen Bevölkerung. Cordesman schreibt, der Iran könne gegen die amerikanischen Interessen in Afghanistan, im Irak, in Syrien und im Libanon agieren und die Ölexporte aus dem Persischen Golf gefährden.

Andererseits argumentiert er, die USA und der Iran können "gemeinsame strategische Interessen" in einer Reihe von Fragen finden, darunter der Stabilität Afghanistans, der Terrorabwehr oder der Erschließung von Ölquellen.

Die iranische Presse ist offener als die amerikanische in der Einschätzung der wahren "strategischen Interessen", die den amerikanisch-iranischen Gesprächen zugrunde liegen. Die Teheraner Tageszeitung Arman schreibt: "China und Russland werden nicht glücklich über eine mögliche Verbesserung der Beziehungen zwischen Iran und dem Westen sein... Es ist wahrscheinlich, dass einige arabische Länder in der Region die Verringerung der Probleme zwischen dem Iran und den USA auch nicht gut heißen werden... Wir sollten in dieser wichtigen Frage aufmerksam sein, da uns viele Länder nicht unterstützen werden. Wir sollten uns von unseren nationalen Interessen leiten lassen."

Eine weitere Tageszeitung namens Hamshahri erklärt die Wende zu Verhandlungen mit dem Iran mit der scheinbaren Führungsrolle Russlands beim Zustandekommen des Abkommens über Syrien und der Abwehr eines Krieges der USA gegen das Land. "Vielleicht wollen die USA, indem sie zu diesem Zeitpunkt Russland an die Seite drängen, andeuten, dass sie in direkte Interaktion und Verhandlungen mit dem Iran treten können," schreibt die Zeitung. "Das wird ihnen ermöglichen zu zeigen, dass Russlands Macht im Nahen Osten nicht so stark und einflussreich ist wie es den Anschein hat..."

Die Zeitung versichert, dass der Iran nicht nur "keinen Bedarf für regionale und östliche [d.h. russische und chinesische] Vermittler hat; er kann auch selbst ein Vermittler in regionalen Konflikten sein."

Diese Analysen zeigen, dass Washingtons Bereitschaft zu Verhandlungen in den Fragen von Syrien und dem Iran kein Ausdruck einer Hinwendung zum Frieden oder der Abkehr von den räuberischen strategischen Zielen des US-Imperialismus ist. Vielmehr ist es eine taktische Wende, die die Hegemonie der USA in den strategisch wichtigen Regionen des Persischen Golfes und Zentralasiens stärken und eine noch gefährlichere Konfrontation mit Russland und China vorbereiten soll.

Es bleibt abzuwarten, ob dieser "diplomatische Weg" die Ergebnisse hervorbringt, die das herrschende Establishment sich wünscht, oder ob es ihn nutzt, um einen neuen Vorwand für einen Krieg gegen Syrien und den Iran zu finden.

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Quelle:
World Socialist Web Site, 28.09.2013
USA und Iran treffen sich zu Gesprächen über Atomprogramm
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veröffentlicht im Schattenblick zum 1. Oktober 2013