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GLEICHHEIT/4822: G-20-Gipfel dominiert vom Krieg in Syrien und der Gefahr eines globalen Konfliktes


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Herausgegeben vom Internationalen Komitee der Vierten Internationale

G-20-Gipfel dominiert vom Krieg in Syrien und der Gefahr eines globalen Konfliktes

Von Alex Lantier
7. September 2013



Der G-20-Gipfel in St. Petersburg, auf dem sich die Staatschefs der zwanzig größten Wirtschaftsmächte der Welt treffen, wurde von der Gefahr eines großen Krieges und scharfen Spannungen zwischen den USA und Russland überschattet. Der angeblich wichtigste Punkt auf der Tagesordnung - die Krisen an den "aufstrebenden Märkten" wie Indien und der Türkei - wurde von Diskussionen über die verheerenden internationalen Auswirkungen eines neuen Krieges im Nahen Osten an den Rand gedrängt.

In den Stunden vor dem Gipfeltreffen deuteten Vertreter des Irans an, das Land sei bereit, seinen Verbündeten, den syrischen Präsidenten Baschar al-Assad, im Falle eines Angriffs der USA und Israels militärisch zu verteidigen. Der Oberste Führer des Iran Ayatollah Ali Khamenei erklärte, Washington und seine Verbündeten benutzten "den Vorwurf des Chemiewaffeneinsatzes als Vorwand... um zu behaupten, dass sie aus humanitären Gründen eingreifen."

Der Kommandant der iranischen Spezialeinheit Al Quds, Kassem Soleimani erklärte öffentlich: "Das Ziel der USA ist es nicht, Menschenrechte zu schützen, sondern die Front des Widerstandes [gegen Israel] zu zerstören. Wir werden Syrien bis zum Ende unterstützen.

Die ägyptische Zeitung Al Ahram gab in einer Schilderung eines Treffens zwischen iranischen Funktionären und UN-Untergeneralsekretär Jeffrey Feltman in Teheran am 25. August mehr Details über die Pläne des Iran bekannt. Die iranischen Funktionäre erklärten, sie könnten garantieren, dass Syrien keine Chemiewaffen eingesetzt habe. Sie deutet jedoch an, dass der Iran Syrien militärisch verteidigen würde, sollte sich Israel an einem Angriff der USA beteiligen.

Israel hat in den letzten Monaten bereits mehrere Luftangriffe auf Ziele in Syrien geflogen und kämpft seit langem gegen die libanesische Hisbollah, die sich auf Assads Seite an den Kämpfen beteiligt. Es gibt ein reales Potenzial sowohl für eine israelische als auch eine iranische Intervention, wenn Washington, Frankreich und ihre Verbündeten Syrien angreifen. Damit würden die Bedingungen für einen größeren Krieg in der Region geschaffen.

Zu Beginn des G-20-Gipfels meldeten russische Sprecher, dass die BRICS-Staaten (Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika) vor den wirtschaftlichen Folgen eines Krieges in Syrien gewarnt hätten. Besondere Sorge besteht um die Auswirkungen auf den Ölpreis und auf die Verfügbarkeit von Öl, sollte der Öltransport durch den Persischen Golf durch einen Konflikt zwischen dem Iran und den USA behindert werden.

Der stellvertretende chinesische Finanzminister Zhu Guangyao warnte, eine Militäraktion werde "definitiv negative Auswirkungen auf die Weltwirtschaft haben, vor allem auf die Ölpreise."

Vertreter der BRICS-Staaten kritisierten auch die Pläne der Federal Reserve, ihre Politik der "quantitativen Lockerung," d.h. des Druckens von Geld, zurückzufahren. Sie beklagten, die Federal Reserve untergrabe ihre Wirtschaften, indem sie die Erwartung auf höhere Zinssätze in den USA schüre und damit Investoren dazu ermutige, Kapital aus den "aufstrebenden" Wirtschaften abzuziehen und es für höhere Erträge in den USA zu investieren. Vertreter Russlands und Brasiliens forderten Washington auf, seine Geldpolitik mit anderen Regierungen abzustimmen.

Auf dem Gipfeltreffens selbst verteidigte der britische Premierminister David Cameron seine Entscheidung, über Großbritanniens Beteiligung an dem Krieg im Parlament abstimmen zu lassen. Letzte Woche hatte Cameron eine schockierende Niederlage erlitten, da das Parlament gegen ein militärisches Eingreifen gestimmt hatte, weil klar geworden war, dass Cameron keine Beweise hatte, um die Vorwürfe der USA, Großbritanniens und Frankreichs zu stützen, Assad habe in Ghuta Chemiewaffen eingesetzt.

Cameron verurteilte die Kritiker eines Krieges mit Syrien und warf ihnen vor, sie würden sich nicht "gegen die Vergasung von Kindern" stellen und müssten "mit ihrer Entscheidung leben."

Vertreter Russlands wiesen darauf hin, dass Washington keine Beweise habe, um die Vorwürfe zu stützen, Assad habe Chemiewaffen eingesetzt. Sie forderten Washington auf, das Ende der UN-Untersuchung der Angriffe abzuwarten.

Mehrere andere G-20-Staaten, darunter Brasilien, Mexiko und Indien, forderten die UN auf, die Untersuchungen und Verhandlungen zu leiten. Südafrika und Brasilien betonten, ein einseitiges Vorgehen gegen Syrien durch die USA und ihre Verbündeten - Frankreich, die Türkei und die Scheichtümer am Persischen Golf - sei ein Verstoß gegen das Völkerrecht.

Die Kriegsvorbereitungen gegen Syrien unter Führung der USA zeigen den Zusammenbruch der internationalen Rechtsordnung und verschärfte Spaltungen zwischen den Großmächten.

Weil Frankreich nach dem Scheitern Camerons im Parlament aktuell das einzige europäische Land ist, das an einem Angriff der USA auf Syrien teilnehmen will, stürzt der bevorstehende Krieg die Europäische Union in eine diplomatische Krise. EU-Präsident Herman Van Rompuy veröffentlichte am Donnerstag eine Stellungnahme, in der er forderte, dass die Syrienkrise mit den Mitteln der UN" angegangen werden solle. Er erklärte außerdem: "Es gibt im Syrienkonflikt keine militärische Lösung."

Van Rompuy fügte hinzu: "Wie die Europäische Union auf eine Militärintervention Frankreichs reagieren wird, wissen wir noch nicht. Wir arbeiten jedoch daran."

Die konservative französische Tageszeitung Le Figaro schrieb erbost, dies sei eine "Ohrfeige" für den französischen Präsidenten Francois Hollande und eine Anpassung der EU an die deutsche Außenpolitik.

Vor allem bringt der Syrienkrieg den Konflikt zwischen den USA und Russland, Syriens wichtigstem Verbündeten, ans Tageslicht. Russland betrachtet Washingtons Unterstützung für Terrorgruppen im Nahen Osten als Bedrohung für seine Interessen in Eurasien und seine eigene innere Sicherheit.

Während die CIA und ihre europäischen und arabischen Verbündeten die islamistische Opposition in Syrien bewaffnen, hat Russland eine Marineflotille vor die syrische Küste geschickt, obwohl auch Washington Kriegsschiffe ins östliche Mittelmeer geschickt hat, um Raketenangriffe auf Syrien vorzubereiten. Der Kreml hat Assad außerdem Teile für hochentwickelte S-300-Luftabwehrsysteme verkauft.

Gleichzeitig haben Vertreter Russlands mehrfach angedeutet, an einer Übereinkunft mit Washington interessiert zu sein. Am Mittwoch erklärte der russische Präsident Wladimir Putin, er schließe nicht aus, eine amerikanische Militäraktion gegen Syrien zu unterstützen, wenn die UN Beweise dafür vorlegen kann, dass Assads Truppen Chemiewaffen eingesetzt haben. Er bestätigte auch, dass er die Lieferung weiterer Teile von S-300 Raketen an Syrien eingestellt habe.

Am Donnerstag gaben Vertreter Russlands weitere versöhnliche Stellungnahmen ab, in denen sie behaupteten, die Verlegung von russischen Schiffen ins Mittelmeer diene hauptsächlich dazu, seine Bürger aus Syrien zu evakuieren. Diese Aussagen hielten Washington jedoch nicht davon ab, seine Kriegsvorbereitungen weiter voranzutreiben. Das Patt zwischen russischen und amerikanischen Schiffen im östlichen Mittelmeer geht weiter.

Vor mehreren Wochen hatte Obama Putin brüskiert, indem er ein geplantes G-20-Treffen zwischen den beiden absagte. Der angebliche Grund für den diplomatische Affront war Russlands Entscheidung, dem NSA-Whistleblower Edward Snowden befristetes Asyl zu gewähren. Die Spannungen wegen Snowden wurden jetzt durch Washingtons Vorbereitungen für einen unprovozierten Angriffskrieg gegen Russlands Verbündeten Syrien ergänzt.

US-Außenminister John Kerry erklärte am Mittwoch vor dem Kongress, es sei "faktisch unkorrekt", die syrische Opposition als von Al Qaida dominiert darzustellen. Bei dieser Einschätzung ignorierte Kerry die offiziellen Ermittlungen der USA, dass mit Al Qaida verbündete Milizen hunderte von Terroranschlägen in Syrien verübt haben.

Putin erklärte: "Wir sprechen mit Vertretern der USA, und wir nehmen an, dass sie anständige Leute sind, aber er lügt und er weiß, dass er lügt. Das ist traurig."

Diese zunehmenden diplomatischen und militärischen Spannungen zeigen die Unfähigkeit aller Regierungen, die Entwicklung zum Krieg aufzuhalten. Dies ist nur auf Grundlage der Mobilisierung der Arbeiterklasse im Kampf gegen den Kapitalismus möglich. Vor sechs Jahren sagte Putin über die Drohungen der Bush-Regierung, einen Krieg gegen den Iran zu beginnen, ein solcher Konflikt werde zu einem Dritten Weltkrieg führen. Heute erwächst aus den Kriegsvorbereitungen gegen Syrien genau die gleiche Gefahr eines derartigen Konfliktes.

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Quelle:
World Socialist Web Site, 07.09.2013
G-20-Gipfel dominiert vom Krieg in Syrien und der Gefahr eines globalen Konfliktes
http://www.wsws.org/de/articles/2013/09/07/syri-s07.html
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veröffentlicht im Schattenblick zum 10. September 2013