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GLEICHHEIT/3579: Obamas Lateinamerika Reise dient der Verteidigung der US-Interessen


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Herausgegeben vom Internationalen Komitee der Vierten Internationale

Obamas Lateinamerika Reise dient der Verteidigung der US-Interessen

Von Bill Van Auken
26. März 2011


Die Tatsache, dass Präsident Barack Obama während der Vorbereitungen der USA und ihrer Verbündeten auf den Krieg gegen Libyen eine Reise durch Lateinamerika antrat, hat scharfe Kritik von einigen seiner Widersacher in Washington auf sich gezogen. In Wirklichkeit allerdings verfolgen die Reise und der Krieg die gleichen Interessen: Öl und die imperialistischen Interessen der USA.

Obamas fünftägige Reise führte ihn in drei Länder - Brasilien, Chile und El Salvador. Seit seiner Wahl im Jahr 2008 war das die erste Reise nach Lateinamerika. Es ist auch das erste Mal, dass sich das regierungsamtliche Interesse seit dem Amerika-Gipfel in Trinidad im April 2009 auf diese Region richtet, an dem Obama als neuer Präsident teilnahm. Er war als neues Gesicht dorthin gefahren, um die gleichen strategischen Interessen in der Region zu verfolgen, wie sie auch sein Vorgänger George W. Bush vertreten hatte.

Es geht zum größten Teil um die Errichtung von Freihandelszonen und Richtlinien für den "freien Markt", durch die Schranken für ausländisches Kapital eingerissen und Finanzmärkte dereguliert werden sollen. Im Interesse der Banken und Konzerne soll privatisiert werden, was an staatlichen Unternehmen noch übrig ist. Gleichzeitig geht es um die Förderung des zweifachen Krieges gegen Drogen und Terrorismus, der nichts anderes bedeutet, als die militärische und politische Vorherrschaft der USA in dieser Hemisphäre durchzusetzen.

Obwohl Obama sein Engagement für den Multilateralismus und seine Überzeugung verkündet hatte, dass alle Länder der Region gleich behandelt werden sollten, ist zwei Jahre später mehr als klar, dass seine Regierung für Kontinuität anstatt für Veränderung steht. Seitdem haben die USA den blutigen Putsch in Honduras unterstützt, die aus Zeiten des Kalten Krieges stammende Blockade gegen Kuba fortgesetzt und die Angriffe auf illegal eingewanderte Lateinamerikaner verschärft und sie vermehrt deportiert.

Brasiliens Ex-Präsident Luiz Inacio Lula da Silva, der Ex-Gewerkschaftsführer, der zum konkurrenzlosen Helden des brasilianischen und ausländischen Kapitals wurde, hatte anfangs Obamas Aufstieg gefeiert. Zum Ende seiner Präsidentschaft jedoch erklärte Lula "es hat sich nichts geändert" und warf Obama vor, er verhalte sich, als sei er der Führer eines "Imperiums". Seine Ressentiments drückten aber nicht den Hass der Arbeiterklasse auf den Imperialismus und die Ausbeutung durch die transnationalen Konzerne aus, sondern die Frustration der brasilianischen Bourgeoisie mit der amerikanischen Politik, die mit ihren eigenen Profitinteressen kollidiert.

Nun reist Obama erstmals nach Brasilien, um dort Lulas Nachfolgerin Dilma Rousseff zu treffen, die seit ihrem Amtsantritt im Januar signalisiert hat, dass ihre Regierung einen engeren Anschluss an Washington sucht, weil sie sogar noch sklavischer den Vorgaben der Wall Street und der herrschende Elite Brasiliens gehorcht.

Dilma, wie die neue Präsidentin in Brasilien allgemein genannt wird, hat angedeutet, dass sie bereit ist, Brasiliens Standpunkt gegenüber dem Iran, der zu ständigen Spannungen mit Washington führt, zu ändern. Außerdem hat sie Außenminister Celso Amorim ersetzt, dem unterstellt wird, die Sanktionen gegen das iranische Nuklearprogramm nicht verschärfen zu wollen. An seiner Stelle wurde Antonio Patriota berufen, der ehemalige Botschafter in Washington, der mit einer in den USA geborenen Beamtin der UN verheiratet ist.

An der wirtschaftlichen Front lehnte sie Forderungen der brasilianischen Gewerkschaften nach einer deutlichen Erhöhung der Mindestlöhne ab und setzte stattdessen eine Lohnerhöhung durch, die für die ärmsten Schichten der Arbeiterklasse hinter der Inflationsrate zurückbleibt. Und in den ersten Tagen nach ihrem Amtsantritt verkündete sie Haushaltseinsparungen in Höhe von dreißig Milliarden Dollar.

Obama hat seine Reise nach Brasilien, das sich rühmt, die weltweit siebtgrößte Volkswirtschaft zu sein, als Gelegenheit für neue Handelsabkommen begrüßt. Die sollen in den USA angeblich Arbeitsplätze im Exportsektor schaffen. Wie sein stellvertretender nationaler Sicherheitsberater für internationale Wirtschaftsfragen Michael Froman es ausdrückte: "Diese Reise ist von grundlegender Bedeutung für die Erholung in den Vereinigten Staaten, die US-Exporte und die wichtige Rolle, die Lateinamerika für unsere wirtschaftliche Zukunft und für Arbeitsplätze hier in den Vereinigten Staaten spielt."

Am ersten Tag in Brasilia haben Obama und Rousseff gemeinsam ein Treffen von fast dreihundert amerikanischen und brasilianischen Führungskräften geleitet. Unter denen, die den US Präsidenten begleiten, ist der CEO von Boeing, der darauf hofft, dass das Unternehmen unter Rousseff einen Auftrag für den Bau neuer brasilianischer Kampflugzeuge im Wert von sechs Milliarden Dollar erhalten könnte. Unter der Lula-Regierung sah es so aus, als wolle sie den Auftrag an den französischen Rivalen Boeings, Rafale, vergeben.

Ganz oben auf Obamas Agenda steht auch das Öl. Die amerikanischen Ölkonzerne sind fest entschlossen, Hauptnutznießer der Entdeckung von großen Ölvorkommen vor der südlichen Atlantikküste Brasiliens zu werden. Petrobras, Brasiliens staatlich kontrollierter Energiekonzern, liefert derzeit bis zu sechzig Prozent seiner Exporte auf den US-Markt.

Washington hat nicht nur das Ziel, die neu entdeckten Reserven dem strategischen Energiebedarf der USA zuzuführen, sondern auch, die amerikanischen Ölkonzerne direkt an der profitträchtigsten Phase ihrer Ausbeutung zu beteiligen.

Auf früheren Treffen mit Finanzminister Timothy Geithner und einer Delegation des US-Senats hatte Rousseff darauf hingewiesen, dass sie bereit sei, solche Angebote zu diskutieren. Unter Bedingungen sozialer und politischer Aufstände im Nahen Osten ist der sichere Zugangs zu Brasiliens Reserven, die voraussichtlich die zehntgrößten der Welt sein werden, umso wichtiger geworden.

Während Washington auf Zugeständnisse drängt, ist die brasilianische Agrarindustrie auf ihren eigenen Vorteil bedacht. US-Handelszölle, die einen Zuschlag von vierundfünfzig Cent pro Gallone Ethanol erheben, haben vielen brasilianischen Produkten praktisch den Zugang zu den amerikanischen Märkten versperrt. Für die Reise war kein größeres Handelsabkommen zur Unterzeichnung vorgesehen. Und die Obama-Administration wird die mächtige US-Agrarlobby kaum gegen sich aufbringen wollen, indem sie die Zollschranken niederreißt.

Zu den anderen Fragen, die in Brasilien zweifellos hinter verschlossenen Türen erörtert wurden, gehört die Fortsetzung der Rolle Brasiliens als Erfüllungsgehilfe des Pentagons bei der imperialistischen Besetzung Haitis. Die brasilianische Armee übernahm das Kommando bei der "Stabilisierungsmission" der Vereinten Nationen in Haiti im Jahr 2004, nur wenige Monate nachdem die USA einen Putsch gegen den gewählten Präsidenten des Landes, Jean-Bertrand Aristide, inszeniert hatten und schickte seine Marine nach Haiti. Seitdem wurden brasilianische Truppen eingesetzt, um Streiks und Demonstrationen der verarmten haitianischen Arbeiterklasse gegen die Regierung zu unterdrücken.

Am Vorabend von Obamas Abreise sah sich der für Lateinamerika zuständige Spitzenbeamte des Außenministeriums, Arturo Valenzuela, während einer Pressekonferenz genötigt, das Offensichtliche zu leugnen: Dass eines der Hauptziele der Obama-Tour darin besteht, dem wachsenden Einfluss Chinas in der Region entgegenzuwirken. "Wir alle profitieren vom internationalen Handel", sagte er. "Wir leben in einer globalisierten Welt."

Obama hatte am letzten Freitag in USA Today einen Kommentar über sein angebliches Engagement für Arbeitsplätze in einer "erbittert gegeneinander kämpfenden Welt" geschrieben. Dabei dachte er bezüglich Lateinamerika an den Konkurrenzkampf mit China.

In Brasilien hat China die USA als den größten Handelspartner im Jahr 2008 überholt. 2010 belief sich der gesamte Handel zwischen Brasilien und China auf 56 Milliarden Dollar im Gegensatz zu 47 Mrd. Dollar zwischen Brasilien und den USA. China tätigt auch die meisten ausländischen Direktinvestitionen in Brasilien und investierte im letzten Jahr um die fünfzehn Milliarden Dollar in verschiedene Projekte. Brasilianische Importe aus China sind seit 2005 um fünfhundert Prozent gestiegen.

China ist inzwischen auch der wichtigste Handelspartner Chiles, dem zweiten Ziel auf Obamas Lateinamerika Reise.

Während Washington noch Zugang zum brasilianischen Öl sucht, hat ihn China schon. Wie BusinessWeek berichtet, "gab China Petroleum & Chemical letzten Monat bekannt, dass man auf die Förderrechte biete und dass man bereits eine vierzigprozentige Beteiligung an dem brasilianischen Ableger von Repsol YPF, einem spanischen Energieunternehmen übernommen hat."

Neben der Tatsache, dass China sich zum größten Abnehmer lateinamerikanischer Rohstoffe - angefangen bei Soja, über Kupfer bis zum Eisenerz - entwickelt hat, hat es auch massiv in Infrastrukturprojekte investiert mit der Absicht, besseren Zugang zu den Reichtümern der Region zu erhalten. Dazu gehört als potenzielle Konkurrenz zum Panamakanal eine neue Zugverbindung von der Atlantik- zur Pazifikküste Kolumbiens. China ist auch zu einem wichtigen Financier der lateinamerikanischen Regierungen geworden, der eine weniger belastende Alternative bietet, als der US-dominierte Internationale Währungsfond und die Weltbank, die bisher die nahezu unbestrittene Herrschaft in der Region inne hatten.

Obama und amerikanische Regierungsvertreter versuchen, dieser großen Herausforderung in einer Region entgegenzuwirken, die der Yankee-Imperialismus lange als seinen ureigensten "Hinterhof" betrachtete. Teilweise versuchten sie deshalb, bei der herrschenden Elite Brasiliens Stimmung gegen die Unterbewertung des chinesischen Yuan zu machen, da diese chinesische Waren auf den lateinamerikanischen Märkten konkurrenzfähiger macht. Einerseits gibt es solche Ressentiments, auf der anderen Seite werden sie wieder ausgeglichen durch die Verärgerung der brasilianischen Kapitalisten über die lockere Geldpolitik der US-Notenbank, die für die Überbewertung des brasilianischen Reals verantwortlich gemacht wird.

Am Vorabend von Obamas Abreise kündigte die amerikanische Botschaft in Brasilien ohne jede Erklärung an, dass sich die Pläne des Präsidenten, am Sonntag vor einem Massenpublikum in Cinelandia, einem zentralen Platz in Rio de Janeiro, eine Rede zu halten, geändert hätten. Stattdessen wurde sie ins Stadttheater verlegt.

Die Bekanntgabe erfolgte im Vorfeld der zu erwartenden Demonstrationen der brasilianischen Gewerkschaften und linker Organisationen, die Obama "zur unerwünschten Person" erklärt hatten. In Rio lief daraufhin ein massives Sicherheitsprogramm an. 45 Straßen im Zentrum der Stadt wurden für den Verkehr gesperrt und mit Wärmebildkameras und Nachtsichtgeräten von Hubschraubern aus überwacht, die ihre Bilder an eine zentrales polizeilich-militärisches Kommando weiterleiten.


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Quelle:
World Socialist Web Site, 26.03.2011
Obamas Lateinamerika Reise dient der Verteidigung der US-Interessen
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veröffentlicht im Schattenblick zum 29. März 2011