Schattenblick →INFOPOOL →MEDIEN → ALTERNATIV-PRESSE

GLEICHHEIT/2973: Griechenland - "Linke" unterstützen Gewerkschaften bei Verrat des Kampfs gegen PASOK


World Socialist Web Site
Herausgegeben vom Internationalen Komitee der Vierten Internationale

Griechenland:
"Linke" unterstützen Gewerkschaften bei Verrat des Kampfs gegen PASOK

Von Robert Stevens und Markus Salzmann
19. März 2010
aus dem Englischen (18. März 2010)


Die Massenbewegung griechischer Arbeiter gegen das sechzehn Milliarden Euro Sparpaket von PASOK wird von den Gewerkschaften in Grund und Boden gefahren. Die beiden großen Gewerkschaftsverbände für die Privatwirtschaft (GSEE) und den öffentlichen Dienst (ADEDY) lähmen die Opposition gegen die Regierung. Am Ende werden sie die Kürzungen unvermeidlich unterstützen - solange sie nur "fair" sind.

Am Dienstag sollten eigentlich alle Beschäftigten des öffentlichen Dienstes streiken, aber heraus kamen ein paar isolierte Streiks und Proteste.

ADEDY hat für den Abend des 23. März zu einer nicht näher definierten Protestkundgebung aufgerufen und erklärt, dass über weitere Streiks "entweder vor oder nach Ostern" erst im weiteren Verlauf des Monats entschieden werde. Die GSEE beantwortet die zunehmenden Proteste und das in Kraft treten der ersten Sparmaßnahmen mit einem nationalistischen Konsumentenboykott anstatt mit Streiks. Die GSEE, die gerade ihren Gewerkschaftstag abhält, konzentriert ihre Energien auf eine "Kauft-griechisch"-Kampagne.

Am Dienstag und Mittwoch streikten die Beschäftigten des staatlichen Stromversorgers DEH für 48 Stunden. Aber die Gewerkschaft GENOP beschränkte die Aktion darauf, sieben Anlagen für ein paar Stunden abzuschalten. Gewerkschaftschef Nikos Photopoulos betonte: "Wir wollen nicht, dass auch nur eine Glühbirne dunkel bleibt. Ein Sprecher von GENOP erklärte gegenüber der World Socialist Web Site, dass sie nach einem Treffen mit dem Energieminister entscheiden würden, ob der Streik fortgesetzt werde, oder nicht.

Es wird alles getan, um den griechischen Arbeitern ein Gefühl trügerischer Sicherheit zu vermitteln. Am Montag stufte die Kreditrating-Agentur Standard & Poors (S&P) den Status Griechenlands leicht auf BBB-plus hoch, und am Dienstag sagten die Finanzminister der Europäischen Union dem Sparprogramm PASOKs ihre Unterstützung zu und versprachen finanzielle Nothilfe, falls Griechenland darum bitten sollte.

In Wirklichkeit bedeuten beide Ankündigungen nichts Gutes. Erstens laufen beide auf eine Unterstützung der Angriffe von Ministerpräsident Giorgos Papandreou auf Arbeitsplätze, Löhne und Sozialleistungen hinaus. Außerdem sind sie jeweils an strenge Bedingungen geknüpft. S&P warnt nach wie vor, dass die griechische Wirtschaft "mittelfristig viel schwächer wachsen könnte, als angenommen". Das ist ein Zeichen dafür, dass die Finanzinstitute mit dem Umfang der Angriffe auf die arbeitende Bevölkerung immer noch nicht zufrieden sind.

Der Kreditanalyst Gary Jenkins von Evolution Securities äußerte sich über den Schritt von S&P im Guardian. Er schrieb: "Das war der wohl negativste positive Kommentar, den ich je gehört habe." Jenkins fügte hinzu: "Das liest sich so, als ob S&P nicht den Schwarzen Peter dafür haben will, die Lage verschlimmert zu haben, aber sie wollen sich doch deutlich genug negativ geäußert haben, um dann, wenn es in der Zukunft doch alles ganz schlimm kommt, auf ihre Äußerung hinweisen und sagen zu können 'wir haben euch gewarnt'."

Die europäischen Finanzminister haben sich in Wirklichkeit nicht auf konkrete Maßnahmen zur Unterstützung Griechenlands einigen können, und betonten stattdessen, dass PASOK ja nicht um Geld gebeten habe. Die spanische Wirtschaftsministerin Elena Salgado sagte zur Presse: "Griechenland braucht im Moment keine Hilfe. Es hat um keine Finanzhilfe gebeten. Deswegen haben wir gestern lediglich über technische Frage gesprochen, um ein Instrument an der Hand zu haben, wenn es benötigt wird."

Die Irish Times überschrieb ihren Bericht mit "Brüssel bietet Griechenland das Streckbett anstelle des Nagelbretts.

Unter diesen Umständen können die Kürzungsmaßnahmen von PASOK nur die erste Welle von Angriffen sein. Papandreou plant, das Haushaltsdefizit dieses Jahr von 12,7 Prozent des Bruttoinlandsprodukts auf 8,7 Prozent zu senken. Um das Defizit bis 2012 auf drei Prozent zu senken, muss er in den nächsten beiden Jahren weitere Kürzungen im Umfang von mehreren Dutzend Milliarden Euro verhängen.

Die Forderungen an die Arbeiterklasse, weitere schmerzhafte Einschnitte zu akzeptieren, werden nicht nachlassen. Harvard Professor Martin Feldstein, ein ehemaliger Berater von US-Präsident Ronald Reagan, sagte am Samstag, wenn Griechenland die Maßnahmen nicht umsetze, müsse es die Eurozone verlassen. Feldstein sagte: "Die Vorstellung, dass Griechenland von einem Defizit von zwölf Prozent innerhalb von zwei Jahren zu einem drei Prozent Defizit kommt, erscheint phantastisch. Die Alternativen wären entweder ein Staatsbankrott oder die Eurozone zu verlassen, oder beides."

In der Financial Times äußerte sich Richard Batty, Direktor für strategische Investitionen bei Standard Life Investments, zum prekären Zustand der griechischen Wirtschaft: "Schaffen es die Griechen, ihren Haushalt in Ordnung zu bringen? Das ist völlig offen, besonders weil die Wirtschaft wahrscheinlich viel stärker schrumpfen wird, als angenommen, und das Land überhöhte Zinsen auf den Kapitalmärkten bezahlen muss."

Eine entscheidende Rolle bei der Durchsetzung der Angriffe PASOKs spielen die pseudolinken Gruppen wie SYRIZA (Koalition der Radikalen Linken), Antarsya (Kooperation der Antikapitalistischen Linken für den Umsturz) und die stalinistische Kommunistische Partei Griechenlands (KKE). Sie tun sich als Jubeltruppe für die Gewerkschaftsbürokratie hervor und bejubeln deren eintägige Streiks als Beweis dafür, dass die Gewerkschaften die Interessen der Arbeiter vertreten.

Der Vorsitzende von SYRIZA, Alexis Tsipras, sagte vor kurzem im Europäischen Parlament, dass die "neoliberale Politik der letzten beiden griechischen Regierungen uns in eine soziale Katastrophe hineinreitet."

Er riet, ein langfristigeres Modell für die Durchsetzung der Kürzungen zu verfolgen, und erklärte: "Es ist Unsinn, das Defizit in so kurzer Zeit zu senken. Wir müssen eine linke Alternative mit mittelfristigen Veränderungen entwickeln, die nicht 20-prozentige Lohnsenkungen, die Erhöhung indirekter Steuern und die Ausdünnung des Sozialsystems vorsehen, die den sozialen Frieden in Griechenland massiv bedrohen."

Am Montag rief SYRIZA zur Einheit "aller linken Kräfte, radikalen Umweltschützer und PASOK-Anhänger auf, die mit der Politik ihrer Partei und der Regierung nicht übereinstimmen". Dieser Schachzug soll ihre Weigerung legitimieren, im Namen einer angeblichen "Einheit aller Linken" keinen Kampf gegen PASOK zu führen.

Die verschiedenen ehemals linken Gruppen, die in Antarsya organisiert sind, sind die zweite Verteidigungslinie der Regierung. Sie posieren als linke Alternative zu SYRIZA und betonen gleichzeitig, dass die wichtigste Aufgabe sei, "linke" Bündnisse zu schmieden. Das bringt sie in direkte Nachbarschaft zur PASOK.

Genauso wichtig ist, dass beide Gruppierungen fest mit dem Gewerkschaftsapparat verbunden sind und sich alle Mühe geben zu rechtfertigen, warum sie die Opposition gegen die Regierung abwürgen.

Eine Kundgebung am Dienstagabend in Athen war angeblich ADEDYs zentrale Aktivität an diesem Tag. Aber auf der Kundgebung waren fast ausschließlich Mitglieder und Sympathisanten von SYRIZA, Antarsya und der Jugendbewegung der KKE anzutreffen.

Ein Mitglied der Socialist Workers Party Griechenland (SEK), die auch bei Antarsya mitarbeitet, sagte einem WSWS-Reporter, dass die Demonstration durchgeführt worden sei, um von den Gewerkschaften weitere Streiks zu fordern. Auf Nachfrage, warum es denn nicht zu mehr Streiks gekommen sei, betonte er, dass ADEDY diese Woche nicht streike, weil sie vergangene Woche schon gemeinsam mit GSEE gestreikt habe. Zur GSEE sagte er, sie hätten wohl deshalb seit letzter Woche zu keinen Aktionen mehr aufgerufen, weil "sie diese Woche ihren Gewerkschaftstag haben".

In einem Interview mit dem Socialist Worker, der Zeitung der britischen Socialist Workers Party, erklärte der Herausgeber von Workers Solidarity, ihrer griechischen Zeitung, lapidar, dass der griechische Gewerkschaftsbund "nächste Woche seinen Gewerkschaftstag habe. Deswegen wird von dort demnächst wohl erstmal nichts kommen."

Er sagte, das sei jetzt ein "Wartespiel". Die Regierung "wartet auf Nachricht, dass die Europäische Union Griechenland Geld leiht" und die Arbeiter "warten, dass die Gewerkschaftsführer zu Potte kommen."

Die Gewerkschaftsführer haben sich aber schon längst entschieden. Indem sie passiv deren Recht zu führen akzeptiert, entwaffnet die ganze so genannte Linke die Arbeiterklasse und bereitet eine Niederlage vor.

Siehe auch:
Europäische Finanzminister uneins über
Bailout für Griechenland
(17. März 2010)
http://www.wsws.org/de/2010/mar2010/grie-m17.shtml


*


Bitte senden Sie Ihren Kommentar an: wsws@gleichheit.de!.

Copyright 1998-2010 World Socialist Web Site - Alle Rechte vorbehalten


*


Quelle:
World Socialist Web Site, 19.03.2010
Anhaltende Politische Krise:
Massenproteste in Thailands Hauptstadt
http://wsws.org/de/2010/mar2010/grie-m19.shtml
Deutschland: Partei für Soziale Gleichheit
Postfach 040144, 10061 Berlin
Tel.: (030) 30 87 24 40, Fax: (030) 30 87 26 20
E-Mail: info@gleichheit.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 20. März 2010