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GLEICHHEIT/4021: China - Streikausbruch in der Provinz Sichuan


World Socialist Web Site
Herausgegeben vom Internationalen Komitee der Vierten Internationale

China:
Streikausbruch in der Provinz Sichuan

Von John Chan
10. Januar 2012


Tausende Arbeiter des staatseigenen Stahlkonzerns Pangang Group Steel & Vanadium (bekannt als Chengdu Stahl) traten am 4. Januar wegen ihrer niedrigen Löhne in Chengdu, der Hauptstadt der Provinz Sichuan, in den Streik.

Das in New York ansässige Menschenrechtsmagazin China Labour Watch sprach von zweitausend streikenden Arbeitern, aber andere Berichte schätzten, dass sich zehntausend Arbeiter am Streik beteiligten. Die Hongkonger Tageszeitung Mingpao Daily schrieb, dass eintausend Polizisten eingesetzt worden seien, um die Arbeiter von einem Marsch auf das Chengdu-Mianyang-Autobahnkreuz abzuhalten.

China Labour Watch berichtete weiter: "Die Konfrontation (zwischen Polizei und Arbeitern) legte den Verkehr lahm. Die Polizei vertrieb die Menge unter Einsatz von Pfefferspray. Mehrere Arbeiter wurden im darauffolgenden Handgemenge verletzt." Fünf Arbeiter wurden verhaftet, aber nach Intervention der Stahlfirma wieder freigelassen.

Nach online-Berichten von Zeugen hielten die Arbeiter Transparente mit den Aufschriften "Wir verlangen eine Lohnerhöhung" oder "Wir wollen überleben, wir verlangen etwas zu essen" hoch. Andere Losungen forderten den Konzern auf, die Gehälter des Managements offenzulegen.

Weiter stellte China Labour Watch fest: "Die Arbeiter sagen, dass sie für extrem niedrige Löhne sehr lange und sehr hart arbeiten, während ihre Manager sich den Profit davon einstecken." Den Arbeitern zufolge beträgt ihr Lohn nur 1200 Yuan (190 US-Dollar) im Monat oder 14.400 Yuan pro Jahr, während ihre Manager im Durchschnitt mehr als 100.000 Yuan pro Jahr verdienen. Der Mindestlohn für Arbeiter im Qingbaijiang-Distrikt der Provinz Chengdu betrug im vergangenen Jahr 850 Yuan.

Die Stahlarbeiter von Chengdu verlangten eine Lohnerhöhung um 400 Yuan pro Monat. Das Management bot nur 260 Yuan an. Die Streikenden klagten, dass ihre Löhne immer weiter hinter die ansteigenden Preise zurückfallen und dass ihre Arbeitsverträge ihnen keinerlei Sicherheiten bieten.

Dieser Streik war der zweite, der innerhalb von fünf Tagen im Qingbaijiang-Distrikt ausbrach. In dem staatseigenen Betrieb Sichuan Chemical Industry legten am 30. Dezember Tausende Beschäftigte die Arbeit nieder. Nach jahrelangen Verlusten hat Sichuan Chemical Industry die Löhne für vier Jahre auf einem Niveau von 1.000 Yuan pro Monat eingefroren. Das Management hatte geplant, Insolvenz anzumelden, um das Grundstück an Bauunternehmer zu verkaufen. Die Arbeiter reagierten, indem sie auf die Straßen strömten und die Firma zwangen, ihre Löhne um 400 Yuan zu erhöhen und ihnen eine Jahresendzahlung in Höhe von 3.000 Yuan zuzugestehen.

Berichten der Chengdu-Stahlarbeiter zufolge waren ihre Aktionen von denen der Chemiearbeiter inspiriert und sie verlangten dieselbe Jahresendzahlung. Chengdu Stahl ist mit mehr als 14000 Beschäftigten eine wichtige Tochtergesellschaft der Pangang Group Steel & Vanadium. Die Firma produziert nahtlose Stahlrohre, Draht- und Stangenmaterial und andere metallurgische Produkte, hauptsächlich zur industriellen Anwendung, die in mehr als fünfzig Ländern eingesetzt werden.

Als Teil der kapitalistischen Restauration in China sind die meisten der übriggebliebenen staatseigenen Unternehmen in börsennotierte Aktiengesellschaften umgewandelt worden. Pangang, der größte Stahlerzeuger in Westchina, ist dem größten Stahlkonzern des Landes, der Anshan Iron and Steel Group einverleibt worden - ein Teil von Beijings Strategie, die Schwerindustrie zu konsolidieren, um multinationale Konzerne zu schaffen.

Die Not der Chengdu-Stahlarbeiter ist typisch für all diejenigen, die früher in staatseigenen Stahlbetrieben beschäftigt waren. In einer umfassenden Privatisierungskampagne von 1998 bis 2002 verloren über 60 Millionen ihren Arbeitsplatz, wie auch den Anspruch auf soziale Unterstützung in den Bereichen Unterkunft und Gesundheitsversorgung. Für diejenigen, die ihren Arbeitsplatz behielten, unterscheiden sich die sozialen Bedingungen kaum von denen der schwerstausgebeuteten Wanderarbeiter vom Land.

Am selben Tag, an dem der Chegdu-Streik stattfand, stürmten Hunderte von Wanderarbeitern das Volksgericht im Bezirk Shuangliu in der Provinz Sichuan. Sie forderten vom Gericht, sich für die Auszahlung ausstehender Löhne durch ihren Arbeitsgeber einzusetzen. Statt den Arbeitern zu helfen, wurden hunderte Polizisten eingesetzt, die die Vertreter der Arbeiter ins Gericht schleppten und verprügelten. Die Brutalität löste Zusammenstöße mit der Polizei aus, bei denen zwei Arbeiter verletzt wurden.

Die wachsende Unruhe unter Arbeitern hat mit den zurückgehenden Exporten nach Europa und Amerika zu tun, zu denen große Probleme auf dem chinesischen Immobilienmarkt hinzukommen. Nach einer gewaltigen Expansion während des vergangenen Jahrzehnts wird Chinas Stahlproduktion 2012 nur um vier Prozent auf 700 Millionen Tonnen anwachsen. Das bedeute fallende Profite für Stahlkonzerne, warnte der Chef der chinesischen Stahl-und-Eisen-Vereinigung, Zhu Jimin, vergangenen Donnerstag.

"Die Unternehmen stehen vor größeren Risiken und leiden unter dem Druck einer Reihe von Faktoren, wie zum Beispiel steigende Kosten, sinkende Nachfrage und schwierige und teure Finanzierung", sagte Zhu. Er fügte hinzu, eine Reihe politischer Maßnahmen, die im vergangenen Jahr eingeführt worden seien, um den Immobiliensektor abzukühlen, hätte die Nachfrage nach Stahl gebremst. Außerdem habe die nachlassende Nachfrage aus anderen Bereichen der Produktion, dem Ausbau des Schienennetzes, dem Schiffbau und der Autoproduktion auch ihren Tribut gezollt.

Die Streiks in Sichuan im Südwesten Chinas zeigen, dass sich die Unruhen ausbreiten, die im vergangenen Monat mit Arbeitsniederlegungen in Exportstädten in Guangdong und anderen Küstenprovinzen angefangen haben und bei denen es um Lohnkürzungen, Arbeitsbedingungen und Jahresendzahlungen ging.

Die Behörden von Guangdong hatten ursprünglich geplant, eine vorgesehene zwanzigprozentige Erhöhung des Mindestlohnes auszusetzen. Aber der Druck der Proteste von Arbeitern und ländlichen Massen veranlasste die Regierung von Guangdong, ihre Meinung zu ändern. Die Schlüsselzentren der Produktion wie Schenzhen erhöhen den Mindestlohn um 15,9 Prozent auf 1500 Yuan. Andere Städte wie Beijing heben den Mindestlohn ab dem 1. Februar um 8,6 Prozent auf 1260 Yuan an.

Das chinesische Regime hat nur begrenzte Möglichkeiten, Zugeständnisse an die Arbeiterklasse zu machen, denn Industrien wie die Stahlindustrie arbeiten mit einer dünnen Profitmarge von nur etwa 2,5 Prozent.

Angesichts der düsteren weltwirtschaftlichen Aussichten für dieses Jahr widersetzten sich die Unternehmer strikt jeglicher Erhöhung der Mindestlöhne - für die meisten Arbeiter der gängige Grundlohn. Die Vizechef von Hong Kong Industries, Stanley Rau, sagte gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters, "jede Erhöhung werde sich als schwerer Schlag gegen die Industrie erweisen". Er sagte, man erwarte bei den Exportaufträgen für das erste Quartal von 2012 einen scharfen Rückgang.

Die Behörden von Sichuan hatten vor den jüngsten Streiks bereits eine 23prozentige Erhöhung der Mindestlöhne vom 1. Januar an angekündigt. Da viele Hersteller sich aus den traditionellen Niedriglohnzonen der Küstenregion wieder ins Inland zurückziehen, deuten die jüngsten Kämpfe in Sichuan an, dass die gesamte Arbeiterklasse in eine Konfrontation mit der Konzernelite und dem Regime in Beijing hineingezogen wird.


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Quelle:
World Socialist Web Site, 10.01.2012
China: Streikausbruch in der Provinz Sichuan
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veröffentlicht im Schattenblick zum 12. Januar 2012