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GLEICHHEIT/3637: Bahrainisches Militärgericht verurteilt vier Demonstranten zum Tode


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Herausgegeben vom Internationalen Komitee der Vierten Internationale

Bahrainisches Militärgericht verurteilt vier Demonstranten zum Tode

Von David Walsh
5. Mai 2011


Am 28. April 2011 verurteilte ein Gericht in Manama, der Hauptstadt Bahrains, vier junge Regimegegner zum Tode. Es war eine dreiste und abgekartete Gerichtsverhandlung, in deren Verlauf drei weitere Oppositionelle zu lebenslanger Haft verurteilt wurden. Die sieben schiitischen Muslime waren angeklagt, im letzten Monat während der Massenproteste in dem kleinen Inselstaat zwei Polizisten vorsätzlich ermordet zu haben.

Die zweiwöchige Verhandlung, die von Menschrechtsorganisationen einmütig verurteilt wurde, fand unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt, wobei den Angeklagten nur ein eingeschränkter Kontakt zu Anwälten, Verwandten und Unterstützern gewährt wurde. Einer der bekanntesten Verteidiger der Angeklagten, Mohammed Al Tajer, wurde während der jüngsten Massenverhaftung von Regimekritikern festgenommen.

Die ausländische Presse war von den Verhandlungen ausgeschlossen, und den bahrainischen Medien wurde verboten, darüber zu sprechen oder zu schreiben.

Die vier zum Tode Verurteilten, alles 20- oder 21-Jährige, heißen Reuters zufolge Ali Abdullah Hassan al-Sankis, Qassim Hassan Matar Ahmad, Saeed Abduljalil Saeed und Isa Abdullah Kadhim Ali.

Alle sieben Männer plädierten auf nicht schuldig. Kritiker des autokratischen, bahrainischen Regimes von König Hamad bin Isa Al Chalifa wiesen die "Geständnisse" der verurteilten Männer, die im bahrainischen Fernsehen übertragen wurden, zurück, da sie unter Folter erpresst worden seien. Oppositionspolitiker und Menschenrechtsaktivisten bestätigten diese Einschätzung.

Informationsminister Scheich Fawaz bin Mohammed Al Khalifa sagte den Medien, die Angeklagten hätten "gestanden, die Security-Männer mit der Absicht angegriffen zu haben, sie zu verletzen und umzubringen, um Leute zu terrorisieren und Rache zu nehmen". In einer offiziellen Regierungserklärung wurde behauptet, "der lange Arm des Gesetzes" werde alle erreichen, die "die Nation verraten und die Sicherheit untergraben". Die sieben wurden angeklagt, während der Märzproteste Polizisten mit einem Auto überfahren zu haben.

Die Schwester eines der verurteilten Männer, die verständlicherweise anonym bleiben wollte, erzählte dem Christian Science Monitor, ihr jüngerer Bruder sei ein friedlicher Demonstrant, dem man unter Folter ein gefälschtes Geständnis abgepresst habe.

"Sie sagte, er habe ihrer Familie in den wenigen Minuten, als sie ihn nach jeder Anhörung sehen durfte, erzählt, dass man ihm ständig die Augen verbinde, und dass er nicht wisse, wo er festgehalten werde. Er weigerte sich, mehr über seine Behandlung zu sagen, weil er nicht wollte, dass sie sich Sorgen machen, sagte die Schwester. Sie wollte anonym bleiben, um sich selbst und den Bruder zu schützen.

Nachdem er sein eigenes Todesurteil gehört habe, wollte er seiner Mutter sagen, sie solle sich keine Sorgen machen, da er Berufung einlegen werde. 'Aber meine Mutter weinte', sagte sie. 'Ich konnte nicht länger bleiben, weil ich nicht wollte, dass er mich weinen sieht. Ganz Bahrain weint'."

Ein anderer Verwandter eines Gefangenen erzählte der Zeitung National in Abu Dhabi: "Selbst die Anklagen sind in sich widersprüchlich." Diese Zeitung berichtete weiter, es gebe auch Unstimmigkeiten zwischen den Aussagen der Staatsanwaltschaft und den Berichten der Gerichtsmedizin, die zum Todeszeitpunkt der Polizisten herausgegeben wurden.

Am Freitag protestierten Tausende Bahrainer vor einer schiitischen Moschee und prangerten die Brutalität der Regierung an. Moussa, ein Demonstrant, erzählte der Nachrichtenagentur Reuters: "Es ist nicht wahr, dass sie sie getötet haben. Die Regierung hat das frei erfunden, fast wie im Film." Er bezog sich auf einen Videofilm, den bahrainsche Politiker verbreiten, und der zeigen soll, wie zwei Polizisten von einem Fahrzeug überrollt werden, das aus einem Pulk von Demonstranten heranrast.

Nabeel Rajab, Leiter des bahrainischen Center for Human Rights, zufolge waren die sieben Schiiten "Aktivisten in ihren Dörfern, und wir denken, dass sie wegen ihres Engagements ins Visier genommen wurden. Das wird die Kluft zwischen der herrschenden Elite und der Bevölkerung noch mehr vertiefen."

Ein Todesurteil ist in Bahrain sehr ungewöhnlich. Mit dem Urteil vom Donnerstag ist es angeblich in dreißig Jahren nur dreimal vorgekommen, dass die Behörden ein solches Urteil gefällt haben. Nur eine Hinrichtung hat in dieser Zeit tatsächlich stattgefunden.

Die Tatverdächtigen im aktuellen Fall, einem schlimmen Präzedenzfall, waren die ersten Zivilisten, die vor ein bahrainisches Militärgericht kamen, das als Lower Security Court bekannt ist. Das Regime hat weitere Verfahren und Urteile angekündigt, die man nur als Racheakte verstehen kann.

Der Chef der Regierungsbehörde für Öffentlichkeitsarbeit sagte gegenüber den Medien, Hunderte von Fällen, in denen Demonstranten betroffen sind, seien an die Gerichte übertragen worden. Er erklärte, in Kürze werde gegen dreiundzwanzig Ärzte und Krankenschwestern Anklage erhoben. Der Monitor berichtet: "Bedienstete aus dem Gesundheitswesen, insbesondere jene, die verletzte Demonstranten versorgt haben, sind bei dem hartem Durchgreifen der Regierung ins Visier geraten."

Die Regierung von Bahrain behauptet, sie habe unter dem am 15. März ausgerufenen Notstand das Recht, auf Militärgerichte zurückzugreifen. An diesem Tag gingen die Behörden brutal gegen Demonstrationen auf dem Pearl Square in Manama vor. 2000 Soldaten aus dem benachbarten Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten halfen ihnen, die Demonstration brutal aufzulösen.

Das Al Chalifa Regime hat mehr als achthundert Menschen festgenommen, seit es Mitte März seine brutale Repression startete. Weitere zweihundert Personen sollen vermisst werden. Mindestens vier Häftlingen sind im Gefängnis gestorben. Auf ihren Leichen fanden sich Spuren von Misshandlungen und offensichtlicher Folter.

Die gewaltsame Repression ist die Reaktion des Staates auf massive Proteste der Bevölkerung. Deren Forderungen nach elementaren demokratischen Grundrechten paaren sich mit der Wut über üble wirtschaftliche Missstände. Obwohl Schiiten und Sunniten gemeinsam protestierten, stellte das bahrainische Regime die Aufstandsbewegung als eine religiöse Verschwörung der Schiiten dar, die vom Iran und der Hisbollah gesteuert worden sei. Schiitische Muslime machen siebzig Prozent der bahrainischen Bevölkerung aus, sie sind aber weitgehend von Regierungspositionen ausgeschlossen. Die Al Chalifa Clan dominiert die Regierung.

Die jüngsten Unterdrückungsmaßnahmen richten sich in erster Linie gegen schiitische Organisationen und Demonstranten. Schiitische Moscheen (allein zehn in der Gemeinde Nuwaidrat) und Schreine wurden von Sicherheitskräften abgerissen. Unter den Polizisten sollen Saudis und Jordanier gewesen sein. Immer wieder hört man von Schlägen und der Misshandlung schiitischer Zivilisten, auch an den militärischen Checkpoints.

Eine bahrainische Frau erzählte der Agence France-Press: "Sie wurde zusammen mit anderen schiitischen Kollegen von ihrem Arbeitsplatz verschleppt. Während der Busfahrt zur Polizeiwache schlugen ihnen Polizistinnen ins Gesicht und zwangen sie, pro-monarchische Parolen zu singen." Die Frau berichtete, später habe man ihr mit Vergewaltigung gedroht, wenn sie nicht gestehe, dass sie an den Protesten teilgenommen habe.

Die Frau sagte AFP weiter: "Sie sei mit mehreren Ärzten, Krankenschwestern und Lehrern in einer Zelle gewesen. Sie sagte, als sie freigelassen wurde, habe sie gesehen, wie junge Studentinnen in eine Polizeiwache geschleppt und von Polizistinnen gnadenlos geschlagen wurden.

'In der Polizeiwache setzten sie uns der psychologischen Folter aus, dass sie eine Tür zur Männerabteilung öffneten, so dass wir sehen konnten, wie die Männer geschlagen wurden. Wir hörten, wie sie unter Folter schrien', sagte sie."

Rajab vom bahrainischen Center for Human Rights bezeichnete die Verhaftung von einundsiebzig Frauen während der jüngsten Unruhen als "ein neues Phänomen" in der Geschichte des Landes.

Regimekritikern zufolge wurden außerdem bis zu tausend schiitische Beschäftigte im öffentlichen Dienst willkürlich entlassen, darunter viele Mitarbeiter aus dem Gesundheitswesen. Al Dschasira fügt hinzu: "Sogar Profisportler gerieten ins Visier. Ein Untersuchungsausschuss suspendierte hundertfünfzig Spieler, Trainer und Angestellte wegen ihrer angeblichen Beteiligung an den Protesten."

Das korrupte Al Chalifa Regime ist ein treuer Vasall Washingtons, und Bahrain ist der Heimathafen der fünften Flotte der amerikanischen Marine. Die derzeitige Welle von Massenverhaftungen, Folter und jetzt der Scheingerichtsverhandlungen im Militärstil veranlasst die Obama-Regierung nicht dazu, ihre Unterstützung des bahrainischen Regimes einzustellen.

In einer Erklärung zu den Todesurteilen, die per E-Mail veröffentlicht wurde, und die Reuters als "ungewöhnlich milden Tadel" des bahrainischen Regimes bezeichnet, schrieb die Sprecherin des US State Department, Heide Bronke-Fulton: "Die Sicherheitsmaßnahmen werden die Herausforderungen, mit denen Bahrain konfrontiert ist, nicht lösen." Sie fügte hinzu: "Wir sind extrem besorgt über Berichte von anhaltenden Menschenrechtsverletzungen und Verletzungen der medizinischen Neutralität in Bahrain. Diese Aktionen verschärfen nur die Spannungen in der bahrainischen Gesellschaft." Ein solcher "Tadel" bedeutet praktisch, dass die USA grünes Licht für die Fortsetzung der Unterdrückungsmaßnahmen geben.

Die Los Angeles Times kommentierte am Donnerstag, "Der Prozess ist ein Markenzeichen für jene Art undurchsichtiger Scheingerichte, wie sie eher in trostlosen Diktaturen wie dem Iran, Myanmar oder Syrien, als in einem Land vorkommen, das eng mit Washington befreundet ist und die fünfte Flotte der amerikanischen Marine beherbergt."

Ganz im Gegenteil: Die Geschichte des US-Imperialismus in dieser Region ist die Geschichte der Ausplünderung ihrer Ressourcen, der Unterstützung von Diktaturen, brutaler militärischer Interventionen und ganz allgemein der Hilfestellung bei der Unterdrückung der breiten Massen der Bevölkerung.


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Quelle:
World Socialist Web Site, 05.05.2011
Bahrainisches Militärgericht verurteilt vier Demonstranten zum Tode
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veröffentlicht im Schattenblick zum 6. Mai 2011