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GLEICHHEIT/3476: Mehr Beweise für amerikanische Kriegsverbrechen


World Socialist Web Site
Herausgegeben vom Internationalen Komitee der Vierten Internationale

Mehr Beweise für amerikanische Kriegsverbrechen

Von Patrick Martin
26. Januar 2011


Die Bürgerrechtsorganisation American Civil Liberties Union (ACLU) hat militärische Dokumente offengelegt, die neue wichtige Beweise für amerikanische Kriegsverbrechen liefern. Zuvor musste die Organisation erst einen langwierigen Rechtsstreit aufgrund des Gesetzes über Informationsfreiheit bestehen. Die Dokumente beinhalten Autopsieberichte und Untersuchungsberichte über den Tod von 190 Gefangenen des amerikanischen Militärs in Guantánamo Bay auf Kuba, im Irak und in Afghanistan.

Die mehr als 2600 Seiten an Dokumenten wurden der ACLU am 14. Januar übergeben und fünf Tage später auf ihrer Webseite veröffentlicht.

In einer Erklärung der ACLU heißt es, dass es sich bei 25 bis dreißig Fällen um "ungerechtfertigte Tötungen" handle. Selbst Untersuchungsbeamte des Militärs stuften viele dieser Todesfälle als Morde ein. Es kam aber nur zu sehr wenigen Verfahren gegen beteiligte Soldaten, und noch weniger wurden verurteilt.

In der ACLU-Erklärung heißt es: "Bisher werfen die von der Regierung herausgegebenen Dokumente mehr Fragen auf, als sie beantworten. Aber sie bestätigen schon eine beunruhigende Tatsache: Kein höherer Offizier oder Beamter ist bisher für die zahlreichen Misshandlungen von Gefangenen zur Verantwortung gezogen worden. Ohne wirkliche Schuldzuweisung für diese Misshandlungen riskieren wir weitere Fälle in der Zukunft."

Bei einigen Todesfällen handelt es sich um bekannte Gräueltaten amerikanischer Soldaten, wie die Erschießung von vier Gefangenen 2007 in Bagdad, deren Leichen anschließend in einen Kanal geworfen wurden. Andere Fälle waren bisher nicht bekannt, oder es wurde kaum darüber berichtet.

Die Autopsieberichte sind eine grausige Lektüre. Ein Dokument gibt einen detaillierten Bericht über den Tod von Abid Mowhosh, einen Gefangenen in Abu Ghraib, der 2003 in dem berüchtigten Gefängnis vor den Toren Bagdads zu Tode geprügelt wurde. In diesem Gefängnis gab es die größte Anzahl an Toten.

Der Autopsiebericht kommt zum Schluss: "Dieser 56-jährige, irakische Gefangene starb an Atemnot und starkem Druck auf die Brust. Deutliche Ergebnisse der Autopsie waren Rippenfrakturen und zahllose Prellungen und Quetschungen am ganzen Körper, von denen einige mit einem stumpfen Gegenstand beigebracht wurden..."

Ein anderer Autopsiebericht beschreibt die Ermordung von Farhad Mohamed nach einer militärischen Razzia 2004 in Mosul: "Der ungefähr 27-jährige männliche Zivilist ist vermutlich irakischer Nationalität. Er starb in amerikanischem Gewahrsam ungefähr 72 Stunden nach seiner Ergreifung. Dem Einsatzbericht zufolge war bei der Festnahme physische Gewalt vonnöten. Während seiner Haft wurde ihm eine Kapuze übergezogen, er wurde am Schlafen gehindert und großer Hitze und Kälte ausgesetzt. Kaltes Wasser wurde über seinen Körper und seine Kapuze gegossen."

Der junge Mann wurde als "gut gebaut und gut genährt" beschrieben, als 1,83 Meter groß und 83 kg schwer. Er starb nach dreitägiger Folter. Die beschriebenen Techniken - Kapuze, Schlafentzug und eine Art Waterboarding - sind nach den Genfer Konventionen verboten. Die Verantwortlichen für seinen Tod sind eines Kriegsverbrechens schuldig.

Die ACLU hob noch einen anderen Fall hervor, bei dem ein Sergeant einen Raum betrat, in dem ein verwundeter Gefangener auf dem Boden lag. "Er griff ihn an und erschoss ihn dann mit zwei Schüssen." Der Sergeant befahl anderen Soldaten, die dabei waren, über den Mord zu lügen. Ein weiterer Soldat, ein Korporal, schoss der Leiche anschließend noch einmal in den Kopf.

Einer Zusammenfassung der Dokumente auf CNN zufolge waren bei 43 der Todesfälle amerikanische Soldaten die Verdächtigen. Die übrigen gingen auf natürliche Ursachen, Angriffe auf amerikanische Gefängnisse von außen oder Kämpfe zwischen Gefangenen zurück. In dreizehn Fällen wurde ein Anfangsverdacht gefunden, der eine Mordanklage rechtfertigte, und neunzehn Amerikaner wurden für das eine oder andere Vergehen verurteilt.

Die ACLU berichtet, dass mehr als ein Viertel der Todesfälle auf Herzprobleme zurückzuführen waren, obwohl die meisten Gefangenen bei ihrer Festnahme gesund zu sein schienen. In ausgesprochen zurückhaltender Ausdrucksweise erklärt die Organisation: "Das wirft potentiell ernste Fragen über die Haft- und Verhörbedingungen der Häftlinge auf."

Oberstleutnant Tanya Bradsher, Sprecherin des Pentagon, sagte der Presse: "Die Tatsache, dass so viele Autopsie- und Untersuchungsberichte existieren, zeigt die Ernsthaftigkeit, mit der das Ministerium seine Verantwortung für die Behandlung von Gefangenen und die Verantwortlichkeit wahrnimmt." Nach dieser bemerkenswerten Logik sind 190 tote Häftlinge nicht ein Beleg für die Brutalität des amerikanischen Imperialismus, sondern für seine humanitäre Ader.

Genauso bemerkenswert ist die Reaktion der amerikanischen Medien. Bis Sonntagnachmittag ergab eine Google-Suche nur sechs Treffer für den ACLU-Bericht, von denen drei beim englischsprachigen Dienst des iranischen Fernsehens waren. Das Material wurde weder in der New York Times noch in der Washington Post erwähnt, noch auf einem der Fernsehkanäle, mit Ausnahme von CNN.

Die ACLU veröffentlichte die Dokumente einen Tag, nachdem ein Bundesberufungsgericht entschieden hatte, das Urteil eines niederen Gerichts nicht zu beanstanden. Dieses Gericht erlaubte der Obama-Regierung, die Niederschriften von Aussagen von CIA-Gefangenen, die jetzt in Guantánamo Bay einsitzen, weiterhin unter Verschluss zu halten. In den Niederschriften beschreiben die Gefangenen ihre Folter und Misshandlung in CIA-Gefangenschaft.

Diesen Gefangenen werden ihre eigenen Aussagen vor den Combatant Status Review Tribunals vorenthalten, d.h. dem Ausschuss, der ihren Status als "feindlicher Kämpfer" überprüft. Die Gerichte lehnen die Genehmigung von Anträgen auf Grundlage des gleichen Informationsfreiheitsgesetzes ab, auf dessen Grundlage die ACLU die Autopsieberichte erhalten hat.

Die von der ACLU öffentlich gemachten Dokumente sind eine vernichtende Entlarvung der blutigen Rolle des amerikanischen Imperialismus in Afghanistan, dem Irak und anderswo auf der Welt. Sie verdienen weiteres, sorgfältiges Studium und Analyse. Zusammen mit den Hunderttausenden von WikiLeaks veröffentlichten Dokumenten geben sie die faktische Basis ab, auf der die Führer der amerikanischen Regierung wegen Kriegsverbrechen angeklagt werden können.

Bush, Cheney & Co, ihre Nachfolger Obama und Biden, sowie alle hohen militärischen und außenpolitischen Vertreter beider Regierungen haben sich der schwersten Verbrechen gegen die Menschheit schuldig gemacht. Sie verdienen alle, vor ein internationales Kriegsverbrechertribunal gestellt zu werden.


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Quelle:
World Socialist Web Site, 26.01.2011
Mehr Beweise für amerikanische Kriegsverbrechen
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veröffentlicht im Schattenblick zum 27. Januar 2011