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GLEICHHEIT/4365: P+S-Werften vor der Insolvenz


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Herausgegeben vom Internationalen Komitee der Vierten Internationale

P+S-Werften vor der Insolvenz

Von Elisabeth Zimmermann
28. August 2012



Die P+S-Werften in Mecklenburg-Vorpommern mit knapp 2.000 Arbeitsplätzen stehen vor dem Aus. Das Unternehmen muss spätestens Ende Monat, wenn die Augustlöhne fällig sind, Insolvenz anmelden, falls es der Geschäftsführung vorher nicht überraschend gelingt, mit Kunden und Lieferanten zu einer Vereinbarung zu kommen.

Die P+S-Werften bestehen aus der Volkswerft in Stralsund mit 1.150 Arbeitsplätzen und der Peene-Werft in Wolgast mit etwa 600 Arbeitsplätzen. Sie gehören zu den wichtigsten Arbeitgebern in der strukturschwachen Region. Stellen sie die Produktion ein, sind über 3.000 weitere Arbeitsplätze in der Zulieferindustrie, bei Leiharbeitern und Servicekräften bedroht.

Der Grund für die drohende Insolvenz sind nicht mangelnde Aufträge, sondern Finanzierungsprobleme. Die mecklenburg-vorpommersche Landesregierung, eine Koalition aus SPD und CDU, hat die staatlichen Finanzhilfen für die Werftengruppe eingestellt, nachdem sich herausgestellt hat, dass der vereinbarte Kreditrahmen nicht ausreicht, um laufende Aufträge fertig zu stellen.

In den Auftragsbüchern steht der Bau von Spezialschiffen mit einem Gesamtvolumen von mehr als einer Milliarde Euro. Beide Werften wären damit bis Mitte 2013 voll ausgelastet. Aufgrund der Umstellung des Baus von Container- auf Spezialschiffe sowie anhaltender Finanzierungsschwierigkeiten und ständigen Umstrukturierungen konnten die Liefertermine für neue Schiffe aber nicht eingehalten werden.

In Stralsund ist seit April 2011 kein neues Schiff vom Stapel gelaufen. Zwei Fährschiffe für die Reederei Scandlines sollten bereits vor Monaten ausgeliefert werden, ohne dass bisher ein endgültiger Termin feststeht. Ebenfalls im Auftragsbestand sind zwei Spezialfrachter für Militärtransporte für das dänische Unternehmen DFDS sowie fünf eisgängige Frachter für das grönländische Unternehmen RAL.

Noch im Juni hatten Land und Bund den P+S-Werften Bürgschaften über 152 Millionen Euro zugesagt, um die Zeit bis zur Auslieferung der im Bau befindlichen Schiffe zu überbrücken. 70 Millionen davon sind bisher ausbezahlt worden. Die Auszahlung der restlichen Summe hat die Landesregierung gestoppt, nachdem der neue Geschäftsführer der Werften, Rüdiger Fuchs, zum Schluss gekommen war, sie reiche nicht aus, um die Zahlungsunfähigkeit zu verhindern. Laut Ministerpräsident Erwin Sellering ist eine Erhöhung der von der EU genehmigten Bürgschaften nicht möglich.

Am 21. August informierte die Geschäftsführung die Belegschaft über die drohende Zahlungsunfähigkeit und den möglichen Verlust ihrer Arbeitsplätze. Zu der Versammlung erschien neben Ministerpräsident Sellering (SPD) und Wirtschaftsminister Harry Glawe (CDU) auch Bundeskanzlerin Angela Merkel, in deren Wahlkreis Stralsund liegt. Merkel teilte den versammelten Arbeitern allerdings nur mit, dass von Bundes- und Landesregierung keine weiteren Finanzhilfen zu erwarten seien: "Wir haben der Werft geholfen - der staatliche Rahmen ist ausgeschöpft."

Ursprünglich war bereits am Mittwoch letzter Woche ein Insolvenz-Antrag erwartet worden. Geschäftsführer Rüdiger Fuchs, der erst Anfang August die Nachfolge von Dieter Brammertz angetreten hatte, wollte zunächst aber noch versuchen, finanzielle Hilfen von den derzeitigen Auftraggebern der Werften zu erhalten, um den Liquiditätsengpass zu überbrücken. Fuchs hatte sich vorher als Sanierer bei Airbus einen Namen gemacht, nachdem es zu Problemen bei dem Großraumflugzeug A380 gekommen war.

Sollte es zur Insolvenz kommen, plant Fuchs, die Peene-Werft in Wolgast an einen Investor zu verkaufen. Das Unternehmen sei dafür gerüstet, während die Volkswerft in Stralsund nach Fuchs' Worten erst noch "in einen leistbaren Takt" gebracht werden muss, um zum Spezialschiffbauer zu werden.

Das ist ein unmissverständlicher Hinweis, dass der Belegschaft im Rahmen eines Insolvenzverfahrens eine neue Runde des Lohn- und Arbeitsplatzabbaus droht. Sie hatte in den vergangenen Jahren bereits zahlreiche Oper zur Rettung der beiden Werften erbracht, ohne dass die Arbeitsplätze deshalb sicherer wurden.

Die P+S-Werften sind erst im Juni 2010 durch eine Fusion der Volkswerft Stralsund und der Peenewerft Wolgast, die vorher zur Hegemann-Werftengruppe gehörten, entstanden. Schon damals war die Gewerkschaft IG Metall "den Weg der Sanierung und Konsolidierung trotz unvermeidbaren Verlusten an Arbeitsplätzen konstruktiv mitgegangen", wie der damalige Geschäftsführer Dieter Brammerts in einer Pressemitteilung anerkennend feststellte.

Im Juni dieses Jahres wurde den Werftarbeitern dann als Gegenleistung für die Landes- und Bundesbürgschaft ein weiterer "Rettungsbeitrag" von 68 Millionen Euro abgetrotzt. Nachdem Ministerpräsident Sellering verlangt hatte, dass die Werftarbeiter für 50 bis 80 Millionen Euro aufkommen, bot der IG Metall-Bevollmächtigte von Vorpommern, Guido Fröschke, den Verzicht auf Urlaubs- und Weihnachtsgeld in den kommenden drei Jahren und auf die Bezahlung von je 120 bis 150 Überstunden an.

Auch jetzt stehen IG Metall und Betriebsrat wieder voll hinter der Geschäftsführung. Der IG-Metall-Bevollmächtigte Fröschke setzt darauf, dass es dem Insolvenzverwalter gelingt, neue Investoren für die zwei traditionsreichen Werften zu finden, und bietet ihm die Unterstützung der Gewerkschaft an. "Der Insolvenzverwalter muss ein tragfähiges Fortführungskonzept erstellen", heißt es in einer Pressemitteilung der IG Metall vom 21. August.

Die Werftarbeiter in Mecklenburg-Vorpommern haben in den letzten zwanzig Jahren einen nicht endenden Niedergang erlebt. Zu DDR-Zeiten arbeiteten bis zu 52.000 Leute im Schiffbau an der Ostseeküste. Die Werften galten als hochmodern. Während auf westdeutschen Werften die Arbeit bei jedem Wetter im Freien stattfand, wurden hier Frachter und Fischtrawler für den Export witterungsgeschützt in großen Montagehallen zusammengeschweißt.

Mit der Wende begann der Niedergang. Mit der Einführung der DM brachen die osteuropäischen Exportmärkte weg. Die Treuhand verkaufte die Werften an teilweise windige Geschäftsleute. Heute sind im ostdeutschen Schiffbau nur noch 4.000 Arbeitsplätze übrig - und der Abbau geht weiter.

Während die Regierung die Banken mit hunderten Milliarden Euros vor dem Zusammenbruch rettet, ist für die Rettung von Arbeitsplätzen kein Geld da, und sei es nur dafür, einen finanziellen Engpass zu überbrücken. Stattdessen wird die drohende Insolvenz der P+S-Werften genutzt, um weitere Arbeitsplätze zu zerstören und den Arbeitern weitere Zugeständnisse abzupressen.

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Quelle:
World Socialist Web Site, 28.08.2012
P+S-Werften vor der Insolvenz
http://www.wsws.org/de/2012/aug2012/werf-a28.shtml
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veröffentlicht im Schattenblick zum 30. August 2012