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GLEICHHEIT/4273: Im Konflikt Sudan-Südsudan ist kein Ende abzusehen


World Socialist Web Site
Herausgegeben vom Internationalen Komitee der Vierten Internationale

Im Konflikt Sudan-Südsudan ist kein Ende abzusehen

Von Jean Shaoul
27. Juni 2012



Am 7. Juni brachen der Sudan und der Südsudan ihre Gespräche in der äthiopischen Hauptstadt Addis Abbeba ergebnislos ab. In einem Konflikt, der die beiden Länder erneut an den Rand eines Krieges bringt, konnten sie in zehn Verhandlungstagen keine Lösung finden. Weder auf die Grenzen einer demilitarisierten Pufferzone, noch auf einen neuen Termin für weitere Gespräche konnten sie sich einigen.

Prinzipiell sind sich Khartum und Juba einig, dass ein weiteres Waffenstillstandsabkommen nötig sei, das eine Selbstverpflichtung zur Beendigung der Kämpfe und den Rückzug der Truppen vom Territorium des jeweils anderen beinhalten müsse. Sie sind im Prinzip auch bereit, die Unterstützung und den Schutz von Rebellen oder oppositioneller Kräften einzustellen. Bisher sind jedoch alle diese Abkommen, wie auch die Vereinbarung über die Demilitarisierung der Grenzgebiete, immer wieder gescheitert.

Khartum beschuldigt den Südsudan neuer Besitzansprüche auf Gebiete im Sudan, besonders auf die wichtigen Ölfelder von Heglig die seit langem umstritten sind. Die Regierung in Juba hat sie im vergangenen April vorübergehend besetzt und zerstört. Im Jahr 2009 hatte ein internationales Gerichtsurteil Heglig dem Sudan zugesprochen. Heglig ist die Lebensader, von der die Wirtschaft des Sudan abhängt. Diese ist trotz des zuletzt wachsenden Wohlstands im Sudan völlig vom Öl abhängig, und der größte Teil der Ölfelder liegt im Südsudan. Täglich fließen dreihunderttausend Barrel Öl aus dem Südsudan durch Khartums Pipeline in die Hafenstadt Port Sudan am Roten Meer.

Die Gespräche waren die ersten, seitdem die beiden Länder im vergangen April am Rand eines offenen Kriegs standen. Schon zuvor hatte es monatelange Scharmützel gegeben, nachdem Juba im Januar entschieden hatte, die Ölförderung einzustellen. Der Südsudan gewann bis dahin praktisch seine sämtlichen Einnahmen aus dem Öl, lag mit Khartum jedoch in ständigem Streit um die Nutzungskosten für dessen Pipeline. Auch soll der Sudan Rohöl im Wert von 815 Millionen US-Dollar abgezweigt haben.

Die Gespräche fanden unter der Schirmherrschaft von Thabo Mbeki statt, dem Führer des African Union High-Level Implementation Panel (AUHIP). Sie waren die Folge einer Resolution des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen, der beide Seiten aufforderte, ihre grenzüberschreitenden Angriffe zu beenden, zu Verhandlungen zurückzukehren und auf beiden Seiten den Zugang für humanitäre Hilfe für die betroffene Bevölkerung freizumachen.

Die UN-Resolution erwähnt auch den knapp ein Jahr dauernden, bewaffneten Konflikt zwischen der sudanesischen Regierung und Rebellen in den Bundesstaaten Süd-Kordofan und Blue Nile. Aus diesen Gebieten sind mehr als 140.000 Menschen geflohen. In der Resolution werden Sanktionen angedroht, was trotz Vorbehalten auch von Russland und China unterstützt wird.

Seit Ende der Kampfhandlungen im April hat der Sudan seine militärischen Flüge über den Südsudan fortgesetzt, und in Grenznähe gab es vereinzelt Artillerie- und Luftangriffe. Während sowohl Khartum als auch Juba ihre Streitkräfte aus Abyei zurückgezogen haben, behauptet der Südsudan, hundertfünfzig sudanesische Soldaten, die in Abyei ein Ölfeld bewacht hatten, seien vom Sudan einfach zu Polizisten erklärt worden.

Im Juli letzten Jahres erklärte der Südsudan seine Unabhängigkeit vom Sudan. Die Grundlage bildete das 2005 von Washington vermittelte Comprehensive Peace Agreement (CPA). Dieser Pakt beendete den 28-jährigen Bürgerkrieg, in dem zwei Millionen Menschen umgekommen waren, legte aber nicht fest, wie die Öl-Einnahmen zu teilen oder die Grenzen der beiden Staaten zu definieren seien. Er rief zu separaten - noch abzuhaltenden - Referenden in den Bundesstaaten Abyei und Kordofan auf, die über die Frage entscheiden sollten, zu welchem Land sie gehören wollten.

Mit Ausnahme der Elite ist die Bevölkerung beider Länder mit immer aussichtsloseren Bedingungen konfrontiert.

Im Sudan steigen die Preise. Das sudanesische Haushaltsdefizit von zwei Milliarden Dollar wird sich nächstes Jahr wegen der Abspaltung des Südsudans voraussichtlich auf vier Milliarden Dollar verdoppeln, weil der Südsudan die Ölproduktion eingestellt hat. Nach dem Besuch des iranischen Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad in Khartum im September letzten Jahres kann der Sudan auch nicht mehr auf westliche Kredite oder Gelder aus den Golfstaaten hoffen. Das Land kämpft gegen die Rebellenbewegung in den Bundesstaaten Süd-Kordofan und Blue Nile und gegen oppositionelle Kräfte in Darfur.

Im Südsudan stellt die UN Nahrungsmittelhilfe nur für 2,7 Millionen Menschen zur Verfügung. Hilfsorganisationen schätzen, dass sich die Hälfte der 8,7 Millionen Menschen des Landes in "unsicherer Ernährungslage" befindet, weil die Preise für Grundnahrungsmittel um bis zu zweihundert Prozent gestiegen sind. Die UNO schätzt, dass in diesem Jahr siebenhundertsechzig Millionen Dollar benötigt werden, um die humanitären Bedürfnisse decken zu können, während das Land nur ein Drittel dieser Summe erhalten hat. Die Situation wird immer ernster, weil 375.000 Südsudanesen in den Süden zurückkehren. Mehr als eine halbe Million Südsudanesen leben noch im Sudan.

Die herrschende Clique in Juba ist mit wachsender Unzufriedenheit, einer Rebellenbewegung und ethnischen Auseinandersetzungen konfrontiert.

Den Kern des Konflikts macht der Streit um die Öleinnahmen aus, womit der Sudan und der Südsudan sich im Zentrum des Konflikts zwischen den USA und China wiederfinden. Diese wetteifern, wer sich den größeren Einfluss auf die sudanesische/südsudanesische Wirtschaft und Öl-Ressourcen sichern könne.

Kurz nach der Abspaltung des Südsudans begann die Regierung in Peking, Juba zu umwerben. Zahlreiche chinesische Staatsbürger und Unternehmen strömten in das Land und meldeten ihr Interesse an Öl-, Infrastruktur- und anderen kommerziellen Verträgen an. Diese Entwicklung verstärkte sich noch, als Pekings fortgesetzte Unterstützung für das sudanesische Khartum die Regierung in Juba veranlasste, die Ölproduktion herunterzufahren und eine große chinesische Ölfirma des Landes zu verweisen. Peking schickte Gesandte, die sich mit Salva Kiir, Südsudans Präsidenten, treffen sollten. Im April machte Kiir seinen ersten Besuch als Präsident in Peking. China kündigte die Vergabe eines acht Milliarden-Kredits an, mit dem große Infrastrukturprojekte verwirklicht werden sollten.

Als die USA und ihre Verbündeten daraufhin den Südsudan und dessen Sezession unterstützten, geschah dies, um Chinas Einfluss zurückzudrängen und seine Öl-Verträge mit dem Sudan zu bedrohen. 2008 gründeten die USA das United States Africa Command (AFRICOM), das sie hofften, vom Südsudan aus befehligen zu können, und mit dem sie ihr Interventionspotential in Afrika erweitern wollten.

Weil das Gaddafi-Regime in Libyen, das eine wichtige Rolle in der Afrikanischen Union (AU) gespielt hatte, ja nun gestürzt ist, setzen die Westmächte stärker auf die AU, so wie sie es im Fall der Arabischen Liga in Libyen und nun in Syrien getan haben. So hat der Sicherheitsrat die AU mit der Vermittlung von Friedensgesprächen zwischen dem Sudan und Südsudan beauftragt.

Dabei will die Obama-Regierung die Kontrolle über die AU behalten: So hat sie Malawi gezwungen, seine Gastgeberrolle für den AU-Gipfel im Juli abzusagen, nachdem die AU auch Sudans Präsidenten Omar al-Bashir einladen wollte. Die USA drohten damit, dreihundertfünfzig Millionen Dollar an Hilfsgeldern für Malawi zurückzuhalten.

Washington verhängte in den frühen 1990er Jahren Wirtschaftssanktionen gegen den Sudan wegen seiner angeblichen Unterstützung des internationalen Terrorismus und sorgte im Jahr 2009 für Bashirs Anklage vor dem Internationalen Gerichtshof (ICC) unter dem Vorwurf von Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Völkermord im Zusammenhang mit dem Bürgerkrieg in Darfur. Die USA fordern nun, dass er verhaftet und zur Verhandlung in den Niederlande ausgeliefert wird. Die AU hat mehrere Resolutionen verabschiedet, in denen sie ihre Mitglieder auffordert, bei der Verhaftung Bashirs nicht mit dem ICC zusammenzuarbeiten.

Mit dem jüngsten Scheitern der Gespräche tritt der globale Kampf um die Vorherrschaft über den afrikanischen Kontinent und seine gewaltigen Energieressourcen in ein neues Kapitel ein.

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Quelle:
World Socialist Web Site, 27.06.2012
Im Konflikt Sudan-Südsudan ist kein Ende abzusehen
http://www.wsws.org/de/2012/jun2012/suda-j27.shtml
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veröffentlicht im Schattenblick zum 28. Juni 2012